Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Die Umerziehungsagenda

Die Umerziehungsagenda

Mit der Begründung, „unsere Demokratie“ schützen zu wollen, höhlt die Regierung um Nancy Faeser diese immer weiter aus und erschafft einen paranoiden Bespitzelungsstaat.

Ich will zu Nancy Faesers Pressekonferenz vom 13. Februar 2024 noch ein paar Worte vorausschicken: Nicht alles daran erscheint auf den ersten Blick falsch und abstoßend. Je länger man in die Bedeutung der geäußerten Worte eindringt, desto mehr erschrickt man jedoch. Das große Problem bei der Einschätzung der geplanten Maßnahmen ist der ungenaue, nicht näher definierte Gebrauch des Begriffs „rechtsextrem“ durch die Regierungsvertreter. War früher ein Wort wie „rechtspopulistisch“ für die AfD durchaus noch gebräuchlich und bezeichnete man Union und FDP wertungsfrei als die rechte Hälfte der Parteienlandschaft, so ist heute alles „extrem“ und „radikal“ — und dies bedeutet: zutiefst verachtenswert.

Faeser will Rechtsextreme „entwaffnen“, ihnen also Schusswaffen wegnehmen. Dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Natürlich will in einer parlamentarischen Demokratie niemand einen Machtwechsel mit Waffengewalt. Auch ich nicht, zumal ich Waffengebrauch generell ablehne. Die Maßnahme riecht allerdings etwas nach einem „Social Credit“-System: Privilegien oder ihr Entzug werden an Wohlverhalten geknüpft. Nimmt man „Rechtsextremen“ ihre Jagdgewehre, so können sich Jagdtiere freuen, künftig nur noch von Menschen aus dem Lager der Linken und der Mitte erschossen und ausgeweidet zu werden. Ähnlich ist es beim Thema der Finanzströme von Rechtsextremen, die die Regierung austrocknen will. Dies soll mir recht sein, sofern es sich um wirklich gefährliche Leute handelt.

Der Staat sieht nach dem Rechten

Das Problem, das ich sehe, ist, dass wir uns nicht darauf verlassen können, nicht selbst durch die Schrotflinte eines ausufernden „Kampfes gegen rechts“ verletzt zu werden. Die Tatsache, dass wir uns selbst nicht als „rechts“ einstufen würden, schützt uns nicht davor, diesen Begriff übergestülpt zu bekommen.

„Rechts“ ist in den letzten Jahren zu einer umfassenden Chiffre für alles Verwerfliche geworden — analog zu den Vaterlandsverrätern, Majestätsbeleidigern, Klassenfeinden, Terrorsympathisanten, Gefährdern und Coronaleugnern anderer von Obrigkeiten losgetretener Verfolgungswellen.

Mit der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „rechts“ hat all das nur noch am Rande zu tun. Sonst müssten sich die Konstrukteure einer zunehmend ins Totalitäre abdriftenden Gesellschaft ja als Erstes selbst verhaften.

Die meisten von uns sind wohl mehr als einmal als rechts geframt worden. Waren Sie Coronamaßnahmen-Skeptiker? Rechts! Sind Sie für Frieden mit Russland? Rechts! Sind Sie gegen das Gaza-Bombardement? Rechts! Sind Sie gegen Geschlechtsoperationen und Hormongaben bei Minderjährigen im Kontext der „Trans“-Mode? Rechts! Haben Sie mit den demonstrierenden Bauern und Lastwagenfahrern sympathisiert? Rechts! Haben Sie sich nicht mit der gebührenden Inbrunst an den Demonstrationen „für Demokratie“ in den letzten Wochen beteiligt? Rechts!

