Die westliche Welt befindet sich im Lockdown. Als Antwort auf eine Pandemie wurde das ganze öffentliche Leben heruntergefahren, die Versorgung auf ein notwendiges Minimum beschränkt, die Bevölkerung mit Ausgangssperren und Kontaktverboten belegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Pandemie als real, oder als Fake betrachtet. Die Maßnahmen haben so oder so Folgen, die weitaus schlimmer sein könnten als das Virus selbst.
Denn im Kapitalismus sind Menschen abhängig vom Geld. Das wiederum erhalten sie nur, wenn sie sich den Zwängen der Lohnarbeit unterwerfen. Doch wo unterwerfen, wenn das Leben auf ein Minimum reduziert ist? Viele Betriebe und Konzerne haben ihre Tore geschlossen oder auf Kurzarbeit umgestellt. Das kulturelle Leben liegt brach, und damit ist auch für freischaffende Künstler die Einnahmequelle weggefallen. Viele Menschen bangen, ihre nächsten Monatsmieten bezahlen zu können.
So schlimm all diese Einzelschicksale sind, offenbart die derzeitige Situation vor allem die Absurdität des kapitalistischen Systems: Die Entscheidung darüber, ob und wie man leben darf, hängt von dem zur Verfügung stehenden Geld ab.
Quell dieses Geldes ist die Lohnarbeit, mit der man sich dem Kapitalisten verkauft, dessen Profite maximiert und im Gegenzug ein paar Brotkrumen hingeworfen bekommt. Gerät der Kapitalist jedoch selbst in Not, dann fallen selbst die Krumen ganz schnell weg. Das wird dann freier Markt genannt, ist aber nichts anderes als ein Ausbeutersystem ähnlich dem Feudalismus. Wir haben uns abhängig gemacht von den Almosen einiger weniger, die uns schon beim geringsten Anlass ihre „großzügigen Gaben“ verweigern.
Klassenkampf
Während also eine immer größer werdende Masse an Menschen nun zusehends in Armut versinkt, ziehen sich diejenigen, die es sich leisten können, auf ihre Landsitze zurück, um dort die Krise als einen verlängerten Urlaub abzuwarten. Nicht verwunderlich, dass dies beim Gros der Menschheit auf keine sonderliche Begeisterung stößt, zumal es auch noch durch einige sogenannte Stars medial inszeniert wird: So genoss Madonna ihr dekadentes Milchbad vor laufender Kamera und fabulierte über das Virus als „großen Gleichmacher“. Ebenso rief Pharrel Williams aus seiner Villa gerade jene Menschen, die kaum wissen, wie sie ihre nächste Miete zahlen sollen, dazu auf, an Krankenhäuser zu spenden. Wer hätte auch ahnen können, dass beides bei den Fans nicht gut ankommen würde?
Denn die Krankenhäuser wurden — ebenso wie viele andere Bereiche im sozialen Sektor — im Laufe der vergangenen Jahrzehnte unter dem ewigen Mantra der Wirtschaftlichkeit in private Hände überführt und dann zugrunde gespart. Die Investoren machten dabei gewaltige Gewinne auf Kosten der Kranken, Alten und Schwachen sowie der übrigen Bevölkerung. Eben jene sollen nun in dieser Krise dafür aufkommen, dass eine Versorgung gewährleistet werden kann? Warum bürdet man dies nicht den Eigentümerkonzernen auf, die ohnehin Milliarden zur Verfügung haben?
Stattdessen werden Milliardenpakete geschnürt, um ins Straucheln geratene Konzerne zu stützen, und diese gegen „feindliche Übernahmen“ aus dem Ausland zu schützen. Außerhalb der Krise verbittet sich die herrschende Ideologie jeden staatlichen Eingriff in den sogenannten freien Markt unter dem zur Stereotype verkommenen Vorwurf des „Sozialismus“. Mit derselben Argumentation wurde das Rentensystem geschleift, der Gesundheitssektor ebenso wie die Bildung und die Infrastruktur in diesem Lande zum Schaden des großen Teils der Bevölkerung kaputtgespart, aber immer zum Nutzen der wenigen Kapitalisten, die sich großzügig bereiterklärten, die Einrichtungen zu übernehmen.
