Am 24. März 2017 startete der Rubikon als Medium für die kritische Masse – und ich hatte keine Ahnung. Zahlreiche bekannte und weniger bekannte, aber ebenso motivierte AutorInnen begannen, Texte einzureichen und zu veröffentlichen; viele von ihnen bezeichne ich heute als Freunde. Doch für mich hatten sie damals alle eines gemeinsam: Ich kannte sie nicht!
In diesem Artikel möchte ich aus persönlicher Sicht schildern, wie ich auf den Rubikon aufmerksam wurde und was für mich den Reiz des Projektes ausmacht. Es kommt mir dabei weniger auf Zahlen und Daten an, sondern eher auf die menschlichen Erfahrungen, die ich in dieser Zeit gemacht habe. Und hierzu muss zunächst erwähnt werden, dass die Gründung des Rubikon ein Vorgang war, der wohl recht unbemerkt an mir vorbeigezogen wäre – wäre da nicht mein Vater gewesen.
Rubikon? Was ist das?
Eine Danksagung an meinen Dad würde diesen Rahmen sprengen, dabei muss man über ihn eigentlich nur wissen, dass er trotz seines Missmuts gegenüber dem physischen Altern im Innern ein herrlich Junggebliebener ist. Und daher rührte wohl auch seine Empfehlung, ich könne doch mal in dieses neue Medium reinlesen, den Rubikon. Ein wenig Zeit ließ ich mir, den rechten Moment abzupassen. Konzentration sollte gegeben sein, nichts zu tun wollte ich haben. In der nächsten Mathestunde war es dann so weit, der erste Artikel: Satire, aus Ullrich Mies‘ „Brechecke“. Das gefiel mir.
Zur gleichen Zeit schrieb ich einen Text über die Web-Serie der Bundeswehr „Die Rekruten“. Ursprünglich als bissiger YouTube-Kommentar geplant, merkte ich bald, dass der Beitrag dort nicht nur seine Wirkung, sondern auch die Zielgruppe verfehlen würde. Ich stellte ihn trotzdem fertig und saß fortan untätig auf ihm herum, bis mein Dad vorschlug, ich könne ihn ja an den Rubikon senden.
Ha, lustig!
„Niemals stellen die den online“, dachte ich in Gedanken an herkömmliche Redaktionsmaschinerien. „Da kann ich froh sein, wenn ich überhaupt eine Antwort kriege.“ Als Jugendlicher kommt man heute um diese Begriffe nicht herum: „Volontariat“, „Curriculum Vitae“, „Generation Praktikum“.
In der Schule geht es verstärkt um Erfolg im Arbeitsleben: Haste was, biste was. Aber dann will einen kaum jemand einstellen – jedenfalls nicht, wenn man für seine Arbeit eine angemessene monetäre Gegenleistung erwartet.
Es ergibt sich ein einschüchterndes Bild vom „Arbeitsmarkt“: Das einer geschlossenen, elitären, konkurrenzgetriebenen Gemeinschaft, welche jungen Leuten oft das Gefühl vermittelt: Versuch’s gar nicht erst, Du bist nicht gut genug!
Das ist ein Druck, der auf vielen Jugendlichen heutzutage lastet; Zukunftsängste sind auch in unserer „westlichen Wohlstandsgesellschaft“ ein ernstes Problem.
Ich jedenfalls konnte mir nicht vorstellen, dass der Beitrag eines dahergelaufenen Schülers mal eben in einem professionell auftretenden Magazin veröffentlicht werden würde – und wie ich heute weiß, ging es einigen der anderen JugendredakteurInnen ebenfalls so.
Aber ich habe meinen Artikel trotzdem eingesendet, zusammen mit einem anderthalbseitigen Text, Siezen inklusive, direkt an die Redaktion. Es ist eine exakte Zeitangabe, wenn ich schreibe, dass genau fünf Minuten später eine Antwort in meinem Posteingang ankam. Sehr freundlich wurde ich willkommen geheißen:
„Lieber Aaron, das ist großartig. Sowohl Thema als auch, dass Du auf uns zugehst.“
Das hatte ich nicht erwartet!
Wer ist dieser Wernicke?
Absender war ein gewisser Jens Wernicke; nie gehört. Ich klickte zur Kontaktseite des Rubikon, um mal nachzusehen. Erstaunt stellte ich fest, dass mir gerade der Gründer des Mediums eine Mail geschrieben hatte. Dafür gab es zwei Erklärungen: Entweder, die haben wenig Kohle, oder sie sind sehr herzlich. Vielleicht auch beides? Einigermaßen perplex schrieb ich eine geschwollene Dankesbekundung zurück; am nächsten Tag stand der Artikel auf der Startseite. Falls ich mal wieder einen Text habe, könne ich mich gerne melden, hieß es!
