Der weltweite Klimastreik vom 20. September war lediglich der Blitz, auf den der Donner in Form weltweiter Blockaden von Millionenstädten wie Berlin, Amsterdam, London, Madrid oder New York folgte. Ich selbst war vier Tage in Berlin hautnah am Set mit dabei, als bekannte Wahrzeichen in einer spektakulären Nacht-und-Nebel-Aktion blockiert wurden. Ich berichte also nicht vom Schreibtisch aus, sondern aus dem Herzen der Rebellion.
Im Vorfeld war ich zugegebenermaßen misstrauisch, wo denn die zu erwartenden medialen Kugeln bleiben, die sonst schlagartig und mit voller Wucht auf jede Bewegung einprasseln, die sich auch nur ansatzweise subversiv und entgegen elitärer Interessen gebärdet. Hier kommt wohl zum Tragen, was Gandhi — auf welchen sich die Bewegung XR auch bezieht — einst sagte:
„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“
Die deutschen Medien hüllten sich in Schweigen, bis XR Berlin blockierte und folglich nicht mehr ignoriert werden konnte. Bei der Betrachtung dieses medialen Angriffes sollen insbesondere die Aussagen dreier Kritiker beleuchtet werden, die sehr stark in den medialen Fokus gerückt wurden: Christian Lindner, Boris Palmer (die Grünen) und Jutta Ditfurth.
Bevor wir uns diesen dreien zuwenden beziehungsweise dem, was sie von sich gaben, kommen wir nicht umhin, darüber zu sprechen, wie die Medien in der Woche vom siebten bis zum elften Oktober berichteten, genauer gesagt, worüber sie berichteten.
All eyes on Halle
Was wird dem unbedarften Zeitungsleser am Sonntag, dem 13. Oktober, in Erinnerung bleiben, wenn er die vergangene Woche Revue passieren lässt? Die Blockade in Berlin? Oder nicht doch viel eher der Doppelmord in Halle? Natürlich Letzteres.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Jeder Tote ist eine Tragödie. Ohne Zweifel! Es ist jedoch bemerkenswert, wie unterschiedlich Tote in den Medien gewichtet werden. In derselben Woche werden schätzungsweise 30 Menschen — also 15 Mal mehr — im Straßenverkehr ums Leben gekommen sein. Natürlich handelte es sich in Halle um eine mutwillige Tötung. Aber ist die Ermordung zweier Menschen mit einer Schusswaffe wirklich so etwas Außergewöhnliches? Laut Statistik des BKA wurde letztes Jahr circa 3.800 Mal mit einer Schusswaffe gedroht, circa 4.500 Mal mit einer Schusswaffe geschossen, und ermordet wurden circa 2.500 Menschen. Geht man davon aus — dies ist aus der Statistik nicht ersichtlich –, dass ein beachtlicher Anteil durch eine Schusswaffe ermordet wurde, ist dies in all seiner Schrecklichkeit nichts Außergewöhnliches. Brisanz hat der Fall von Halle insbesondere deswegen — zu Recht — bekommen, weil die Tat antisemitisch intendiert war und auch noch an einem jüdischen Feiertag stattfand.
Nach offizieller Narration handelte es sich um einen Einzeltäter. Wie glaubhaft dies vor dem Hintergrund der Tatsache ist, dass sich rechte Netzwerke — die auch schon unlängst Polizei und Bundeswehr infiltriert haben — auf den „Tag X“ vorbereiten und Schusswaffen, Ätzkalk und Leichensäcke horten, kann sich jeder selber beantworten.
Wir wollen jetzt nicht nochmals die ganze NSU-Sache und die Verbindungen zwischen Verfassungsschutz und rechten Netzwerken durchdeklinieren, doch sollten wir aus diesen Fällen und auch aus dem Fall Anis Amri eine Lehre ziehen und berechtige Fragen stellen. Denn ein Schelm könnte es doch „praktisch“ nennen, dass die Berlin-Blockade medial von den Ereignissen in Halle überschattet wurde. Erneut wurde eine Debatte über rechte Gewalt aufgeworfen, die natürlich thematisiert und auf das Schärfste verurteilt werden muss. Aber mit solchen Debatten haben die politischen Führungsspitzen Erfahrung. Eine solche Debatte ist leichter zu handhaben als eine andauernde Debatte über das politische Totalversagen im Klimaschutz. Denn hier können die Politiker und Parteien Andere verurteilen — angesichts der Klimaproteste aber müssen sie sich selbst rechtfertigen.
