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Die Stunde der Falken

Die Stunde der Falken

Die extreme Aufrüstung in den Ländern der EU leistet der Kriegswirtschaft Vorschub und dient der Vorbereitung auf weitere Kriege.

Die Militarisierung der Europäischen Union erlebt durch den Ukrainekrieg einen neuen „Quantensprung“. EU-Ratspräsident Charles Michel nannte die Aufrüstung und Kriegsbefähigung der EU „das Ziel Nummer 1 unserer Generation“. Und EU-Industriekommissar Thierry Breton fügt hinzu: „Wenn es um die Verteidigung geht, muss unsere Industrie jetzt in den Kriegswirtschaftsmodus wechseln“ (1). Und Kriegswirtschaft bedeutet Erhöhung der Militärausgaben.

2022 sind die weltweiten Militärausgaben auf einen neuen Rekordwert gestiegen: Laut dem Friedensforschungsinstitut Sipri gaben die Staaten im vergangenen Jahr 2.240 Milliarden US-Dollar (etwa 2.040 Milliarden Euro) für Rüstung aus — und damit so viel wie nie zuvor.

Die USA führen die Sipri-Liste mit Ausgaben von 877 Milliarden US-Dollar an. In Europa liegen die Ausgaben bei 480 Milliarden US-Dollar — ein Anstieg um 13 Prozent. Deutschland hat knapp 56 Milliarden US-Dollar in die Aufrüstung investiert und ist damit auf Platz sieben, auf Platz zwei steht China mit etwa 292 Milliarden US-Dollar, und Platz drei nimmt Russland mit etwa 86,4 Milliarden US-Dollar ein.

Die Militärausgaben der EU firmieren unter dem Begriff Europäischer Verteidigungsfonds (EDF) und belaufen sich für die Periode 2021 bis 2027 auf 9, 644 Billionen Euro. Zum Vergleich: Der Investitionsstau in der Daseinsvorsorge beträgt in Deutschland mindestens 1,4 Billionen Euro. Um diesen Stau abzubauen, werden mindestens 70 Milliarden Euro pro Jahr benötigt.

Nach Angaben der EU-Verteidigungsagentur würden 2025 die EU-Militärausgaben um 70 Milliarden höher liegen als 2021 — ein reales Plus von 32 Prozent. „Das deckt sich mit der Verlautbarung von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, dass die EU-Staaten bis 2025 200 Milliarden zusätzlich für das Militär ausgeben werden.“ Die EU-Militärausgaben — ohne Großbritannien — betragen derzeit bereits das 4-Fache der russischen Ausgaben. Angesichts der rasanten Aufrüstung könnte es 2025 bereits das 5-Fache sein. Für den militärisch-industriellen Komplex ist das freilich noch lange nicht genug. Von der Leyen drängt euphorisiert: „Wir müssen diese Dynamik aufrechterhalten. (...) Wir müssen diesen Augenblick nutzen. Dies ist unser Augenblick.“ Die Friedensforscher von der Solidarwerkstatt Linz in Österreich kommentieren diese Aussage so: „Ja, das ist der Augenblick des militärisch-industriellen Komplexes. Das sind zumeist die gefährlichsten und skrupellosesten Augenblicke in der Geschichte. Es ist hoch an der Zeit für die Friedenskräfte, aus der Schockstarre zu erwachen“ (2).

In der Schweizer Onlinezeitung Infosperber wurden kürzlich der militärisch-industrielle Komplex und die Zusammenarbeit mit den Mainstreammedien analysiert: „Rüstungskonzerne sind an übertriebenen Feindbildern und an Konflikten finanziell interessiert. Sie unterstützen Thinktanks, die Feindbilder an die Wand malen, Ängste verbreiten oder die militärische Kapazität von Gegnern übertreiben. Publikationen von finanzstarken Thinktanks sind eine wichtige Quelle für finanzschwache Nachrichtenagenturen und große Medien. Praktisch alle Thinktanks, welche Medien am meisten zitieren, beziehen Geld des militärisch-industriellen Komplexes. Am 9. Juni 2023 schlug ein US-Thinktank sogar vor, der Ukraine taktische Atomwaffen zu liefern, um damit Russland von einem Atomeinsatz abzuschrecken. Absender war das American Enterprise Institute (AEI), das ebenfalls von der Rüstungsindustrie Geld erhält“ (3).