Nun jedoch, da die Profite nicht mehr so sprudeln, wie man sich das erhofft hatte, wird nach Hilfe vom Staat geschrien. Hier wird „Sozialismus“ für eine ganz gewisse gesellschaftliche Klasse betrieben, während der Rest von uns gezwungen wird, sich im Konkurrenzkampf aufzureiben.
Auch die Rettung vor dem Virus wird in die Hände der Privaten gelegt. Pharmakonzernen soll unter die Arme gegriffen werden, Kapazitäten aufzubauen, um mögliche Gegenmittel für das Virus zu entwickeln — mit staatlicher Hilfe, versteht sich. Der hochgepriesene alles regelnde, heilige und allmächtige Markt scheint auf solche Situationen nicht eingestellt zu sein. Hier zeigt sich, wie wenig er tatsächlich zu regeln in der Lage ist. Das Einzige, was der Markt zuverlässig macht, ist die Umverteilung von unten nach oben. Dies geschieht auch in der Krise, denn die Milliarden an Hilfsgeldern versickern im Sumpf des Finanzsystems und helfen hauptsächlich den Konzernen, nicht aber den Menschen. Die dürfen nach wie vor sehen, wo sie bleiben.
So verkündet selbst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann seine Vermutung, dass nach der Krise die meisten Menschen ärmer sein werden. Hier wird deutlich, wer für die Kosten der Krise aufkommen soll: Es sind nicht jene, die sich seit Jahrzehnten an der Gesellschaft bedienen und die Taschen vollstopfen, sondern die Opfer des Systems, die genau unter diesem parasitären Verhalten leiden.
Doch auch im größeren Maßstab ist das System vollkommen unmenschlich und bietet nicht den Ansatz von Sicherheit. Kaum war die Pandemie medial verkündet, zogen die Menschen los und hamsterten Nudeln, Mehl, Hefe und aus unerfindlichen Gründen Klopapier. Das ist Ausdruck dafür, wie wenig Vertrauen die Menschen der Versorgungssicherheit des gegenwärtigen Systems entgegenbringen.
Und sie haben auch allen Grund zu diesem Misstrauen. Denn kurz nachdem China die Pforten zu Wuhan dichtmachte, kam es in Deutschland zu ersten Lieferengpässen. Man mag sich nicht vorstellen, das Virus hätte die Kornkammern des Westens in Asien und Afrika erreicht. Denn wir haben uns abhängig gemacht von Nahrungsmitteln, die irgendwo auf der Welt angebaut und dann zu uns transportiert werden, ebenso wie von den Industriegütern aus China. Das kann fatale Konsequenzen haben, wenn der Nachschub ausbleibt. Dann bliebe nur noch, den für das Schlachtvieh vorgesehenen Mais zu essen, der hier auf unendlich vielen Hektar angebaut wird.
Nebenbei hat dieses System der Abhängigkeit eine ökologische Zerstörung in Gang gesetzt, wie sie die Menschheit zuvor nie erlebte — garniert mit einem Klimawandel, der auch in Zeiten von Corona nicht einfach pausiert wie die menschliche Gesellschaft. Zudem führt es zur Ausbeutung von Menschen in anderen Ländern, die unsere Nahrungsmittel anbauen und im Gegenzug in Armut leben. Das gegenwärtige System ist damit zutiefst rassistisch. Dies zeigt sich besonders in der Krise. Mangels Impfstoff gegen das Coronavirus — einfach, weil sich die Entwicklung eines solchen in der Vergangenheit nicht rentiert hätte — diskutierten zwei Ärzte im französischen Fernsehen LCI über entsprechende Tests an Afrikanern.
Das wäre ein großes Experiment an Menschen, die in Kolonialherrenmanier schon immer als „minderwertig“ betrachtet und deshalb für geeignet angesehen werden, für unseren Wohlstand in ungesicherten Minen oder für unsere Versorgungssicherheit auf Plantagen zu schuften, ungeschützt mit Umweltgiften zu hantieren, und nun eben auch, unser Heilmittel zu testen. Das ist nichts anderes als der in den europäischen und nordamerikanischen Systemen tief verankerte Rassismus, der dem der Kapitalismus schon immer innewohnt.