Wem nützt also der Anschlag von Halle?
Welche Effekte zieht der Anschlag von Halle nach sich? Na, ganz einfach! Von Montag bis Mittwoch berichteten die Medien über die XR-Blockade von Berlin, aber seit Mittwoch — also bevor die vielen Aktionen erst richtig losgingen — berichten alle nur noch über Halle, und Extinction Rebellion wird vollends aus dem medialen Fokus gedrängt. Wie gesagt: Praktisch.
Aber auch vor Halle gab es bereits ersten medialen Gegenwind, welchen wir uns nun genauer ansehen wollen.
Bedenken first, Rebellion second
Wenn es um zivilen statt um marktradikalen Ungehorsam geht, hält es Christian Lindner wohl nicht mehr so mit der Freiheit. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur dpa äußerte er sich wie folgt:
„Über die extremen Forderungen zum Klimaschutz hinaus stellen Aktivisten der Gruppierung offen die Demokratie in Frage. (…) Wenn unsere Grundordnung in Zweifel gezogen wird, muss es egal sein, ob der Umsturz von rechts, links oder wegen des Klimas erfolgen soll. Klimaschutz ist keine Entschuldigung für Gewalt, die bei Blockaden ihren Ausgangspunkt nimmt (…) Klimaaktivisten und Grüne sollten sich von den antidemokratischen und teils totalitären Äußerungen aus dieser Gruppierung distanzieren.“
Nein, lieber Christian, die Aktivisten stellen die Demokratie nicht in Zweifel, sondern leben sie! Dieses untote Etwas, diese elektoral-repräsentative Scheindemokratie, die uns als der Mustertyp demokratischer Strukturen verkauft wird, reduziert die betroffenen Bürger in ihrer Partizipation auf das Bemalen eines Zettels mit zwei Kreuzen alle vier Jahre, um eine Partei und einen Kandidaten zu wählen, die an ihre eigenen Versprechungen rechtlich nicht gebunden sind. Das soll Demokratie sein? Da empfiehlt es sich, einmal zu betrachten, wie Demokratie bei XR organisiert wird:
Um Handlungsunfähigkeit zu verhindern, unterteilt sich XR in Ortsgruppen, diese wiederum in sogenannte „Aktions-“ oder Bezugsgruppen aus sechs bis acht Personen, die sich wiederum aus sogenannten „Buddy-Pärchen“ zusammensetzen. Sowohl die Ortsgruppen als auch Aktions-/Bezugsgruppen ernennen eines ihrer Mitglieder zu einem Delegierten — kurz „Deli“ –, der wiederum in „Plenars“ für Delegierte (kurz „Deli-Plenum“) entsendet wird. Dort wird nach Austausch unterschiedlicher Argumente mit einem ausgeklügelten Handzeichen-System schnell und effektiv abgestimmt. So geht Demokratie!
Richtig dreist ist Lindner, wenn er die Infragestellung der Grundordnung anprangert. Gehört Lindner nicht der Partei an, für die keine Aufweichung staatlicher Regularien genug ist, um der Zügellosigkeit der freien Wirtschaft ungehindert ihren Lauf zu lassen?
Ist die Privatisierung und die Steuererleichterung für Großverdiener keine Infragestellung der Grundordnung? Nicht falsch verstehen! Eine Grundordnung ist etwas verdammt Wichtiges, eine Schutzschicht, die die Bürger vor der Gier ausbeuterischer Unternehmer schützt. Doch diese Schicht wird mit jeder Reform dünner und dünner. Und wenn diese Grundordnung angetastet, um nicht zu sagen geschlagen wird, ist das für Lindner wohl kein Problem, solange es von der Chefetage großer Konzerne aus geschieht.
