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Realitätsfernes Wunschdenken

Realitätsfernes Wunschdenken

Westliche „Friedensvorschläge“ zum Ukraine-Krieg erwecken den Eindruck, die Betreffenden lebten in einer Traumwelt.

Die „Friedensvorschläge“ von westlichen Gruppierungen strotzen vor guten Absichten. Die zentrale Botschaft, die von ihnen ausgeht, lautet ganz offensichtlich, dass der Anfang der Welt am 24. Februar 2022 stattfand. Vorher war nichts. So gut wie nichts. Dann begann wie ein Blitz aus diesem heiteren Himmel ein „Angriffskrieg“, und wie in einer „Friedenserklärung von Wien“ im Juni 2023 erklang weltweit die Forderung nach dem Einsatz der „Diplomatie“. (1) Ganz undiplomatisch stand der Schuldige fest.

Vergleichbare Voraussetzungen für einen Erfolg von „Verhandlungen“ fanden sich in dem „Aufruf: Frieden schaffen!“, der von Peter Brandt, Reiner Braun, Reiner Hoffmann und Michael Müller zur gleichen Zeit initiiert wurde. (2) Die Rede war von einer Fortsetzung der „positiven Erfahrungen der europäischen Entspannungspolitik (...), damit es schnell zu einem Ende des Krieges und zu einer neuen Friedens- und Sicherheitsarchitektur in Europa kommt“.

Zu den „Erfahrungen der europäischen Entspannungspolitik“ gehört, dass sie spätestens mit dem Krieg gegen Jugoslawien gescheitert ist. Man darf die Gründe dafür nicht zur Kenntnis nehmen, um sich zu dem Appell versteigen zu können: „Wir ermutigen den Bundeskanzler, zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen.“ Im Ernst?

Ein Politiker, der wie ein Hanswurst neben einem Mafia-Boss stehend sich die Ankündigung der Zerstörung einer für sein Land immens wichtigen Infrastruktur anhört und wie seine Kabinettskollegen offen mit Faschisten sympathisiert, soll für was gewonnen werden? Wer so etwas vorschlägt, hat seit der Annexion der DDR durch die BRD geschlafen und nicht mitbekommen, dass nach diesem Erfolg der „Entspannungspolitik“ die pompös angekündigte „Friedensdividende“ vor allem auf Betreiben der USA nie eingelöst wurde. (3) Deren in Folge betriebenen staatsterroristischen Aktivitäten charakterisierten zur Genüge die Dynamik in der aktuellen Konfrontation. Groteskerweise tauchen sie auch in dem neuesten „Friedensvorschlag“ nicht einmal andeutungsweise auf.

Frieden für den Westen

Brandt ist wieder dabei, diesmal mit Hans Joachim Funke, Ex-NATO-General Harald Kujat und dem ehemaligen Kohl-Berater und Vorsitzenden der NATO-Tagung mit dem drolligen Namen „Münchner Sicherheitskonferenz“, Horst Teltschik. (4) Sie halten fest, dass die Ukraine den Krieg niemals gewinnen kann, ebensowenig Russland. (5) Dass der Westen den Krieg nicht verhindern wollte, räumen sie ein. Nur kurz erwähnen sie den verfassungsrechtlichen Zustand der Ukraine, mit dem sie sich nicht befassen wollten, auch nicht mit „der sehr viel komplizierteren Vorgeschichte (...) des Krieges“.

Ganz „unkompliziert“ betrachtet, ist das reine Verdrängung.

Die „Vorgeschichte“ eines jeden Krieges ist entscheidend für seine Beurteilung. Die zugebilligte „Legitimität der bewaffneten Selbstverteidigung auf der Grundlage des Artikel 51 der Uno-Charta“ gilt a priori für beide Parteien – bis geklärt ist, wer „Angegriffener“ ist und wer „Angreifer“.

Wer das für zu „kompliziert“ hält, wehrt einfach jeden Gedanken über diesen nach Erstem und Zweitem Weltkrieg neuaufgelegten „Drang nach Osten“ ab. Ansonsten hätte er merken müssen, dass längst eine Grenze überschritten ist, an der es kein Zurück mit gutem Zureden und symbolischen Zugeständnissen geben wird.