Das System, in dem wir leben, ist also im höchsten Maße auf Ausbeutung ausgerichtet. Die überwiegende Mehrheit der Menschen legt es in die Ketten des Geldes sowie der Lohnarbeit und opfert sie im Zweifelsfall dem eigenen Profit.
Dass Menschen im Kapitalismus nicht mehr als Manövriermasse des Kapitals sind, hat die Coronakrise erneut bewiesen. So hat Mc Donalds seine derzeit nicht benötigten Angestellten einfach an Aldi „verliehen“, so wie man Gegenstände verleiht.
Zudem raubt uns das System jegliche Autonomie, indem es uns von globalen Lieferketten abhängig macht, die höchst anfällig für Störungen sind. Sowohl die Lohnarbeit als auch die Versorgungssicherheit hängen von diesem um die ganze Welt gespannten Netz ab. Bekommt es Löcher, so spüren die Menschen es augenblicklich einerseits durch Jobverlust und/oder andererseits durch leere Regale im Supermarkt.
Obwohl dieses System menschenverachtend und repressiv ist, den Menschen ihre Freiheit raubt und sie an die eigentlich Herrschenden bindet, ist es die viel gepriesene „Normalität“, zu der die meisten nun gar nicht schnell genug wieder zurückkehren können. Man will sich bei seiner eigenen Unterdrückung nicht durch einen Virus stören lassen. In Zeiten der Krise sehnt man sich nach der Stabilität zurück, die diese klaren Verhältnisse versprechen. Um die Rückkehr zu dieser Normalität zu beschleunigen, fügt man sich gehorsam in die autoritären Maßnahmen, die der Staat verordnet. Es ist ein Stück weit Gewohnheit, man hat sich durch Schule und Job doch längst daran gewöhnt, Befehlen widerspruchslos zu folgen. Zuweilen macht man sich sogar gemein mit der Faust, die einen niederdrückt, indem man jene denunziert, die sich nicht an die verordneten Kontaktsperren halten.
Dabei scheint den wenigsten der Gedanke zu kommen, wie unglaublich anmaßend es von diesem Staat ist, vorschreiben zu wollen, wem man sich wie wann und wo nähern darf oder mit welcher Begründung man sein Haus verlasse und mit welcher eben auch nicht.
Die Obrigkeitshörigkeit scheint den Menschen durch die gewohnten Abhängigkeitsverhältnisse längst in Fleisch und Blut übergegangen. Lieber nicht zu widersprechen, lernen sie schon in der Schule. Widerspruch bringt nur Nachteile: schlechte Noten etwa, oder den Verlust des Jobs. Nun bringt er überdies noch staatliche Repressionen.
Aber die sind nur die Fortsetzung des Allbekannten mit anderen Mitteln. Wer also in Zeiten der Coronakrise vor dem Aufstieg eines neuen Faschismus warnt, verkennt, dass der Kapitalismus im Kern faschistoid ist, und dementsprechend alles, was nun kommen kann, nur die Verschärfung exakt derjenigen Verhältnisse ist, in denen wir seit Jahrzehnten leben. Ob wir zu einer „Normalität“ im kapitalistischen Sinne zurückkehren werden, ist derzeit noch nicht absehbar.
Das System überwinden
Aber das ist auch überhaupt nicht wünschenswert. Anstatt auf die Fortsetzung der repressiven Abhängigkeitsverhältnisse zu hoffen, sollten wir diese historische Chance nutzen, die Ketten abzustreifen. Statt globaler Lieferketten brauchen wir lokale, dezentrale Wertschöpfung, die auch in Krisenzeiten eine Versorgungssicherheit gewährleistet, ohne in „normalen“ Zeiten Überfluss zu schaffen.
Die Coronakrise wäre auf lokaler Ebene viel einfacher zu bewältigen als im globalen Kontext. Wenn das Gemüse gleich vor der Tür wächst, braucht es keine Erntehelfer aus Rumänien und keine Transportunternehmen, welche die Erzeugnisse in die Supermärkte fahren. Man geht einfach nach draußen und erntet nach seinem Bedarf.
