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Gelber Saft mit Löchern

Gelber Saft mit Löchern

Die Welt geht trotz allem weiter — auch für unsere Enkel und Urenkel.

Früher war die Welt richtig gut. Da hatten die Pferde viel größere Köpfe und die Kühe furzten weniger? Quark, ich empfand die Zeit nur als total gewöhnlich. Über Heute denke ich, es ist völlig irre. Es ging noch nie alt gegen jung, mehr um Unterschiede zwischen den Zeiten. Die wirklichen Konflikte haben mit Angst und Denken zu tun. Das Alter ist da egal.

Zuerst einige Erinnerungen, was mein Leben vor 50 Jahren ausmachte. Die Kinder gingen täglich raus an die frische Luft und tobten rum. Ihre Kumpels fanden sie im Wald auf Bäumen oder auf dem Bolzplatz. Es gab kein Smartphone, aber Bäume und Bolzplätze. Der Bolzplatz war eine Wiese fast ohne Gras, zwei Unterhemden markierten das Tor. Drei Ecken ergaben einen Elfmeter. Der Elfmeterpunkt war elf Kaffeebohnen weit vom Tor entfernt.

Opa erzählte vom Krieg, die andere Oma nicht. Denn ihr Mann war nicht zurückgekommen. Mutti erzählte selten vom Krieg und wenn, dann wie sie über die Blindgänger bei der Himmelhuppe gesprungen sind. Manchmal soll noch Phosphor rausgeflossen sein. Nur einmal erzählte sie von den Ausbombungen. Mitten beim Kacken runter von der Brille, hinab mit braunem Höschen in den Keller und dann, nach dem Treffer, weiter in den Keller des Nachbarhauses und von dort in den Nachbarkeller. Auf die Weise unter der ganzen Straße entlang bis zur Querstraße.
Krieg gab es nur in den Erinnerungen der Erwachsenen und dort, wo wir niemals hinkommen konnten. Das ist doch ein riesiger Unterschied! Krieg ist jetzt ständig und bald auch wieder hier.

Einkaufen war aufregend, zuerst Milch, Käse und Butter. Die Butter gab es auf Marken. Waren die alle, gab es keine Butter. Die Milch wurde in die mitgebrachte Kanne mit einer Kelle geschöpft. Quark gab es lose, der wurde in Papier gewickelt, genau wie der Honig. Der hieß so, war aber ein mit chemischem Aroma angereicherter Zuckerbrei. Dann in das Geschäft für Obst und Gemüse, im Laden baumelte eine einzelne, ungewöhnlich große Frucht an einem Strick von der Decke. Die wurde nie gekauft. Ich habe mal gefragt, was sie kosten würde und wie sie heißt. 20 Mark hätte ich für die Ananas bezahlen müssen. Sie blieb hängen.

Das Spannendste war die Zeit. Um 4 war Feierabend und um 6 waren alle Läden zu.

Ich durfte allein vom Kindergarten nach Hause gehen und musste manchmal meine kleine Schwester aus der Kinderkrippe abholen. Das war schön, ich war ja schon groß. Kindergärten gibt es in jedem Land der Welt heute noch. Meistens steht das auf deutsch dran. Nur in Deutschland gibt es sie nicht mehr, da heißen sie jetzt Kita.

Im Winter wurden die Straßen nicht vom Schnee geräumt, genau wie heute. Deswegen wurde mit Asche gestreut. Asche ist das, was übriggeblieben ist, wenn man es im Wohnzimmer wärmer als draußen haben wollte. Im Winter mussten die Kohlen eimerweise hoch in die Wohnung in den 5. Stock, genau 96 Stufen, getragen werden.
Einen Aufzug lernten wir beim Schulausflug in einem Kaufhaus der Stadt mit den 3 O's, Gohr-Morgs-Schdodt, kennen. Die Stadt heißt heute wieder Chemnitz. Nur für das Aufzugfahren waren wir in das Kaufhaus gegangen.

Aus allem wurde etwas gemacht, aus manchem sogar Bonbons. Die wurden auch in den „bösen“ Westen verkauft. Die Guten waren ja wir. Das kommt euch bekannt vor? Die Rollen sind gleich geblieben: Böse sind immer die anderen, die Guten sind immer wir.

Oma durfte nach Hamburg zu Besuch und brachte jedem Enkel ein Kilo Westbonbons mit. Ob die besser schmecken als unsere vom VEB Elbflorenz Dresden? Die aus dem Westen waren doppelt eingewickelt, auf der inneren Verpackung stand: Elbflorenz Dresden.