Dafür, dass der Westen die Minsker Abkommen hat platzen lassen, den Krieg im Dezember/Januar 2021/22 nicht verhindern und im April 2022 nicht beenden wollte, gibt es nur eine Erklärung: Er wollte den Krieg. Er hat ihn bekommen und die Moskauer Befürchtungen zur Gänze bestätigt. Weiter hat er die Ukraine zerstören lassen, Russland nicht ruiniert, sondern in den eigenen Staaten tickende Zeitbomben angelegt und einen nach 500 Jahren westlicher Dominanz sich abzeichnenden Wandel der globalen Ordnung mitangestoßen. Kompliment! Gelungener kann ein Fehlschlag nicht ausfallen. Dem wäre Rechnung zu tragen, wovon in diesem „Friedenvorschlag“ nichts zu merken ist.

Statt dessen werden wir belehrt über die „Verantwortung des ‚kollektiven Westens’ und insbesondere der USA, den Kurs in Richtung Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zu setzen“. Die „Verantwortung des ‚kollektiven Westens’“ bestand in den letzten drei Jahrzehnten darin, gegenüber Russland eine hasserfüllte Atmosphäre geschaffen zu haben. In diesem verhetzten Klima wurden Russland riesige Opfer auferlegt. Ein solches Land soll dem „Frieden“ trauen? Ein Land, für das die Verhängung gigantischer Sanktionen, stumpf werdendes Schwert eines niedergehenden Imperiums, ein letzter Anstoß war für eine Umorientierung seiner Wirtschaft und globalen Beziehungen weg von einem betrügerischen, hysterischen, kaum noch zurechnungsfähigen Westen?

Russland hat seine Lektion gelernt und riecht Lösungen, die auf Zeitgewinn aus sind, fünf Kilometer gegen den Wind. Das größte Land der Erde mit seiner im Gegensatz zum westlichen Renten- und Schuldenkapitalismus zunehmend prosperierenden Wirtschaft hat vergleichsweise Zeit ohne Ende.

Was haben sich die Autoren gedacht, als sie „eine europäische Sicherheitsarchitektur“ ins Spiel brachten, „in der die geostrategische Lage der Ukraine keine Schlüsselrolle mehr für die geopolitische Rivalität der Vereinigten Staaten und Russlands spielt“?

Russland fordert seit Jahrzehnten Verhandlungen über eine „europäische Sicherheitsarchitektur“. Von „geopolitischer Rivalität der Vereinigten Staaten und Russlands“ zu sprechen, ist so, als registrierte man in einem Stall die „Rivalität“ zwischen dem Fuchs und den Hühnern. 8.000 km von ihrer Heimat entfernt bewaffnen US-Amerikaner ein paar Hundert Kilometer vor Moskau einen russophoben Mob bis an die Zähne, weisen die politisch erfolglosen Schritte gegen diesen Affront zurück und empören sich in weltweit bewunderter Selbstgerechtigkeit über den „russischen Angriffskrieg“.

Das ist noch kohärent verlogen. Nur noch grotesk ist die Ermahnung an „die Regierung in Kiew und die sie unterstützenden Staaten“, „die Erlangung eines gerechten und dauerhaften Friedens politisch zu befördern“. Wir haben nichts gelesen, was bislang nicht „gerecht“ war und nicht „dauerhaft“ sein konnte. Oder sollten wir einen auch russischen Anspruch auf die explizit nur der Ukraine zugestandene „Legitimität der bewaffneten Selbstverteidigung auf der Grundlage des Art. 51 der Uno-Charta“ sowie eine westliche Mitverantwortung für den Ausbruch des Krieges angedeutet bekommen haben?