Gesagt, getan. Und daraufhin wurde mir ein weiterer Vorschlag unterbreitet: Die Einführung einer Jugendredaktion mit mir als Chefredakteur. Einmal mehr war ich über die Unkonventionalität beim Rubikon überrascht:
Welches etablierte Medium bietet jungen Leuten denn eine Plattform, und dann noch in Form eines eigenen Autonomiebereichs?
Die Jugendredaktion
Nachdem ich das Angebot dankend angenommen hatte, war die Jugendredaktion beschlossene Sache. Wir bekamen die Möglichkeit, ohne autoritäre Supervision Artikel zu Themen zu verfassen, die uns aufrichtig interessieren. Keine Themenvorgaben, keine Stilbeschränkungen. Uns wurde kein Rahmen des Sagbaren vorgehalten, im Gegenteil: „Seid frech“, hieß es, „und legt gerne noch eine Schippe drauf!“
Es sollte dabei nicht um den allseits belächelten Jugendjournalismus gehen, den man beispielsweise aus Schülerzeitungen kennt und der sich nur allzu oft, auch der fehlenden Erlaubnis zur Alternative wegen, in systemkonformen Trivialitäten ergießt. Nein, getreu dem Motto des gesamten Rubikon sollte sich hier die kritische Masse der Jugendlichen äußern können, die sich tiefgreifende Gedanken über politische wie gesellschaftliche Zusammenhänge machen und gewitzt genug sind, um diese elegant in Worte zu kleiden.
Und das funktioniert: Mittlerweile sind in der Jugendredaktion mehr als 30 Artikel erschienen und neue Beiträge sind immer willkommen. Wir sind eine junge Gruppe beherzter AutorInnen, die ein kritisches Auge auf aktuelle Geschehnisse werfen und mutig genug sind, ihre Beobachtungen unverblümt auszusprechen. Dafür bietet uns der Rubikon eine Plattform.
Damit wir aber nicht nur im stillen Kämmerlein am Computer sitzen, werden uns auch gemeinsame Fahrten und Treffen ermöglicht.
So waren wir im Dezember 2017 bei der Verleihung des Kölner Karlspreises an Ken Jebsen vor Ort in Berlin und berichteten darüber ausgesprochen differenziert – Anfahrts- und Verpflegungskosten übernahm der Rubikon.
Anfang dieses Jahres hatten wir die Chance, uns mit der mutigen Investigativjournalistin Karin Leukefeld zu treffen, einen Workshop zu veranstalten und ein Interview mit ihr zu führen. Und natürlich muss man wohl kaum dazusagen, dass hierüber auch eine gute Freundschaft innerhalb unserer Redaktion entstanden ist.
Was bedeutet der Rubikon für uns?
Es scheint heutzutage aus junger Perspektive unwahrscheinlich, einen Job auszuüben, der zum eigenen Ethos passt. Berufliche Erfüllung und eine gedankliche Heimat in der Arbeit zu finden, wünschen sich zwar viele, aber eine gute Bezahlung, ein moderner Arbeitsplatz und berufliches Prestige sind dann doch oft die besseren Argumente.
Beim Rubikon spielt all das keine große Rolle. Wir werden gerne angefeindet, haben kein schickes StartUp-Büro und sind auch nicht reich; man soll ja nicht lügen. Aber das, was uns an Materiellem fehlt, machen wir durch unsere Menschlichkeit wett.
Ich habe während meiner Zeit beim Rubikon nicht nur vieles dazu-, sondern auch einige inspirierende Menschen kennengelernt. Es ist ein motivierendes Umfeld, das gerade in den Zeiten politischer Tristesse eine angenehme und erfrischende Abwechslung darstellt. In diesem Medium werden viele Werte gelebt, aber vor allem ein ganz unmittelbarer ist präsent, den man in anderen Medien und Institutionen oftmals vermisst:
Ein fundamentaler Humanismus. Denn für friedensbewegte Menschen sollte das respektvolle, das achtsame Miteinander stets an erster Stelle stehen: Der Mensch wird am Du zum Ich, und wenn Du mir wertschätzend begegnest, dann prägt mich das auch.
Schlussendlich kann man sagen, dass wir uns beim Rubikon nicht verstellen müssen. Wir sind zwar keine ausgebildeten Journalisten, dafür aber auch keine eingebildeten.
Die Jugendredaktion ist nicht aus Imagegründen entstanden, obwohl die Friedensbewegung junge Aktivisten dringend nötig hat. Nein, wie der Rubikon selbst sind auch wir eine Stimme, die dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet ist.
Diese Redaktion ist aus uns selbst erwachsen. Und ich freue mich über jeden, der mit uns wachsen will!
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