Sehr vieles spricht dafür, dass es mit den neuen Beschlüssen und Vorhaben der Bundesregierung Ihnen und mir an den Kragen geht. Dazu muss man sich die Mühe machen, die jüngste Pressekonferenz von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und dem Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA) Holger Münch genauer anschauen, auch wenn dies alles andere als eine angenehme Erfahrung ist. Ich führe hier nur Zitate an, die von allgemeiner Bedeutung sind, also Menschen auch außerhalb des tatsächlich rechtsextremen Bereichs betreffen dürften.

Eingeschüchtert durch Ernst

Nancy Faeser:

„Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekomme. (…) Das kann nicht nur durch die Polizei, sondern auch durch (…) die Gaststätten- und Gewerbeaufsicht geschehen.“

Ein meiner Meinung nach wirklich gefährlicher Satz, der eigentlich dazu führen müsste, dass Nancy Faeser vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wird. Wie sollte aber eine Ministerin wirksam von einer Institution kontrolliert werden, welche von ihr selbst kontrolliert wird?

Mit dem Humor standen und stehen alle autoritären Regime auf Kriegsfuß. In Umberto Ecos Mittelalter-Roman „Der Name der Rose“ dient die Angst des Klerus vor der zersetzenden Kraft des Lachens als Aufhänger für eine rätselhafte Serie von Morden im Klostermilieu. In der Komödientheorie des Aristoteles sieht der fanatische Mönch Jorge die größte Gefahr für den geistlichen Frieden seiner Schäflein, welcher sich auf Angst gründet. Daher empfiehlt Jorge heiligen Ernst:

„Wenn das Lachen die Kurzweil des niederen Volkes ist, so muss die Freiheit des niederen Volkes in engen Grenzen gehalten, muss erniedrigt und eingeschüchtert werden durch Ernst.“

Auffälligerweise zeigen sich gerade diejenigen Kräfte, die am meisten komisches Potenzial besitzen und zu Satire und Witz geradezu herausfordern, am leichtesten „beleidigt“ über kritischen Spott.

Der Blick auf die Geschichte zeigt: Der Prüfstein für die Meinungsfreiheit war und ist immer die Witzfreiheit. Wo man das Lachen einzusperren versucht, sperrt man auch Menschen ein.

Vielleicht ist Nancy Faeser von der kastrierten neudeutschen Humorszene rund um einen Jan Böhmermann, eine Carolin Kebekus oder die Ex-Idealisten der „Anstalt“ derart verwöhnt, dass sie wirklich bissige Kritik an ihrer Person nicht mehr zu ertragen vermag. Kabarett — das bedeutet für sie wohl: Witze über Regierungskritiker. So wie Demonstrieren heute gleichzusetzen ist mit Protest gegen die Opposition. Die Regierenden wirken extrem dünnhäutig im Einstecken und gebärden sich umso rabiater, wenn es ans Austeilen geht. Sicher gibt es auch schlechte und verletzende Scherze. Es ist allerdings nicht Sache des Staates, hier die Grenzen festzulegen oder gar Zensuren für die Qualität von Witzen zu erteilen. Freiheit ist immer die Freiheit dessen, der über etwas anderes lacht.

Die Verhöhner wollen nicht verhöhnt werden

Wer schützt eigentlich die Bürger davor, durch „ihren“ Staat verhöhnt zu werden? Wenn etwa Bundeskanzler Olaf Scholz über seine Begegnung mit einem Bäckermeister in sozialen Nöten mit der Bemerkung berichtet, er habe gar nicht mehr gewusst, „wie traurig ich gucken soll“. So versprach der Bundeskanzler im März 2023 auch ein neues Wirtschaftswunder. Geblieben ist davon eine Wirtschaft, deren Lage „dramatisch schlecht“ ist. Das sage nicht ich, das sagte Robert Habeck höchstselbst — ohne allerdings den Anstand zu besitzen, als Ergebnis dieses Anflugs von Selbsterkenntnis zurückzutreten.