Lindner hat natürlich vollkommen recht, wenn er sagt, dass Klimaschutz keine Entschuldigung für Gewalt ist. Aber warum sagt er das im Kontext von XR? Eine zweiminütige Google-Recherche hätte ergeben, dass in Punkt neun der zehn XR-Prinzipien verankert ist, dass die gesamte Bewegung strikt zur Gewaltfreiheit aufruft! Oder ist das bloße Blockieren von empfindlichen Hauptverkehrsadern bereits ein Akt der Gewalt? Aber wenn das Gewalt ist, was sind dann die Abgase, die unter „normalen“ Umständen an eben diesen Verkehrsadern in die Luft geblasen werden? Was ist die Blechlawine im Zusammenhang mit den zahlreichen Verkehrstoten, die auch im Berufsverkehr zu beklagen sind?
Die Grünen gegen ein Grüne Bewegung
Wahrlich den Vogel abgeschossen hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer von den Grünen. Dass die Grünen schon lange keine Umweltpartei mehr sind, ist zwar offensichtlich, spiegelt sich allerdings nicht in den erschreckend hohen Wahlergebnissen wider. Oder vielleicht spiegeln die Wahlergebnisse schlicht das Bedürfnis nach kollektivem Greenwashing, um sich das Gewissen reinzuwaschen, um mit einem etwas grüneren, ökologischen Anstrich dem gleichen destruktiven Dolce Vita frönen zu können. Wie dem auch sei — die Grünen sind keine Umweltschutzpartei mehr. Die Grünen sind auch keine Friedenspartei mehr. Beides — Umwelt- beziehungsweise Mitweltschutz und Frieden — sind eigentlich symbiotisch miteinander verbunden. Aber das Grün des Umweltschutzes ist bei den Grünen längst dem Grün der Camouflage von Militäruniformen gewichen.
Dass die Grünen nun aber gegen eine Öko-Bewegung schießen, ist wirklich eine ganz neue Dimension und zeigt, dass es bei dieser abtrünnigen Partei nach unten in die tiefsten Abgründe keine Grenzen gibt.
Aber was genau hat Boris Palmer nun an XR auszusetzen? Waren dort dunkelhäutige Fahrradfahrer unterwegs? Sahen die deutschen Rebellen nicht deutsch genug aus? An und für sich ist es natürlich eine angenehme Abwechslung, wenn aus den Reihen der Grünen neben den unreflektierten, im humanistischen Gewand daherkommenden „Refugees-Welcome“-Chören eine kritische Stimme zur Migrationspolitik ertönt. Es würde Boris Palmer beinahe in einem sympathischen Licht erscheinen lassen. Aber eben nur beinahe. Denn sowohl Palmers Positionen zur Flüchtlingspolitik als auch die Kritik an XR haben gemein, dass sie einem einzigen Zweck dienen: der Systemerhaltung.
Bei der Migrationspolitik kritisiert Palmer lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen, also die Waffenexporte und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Das würde ja das System gefährden, und eben dieses System ist wohl sein Heiligtum. Aber eins nach dem anderen.
Es ist Montag, der 7. Oktober, 15.50 Uhr. Während wir Rebellen und Rebellinnen uns in Berlin bei den Blockaden den Arsch abfrieren, sitzt Palmer wohl gemütlich in Tübingen in einem beheizten Raum, vermutlich noch gesättigt von der schwäbischen Maultaschensuppe, die es zum Mittagessen gab, und teilt auf Facebook gegen eine Bewegung aus, die mit dem Rebellieren für eine lebenswerte Zukunft etwas realisiert, bei dem die Grünen nur noch mit Arbeitsverweigerung oder gar dem kompletten Gegenteil glänzen.
Auf Facebook postet Palmer einen Artikel der BILD (!) und schreibt:
„Ich glaube aber, man muss auch mit denjenigen streiten, die Sympathie für den Gedanken haben, das System lahm zu legen, weil es das Klima zerstört. Daher aus dieser Logik heraus gedacht:
Ja, es stimmt, seit drei Jahrzehnten versäumen es die Staaten der Welt (nicht nur die Demokratien, auch China, Saudi Arabien oder Russland), die Verbrennung fossiler Brennstoffe ernsthaft zu vermindern.