Noch am 7. September 2023 hat der NATO-Generalsekretär sich damit gebrüstet, dass man Moskaus Verlangen einer Neutralität der Ukraine zur Vermeidung einer militärischen Reaktion Russlands „natürlich nicht“ nachgekommen sei. (6) Später haben die Kiew „unterstützenden Staaten“ ihre Marionette nicht nur bei Verhandlungen in Istanbul April 2022 nicht „unterstützt“, sondern ein mit größter Wahrscheinlichkeit von ukrainischen Faschisten verübtes Massaker in Butscha benützt, um den Krieg gegen die von einem ukrainischen Träger des „Friedenspreises [sic!] des Deutschen Buchhandels“ in seinem umjubeltem Nazi-Jargon als „Tiere“, „Unrat“ und in der „Hölle“ zu brennenden „Schweine“ apostrophierten Russen fortzusetzen.

Es klingt vornehmer, wenn Michael von der Schulenberg betont, dass „auch russische Sicherheitsinteressen[,] wie sie in Russlands Schreiben an die NATO und die USA vom 17. Dezember 2021 dargelegt wurden, berücksichtigt werden müssen“. Die Betonung, Putin sei „sehr wohl zu Verhandlungen bereit“, mutet an wie das Resultat zu vieler Selbstgespräche. Sie mögen das Äußerste sein, was aus NATO-Kreisen erwartet werden darf, bieten aber keine Grundlage dafür, dass es „auch im ureigensten Interesse der Staaten der EU sein [sollte], diesen Friedensvorschlag schnellstens aufzugreifen. Denn es wird die EU sein, die in diesem Krieg verliert“. (7)

Das wird sicher der Fall sein. Aber was soll das „ureigenste Interesse der EU“ sein? Ein von den realen Strebungen apartes Interesse, das hinter den von dominant gewordenen Gruppen jahrzehntelang gestalteten Entscheidungs-, Beeinflussungs- und Manipulationsprozessen gar nicht mehr ausgemacht werden kann? Weil sich am Ende den herrschenden Machtkreisen vorteilhafte Charakter-, Denk- und Mentalitätsstrukturen gebildet haben, die kaum Alternativen zu einer Politik zulassen, die nicht deren „ureigenstem Interesse“ folgen?

Es fällt offenbar schwer, mit offenen Augen, wie Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord empfahl, sich Notizen zu machen. Nicht „Fehler“ zu registrieren, sondern Mosaiksteinchen im Bild, das einer regimetreuen Öffentlichkeit oktroyiert wurde. Der Bruch des Michail Gorbatschow gegebenen Versprechens, mit der NATO nicht einmal auf das Gebiet der DDR vorzurücken, war kein „Fehler“. Er entsprach den „ureigensten Interessen“, des US-amerikanischen militärisch-industriell- finanzkapitalistischen Komplexes. Die Notwendigkeit seines Strebens nach Expansion wurde in der einen oder anderen Weise von den wichtigsten Parteien, großen „Instituten“, so gut wie sämtlichen Medien, dem Erziehungswesen in jeweils spezifisch rationalisierter Form verbreitet und beherrscht die öffentliche Diskussion.

In diesem dynamischen Bildungsprozess auch einer Nazi-Pogrom-Stimmung gegen Putin und die Russen entsteht wie von selbst die Forderung, dass Russland „ruiniert“ und „geschwächt“ werden müsse. Schwadroniert wird von „Werten“, die auf dem Spiel stünden, und für die wir in vorweggenommenem Einklang mit unserer „Ethikkommission“ andere sterben lassen. Hier liegt der Grund, weshalb der Krieg ausbrach und vom Westen weiter angefeuert wird.

In den westlichen Verlautbarungen hören wir nur von den Milliarden an „Hilfe“ einzelner Regierungen, vor allem der USA, oder der EU über eine zweckentfremdete „Friedensfazilität“. Das Licht der großen Kapital- und Finanzgesellschaften beziehungsweise -organisationen wird unter den Scheffel gestellt. Von der schwindelerregenden, unaufhaltsam steigenden Auslandsverschuldung des Vorpostens unserer „regelbasierten Werteordnung“ erfährt die Bevölkerung der G7-Staaten und ihrer Handvoll „Verbündeter“ ebenfalls nichts. Das ist nachvollziehbar, denn sie erfährt auch nichts von den Schönheiten westlicher „Werte“ in ihren eigenen Ländern. (8)