Nicht nur Witze, die explizit auf Kosten der Bürger gehen — die ganze Politik empfinden nicht wenige Menschen heute als Verhöhnung. Auch die inszenierten Anti-Rechts-Demonstrationen haben nicht verhindern können, dass Bauernproteste weitergehen, dass Regierungsvertreter auf Straßen und Plätzen ausgebuht werden, dass gar eine Grünen-Veranstaltung wegen angeblich bedrohlicher Gegendemonstranten abgesagt werden musste. Vielleicht wird die AfD aufgrund der Bemühungen der Gegen-Rechts-Bewegung jetzt mehr gehasst — keineswegs aber wird die Regierung mehr geliebt.

Natürlich sollten politische Veranstaltungen grundsätzlich ungestört stattfinden können, egal, von wem sie organisiert werden, aber gerade bei regierungskritischen Veranstaltungen ist das ja heutzutage alles andere als selbstverständlich. Werden jedoch einmal Regierungsveranstaltungen oder regierungsfreundliche Versammlungen behindert, wird — als eine Art pawlowscher Reflex — sogleich der Ruf nach härterer Repression gegen Störer laut. Ja, erfahrungsgemäß weichen Grüne im Fall von Störungen lieber zurück — um sich hinterher als Opfer zu inszenieren —, als eine Veranstaltung unter „ungemütlichen“ Bedingungen einfach einmal durchzustehen.

Unfähig oder unwillig, sich den Respekt der Menschen zu verdienen, setzen die regierenden Parteien auf eine weitere Spaltung der Bevölkerung. Die teilt sich auf in eine Gruppe, die sich den Mund nicht verbieten lassen wird, und in jene, die sich einschüchtern lassen und Respekt gegenüber den Vertretern der Obrigkeit künftig noch gekonnter simulieren werden.

Ist es das, was Nancy Faeser will? Vielleicht sind ihre Gedanken diese: „Lieben müssen sie mich nicht unbedingt, aber dann sollen sie mich wenigstens fürchten.“

Jeder Einfluss ist böse — außer unserer

Weiter sagte Faeser auf der Pressekonferenz:

„Darum bauen wir im Bundesinnenministerium eine neue Früherkennungseinheit auf. Wir müssen Manipulations- und Einflusskampagnen sehr früh erkennen, damit wir sie dann stoppen können.“

Auch dies eine Furcht einflößende Äußerung, wenn wir davor ausgehen, dass am Ende keineswegs nur „Nazis“ davon betroffen sein werden. Jeder, der sich öffentlich äußert, will Einfluss. Wiederholt er bestimmte Aussagen häufiger oder schließt er sich mit anderen zusammen, damit ähnliche Thesen auf verschiedenen Kanälen publiziert werden, so ist dies notwendigerweise eine „Einflusskampagne“. Eine solche soll ab jetzt „früh erkannt“ werden. Und dann? Nach meiner Einschätzung läuft es darauf hinaus, dass der Staat nach dem Gewaltmonopol nun auch noch ein Einflussnahme-Monopol für sich beansprucht. Eine der größten Manipulations- und Einflusskampagnen der letzten Zeit lief unter dem Stichwort „Corona“. Aber: „Quod licet Jovi non licet bovi“, wie es in einem lateinischen Sprichwort heißt — was Jupiter erlaubt ist, darf ein Rind noch lange nicht. Wie immer das am Ende umgesetzt wird: Dem Meinungspluralismus im Land wird es schweren Schaden zufügen.

Hohepriester eines Staatskults

In dasselbe Horn stieß auch Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang:

„Wir dürfen nicht den Fehler machen, im Rechtsextremismus nur auf Gewaltbereitschaft zu achten, denn es gibt auch verbale und mentale Grenzverschiebungen. (…) Wir müssen aufpassen, dass sich entsprechende Denk- und Sprachmuster nicht in unserer Sprache einnisten.“

Hier wird eine brandgefährliche Ideologie präsentiert, die auf die Installation eines präventiven Sicherheitsstaats abzielt. Da der Leiter des Amts für Verfassungsschutz keine Gewalttaten als Beispiel anzuführen vermag, schürt er die Angst vor Worten. Und da es, wenn gefährliche Worte geäußert werden, eigentlich schon zu spät ist, muss staatlicherseits schon das Denken bekämpft werden, das sich irgendwann einmal in gedankenverbrecherischen Worten entladen könnte. Unser Mund gehört nicht mehr uns, er gehört dem Staat. Für unsere Gehirn gilt dasselbe.