Kritik an den hohen Militärausgaben wird oft geäußert, wobei man zumeist vergisst, dass die EU-Länder sich zur permanenten Aufrüstung verpflichtet haben, als sie den Lissabon-Vertrag von 2009 angenommen haben.

In Artikel 42, der die Aufrüstung festschreibt, ist auch die Schaffung der EU-Verteidigungsagentur verankert oder, treffender gesagt, das Aufrüstungsamt, das die Rüstungsanstrengungen kontrollieren soll.

Um die Militärmacht der EU weiter auszubauen, wurde 2018 die „Ständig Strukturierte Zusammenarbeit“ (EU-SSZ/Pesco) geschaffen, der sich nahezu alle EU-Staaten angeschlossen haben. „Seit 2018 muss jedes EU-SSZ-Mitglied dem EU-Rüstungsamt seine Aufrüstungspläne zur Evaluierung vorlegen und gegebenenfalls nachbessern. Denn wer nicht ambitioniert genug hochrüstet, kann rasch wieder vor die EU-SSZ-Tür gesetzt werden. Und wer nicht im militärischen Kern ist, sitzt in EU-Europa am Katzentisch der Macht“ (4).

Das heißt, diejenigen EU-Mitgliedsstaaten, die zu Pesco gehören, sind in einem Strudel der permanenten Erhöhung der Aufrüstung gefangen. Statt in dringend benötigte Ausgaben für die marode Infrastruktur, wie öffentlicher Nahverkehr, Bildungs- und Gesundheitssystem sowie Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, wird in die todbringende Rüstungsindustrie investiert.

Die Rüstungsunternehmen freuen sich, Gewinne in Milliardenhöhe sprudeln, die Aktienbesitzer werden immer reicher! Tatsächlich hatten die Dax-Konzerne 2022 einen Rekordgewinn von 171 Milliarden Euro, während die Reallöhne im letzten Jahr um mehr als vier Prozent zurückgegangen sind. Über 50 Milliarden Euro an Dividenden werden in diesem und im nächsten Jahr an Aktionäre von Dax-Konzernen ausgeschüttet, rund doppelt so viel wie im Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre.

Der größte „deutsche“ Rüstungskonzern Rheinmetall verzeichnete 2022 mit 754 Millionen Euro den höchsten operativen Gewinn der Konzerngeschichte. Für 2023 erwartet Rheinmetall einen noch höheren Gewinn. Rheinmetall ist inzwischen ein US-Konzern: 9 der 10 führenden Aktionäre kommen wie BlackRock aus den USA. Der 10. Großaktionär ist der norwegische Staatskonzern Norges.

„Strategischer Kompass“ — größter Coup der Aufrüstungsmaßnahmen

Unter dem harmlosen Namen „Strategischer Kompass“ (SK) veröffentlichte die EU am 25. März 2022 ihren bislang ambitioniertesten Plan zur Hochrüstung und globalen Kriegsführung.

Um zu suggerieren, die EU würde auf den Ukrainekrieg reagieren, wurden in dem Dokument noch schnell einige Passagen zum russischen Angriffskrieg eingefügt. In Wahrheit wurde an diesem Strategiepapier seit Jahren gearbeitet, wie das deutsche Verteidigungsministerium unmittelbar nach der Beschlussfassung auf seiner Webseite bekannt gab: „Der Strategische Kompass für Sicherheit und Verteidigung wurde durch die Außen- und Verteidigungsminister der EU-Mitgliedsstaaten angenommen. Damit geht ein zweijähriger, durch Deutschland initiierter Strategieprozess erfolgreich zu Ende“ (5).