Dann benötigt man aber auch kein Geld mehr, mit dem man sich versorgen muss. Das führt zu größerer Freiheit, weil auf diese Weise die Lohnarbeit entfällt. Denn wer kein Geld benötigt, der muss es auch nicht erst „verdienen“. Der Kapitalfeudalismus wäre so im Handstreich erledigt. Und wenn die ökonomische Autonomie auf diese Weise hergestellt ist, wieso nicht auch die politische? Wer ist geeigneter, über die Bedürfnisse der Menschen zu entscheiden, als die Betroffenen selbst? Eine zentrale Regierung, deren Vorschriften die Menschen in das „eisernen Band des Gesetzes“ (1) einschnüren und bis ins Privatleben hineinregieren, wäre dann nicht mehr notwendig. Auf der Basis einer freien Vereinbarung können die Menschen ihre Belange viel besser selbst regeln.
Nun mag man einwenden, dass eine globale Gesundheitskrise auf der Basis kommunaler Selbstverwaltung nicht zu bewältigen sei. Woher soll die Medizin kommen? Woher das Wissen? Dies gibt Anlass, sich über die gesundheitlichen Auswirkungen des derzeitigen Systems Gedanken zu machen:
Der Kapitalismus versorgt die Menschen mit schlechtem Essen, bürdet ihnen Stress und ständigen Leistungsdruck auf, vergiftet Nahrung, Luft, Wasser und Böden. All diese Faktoren tragen zu einer gewaltigen Verschlechterung des Immunsystems bei.
Der Mensch wird anfällig für alle Arten von Krankheiten, leidet oft schon unter chronischen Erkrankungen, die es einem Virus leicht machen, sich massenhaft zu vermehren und zu verbreiten.
Hinzu kommen die globalen Verflechtungen, auch über den Massentourismus, die eine Verbreitung begünstigen. In einem auf kommunale Strukturen ausgelegten System fände eine derartige Verbreitung in einem solchen Ausmaß nicht statt. Zudem könnte die Natur anfangen zu gesunden und mit ihr der Mensch — wenn wir es endlich unterlassen, unsere Umwelt und damit uns selbst ständig zu vergiften.
Auch die Massentierhaltung ist ein nicht zu unterschätzender Brutherd für Krankheiten aller Art, die auf den Menschen überspringen. Man denke nur an BSE, die Schweine- oder Vogelgrippe, von den multiresistenten Keimen ganz zu schweigen, die immer wieder in solchen Anlagen gefunden werden. In einer dezentralen, von Profitinteressen vollkommen befreiten Landwirtschaft würde es so etwas nicht geben.
An Wissen wird es auch in einer solchen Gesellschaft nicht fehlen. Denn nur weil die Versorgung kommunal gesichert und Entscheidungen auf dieser Ebene getroffen werden, heißt es nicht, dass man vollkommen getrennt vom Rest der Welt lebt. Vernetzung ist in einer solchen Gesellschaft überaus wichtig, um Fähigkeiten und Informationen auszutauschen, aber eben auch Wissen zu teilen. So kann ein jeder sich das Wissen und die Fähigkeiten aneignen, an denen er interessiert ist. Zentralisierte Pharmakonzerne wären nicht notwendig, denn alles, was in großen Mengen in diesen hergestellt wird, kann auch in geringeren Mengen auf kommunaler Ebene produziert werden, sofern die Notwendigkeit besteht. Überdies würde die Umstellung auf einen gesünderen Lebensstil einen großen Teil der Pharmaprodukte überflüssig machen.
So eine Gesellschaft würde zudem die ökologische Zerstörung beenden und den Klimawandel abschwächen sowie resiliente Strukturen schaffen, die eine leichtere Anpassung an diesen ermöglichen und somit ein gutes Leben für alle gewährleisten. Sie verspricht Freiheit, Unabhängigkeit und eine Möglichkeit der freien Entfaltung jedes Einzelnen.
Die Illusion des marktradikalen, globalisierten Kapitalismus löst sich langsam immer mehr auf. Beseitigen wir dieses System und ersetzen es durch eines, das menschlicher ist. Dazu müssen wir uns jedoch gegen die Feudalkapitalisten auflehnen, welche die derzeitige Krise nutzen, um ihre Macht zu festigen und die Abhängigkeit des Einzelnen zu vertiefen.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Hannah Arendt – Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft
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