Ja, es stimmt, wir haben nicht mehr viel Zeit. Der Klimawandel bedroht zahlreiche Ökosysteme der Erde und besonders die Menschen, die sowieso nur das Nötigste zum Leben haben. Es muss sofort gehandelt werden und ganz entschieden umgesteuert.
Gerade weil das so ist, sind radikale Blockaden und Angriffe auf das „System“ das Dümmste, was man machen kann. Von diesem System hängt des Leben von vielen Milliarden Menschen ab. Wer es lahm legt, wird ein Massensterben vor allem bei den ärmeren Menschen auf dem Planeten auslösen.“
Nein, keine Satire! Das hat er so wirklich geschrieben! Es geht sogar noch weiter, aber dazu kommen wir später. Angriffe auf das System seien also dumm, weil von diesem System das Leben von Milliarden abhänge? Wie bitte? Dieses System lässt alle paar Sekunden Kinder verhungern und in den wohlhabenden Sphären die Menschen seelisch verwahrlosen! Dieses System, das System des neoliberal-ideologischen Raubtierkapitalismus, hat uns doch erst an den Rand der Ausrottung getrieben, wogegen XR sich nun zu rebellieren anschickt. Und das sei dämlich? Dämlich, dieses System lahm zu legen, weil es dann zu einem Massensterben kommen würde? Das Massensterben hat schon längst begonnen, es geschieht tagtäglich — wegen des Systems! Da braucht es nicht erst einen Angriff auf dieses System als Auslöser. Aber Palmer weiß es besser. Weiter schreibt er:
„Schlimmer noch, jetzt, da endlich genügend öffentliche Unterstützung für entschiedenes Handeln in vielen Ländern der Welt entstanden ist und die Politik sich daher auch endlich bewegt, unterminiert eine Rebellion alles, was Fridays for Future aufgebaut hat. Die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland will, das jetzt wirksame Klimaschutzpolitik gemacht wird. Aber noch mehr Menschen wollen, dass unsere Demokratie erhalten bleibt. Das Anliegen des Klimaschutzes wird diskreditiert, wenn es nun von Radikalen gekapert wird.
Wer jetzt Rebellion predigt, der ruiniert das Klima, weil wir handlungsunfähig werden und uns heillos zerstreiten. Wer jetzt Rebellion predigt, zerstört nicht das System, sondern die Chance, aktiven Klimaschutz voranzubringen. Wer jetzt Rebellion predigt, der sorgt dafür, dass das Klima garantiert kippt - gesellschaftlich und meteorologisch.“
XR unterminiert nicht, was Fridays for Future aufgebaut hat, sondern setzt dieses konsequent fort! Mir ist schon klar, dass man schreiende Schüler am Freitag besser verkraften kann als Menschen allen Alters, die an jedem Tag dazu bereit sind, Sand in das Getriebe des ach so tollen Systems zu streuen. Und XR zerstört sicherlich keine Demokratie in Deutschland. Dazu bräuchten wir ja erst einmal eine. Eine richtige. Keine Scheindemokratie. Aber das haben wir oben im Text ja schon dem Herrn Lindner erklärt.
Und wer nun Rebellion predigen würde, würde das Klima schädigen und dafür sorgen, dass die Akteure handlungsunfähig würden? Bitte? Das — abgeschwächte — Klimapaket ist doch die absolute Manifestierung der Handlungsunfähigkeit! Da ändert auch kein neues Klimapaket etwas, ja nicht einmal ein ganzes DHL-Logistikzentrum mit tausend Klimapaketen würde irgendetwas an dieser unvergleichlichen Katastrophe ändern. Wir brauchen für die Bewältigung der derzeitigen Lage dermaßen viel, so viele Pakete gibt es gar nicht!
Und das liegt — tut mir leid, lieber Herr Palmer — an diesem System! Da kann das vermeintliche Machtzentrum in Gestalt einer Regierung noch so viel Pakete ausspucken, sie werden die Wurzel dieser Tragödie nicht tangieren. Diese Wurzeln liegen nämlich weit, weit abseits der parlamentarischen Reichweite und würden — berührte man sie — die Verteilungsfrage aufwerfen. Und das darf sich ein Politiker, der wiedergewählt werden möchte, natürlich nicht erlauben.