Der Strategische Kompass bekräftigt die Aufrüstung, um „freien Handel und Energieversorgungssicherheit“, die Abwehr der „Gefährdung globaler Lieferketten“, den „ungehinderten Zugang zu den Hochseegewässern und kritischen Seewegen“ notfalls mit Gewalt durchzusetzen.

Vorgesehen ist auch der Aufbau einer militärischen Eingreiftruppe von 5.000 SoldatInnen bis 2025. Das ist eine Weiterentwicklung des bisherigen „Battlegroups“-Konzepts. Nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ: Neben Bodentruppen sollen je nach Bedarf auch Luft- und Seestreitkräfte zur neuen Truppe gehören. Durch „maßgeschneiderte Truppenpakete mit Land-, See- und Luftkomponenten, verschiedene Grade der Einsatzbereitschaft und längere Bereitschaftszeiten“ soll „ein robusteres und flexibleres Instrument entstehen“.

Da eine Armee von 5.000 SoldatInnen aber noch kein „Quantensprung“ für globale Militärinterventionen ist, soll die EU-Eingreiftruppe mit militärischen Kontingenten der EU-Staaten kombiniert werden. Der Umfang der Truppe wird „an die vom Rat festgelegten Ziele und Anforderungen der Militäroperation angepasst“ (6).

Bis 2025 soll die „volle Einsatzbereitschaft“ des „Militärischen Planungs- und Durchführungsstabes“ auf EU-Ebene erreicht sein. Damit soll ein operatives EU-Hauptquartier auf strategischer Ebene entstehen, das Kriegseinsätze der EU-Eingreiftruppe kommandiert.

Die EU-Finanzierungsinstrumentarien

Angesichts angeblich leerer Kassen stellt man sich unwillkürlich die Frage, woher die Mittel für diese enormen Aufrüstungspläne kommen.

Eines der Instrumentarien für die Beschaffung von Geldern für Rüstung und Militärmissionen ist die Europäische Friedensfazilität (EFF), die im März 2021 als „haushaltsexterner Posten“ mit Geldern der Einzelstaaten ins Leben gerufen wurde. Das ist eine Art Schattenhaushalt ohne jegliche Kontrolle des EU-Parlaments, und mit dem schönen Namen „Friedensfazilität“ wird der Zweck dieses Fonds verschleiert.

Die Abgeordnete des Europäischen Parlaments Özlem Demirel schreibt in ihrem Artikel vom Dezember 2022 „Frieden schaffen mit Europas Waffen?“: „Zunächst wurden über den Mechanismus halbwegs überschaubare Beträge ausgeschüttet; so waren im Juli 2021 130 Millionen Euro zur Unterstützung der Afrikanischen Union und im November 10 Millionen für Bosnien und Herzegowina sowie 40 Millionen für Mosambik bewilligt worden. Im Dezember 2021 kamen weitere Maßnahmen in Georgien (12,75 Millionen), Moldawien (7 Millionen) und in Mali (24 Millionen) hinzu. Richtig beansprucht wurde die Fazilität dann aber nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine: In mehreren Tranchen, meist zu jeweils 500 Millionen Euro, wurden bislang 3,1 Milliarden für Waffenlieferungen an die Ukraine bewilligt“ (7).

Derzeit beläuft sich die „Friedensfazilität“ auf 7,9 Milliarden Euro. Diese soll innerhalb der nächsten vier Jahre um weitere 20 Milliarden Euro aufgestockt werden, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Ende August beim Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Toledo verkündete.

Von diesen Milliarden soll auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten im Rahmen der militärischen Ausbildungsmission der EU (EUMAM) bezahlt werden, die die EU im November 2022 ins Leben gerufen hat.

EUMAM (European Union Military Assistance Mission Ukraine) ist die erste Ausbildungsmission auf europäischem Boden. Bis Ende 2024 sollen rund 30.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten an den diversen Waffengattungen aus- und weitergebildet werden. Die Bundeswehr betont auf ihrer Webseite, dass EUMAM keinen Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes darstellt und darum eine Mandatierung durch den Deutschen Bundestag nicht erforderlich sei. Mit anderen Worten: Nicht die Abgeordneten entscheiden über diese Ausbildungsmission, sondern die Bundesregierung (8).