Die, mit Kurt Tucholsky zu sprechen, Quacksalbereien verdanken sich nicht der Sorge um die Unabhängigkeit der Ukraine, sondern der Panik um die Sicherheit milliardenschwerer Investitionen. In ihrem Interesse begann der Krieg, durfte nicht beendet werden und muss in einer mörderischen Vabanque-Strategie bis zum bitteren Ende ausgefochten werden. Das ist keine Idee der armen Soldaten, die durch den Fleischwolf gedreht werden. Sie ist Sofa- und Sesselhelden geschuldet, die um die tönernen Beine ihres luftigen Spekulationsmodells besorgt sind.

Die Zukunft eines parasitären Wirtschaftsmodells steht auf des Messers Schneide, würden sich Befürchtungen bezüglich gigantischer Zahlungsausfälle bei den Krediten an die Ukraine bewahrheiten.

Die einzige Hoffnung ist, dass sich ein für den Westen gesichtswahrender Ausweg finden lässt. Dazu dienen die diversen „Friedensvorschläge“. Doch ob es einem gefällt oder nicht: Sie kommen zu spät. Moskau hat es nicht nötig, sich auf Kompromisse einzulassen. Eine Politik, deren selbstmörderischer Charakter in die Geschichtsbücher eingehen wird, hat nicht nur Russland zu seiner überfälligen Umorientierung weg von Betrügern und Hochstaplern gezwungen.

Nach Zbigniew Brzezinski sind die vier Hauptziele hegemonialer Politik, Absprachen zwischen Vasallen zu verhindern, deren Abhängigkeit zu erhalten, ihre Tributpflicht sicherzustellen und einen Zusammenschluss sonstiger „Barbaren“ zu verhindern. Die ersten drei Ziele sind in einem Ausmaß erreicht worden, dass die dadurch bewirkte Instabilität der Planeten, die um den Fixstern zu kreisen haben, das ganze System ins Wanken zu bringen droht.

Beschleunigt wird dieser Prozess durch die auf das Zentrum selber zerstörerisch wirkenden Kosten einer Überdehnung militärischer Aktionen – und durch die „Barbaren“: Die Dynamik in der Entwicklung ihres Zusammenschlusses in Form von BRICS, BRI oder SCO muss in ihrem für den Westen, sofern er nicht kooperiert, subversiven Potential gesehen werden. Wenn der letzte Transatlantiker das Licht aus- und die Türe zumacht, wird auch er den Anfang vom Ende US-amerikanischer Dominanz festmachen an der Unfähigkeit des Imperiums, seinen Protektoraten einen wirtschaftlichen Vorteil zu bieten. Talleyrands Diplomaten hätten längst notiert, dass der Schaden bereits überhand genommen hat. (9)

Die nächsten Etappen des Krieges

Moskau wird abwarten, bis seine Kosten des mit relativ geringem Aufwand zu bewältigen Stellungskrieges den Nutzen der entsetzlichen Verlusten für die Ukraine und den Westen übersteigt. Das könnte der Fall sein, sollte uranhaltige Munition eingesetzt werden – was von makabrer Ironie wäre, denn sie brächte zurück, was Russland immer noch in großem Stil an die USA verkauft: Uran.

Weitere rote Linie wären der andauernde Beschuss des Donbass mit international geächteter, vom Westen gelieferter Streumunition, ein erneuter Angriff auf die Brücke von Kertsch sowie vor allem die Lieferung und der Einsatz weitreichender Marschflugkörper. Der innenpolitische Druck auf Putin und die weiter aufgeheizte Stimmung in Russland würde mit Sicherheit eine umfassendere Mobilmachung nach sich ziehen.

Eine Million Mann wären eine Belastung für Russland, die aber nichts wäre im Vergleich zu dem finanziellen Desaster, das der Westen mit der „Abschreibung“ seiner in die Ukraine investierten Phantastillionen Entenhausener Dimensionen erleiden würde. Von der sich verschärfenden Wirtschaftskrise, den gigantischen Schulden, dem politischen Scherbenhaufen inmitten globaler Neuorientierungen und den an die 15 Millionen rechtzeitig geflohener Ukrainer zu schweigen.