Aber auf solche Gedanken kann man natürlich nicht kommen, wenn man die BILD liest. Palmer weiter:
„Protest ja. Rebellion nein.
Da lohnt sich heute die BILD. Schon wieder. Gestern für gesellschaftlichen Kompromiss, heute für Klimaschutz in der Demokratie. Man staunt.“
Ein Grüner, der die BILD liest? Ja, man staunt! In der Tat!
Protest ist also okay, Herr Palmer? Verständlich. Er trifft ja auch nur auf taube Ohren. Nicht so Rebellion, deren Ausdruck ziviler Ungehorsam ist. Das kann man nämlich nicht so einfach ignorieren, und wenn man die Staatsgewalt mit zu viel Elan einlaufen lässt, ist das ja fürs Image nicht gut, gell?
Und deswegen sagt Herr Palmer zur Rebellion „nein“. Und wer zur Rebellion „nein“ sagt, der sagt auch zu tiefgreifender Veränderung sowohl auf gesellschaftlicher Ebene als auch tief im Herzen der Menschen ebenfalls nein.
Und wer bei diesen Zeilen von Palmer schon auf die Palme gebracht wurde, sollte nicht denken, dass das schon alles war. Die geistig-ideologische Güllenfontäne Palmers scheint nach oben hin keine Grenzen zu kennen. Fast genau einen Tag später — vermutlich wieder nach einer köstlichen Mahlzeit, bestehend aus Maultaschensuppe — teilt Palmer den Tweet der Endgegnerin dieser medialen Schießerei — Jutta Ditfurth. Auf die kommen wir später noch zu sprechen. Aber hier noch ein letztes Mal der Erguss Palmers:
„Jutta Ditfurth versenkt Extinction Rebellion, dass es eine Freude ist.
Da tun sich neue Allianzen auf. Und weil jetzt wieder behauptet wird, das sei AfD und schade dem Klimaschutz: Besonders gefährlich ist es, ein edles Anliegen zu verabsolutieren und sich dadurch selbst zu ermächtigen. Deshalb dürfen wir auf keinen Fall zulassen, dass die Klimaschutzbewegung in ein Fahrwasser von Extremisten gerät. Rechtsstaat und Demokratie sind nicht verhandelbar. Punkt. Wer es anders will, kann ja in China den Klimaschutz durchsetzen.“
An der ersten Formulierung zeigt sich bereits, wie sehr der militaristische Sprachgebrauch bei den Grünen mittlerweile beheimatet ist. Jutta Ditfurth versenkt die XR also? So, wie man ein Schiff bei einer Schlacht auf hoher See versenkt? Hat sie etwa den Regenschauer per „Chemtrails“ bestellt, der die Rebellen und Rebellinnen in Berlin bis auf die Haut durchnässte?
Und ja, da tun sich Allianzen auf, die man vor kurzem noch für undenkbar gehalten hätte. Ditfurth auf einer Linie mit Oliver Janich, Rainer Rupp und Konsorten. Ehrenprinz Florian Kirner hat dies in seiner neuesten Tagesdosis zur Causa Ditfurth mit eben ihrem Kampfbegriff umschrieben: Querfront.
Bei einer Sache muss man Palmer aber recht geben, auch wenn er dies so nicht gemeint hat. Und zwar, dass die Klimaschutzbewegung nicht in das Fahrwasser der Extremisten geraten dürfe. Die Extremisten sind hierbei allerdings nicht die Rebellen, die Straßen und Plätze blockieren, „Die-ins“ Organisieren oder sich gar an Laternen anketten lassen. Nein, die Extremisten sind die Politiker, die auf extremistische Art und Weise einen Dreck für unsere Zukunft unternehmen, der Wirtschaft und den Banken nach dem Mund reden und uns mit Lippenbekenntnissen abspeisen. Extremistisches Lügen, Vertrösten und Brechen von Versprechen. Dafür stehen die Politiker. Alle. Egal, welcher Partei sie angehören. Das sind die wahren Extremisten!