Seit Juli 2022 gibt es neben der „Friedensfazilität“ ein weiteres Finanzierungsinstrument, das ist die Europäische Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung, kurz EDIRPA. Dieser mit 500 Millionen Euro ausgestattete Finanzierungsfonds soll Anreize für eine gemeinsame Beschaffung im Verteidigungsbereich unter den Mitgliedstaaten schaffen und „wird als Dreh- und Angelpunkt für künftige gemeinsame Entwicklungs- und Beschaffungsprojekte von hohem gemeinsamem Interesse für die Sicherheit der Mitgliedstaaten und der Union“ sein, lobt die EU-Kommission (9).

Parallel zu EDIRPA wurde ein Programm für Europäische Verteidigungsinvestitionen (EDIP) vorgestellt, das die Einrichtung von EU-Rüstungskonsortien ermöglichen soll, die von der Mehrwertsteuer befreit sind. Damit werden weitere Milliarden in die Rüstungsunternehmen gespült.

EU und NATO sollen enger kooperieren

Unterstützt werden die EU-Aufrüstungsmaßnahmen durch die nationalen Rüstungsstrategien. Mitte Juni 2023 veröffentlichte die Bundesregierung eine „nationale Sicherheitsstrategie“, die die Schwerpunkte der deutschen Rüstungsanstrengungen skizziert. Die Bundeswehr soll zu „einer der leistungsfähigsten konventionellen Streitkräfte in Europa“ und zur „logistischen Drehscheibe der NATO in Europa“ werden. Das heißt, die Bundeswehr soll noch enger mit der NATO kooperieren —sicherlich ein lang gehegter Traum von Bundesaußenministerin Baerbock —, und es ist vielleicht kein Zufall, dass zwei Tage vor der Veröffentlichung der „nationalen Sicherheitsstrategie“ das größte NATO-Manöver „Air Defender 23“ in Osteuropa begonnen hatte. Unter deutscher Führung wurde der Luftkrieg über Osteuropa trainiert.

Einige Monate später, im September 2023, probte die deutsche Marine gemeinsam mit NATO-Partnern erneut den Seekampf. Vor der Küste des Baltikums trainierten mehr als 3.000 Soldaten aus 14 Ländern auf rund 30 Schiffe und Booten sowie mit etwa 20 Luftfahrzeugen. Besonders pikant: Das Übungsgebiet liegt nicht weit von der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad.

Im Zuge der 2014 eingeleiteten strategischen Ausrichtung der NATO auf Großmachtkriege mit Russland — oder China — hat die Ostsee militärisch an Bedeutung gewonnen. Auch mit dem September-Manöver bekräftigt Berlin seinen Anspruch, regionale Führungsmacht im Baltikum zu sein. Die polnische Regierung sieht die deutschen Regionalmachtansprüche allerdings sehr kritisch, da sie ihr Land im Bündnis mit den USA zur militärischen Supermacht mit einer 300.000 Mann starken High-Tech-Armee aufrüsten will. Polen hat sich zu einem wichtigen Partner der USA entwickelt und hat inzwischen circa 10.000 US-Soldaten auf seinem Territorium stationiert.

Das „Leuchtturmprojekt für die deutsche Beteiligung in der NATO“ ist das in Ulm stationierte Multinationale Kommando: „Das Ulmer Kommando schafft damit die Einbindung der Bundeswehr in die Strukturen der EU und der NATO gleichermaßen, was es in der Bundeswehr einzigartig macht“, verkündet stolz die Bundeswehr auf ihrer Webseite (10).

Wachsende Rüstungsausgaben bedeuten Kürzungen in anderen Bereichen

Um die horrenden Ausgaben für den Ukrainekrieg bezahlen zu können und die EU zu einer global agierenden Militärmacht zu befähigen, müssen die Rüstungsausgaben weiter steigen. Da es keine weiteren zusätzlichen Finanzmittel zum Beispiel aus Übergewinnsteuern gibt, muss das Geld woanders herkommen. Also wird jetzt der Rotstift bei anderen Haushaltstiteln angesetzt.