Vorläufiger Schlusspunkt des westlichen Vabanque-Spiels war die letzte Offensive gegen bestens aufgestellte Verteidigungslinien der russischen Armee, die wohl weiteren 90.000 Mann das Leben gekostet hat.

Insgesamt hat die Ukraine bislang höhere Verluste zu beklagen als die USA im Zweiten Weltkrieg, verfügt aber kaum über eigene Einnahmen, muss nicht nur bezüglich der militärischen Ausrüstung praktisch komplett versorgt werden von selber krisengeplagten Ländern und kann nur noch aus einem durch Emigration sowie Flucht reduzierten Bevölkerungsreservoir von allenfalls 20 Millionen Menschen schöpfen – Staatsangestellte und andere Kleptokraten, Frauen, Kinder sowie Alte inbegriffen.

Rückschläge sind unvermeidlich, wenn man den Gegner wie Abschaum behandelt. Wenn Du ihn schlagen willst, wussten schon die alten Griechen, musst Du ihn achten. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn der Westen Russland geachtet hätte, wäre er nicht Opfer einer destruktiven Politik geworden, vor der bedeutende Stimmen gerade in den USA wie der verstorbene Stephen Cohen oder John Mearsheimer, der Kalte-Kriegs-Theoretiker George Kennan oder die ehemaligen Botschafter in Moskau Jack Matlock und William Burns, später CIA-Chef, eindringlich gewarnt haben. Solange es in diesem Punkt zu keiner Einsicht kommt, wird es keinen Frieden geben.

Ohne die Bereitschaft des Westens, seine Feindseligkeit zu beenden, läuft auch für Caitlin Johnstone der Appell, Russland solle seine „Aggression“ einstellen, auf die Vorstellung hinaus, Russland hätte in seiner Sphäre die beherrschende Position des westlichen Imperiums zu akzeptieren. Das sei kein Ruf nach Frieden, sondern der Wunsch nach einem totalen Sieg Washingtons. (10)

Stoltenberg hat die Mitgliedschaft der Ukraine in seinem Bündnis angekündigt, wenn der Krieg zu Ende ist – der auf diese Weise, so viel ist absehbar, nur unterbrochen wäre. Der Westen gesteht mit anderen Worten ein, in diesem Konflikt über keine Ausstiegsstrategie zu verfügen. Im Klartext wird Moskau aufgefordert, das Kiewer Regime komplett zu beseitigen. In diesem von der westlichen Politik vorgegebenen Rahmen hätten sich Friedensvorschläge, die den Namen verdienen, zu bewegen. Ihn zu akzeptieren wird schwer fallen.

Nach Meinung von Douglas Macgregor regierten in Berlin inzwischen Leute, die „geistesgestört sind und genauso wenig Ahnung von der realen Welt haben wie die Leute, die uns [die USA] regieren“. (11) Dieser Zustand fiel nicht vom Himmel. Er ist das Ergebnis eines Vasallenstatus, der nach dem Ersten Weltkrieg mit der Abhängigkeit Deutschlands von US-Finanzzentren begann und 1945 mit der auch ganz gegenständlichen Besatzung fortgesetzt wurde. Momentan sehen wir lediglich, wie Schichten der Schminke abfallen.

Die Bedrückungen durch Preissteigerungen, niedrige Löhne, prekäre oder fehlende Arbeitsverhältnisse, Alters- und Kinderarmut, sich verschlechternde Gesundheitsversorgung sowie hohe Mieten werden begleitet durch ein Szenarium permanenter Panik, geschürt von der Propaganda über eine nichtexistente Pandemie, nichtvorhandene Großmachtträume eines in die Ecke getriebenen Nachbarn und eines die Menschheit vernichtenden CO2-Problems.