Weiterhin möchte uns Palmer noch verklickern, dass Rechtsstaat und Demokratie nicht verhandelbar seien. Also da muss man sich schon wirklich fragen, was in der Maultaschensuppe drin war, dass man so einen verzerrten Blick auf die Realität hat. Von welchem Rechtsstaat spricht denn Herr Palmer? Etwa der Rechtsstaat, der vor seinem Regierungsgebäude eine Stele mit der Aufschrift des 20. Artikels des Grundgesetzes entfernen lässt, nachdem seine Bürger mit diesem die bereits vorhandenen 19 Stelen mit den ersten 19 Artikeln ergänzten, um an diesen zu erinnern?
Und was meint er damit, wenn er sagt, die Demokratie sei nicht verhandelbar? Ist es etwa nicht verhandelbar, dass diese Schein-Demokratie — in der einzig und allein jene eine Möglichkeit wirksamer Partizipation haben, die über genügend Scheine verfügen — zu einer echten Demokratie umgewandelt wird? Wohl möglich. Denn das, was eine Staatsform ausmacht, deren Machtausübung durch die Bürger erfolgt, wird zu Spottpreisen an die Privatwirtschaft verscherbelt. Die Gesundheitsversorgung, die Bildung, die Kultur, die Infrastruktur und natürlich alles, was dem Erhalt unserer Erde dient. Letztlich wird selbst die menschliche Würde ökonomischen Bewertungskriterien unterworfen. In einer solchen Demokratie ist der Rechtsstaat lediglich der Regulator für die Breite des Rahmens, innerhalb dessen es der Privatwirtschaft weniger Reicher gestattet ist, das gemeine Fußvolk auszubeuten.
Und während Palmer etwas als Demokratie und Rechtsstaat lobpreist, welches diesen Namen gar nicht verdient, kann er es nicht unterlassen, auf ökologischer Ebene einer vermeintlichen Antipode ans Bein zu pissen: China. Hach, ja! Da sind sie wieder! Die pöhsen Chinesen, die die Umwelt versauen und deren Städte verraucht sind wie eine Shisha-Bar. Aber ist dem so? Sind die jüngsten Entwicklungen im fernen Osten nicht bis in das beschauliche Schwabenländle vorgedrungen? Oder ignoriert Palmer hier ganz bewusst Fakten? Wer also unsere „Demokratie“ und unseren „Rechtsstaat“ als Verhandlungsmasse sieht — was beides ja de facto schon eine ist, auch wenn Palmer das anders sieht — solle also in China den Klimaschutz durchsetzen.
Nun, Herr Palmer, ich glaube, dafür brauchen die Chinesen keine Europäer! Weil die Chinesen das Thema Umweltschutz tausendmal besser beherrschen als wir Europäer. Mehr noch: Die Chinesen sind auf dem Gebiet des Umweltschutzes Pioniere! Dieser Umstand passt natürlich überhaupt nicht in das Weltbild eines Grünen-Politikers.
Bei den Grünen denkt man wohl noch immer, ein bisschen Fair-Trade-Kaffee hier, ein wenig Strohhalm-Verbot und Elektromobilität dort, und dann wäre die Erde gerettet. Deswegen ziehen wir doch mal einen direkten Vergleich zwischen China und Baden-Württemberg.
Baden-Württemberg ist die Heimat vieler Waffenschmieden. Das Militär ist einer der größten Umweltzerstörer der Welt. Baden-Württemberg ist außerdem die Heimat vieler Automarken der größten Drecksschleudern wie Mercedes oder Porsche. Baden-Württemberg bedeutet, alte Bäume für einen Bahnhof zu fällen, der niemals fertig wird, und friedliche Bürger, die dagegen protestieren, mit roher Polizeigewalt niederzuknüppeln oder ihnen gar die Augen herauszuschießen. Ja, rohe Polizeigewalt in Stuttgart! Nicht in Beijing!
Und nun zu China: Das Drecksschleuder-Reich der Mitte, welches die Prinzipien der „Ökologischen Zivilisation“ in der Verfassung verankert, dies bei seinen Projekten sowohl im In- als auch im Ausland praktiziert und seine Infrastruktur so umweltverträglich wie nur irgendwie möglich ausbaut. China nutzt sein Militär nicht, um irgendwelche völkerrechtswidrigen Kriege zu führen — Jugoslawien wird man den Grünen nie vergessen — sondern entsendet 60.000 Soldaten, um Bäume zu pflanzen. Und apropos Bäume pflanzen: Durchschnittlich werden pro Tag in China 110.000 Bäume gepflanzt. Also quasi jede Sekunde einer. Und in Deutschland wird stattdessen munter gefällt und gehäckselt, was das Zeug hält. Grüße an den Hambi an dieser Stelle.