Fast jedes Ressort ist von teils massiven Kürzungen betroffen. Drastisch wird bei der Entwicklungshilfe gespart, der Etat wird um rund 600 Millionen Euro gekürzt. Dabei hatte die Ampel-Regierung ursprünglich vereinbart, dass bei Steigerungen im Verteidigungshaushalt auch Steigerungen im Entwicklungshilfeetat vorgenommen werden würden. Durch den Ukrainekrieg wurde das hinfällig.

Auch in den anderen EU-Staaten wird zugunsten der Kriegswirtschaft in vielen Bereichen gekürzt. Der bulgarische Präsident Radev erklärte im August bei einem Treffen mit Selenskyj:

„Der Konflikt entwickelt sich zu einem Zermürbungskrieg, der nicht nur die Wirtschaft der Ukraine, sondern auch alle europäischen Länder in Mitleidenschaft zieht und die sozialen Spannungen verschärft. Ich bleibe dabei, dass es für diesen Konflikt keine militärische Lösung gibt. Mehr Waffen werden nicht zu einer Lösung führen“ (11).

Das ist sicherlich eine Minderheitenmeinung innerhalb der EU, aber die Differenzen innerhalb der EU sind nicht zu übersehen. Das zeigt sich derzeit an dem Umgang mit Getreide aus der Ukraine. Während die EU-Kommission in Brüssel das Importverbot von ukrainischem Weizen nicht verlängerte, verhängten Ungarn, Polen und die Slowakei Einfuhrverbote zum Schutz der heimischen Bauern. Daraufhin reichte die ukrainische Regierung bei der Welthandelsorganisation (WTO) Klage gegen die drei Staaten ein. Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir bezichtigte die osteuropäischen Regierungen, die zum Schutz ihrer Bauern ukrainische Weizenimporte verbieten, der „Teilzeitsolidarität“. Diese Länder würden sich nur dann mit der Ukraine solidarisch zeigen, wenn sie Lust dazu hätten, schimpfte er (12).

Mit der Ankündigung der polnischen Regierung, keine neuen Waffen mehr in die Ukraine zu liefern, ist die Lage weiter eskaliert, und man kann auf die weitere Entwicklung gespannt sein.

Jedenfalls nehmen auch in den USA solche Stimmen zu, die die enorm hohen Finanzmittel für die Ukraine kritisieren, ohne dass sich militärische Erfolge der ukrainischen Armee erkennen ließen. Darüber hinaus werden fehlende Verwendungsnachweise kritisiert für die Milliarden US-Dollar, die die USA in die Ukraine gepumpt haben.

Ukrainekrieg ist auch ein Wirtschaftskrieg

Einer der großen Kritiker des Krieges und der russischen Sanktionen ist der Enkel von Charles de Gaulle. Für de Gaulle handelt es sich bei dem Ukrainekrieg „in Wirklichkeit auch um einen Wirtschaftskrieg (…), von dem die Amerikaner profitieren. Die Amerikaner verkaufen ihr Gas vier- bis siebenmal teurer an die Europäer, als sie es für ihr eigenes Land tun, und leider leidet in Europa jetzt jeder in seinem Alltag darunter, denn all dies führt zu einer Wirtschafts- und Finanzkrise, die absolut beispiellos ist. Man wird diesen Leuten sagen: ‚Das ist die Schuld der Russen!‘ Die Russen sind schuld, sehr gut (…). Aber die Russen verteidigen sich, denn es wurden 11.000 Sanktionen gegen sie verhängt, plus ein neuntes Sanktionspaket, das gestern (31. Dezember 2022) beschlossen wurde. Es ist völlig legitim und normal, dass die Russen sich verteidigen. (…) Wir befinden uns in einem System, in dem es um eine Technokratie geht, die Richtlinien auferlegt, die in jedem Mitgliedstaat umgesetzt werden müssen, eine Technokratie, die leider extrem korrupt ist. Man spricht jetzt nicht mehr darüber, aber damals, als die Präsidentin der Europäischen Kommission ernannt wurde, hinterließ sie immerhin einen Schuldenberg von etwa 100 Millionen Euro an unerklärten Kosten für die Beschäftigung von externen Beratern und Beratungsfirmen aus der Zeit, als sie Deutschlands Verteidigungsministerin war. Diese Dinge werden verschwiegen“ (13).