Wichtig dabei ist die Feststellung, dass sich der Staat ab jetzt nicht mehr die Mühe zu machen braucht, die Missetaten seiner Bürger in strafrechtsrelevante Kategorien einzuordnen und ein Delikt nachzuweisen. Auch Handlungen beziehungsweise Worte ohne strafrechtliche Relevanz können nach seiner Auffassung durchaus „staatswohlgefährdend“ sein.

Somit wird die Treue- und Dienstverpflichtung, die staatliche Organisationen gegenüber dem Bürger als dem Souverän eingegangen sind, umgewandelt in ihr Gegenteil, in eine Pflicht des Bürgers gegenüber seinem Staat. Dieser hat dem Wohle des Staates zu dienen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm abzuwenden.

Und wenn jemand „Staat“ sagt, meint er natürlich sich selbst, den Politiker und Funktionsträger, der, unabhängig von seiner tatsächlichen Leistung, zum Adressaten ergriffener Respektskundgebungen werden soll. Der zumindest in seinem Tun von einer eingeschüchtert verstummenden Öffentlichkeit unbehelligt bleiben soll. Der Staat wird so zum Fetisch, der Politiker zum Hohepriester seines Kults, dem alle Menschen zu dienen haben.

Outsourcing hoheitlicher Aufgaben

Über die „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalt im Internet“ sagte Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts, auf derselben Pressekonferenz, auf der auch Faeser und Haldenwang auftraten:

„Ihre Aufgabe ist, Hinweise von unseren Partnern wie ‚Hessen gegen Hetze‘ und ‚Respekt‘ (…) entgegenzunehmen, auf strafrechtliche Relevanz zu prüfen und die mutmaßlichen Verfasser festzustellen.“

Münch plant damit eine Art Outsourcing hoheitlicher Aufgaben an jene Vereine, die bei den Staatsorganen beliebt sind: das Paradox regierungshöriger Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Dadurch kann die Anzahl der Hilfspolizisten und ehrenamtlichen Spitzel, die dem Staat bei allfälligen Repressionsdienstleistungen unter die Arme greifen, beträchtlich erweitert werden. Das Netz der Kontrolle wird engmaschiger. Ist eine „falsche“ Äußerung im Internet der Aufmerksamkeit der Polizei entgangen, so könnte es sein, dass eine „Oma gegen rechts“, die noch Zeit findet, das Internet nach Unbotmäßigem zu durchsuchen, diese bemerkt und meldet.

Münch sagt weiter:

„Deshalb bauen wir unsere zentrale Meldestelle, die sich nur darauf konzentriert, mit NGOs zusammenzuarbeiten, weiter aus. Die melden uns einen solchen Sachverhalt, und wir sorgen dafür, dass auch Strafverfolgung stattfindet.“

Wir müssen uns künftig also nicht nur an Gesetze halten, sondern auch Sorge tragen, nicht bei diversen NGOS in Ungnade zu fallen, müssen also unsere Worte — mündlich und bei Veröffentlichungen im Netz — so wählen, dass wir unbedingt vermeiden, durch Hobbyagenten der staatlichen Gedankenpolizei gemeldet zu werden. Nicht nur Strafen drohen im äußersten Fall; Strafbares oder auch nur „Staatswohlgefährdendes“ wird in vielen Fällen nicht mehr allzu lange im öffentlichen Raum sichtbar bleiben. Denn, so Münch:

„Wir sind massiv unterwegs beim Thema Löschen. Der Digital Service Act gibt dafür auch noch mal einen neuen Raum in Europa.“