Für Martin Luther King war 1967 klar, dass die Bomben auf Vietnam am Ende bei ihnen zu Hause explodieren. Auch die Waffen an die Ukraine werden ihr Ziel nicht verfehlen. Alles läuft, wie Scott Ritter zum NATO-Gipfel in Vilnius im Juli 2023 bemerkte, hinaus auf den Tod einer Nation, die Auslöschung eines Kontinents und das Ende eines Europas, das schon lange jede Legitimität verloren hat. (12) Es ist schwer abzuschätzen, wie Deutschland und seine Nachbarn oder die zum Vollstrecker von transnationalen Konzernen verkommene EU auch personell die Periode hysterischer Durchhalteparolen überstehen werden. Für die Ukraine ist die Lage klarer.

Wolodomir Selenskij und seine Entourage aus Faschisten und sonstigen Herrsch- wie Bereicherungssüchtigen werden, wenn sie Glück haben, von ihren ausländischen Protektoren rechtzeitig ausgeflogen – hin zu ihren vorsorglich angelegten Fresströgen. Wenn’s schlechter läuft, werden sie abgeurteilt von ordentlichen Gerichten. Bei ganz viel Pech werden sie Nächten der langen Messer und kurzen Stricke zum Opfer fallen – möglich sogar auf Anordnung „höherer Mächte“, deren als notwendig erachteten Umorientierung sie, die Zeichen der Zeit nicht erkennend, im Wege stehen könnten.

Käme es anders, wäre es eine Überraschung wie das flugtaugliche Verkehrsflugzeug, das ein über einen Schrottplatz tobender Wirbelsturm zurückgelassen hat. Solche Zufälle ähneln der Logik von „Friedensvorschlägen“, die in keinem Fall von der Schulenburgs Schlussurteil verdient haben: „Wollen wir den Krieg in der Ukraine friedlich beenden, gibt es zu diesem Friedensvorschlag keine Alternativen.“

Wenn es keine Alternative gibt, dann zu einer bedingungslosen Niederlage des Westens mit seinen finanzkapitalistischen Zwängen, daraus folgenden geopolitischen Interessen und destruktiv-aggressiven Handlungsmustern.

Anders wird der Krieg nicht mit einem Frieden beendet werden. Es wird ein Frieden sein, der für den Westen mit einem gewaltigen Umdenken einhergehen muss oder eine, mit Kant zu sprechen, leere Idee bleibt.

Für Tacitus schufen die Herren des Römischen Imperiums „eine Wüste und nannten es Frieden“. Die westlich orientierten Vorschläge, ihn zu erreichen, lesen sich zumal vor dem Hintergrund klarer Analysen von Ritter, Macgregor oder Mearsheimer wie letzte Zuckungen in der geistigen Wüste, die das Imperium mit Gehirnwäsche, Meinungskontrolle und permanenter Beeinflussung hinterlassen hat.

Die Dominanz des Imperators zeigt sich noch in der Servilität von „progressiven“ Intellektuellen in seinen Provinzen. Man kann ihm nur zurufen: „Alles richtig gemacht!“ Wir sollten anfangen, nicht alles falsch zu machen. Dazu gehörte, sich nicht beeindrucken zu lassen von realitätsfernen Beschwörungsformeln, die weit davon entfernt sind, auf der Höhe einer gefährlichen Zeit zu sein.

Friedrich Engels erwähnte einen preußischen Leutnant, der in einen Laden ging, um einen Globus zu kaufen – nicht einen Erden- oder Himmelsglobus, sondern einen Globus von Preußen. Unsere Strategen eines „Friedens“, der auf den in ihrem einseitigen Blickfeld vorteilhaftesten Ausgang der Krise hinausläuft, scheinen einen Globus der G7-Staaten im Sinn zu haben, vielleicht noch mit den Niederlanden, Skandinavien und Australien. Doch dieser Globus ist ausverkauft.

Wer das realistische Modell der Welt ignoriert, liefert nur einen Beleg für die Irrelevanz „linker“ Positionen und ein gutes Abbild der gespenstischen Verfassung, in der sich Deutschland und ganz Europa befinden: Man führt Selbstgespräche, in dessen engem Rahmen sich die „Freiheit“ von Meinungen abzuspielen habe, und hat darüber hinaus nur „Friedensvorschläge“ zu artikulieren, die sich zu denen des Kiewer Regimes wie Schafspelze zu den darunter sich verbergenden Wölfen verhalten.