In der Tat, dieser beispiellose Skandal wird unter den Teppich gekehrt wie auch die anhängige Klage gegen von der Leyen aufgrund ihrer intransparenten Käufe von großen Mengen an überteuerten Corona-Impfstoffen, die dann teilweise vernichtet wurden. Auch das hat Millionen Euro gekostet, bezahlt von europäischen Steuerzahlern.

Angesichts der zunehmenden Armut in der EU, auch bedingt durch die enormen Kürzungen in der Daseinsvorsorge zugunsten der Militärausgaben, ist der Vergleich zwischen Garten und Dschungel, den Josep Borrell, Außenbeauftragter der EU-Kommission, neulich angestellt hat, nicht nur zynisch, sondern auch zutiefst rassistisch. Borrell lobte Europa als „einen Garten, in dem alles funktioniert. Es ist die beste Kombination aus politischer Freiheit, wirtschaftlichem Wohlstand und sozialem Zusammenhalt, die die Menschheit je aufbauen konnte. (...) Der größte Teil der übrigen Welt ist ein Dschungel. Und der Dschungel könnte in den Garten einfallen. Und die Gärtner sollten sich darum kümmern“ (14).

Gegen diese rassistische Äußerung wurde wütender Protest laut, denn die Metapher war klar: Die „wilden Dschungel-Menschen“ fallen als Flüchtlinge in die EU ein und müssen zurückgewiesen werden, denn sie bedrohen angeblich den europäischen Wohlstand.

Dass der viel beschworene Wohlstand nicht durch die Geflüchteten eingebrochen ist, sondern auch in den enormen Rüstungsausgaben seine Ursache hat, soll und darf nicht eingestanden werden.

Rüstungsausgaben für die Ukraine

Seit dem Ausbruch des Krieges haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten insgesamt mehr als 77 Milliarden Euro an Hilfsgeldern für die Ukraine gezahlt. Die militärische Unterstützung für Kiew hat sich seit Februar 2022 auf 5,6 Milliarden Euro summiert. Hinzu kommen mindestens zehn Milliarden Euro an direkten Waffenlieferungen aus den einzelnen Mitgliedstaaten auf bilateraler Basis.

Laut eigenen Angaben hat die Bundesregierung seit Februar 2022 fast 22 Milliarden Euro für die Ukraine ausgegeben, das ist über 1 Milliarde monatlich beziehungsweise täglich 38,5 Millionen Euro, durch 30 geteilt (15).

Mitte September hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius ein neues Rüstungs- und Hilfspaket für die Ukraine im Volumen von 400 Millionen Euro angekündigt. Trotz angeblich leerer Kassen kann Pistorius fast eine halbe Milliarde für zusätzliche Munition, für „geschützte Fahrzeuge und Minenräumsysteme“ sowie für Strom- und Wärmeerzeuger ausgeben. Darüber hinaus werden weitere ukrainische Soldaten in Deutschland ausgebildet, bis Ende 2023 werden es 10.000 sein.

Insgesamt betragen die täglichen Ausgaben für die Kriegsindustrie in Deutschland mehr als 150 Millionen Euro. Das ist ein Schlag ins Gesicht für Millionen von RentnerInnen, Kindern und Jugendlichen sowie für ArbeitnehmerInnen, deren Löhne so gering sind, dass sie auf staatliche finanzielle Hilfen angewiesen sind.