Gärtnernde Böcke

Schließlich — wer schützt uns eigentlich vor Verhöhnung durch den Staat? — diese Aussage Münchs:

„Wir brauchen ein rundes Paket, damit nicht am Ende die Strategie aus der rechten Ecke erfolgreich ist und das dazu führt, dass Meinungsvielfalt in Deutschland nicht mehr stattfindet.“

Gärtnernde Böcke, die sich um die Meinungsvielfalt sorgen und deren Spektrum im selben Atemzug auf die Breite einer Briefmarke reduzieren wollen. Geplant ist die Kreation einer sanktionierbaren Grauzone des „Unsagbaren“ unterhalb der Strаfbarkeitsgrenze.

Das ist durchaus nicht neu — speziell für Menschen, die als „Corona-Oppositionelle“ ihre Erfahrungen gesammelt haben; das Prinzip wird nun aber noch stärker institutionalisiert, verschärft, verstetigt. Wir werden Berufsverbote erleben wie seit dem Radikalenerlass (in Kraft 1972 bis 1985) nicht mehr, als die Rote Armee Fraktion (RAF) tatsächlich eine Reihe schlimmer Morde verübte. Wir werden verschlossene Versammlungsorte, vom Netz genommene Kanäle, gelöschte Artikel, zerstörte berufliche Existenzen und nervlich völlig zerrüttete nichtlinke Publizisten erleben.

Um ähnlich scharfe Maßnahmen wie in den 1970er-Jahren zu verhängen, genügt heute schon eine „mentale Grenzverschiebung“ seitens des Delinquenten. Anders formuliert: Erschwert werden soll der Ausbruch aus Denkgefängnissen, die von Würdenträgern errichtet wurden — oft ohne dass es dafür eine Grundlage im Grundgesetz gäbe. Für die Verfolgung und die Behinderung von Meinungsäußerungen genügt ein Unbehagen aufseiten derer, gegen die sich besagte Meinungen richten.

Das Misstrauen der nicht Vertrauenswürdigen

Wir erleben derzeit also einen Staat, der seinen Bürgern zutiefst misstraut, wie es häufig bei Akteuren vorkommt, die insgeheim wissen, dass sie selbst nicht vertrauenswürdig sind. Der „starke Staat“, das ist im Grunde ein ungemein schwacher, der sich durch jedes freie Wort delegitimiert sieht. Er muss den „staatsgefährdenden“ Inhalt — da sich das Böse ja geschickt tarnen könnte — bis zu seiner Quelle zurückverfolgen: in jenen normalerweise nicht ausspähbaren Raum noch nicht materialisierter Gedankenimpulse. In Friedrich Schillers „Don Carlos“ konfrontiert Marquis Posa den spanischen König Philipp II. mit jener ängstlichen Schwäche, die jedem repressiven Staatshandeln zugrunde liegt. „Ihre Schöpfung, wie eng und arm! Das Rauschen eines Blattes erschreckt den Herrn der Christenheit — Sie müssen vor jeder Tugend zittern.“

In der Tat sind es gerade die guten Charaktereigenschaften, durch die sich eine Nancy Faeser gefährdet sieht: Selbstständiges Denken, Freiheitsliebe und Unerschrockenheit sind ihre Feinde; Duckmäusertum, Feigheit und Knechtsnatur ihre Freunde.