Selbst das Wetter, das damals noch kein Klima war, war besser als heute. Wir waren viel häufiger baden, als es heute möglich ist. Bei 30°C gab es in der Schule hitzefrei, im Sommer also fast jede Woche. Auch wenn ihr glauben sollt, dass die Erde jetzt brennen würde. Sie brennt nicht, ihr werdet verkaspert. Das war jetzt zurückhaltend formuliert, exakter wäre die Einbeziehung eines Körperteils gewesen. Schaut euch mal eine Wetterstation an. Neben dem zu beschattenden Standardfühler für die Temperatur in zwei Meter Höhe — wie seit 200 Jahren weltweit üblich — ragt auch ein zweiter direkt aus der Erde voll in die Sonne. Der Wetterdienst weiß, dessen Werte müssen Unsinn ergeben, baut aber da einen Fühler hin, warum wohl? Der Hinweis auf das Körperteil scheint sehr angebracht.

Wir hatten damals Musik, richtig mit Rhythmus, Text und Melodie, Bücher und Lachen über dich, mich und über die Unmasse von Witzen. Am besten waren die politischen, ständig gab es neue:

Das Flugzeug stürzt ab, es sind nur zwei Fallschirme für die drei da. Sagt Ulbricht: Leonid (Breschnew), du nimmst den ersten, weil die Sowjetunion für die Welt so wichtig ist. Er hilft ihm sogar, das Ding auf den Rücken zu schnallen, und Breschnew springt. Inzwischen hat Castro sich auch einen Fallschirm angelegt und fragt: „Walter, warum hast du verzichtet?“ „Habe ich nicht, ich habe Breschnew meine Aktentasche auf den Rücken geschnallt.“

Wir mussten nie auf die Liste der Zusatzstoffe starren. Was wir aßen, war fast ausschließlich natürlich. Cola und Hamburger gab es nicht, selten im Urlaub mal „gelben Saft mit Löchern“. Wie die Flüssigkeit heißt, wussten wir erst, nachdem wir lesen gelernt hatten. Fanta war es nicht, die gab es in dem Land nicht. Jetzt gibt es das Land nicht mehr, aber Fanta.

Bürgergeld und leistungsunabhängiges Grundeinkommen waren unbekannt, genau wie Obdachlose und Bettler. Die Papierkörbe waren für Rentner belanglos. Die ärmste Sau konnte sich damals vom eigenen Einkommen selbst ernähren, sogar Schnaps trinken.

Opa war der Beweis, lange arbeitslos, Wehrmacht, Rheinwiesenlager. Er hatte die kleinstmögliche Rente und immer eine Flasche Klaren im Kühlschrank — den sieht die Leber nicht!

Es war keine Demokratie. Denn es gab einen Volksentscheid über eine Verfassung, in die viele Vorschläge der Bevölkerung integriert worden waren. Das sind so viele Dinge, die es im besten Deutschland nie gab und nie geben wird.

Klar war damit, das konnte so nicht ewig weitergehen. Deshalb kam der erste Wessi an die Macht, und nachdem wir den Erich gestürzt hatten, kamen nur noch Wessis. Das war nicht das, wofür montags auf dem übervollen Ring in Leipzig demonstriert worden war.

Genug über die Vergangenheit. Ihr seid heute völlig zu Recht sauer auf eure fehlende Perspektive und das erbärmliche Dasein, das ihr habt. Playstation, E-Roller und die Wahl eines anderen Geschlechts waren damals unbekannt, aber dafür etwas anderes, und genau das ist es, was euch fehlt: Lebensfreude. Die ist für euch durch die vielen bequemen Ablenkungen viel schwerer zu entdecken als Jahre zuvor. Aber auch ihr könnt, zwar mit größerer Anstrengung, Lebensfreude empfinden. Meist wird gemeint, es wären die kleinen Dinge, an denen man sich erfreuen soll, so ein Quatsch. An kleinen Dingen kann man sich erfreuen, an großen noch viel mehr. Dazu bedarf es lediglich eigener Aktivität. Und was ist, wenn mal was schiefgehen könnte? Es geht immer etwas schief! Es gibt den GAU, größter anzunehmender Unfug. Das ist der, der immer stattfindet, heute wie früher.

Jammerlappen gab es ehedem keine — er wäre ja Persona non grata geworden. Hier unterscheiden sich die Zeiten, heute gibt es diese Sorte vor allem in den höchsten Ämtern: Huch, einer hat versucht, böse auf mein Social-Media-Profil schielen zu wollen. Da muss die Polizei hin und den vermeintlichen Schieler rigoros erniedrigen. Das mit Gesetzen kann der Schieler hinterher immer noch klären lassen, wenn er genug Zeit, Geld und Geduld hat und einsichtig ob seines Unrechtes ist.

