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Grenzen des Verständnisses

Grenzen des Verständnisses

Es ist gut, sich in einem Konflikt wie jenem in Nahost in beide Seiten hineinzuversetzen — es gibt jedoch Handlungen, die nicht mehr zu rechtfertigen sind.

Eine Maxime meines Handelns ist, zu versuchen, meinen Gesprächspartner vor allem in Konfliktsituationen zu verstehen. Das gelingt mir mal besser, mal schlechter.

Und so verstehe ich, dass jedes Volk das Bedürfnis hat, in Frieden und Sicherheit zu leben.

Was ich jedoch nicht verstehe ist, wie ein Volk, vor allem die Politiker dieses Volkes angeblich für Frieden, Sicherheit und Demokratie kämpfen und dies auf Kosten der Freiheit, der Selbstbestimmung, der Gesundheit und des Friedens eines anderen Volkes tun können.

Ich verstehe auch, dass ein Volk, das das Schlimmste erlebt hat, was ihm widerfahren kann — Verfolgung, Existenzvernichtung, Massenmord, das Auslöschen ganzer Familien—, dass ein solches Volk verhindern möchte, dass es so etwas je wieder erlebt.

Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass dieses Volk oder besser die Politiker dieses Volkes nun, gute 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, dieses Leiden und diesen Horror, also Verfolgung, Existenzvernichtung, Massenmord, das Auslöschen ganzer Familien, einem anderen Volk antun können.

Ich verstehe, dass jeder für seine Kinder ein Leben in Sicherheit und Wohlstand aufbauen möchte.

Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass man dies um den Preis des Lebens, der Sicherheit und des Wohlstands anderer Kinder zu tun bereit ist.

Ich verstehe grundsätzlich das Konzept der Selbstverteidigung von Staaten.

Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass die Angriffe einer militärisch hochgerüsteten Besatzungsmacht gegen ein entrechtetes, unterdrücktes Volk als Selbstverteidigung bezeichnet werden, zumal diese sogenannte Selbstverteidigung in einen grausamen, erbarmungslosen Rachefeldzug ausartet, der jenseits jeder Verhältnismäßigkeit durchgeführt wird und straffrei bleibt.

Ich verstehe, dass Diplomatie kein einfacher Weg ist und dass es für Konflikte oft keine einfachen Lösungen gibt.

Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland palästinensischen Kindern, die aufgrund unvorstellbarer Verletzungen einer dringenden medizinischen und/oder plastisch-chirurgischen Behandlung bedürfen, die Einreise verweigert, obwohl die Operationen durchgeplant, das freiwillige medizinische Personal vorhanden, die Unterbringung geregelt und die Kosten gedeckt sind. Mehrere dieser Kinder sind aufgrund der verweigerten Einreise verstorben.

Ich verstehe, dass Geiseln und deren Angehörige traumatisiert sind und dass die Öffentlichkeit weltweit wünscht, dass die israelischen Geiseln frei gelassen werden.

Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass palästinensische Geiseln in den letzten 75 Jahren der Öffentlichkeit weltweit offenbar weniger wert waren als israelische Geiseln. Warum sonst ist nie die Rede von den Tausenden von Palästinensern, die Israel in den letzten 75 Jahren verschleppt, ohne Gerichtsverfahren jahrelang inhaftiert, gefoltert und ermordet hat?

Warum ist in den Mainstream-Medien nie die Rede von palästinensischen Kindern, die von Israelis verschleppt und inhaftiert werden — oft jahrelang, ohne dass deren Familie weiß, was mit ihnen gerade geschieht —, nur weil sie Steine gegen israelische Panzer geworfen haben? Warum hört man in den Mainstream-Medien nicht von palästinensischen Kindern, die angeschossen oder gar erschossen werden, weil sie sich dem Grenzzaun mehr als erlaubt genähert haben?

Ich stehe voll dahinter, dass Antisemitismus — wie jeder andere Rassismus — weder in Deutschland noch anderswo auf der Welt akzeptiert werden darf.

Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass jede Kritik an Israels Vorgehen als antisemitisch gebrandmarkt wird. Und dass selbst Juden, die gegen den Völkermord in Gaza überall auf der Welt auf die Straße gehen, Repressionen ausgesetzt sind — von Polizisten geschlagen und abgeführt, von Gegendemonstranten beschimpft und in den Medien verunglimpft werden.

Ich verstehe, dass Menschen in Deutschland aufgrund unserer Geschichte die Verpflichtung fühlen, dass Juden so etwas wie den Holocaust nie wieder erleben dürfen.

Was ich nicht verstehe ist, dass sie dafür in Kauf nehmen, dass ein anderes Volk gequält, gefoltert, ermordet, seiner Existenz beraubt, zum Hungertod verurteilt wird und ausgelöscht werden soll — und dass sich Deutschland so erneut eines Völkermordes schuldig macht.

Ich möchte verstehen, warum Menschen handeln, wie sie handeln. Ich kann jedoch nicht akzeptieren, wenn mit zweierlei Maß gemessen wird.

Und ich kann auch weder verstehen noch akzeptieren, dass Israel die Beschlüsse des Internationalen Gerichtshofes ignoriert und dabei straffrei bleibt und es nur wenige Länder gibt, die gegen dieses Verhalten aufbegehren. Deutschland mit seiner sogenannten „werteorientierten“ Außenpolitik gehört leider nicht zu diesen mutigen Ländern.

Auch kann ich weder verstehen noch akzeptieren, dass das Bekanntwerden schwerster, auch sexueller Misshandlungen eines Palästinensers durch israelische Soldaten zur Folge hat, dass Menschen tatsächlich dieses Vorgehen gegen Palästinenser verteidigen und gutheißen und die israelischen Soldaten zu Opfern machen. Das nennt man Täter-Opfer-Umkehr und ist an Bösartigkeit und Niedertracht kaum zu übertreffen.

Und schließlich kann ich weder verstehen noch akzeptieren, dass Deutschland dabei zusieht, wie sich dieser Völkermord zu einem Flächenbrand ausweitet, der unvorstellbares Leid über Jemen, den Libanon und Syrien bringen wird. Und Deutschland sieht nicht nur dabei zu, sondern facht das Feuer mit seinen Waffenlieferungen und der Weigerung, einzuschreiten, mit an.

Das verstehe ich nicht. Nie und nimmer werde ich das verstehen.


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