Da kommt also dieser Boris Palmer aus einem Bundesland eines Staates, welcher als der deutsche Hort der Umweltzerstörung betrachtet werden kann, und deutet mit seinem Finger auf einen der ehemals größten Umweltsünder, welcher nach einem rasanten U-Turn zu einem Pionier der Umweltrettung wurde. Das ist, als würde ein SUV-Fahrer auf einen Radfahrer deuten und diesem vorwerfen, er sei ein Umweltsünder. Komplett dreist!
Boris, how dare you?!?
Wenn wir uns nun veranschaulichen, welchen realitätsfernen Blick Palmer auf China hat, kann man sich ungefähr ausmalen, von welcher Qualität seine Aussagen über XR sind. Man könnte es so zusammenfassen:
Alle, die das mit dem Mitweltschutz ernst nehmen, sind entweder skurril oder zu extremistisch, weil sie nicht auf Maßnahmen warten, die sowieso nicht kommen werden, und nicht bereit sind, Versprechungen zu schlucken, die letztlich doch nur in dem Sande verlaufen, der sich mit den Dürren auf dem ganzen Erdball verbreiten wird.
Der Ausruf von XR lautet: „Until we win“ und nicht „Until we win Wahlen“.
Ach Jutta, ach!
Ja da sieh mal einer an, welche alte Kanone in dieser Salve medialer Kugeln wieder aus den Untiefen des Kasernenkellers hervorgeholt wird. Die Ditfurth, Jutta! Die Fake-News-Jutta, die bereits 2014 zu den Mahnwachen-Zeiten diese Bewegung bar jeglicher Fakten mit maximaler Aufmerksamkeit als verschwörungstheoretisch und antiamerikanisch abstempelte. Und diese Jutta tritt nun wieder auf, agiert als Diffamierungsdirigentin für die sogenannten Leitmedien. Was sie sagt, ist Gesetz und wird von allen, wirklich allen ungeprüft übernommen.
Eigentlich hat Florian Kirner in seiner neuesten Tagesdosis schon alles gesagt, was es zu sagen gibt. Der Vollständigkeit halber will ich hier allerdings noch ein paar Worte über die Hetz-Jutta verlieren. Denn auch sie war mal bei den Grünen und betätigt sich nun kräftig dabei, eine echte grüne Bewegung zu diffammieren.
Ihr Erguss auf Twitter ist hierbei bedauernswerterweise eine Kaskade an Fake-News, die einfach nur Zeugnis dessen sind, dass es unserer Jutta von vornherein nur darum ging, die Bewegung anzugreifen, und dass sie es nicht einmal für nötig hielt, sich mit dieser auch nur ansatzweise faktenbasiert zu befassen. Kennt sie überhaupt die zehn Prinzipien von XR? Wenn sie sie kennen sollte, hat sie besseren Wissens Lügen verbreitet. Ohne das im Detail ausführen zu wollen — jeder, der sich mit XR befasst hat, weiß, dass die Worte Juttas schlicht gelogen sind.
Ganz entsetzt ist Jutta übrigens darüber, dass bei XR alle mitmachen können. Die Querfront-Alarmglocken klingeln wieder. Denn schließlich könnten auch Rechte bei dieser Bewegung mitmachen. Ja, könnten sie! Und zwar, weil der Rucksack ihrer rechten Ideologie nicht in den Türrahmen von XR passen würde. Bedeutet konkret, dass Rechte sich entscheiden müssten, ob sie ihre rechte Ideologie an der Garderobe abgeben und sich XR als Menschen anschließen oder aber, ob sie ihre rechte Ideologie beibehalten und dann aber nicht bei XR mitmachen können, weil diese „Werte“ mit denen von XR nicht kompatibel sind. Fremdenfeindlichkeit hat sich noch nie sonderlich gut mit Empathie, Respekt und Achtsamkeit vertragen.