Eine gute Regierung würde friedlich geäußerte, wohlbegründete Kritik nicht nur gelassen ertragen können, sie wäre stolz auf solche Bürger, weil gerade sie es sind, die die „Lektion“, welche uns Jahrzehnte demokratischer Erziehung zu vermitteln versuchten, am besten verinnerlicht haben. Umgekehrt hat derjenige wenig verstanden, der glaubt, seiner demokratischen Pflicht schon dadurch zu genügen, dass er Amtsinhabern beflissen zunickt, dass er liebt, was sie lieben, und hasst, was sie hassen, dass er nicht Korrektiv ist, sondern Klangverstärker ihrer Verlautbarungen. Was derzeit geschieht, ist das Gegenteil von souveränem Umgang mit Kritik. Über die Medien wird eine Hysterie geschürt, die den Eindruck eines akuten Demokratienotstands suggeriert. Wenn jetzt nicht mit aller Härte durchgegriffen werde, sei das Ende „unserer Demokratie“ unausweichlich. Nur Notstandsgesetze — und solche stehen uns de facto ins Haus — sind logischerweise die angemessene Antwort auf eine Notlage.

Die zu Tode geschützte Demokratie

Dass die großen Medien zu all dem schweigen werden, ist übrigens nicht nur eine böswillige Vermutung meinerseits. Man kann es live bewundern, wenn man das Video zu Nancy Faesers Pressekonferenz zu Ende schaut und beobachtet, wie die dort versammelten Journalisten allenfalls gegen die vermeintlich zu geringe Härte der Maßnahmen Einspruch erheben. Das Bewusstsein, etwas „gegen rechts“ getan zu haben, schläfert jede Wachsamkeit gegenüber den verheerenden Folgen eines solchen Handelns für die Demokratie und die Meinungsfreiheit im Land ein. Sofern man chronisch Schlafkranke überhaupt noch einzuschläfern vermag. Eine Regierung kann ja offenbar gar nicht so schlecht sein, dass die Mehrheit der Menschen ihren kruden Ideen nicht eine für sie prägende Bedeutung zugestehen würde.

Denn auch, wenn man wirklich Rechtsradikalen nicht das Feld überlassen möchte: Der schwerwiegendste Schlag gegen die Demokratie liegt auf einer Ebene oberhalb alltäglicher politischer Richtungskämpfe. Das Schlimmste ist ein Überhandnehmen staatlicher Machtbefugnisse bei gleichzeitigem massiven Niveauverlust des politischen Personals. Das Gefährlichste ist die Einschränkung des Rechts und der praktischen Möglichkeit für die Bürger, Gegenwehr zu organisieren oder zumindest ein entsprechend kritisches „Denk- und Sprachmuster“ in der Bevölkerung zu erzeugen. Sind der kritischen Gegenöffentlichkeit erst einmal die Zähne gezogen, ist weiterem Demokratieabbau Tür und Tor geöffnet. Man zerstört die Demokratie mit ebenjenen Maßnahmen, mit denen man sie zu schützen vorgibt.

Überspitzt gesagt, besteht die Gefahr, dass man „Nazis“ so lange und so hart bekämpft, bis deren Sieg eigentlich gar nicht mehr nötig ist, weil die „Guten“ dann selbst eine Welt erschaffen haben, die dem von Nazis erträumten autoritären Überwachungsstaat aufs Haar gleicht.

Volksvertreter wären eigentlich verpflichtet, unsere Wünsche sorgfältig zu erforschen und nach Möglichkeit zu erfüllen. Stattdessen versuchen sie nun, die Wünschenden so umzuerziehen, dass ihre Bedürfnisse zu den äußerst spärlichen Möglichkeiten der Gebenden passen. Das ist bequem für Letztere, aber so war Demokratie eigentlich nicht gedacht.


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Weiterlesen

Jenseits des Glaubens
Thematisch verwandter Artikel

Jenseits des Glaubens

Zeitgemäße Spiritualität orientiert sich an ethischem Handeln oder an unmittelbaren Erfahrungen der Verbundenheit — nicht hilfreich ist das Wiederkäuen von autoritär vermittelten Inhalten.

Ein ungeliebter Waffenbruder
Aktueller Artikel

Ein ungeliebter Waffenbruder

Obwohl er harsche Kritik an Israel übte, wird der türkische Präsident Erdoğan vom Westen mit Samthandschuhen angefasst. Der mögliche Grund: Man braucht ihn noch.