Quellen und Anmerkungen:

(1) siehe Final Draft Declaration 11. Juni 2023, abfang.org) 
https://abfang.org/wp-60db5-content/uploads/2023/06/International-Summit-for-Peace-in-Ukraine_FINAL-DECLARATION_11-6-23.pdf
(2) https://frieden-und-zukunft.de/2023-04-01_aufruf-frieden-schaffen
(3) siehe hierzu Michael Ewert, Waffenstillstand oder Frieden, Manova 29. Juni 2023 https://www.manova.news/artikel/waffenstillstand-oder-frieden; ähnlich Freer Huisken, Kritik der falschen Kriegskritik. Über fehlerhafte Vorstellungen vom deutschen Staat und dessen Friedenswillen, junge Welt 31. Juli 2023, https://www.jungewelt.de/artikel/455891.friedensfragen-kritik-der-falschen-kriegskritik.html
(4) siehe Michael von der Schulenburg, Ein deutscher Friedensvorschlag für die Ukraine, telepolis 19. September 2023, https://www.telepolis.de/features/Ein-deutscher-Friedensvorschlag-fuer-die-Ukraine-9308415.html?seite=all; der Aufruf findet sich auf telepolis, 2. September 2023, https://www.telepolis.de/features/Exit-Strategie-fuer-die-Ukraine-Gerechten-und-dauerhaften-Verhandlungsfrieden-erreichen-9292994.html?seite=all
(5) Siehe hierzu etwa Helmut Scheben, Im Osten nichts Neues. Unsere meinungsmachenden Medien geben sich der Wahnvorstellung hin, der Westen sei unbesiegbar, Globalbridge 20. September 2023, https://globalbridge.ch/im-osten-nichts-neues/
(6) siehe Branco Marcetic, Der „unprovozierte Krieg“: Wenn Stoltenberg und Co. die Wahrheit über die NATO-Erweiterung sagen, telepolis 23. September 2023, https://www.telepolis.de/features/Der-unprovozierte-Krieg-Wenn-Stoltenberg-und-Co-die-Wahrheit-ueber-die-Nato-Erweiterung-sagen-9314024.html?seite=all
(7) von der Schulenburg, Ein deutscher Friedensvorschlag für die Ukraine
(8) siehe Oakland Institute, Der Krieg macht die Ukraine zum Vasallenstaat des Westens. Die Ukraine kämpft für Unabhängigkeit. Doch die Gläubiger diktieren den Ausverkauf der Heimat. Oligarchen und Konzerne profitieren, INFOsperber 28. Juli 2023, https://www.infosperber.ch/wirtschaft/landwirtschaft/der-krieg-macht-die-ukraine-zum-vasallenstaat-des-westens/; kritisch zu diesem Artikel über den Bericht: Christian Müller, Ukraine: Wenn Kriegsursachen als Kriegsfolgen bezeichnet werden, Globalbridge 27. Juli 2023, https://globalbridge.ch/ukraine-wenn-kriegsursachen-als-kriegsfolgen-bezeichnet-werden/
(9) siehe hierzu die sehr informative Rezension von Glenn Diesens Buch „Russia’s Geoeconomic Strategy for a Greater Eurasia“ in Norbert Härings Blog Geld und mehr, 14. Oktober 2018, neu veröffentlicht 14. Juli 2022, https://norberthaering.de/buchtipps/eurasien/
(10) siehe Caitlin Johnstone, Get Ready for Ukraine War into the 2030s, Consortium News 23. September 2023, https://consortiumnews.com/2023/09/23/get-ready-for-a-ukraine-war-into-the-2030s/
(11) Douglas Macgregor: „Europa muss den Krieg in der Ukraine beenden”, transition news 19. September 2023, https://transition-news.org/douglas-macgregor-europa-muss-den-krieg-in-der-ukraine-beenden
(12) Scott Ritter, Requiem for NATO’s Nightmare, Consortium News 29. Juli 2023, https://consortiumnews.com/2023/07/28/scott-ritter-requiem-for-natos-nightmare/


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