Am Ende ihres langen Threads verweist Jutta noch darauf, dass XR niemals ein kritisches, rationales, linkes Projekt sein werde. Da kann man nur sagen: Gott sei Dank! Noch so einen Rohrkrepierer wie „Aufstehen — Die Sammlungsbewegung“, wo nur diskreditiert, aber nichts gemacht wird, können wir definitiv nicht gebrauchen! Und so ganz allgemein: Die uns erwartenden Naturkatastrophen — welche Jutta, ehemalige Grünen-Politikerin, schlicht als Weltuntergangshysterie abstempelt — machen keinen Unterschied zwischen links und rechts. Ein Hurrikan macht keinen Bogen um dich, weil du Karl Marx gelesen hast. Ein über die Deiche tretender Fluss spült sowohl die Rote Flora als auch irgendwelche Nazi-Stüberl weg. Die Dürre lässt allen Bauern die Ernte vertrocknen, ganz gleich, welche politische Einstellung sie haben.
Der mediale Gegenwind gibt XR recht
Woran erkennt man eine echte Bewegung? Genau: Daran, wie sie medial begleitet wird. Wird sie wohlwollend kommentiert und von den Leitmedien hofiert, kann man sich gewiss sein, dass die Ziele dieser Bewegung mit denen der Eliten — oder Teilen von ihnen — d‘accord gehen. Ziele der Eliten werden der Bevölkerung über solche Bewegungen als die ihren verkauft und das Volk demonstriert zu seinem eigenen Nachteil — Bespiel „Pulse of Europe“, euphemistische Propaganda für einen Demokratie-Totengräber. Wird eine Bewegung jedoch angegriffen, ist dies ein relativ zuverlässiger Indikator dafür, dass die subversiven Elemente derselben echt und authentisch sind.
XR nennt das Kind eben beim Namen: Kapitalismus, Kolonialismus und gesellschaftliche Traumatisierung. Das passt natürlich nicht in die schöne heile Konsumwelt, die mit dem Drehen weniger Stellschrauben erhalten bleiben kann.
Es passt nicht in das Konzept der Bemühungen, den Status quo zwanghaft aufrechtzuerhalten.
Wenn XR ganze Großstädte lahmlegt, kommt das alltägliche Leben teilweise oder gänzlich zum Erliegen und die Menschen müssen sich auseinandersetzen mit der sich anbahnenden Katastrophe. Alle Menschen. Nicht nur die Arbeitnehmer, die nicht mehr zur Arbeit kommen und über die ausschließlich gesprochen wird, sondern auch die Chefs, die es durch die Blockaden nicht mehr pünktlich in ihr Chef-Office schaffen. Denn mit öffentlichen Verkehrsmitteln werden diese werten Herren sicherlich nicht fahren. Das ist nun mal eine andere Dimension, als wenn Arbeitgeber an einem einzigen Freitag ein bisschen an der Gleitzeit rumschrauben, damit ihre Arbeiter mal ein wenig streiken können oder zumindest das Gefühl haben, dies zu tun, und Schüler — mal wieder — die Schule schwänzen. XR stört die Megamaschine, und deswegen wird die Bewegung auch von den Presseorganen derer, die von ihr abhängig sind, massiv attackiert.
Der Erfolg dürfte hierbei überschaubar bleiben — schließlich sind die XR-Aktionen wesentlich elektrisierender als die hingerotzten Zeilen von voneinander abschreibenden Konzern-Presse-Zeitungen, die — gemessen an ihren Absatzzahlen — so sehr vom Aussterben bedroht sind wie so manche Insekten-Art.
Beenden wir die Darstellung medialer Kugeln gegen die Rebellen der Jetztzeit frei nach den Worten von Felix Blume:
„Ihr könnt labern, eure Blätter geh'n bald sowieso pleite /
Zeitungen fallen nacheinander, so wie Dominosteine /
(unsere) Mission, sie geht weiter, denn (unsere) Horizontweite
Übersteigt eure Schreibtischhelden-Monitorbreite!“
Robert Fleischer, Dirk Pohlmann und Mathias Bröckers: Die Sache mit dem Klimawandel
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.