Das heißt, die SteuerzahlerInnen subventionieren die Unternehmen, die so niedrige Löhne zahlen, dass sie aufgestockt werden müssen. Dieser Skandal in einem der reichsten Länder der Welt wird kaum thematisiert.

Dass die EU-Aufrüstung letztlich auf Krieg vorbereitet, schlussfolgerten zahlreiche Friedensinitiativen, die im Juni 2023 auf der Jahrestagung des Europäischen Netzwerks gegen Waffenhandel zusammenkamen:

„Die EU-Militarisierung bedeutet (…) materielle Vorbereitung auf Krieg. (…) Durch Lobbyarbeit der europäischen Rüstungs- und der sogenannten Sicherheitsindustrien wurde die Militarisierung der EU vorangetrieben. Priorität bekam die Rüstungsindustrie, auf Kosten der sozialen Belange und der gemeinsamen Bemühungen der EU-Mitgliedstaaten um Frieden. Durch diese Bevorzugung der Aufrüstung wird jedoch der Frieden nicht gesichert, noch werden die strukturellen Ursachen der Konflikte beseitigt. Das ausbeuterische Wirtschaften wird militärisch angegangen, die Flüchtlingsfrage.

Grenzbefestigungen werden ausgebaut, die Frontex aufgerüstet. Das lukrative Geschäft mit der Dritten Welt wird militärisch abgesichert. Die Kontrolle der Seehandelsrouten und der Zugang zu Rohstoffen sollen nötigenfalls durch Militäreinsätze erzwungen werden, das hegemoniale, kapitalistische und neoliberale wirtschaften soll verteidigt werden“ (16).


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.euractiv.de/section/innenpolitik/news/eu-kommission-will-munitionsherstellung-ankurbeln/
(2) https://www.solidarwerkstatt.at/frieden-neutralitaet/tagebuch-eu-militarisierung-2023
(3) https://www.infosperber.ch/wirtschaft/konzerne/die-angst-vor-einem-globalen-krieg-ist-gut-fuer-das-geschaeft/
(4) https://www.solidarwerkstatt.at/frieden-neutralitaet/tagebuch-eu-militarisierung-2023
(5) https://www.bmvg.de/de/aktuelles/strategischer-kompass-entwicklung-strategischer-grundlagen-278176
(6) https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/03/21/a-strategic-compass-for-a-stronger-eu-security-and-defence-in-the-next-decade/pdf
(7) https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169462.eu-aufruestung-frieden-schaffen-mit-europas-waffen.html
(8) https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/anerkannte-missionen/unterstuetzungsmission-eumam-ukraine
(9) https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/europe-fit-digital-age/stronger-european-defence_de
(10) https://www.bundeswehr.de/de/organisation/streitkraeftebasis/aktuelles/kommando-ulm-nato-und-eu-im-fokus-178076
(11) https://www.nachdenkseiten.de/?p=102548,NDS 17.8. 2023, „Stimmen aus der Ukraine: Was dachte der bulgarische Präsident beim Anblick von Selenskyj?“
(12) https://www.telepolis.de/features/Olaf-Scholz-gegen-Scheinloesungen-fuer-Ukraine-ist-damit-auch-EU-Politik-gemeint-9311729.html, Olaf Scholz gegen „Scheinlösungen“ für Ukraine — ist damit auch EU-Politik gemeint? 20. September 2023
(13) https://globalbridge.ch/pierre-de-gaulle-enkel-von-charles-de-gaulle-spricht-klartext-ueber-die-usa-die-nato-und-die-europaeischen-medien/
(14) https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/eu-aussenbeauftragter-josep-borrell-schockiert-mit-kolonialistischer-rede-vor-studenten-europa-ist-ein-garten-li.277450
(15) https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/krieg-in-der-ukraine/deutschland-hilft-der-ukraine-2160274
(16) Neue Rheinische Zeitung vom 18. September 2023, Treffen des European Network Against Arms Trade in Bern im Fokus des Krieges in der Ukraine und der weltweiten Aufrüstung, ENAAT gegen EU-Rüstungskolosse, http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28786


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