Auch der damalige Staat ließ sich wenig gefallen. Gegen den Staat anzustinken war in, das fand sehr subtil statt. Es war so eine Art Befehlsverweigerung von 90 Prozent aller. Sowas findet heute nur vor dem Badspiegel oder gar nicht statt.

Was ist aus uns geworden? Es gab damals ein Wort dafür: Arschkriecherei. Klingt böse, ist dennoch richtig benannt. Apropos Prozente: Alkohol hatte seine gesellschaftstragende Rolle wie heute.

Heute ist es schwerer, nicht nur das Körpergewicht. Schwerer ist das Erkennen von physikalischen Zusammenhängen. Physik ist das Verstehen von natürlichen Ereignissen. Einfach zur Erklärung für die unter euch, die dieses Fach in der Schule abgewählt haben. Der Lehrer brachte uns Neues, wie Physik, bei. Vorurteile gab es genügend. Aber keine Frage, ob weiße Männer schlecht von Geburt aus oder Fis- und Gis- besser als CIS-Frauen seien. Alle waren fast gleich, sogar Leute, die eine andere Meinung hatten. Musik verbindet alle Töne, selbst Ukrainer und Russen. Ihr könnt über die Akzeptanz des Bösen beleidigt sein und mich canceln, aber so war es.

Im WWW wird uns ständig Hektik beigebracht. Wer? Typen mit ganz normalen Namen, Bill, Melissa oder Elon. Oder auch Ursula und Boris. Ihr Grundprinzip ist: Angst verhindert Denken. Gilt für sie selber auch. Manches Mal denke ich bei heutigen Massakern am Geist zurück an die „geschützten Männer“ von einem ganz anderen Robert. Die Angst konnte da noch überwunden werden, in der heutigen Zeit ist das kaum vorstellbar.

Toll war vieles früher auch bloß nicht. Die Doppelmoral gab es natürlich auch, seit Luther gibt es nicht zum Spaß das Wort vom öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein saufen. Der Unterschied scheint in der Anzahl der Heuchler zu liegen. Waren es in meiner Kindheit nur die aus einer gering zählenden Oberschicht, sind es heute viel mehr. Jeder kennt mehrere. Das liegt nicht an der Zeit, es ist wohl vor allem das Resultat der Globalisierung des Geldes.

Die deutsche Politik ist gern vorne dran. Vorbild für die Welt glaubt sie zu sein. Außer denen, die Minister spielen, glaubt das kaum ein Zweiter, mit Bestimmtheit keiner außerhalb deutscher Grenzen. Das heutige Land wird zügig dem damaligen in die gleiche Art von Tod folgen, eine unschöne Gemeinsamkeit. Das Land von damals ist nämlich seit Langem verreckt, gestorben an seinen Kardinalfehlern. Dennoch wird wieder gewählt, wie schon immer.

Was bleibt mir noch, euch mitzuteilen?

Besinnt euch auf Kultur! Werft nicht alles Überkommene über Bord. Eure Vorfahren waren nicht verantwortungslose Blödmänner, die euch ausschließlich und absichtlich Exkremente ihres Versagens hinterlassen haben. Ihr seid ihre Nachkommen.

Banale Strickmuster zum Erkennen des „Bösen“ sind in, aber gotterbärmlich albern und falsch. Aber seid gefälligst misstrauisch, vor allem gegen einfach erkennbare Richtigkeiten. Prüft sie selber, wem nützt dieser Spruch? „LTI — Lingua Tertii Imperii“ von Victor Klemperer war ein Buch über Sprachmissbrauch und ist es heute noch.

Macht Fehler, aber nicht den, Sofakartoffel zu sein.
Vergesst trotz aller Regenbögen nicht: Es gibt auch Gewitter. Ihr seid alle Frauen und Männer mit Gefühlen. Grüßt die Geschlechter Nr. 3 bis unendlich.

Und weil ihr nicht in der menschengemachten Klimakatastrophe sterben könnt — es gibt sie nicht —, wird die Menschheit auch weiterleben. Hat sie schon bei jeder Klimaänderung vermocht. Grönland heißt so, weil es grün war! Und das Eis wächst dort weiter.

Ihr seid nicht letzte Generation, auch die Urenkel eurer Urenkel werden leben und über meine und eure Zeit lachen. Da bin ich mir sehr sicher.


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