Das Konzept einer Welt ohne Privateigentum fällt in der westlichen Kultur — insbesondere in den sich progressiv verstehenden Milieus — auf einen immer fruchtbareren Boden. Schon 1976 schrieb Erich Fromm über die Polarität zwischen Haben oder Sein, über die Menschen im Westen, deren Modus Operandi in allen Facetten des Lebens im Haben statt im Sein verhaftet sei. Die kommerziell erfolgreichen Känguru-Chroniken düngen auf humoristische Weise den geistigen Acker für eine besitzlose Gesellschaft. „Ach, ‚mein‘ und ‚dein‘, das sind doch nur so bürgerliche Kategorien!“, weiß das kommunistische Känguru zu erläutern. Das Geld nicht alles sei, ist im Allgemeinen eine häufig verwendete Floskel von jenen Wohlstandsverwahrlosten, die davon mehr als ausreichend zur Verfügung haben.
Die tiefenindoktrinierende Vorbereitung auf eine besitzlose Gesellschaft finden wir zunehmend auch im alltäglichen Leben. Die Vorratskammern in den Häusern und Wohnungen weichen den für den Moment bedarfsgerechten Just-in-time-Lieferungen durch gegenüber ihren Bediensteten ausbeuterische Lieferdienste. Sharing-Angebote florieren ungehemmt, sei es im Verleih von Autos, Fahrrädern oder technischen Gerätschaften. Auch wird das Konzept des Minimalismus massenmedial forciert, pseudophilosophische Debatten darüber entfacht, wie viele Gegenstände ein Mensch wirklich brauche.
Auf allen Ebenen zielt das Social Engeneering darauf ab, den Menschen das Eigentum madig zu machen, es für „antiquiert“ zu erklären. Und das funktioniert mittlerweile erschreckend gut.
Im spezifischen Falle Deutschlands kommt hinzu, dass die Eigenheimquote im europaweiten Vergleich enorm niedrig ist. Knapp die Hälfte der Deutschen wohnen zur Miete, anstatt die eigenen vier Wände zu besitzen. Mit den neuen EU-Beschlüssen, wonach Gebäude — und damit auch Wohnhäuser — bis 2050 emissionsfrei sein müssen, könnte sich die europaweite Eigentumsquote nochmals drastisch reduzieren, da ein nicht unerheblicher Teil der EU-Bevölkerungen außerstande sein wird, sich die dafür notwendigen Renovierungen zu leisten.
Für 2023 lässt sich bereits jetzt konstatieren, dass das Privateigentum der Menschen im Schwinden begriffen ist — der von der Davoser Clique versprochene Anstieg der Lebensfreude ist indes kaum sichtbar. In Deutschland wird — ganz gegenteilig — die Bevölkerung durch den Bundespräsidenten auf harte, entbehrungsvolle Jahre eingestimmt.
Der Ballast
Das neue Jahr hat begonnen, und ich beschließe, nun endlich mithilfe von Freunden mein Verlies im Keller zu entrümpeln. Abgesehen von einigen Nudel-Reis-Linsen- und Wasservorräten ist die restliche Kammer, gut und gern 90 Prozent meines Kellers, mit dem hinterlassenen Gerümpel meiner Vormieter vollgestellt.
Nun, da ich auf dieses unübersichtliche Chaos blicke, wünschte ich, Klaus Schwab hätte in Bezug auf meinen Keller recht — „You own nothing!“.
Gut, zumindest meine Vorräte würde ich gerne behalten. Aber der Rest — der kann mir dann doch gestohlen bleiben. Leider ist dieser ganze Plunder so wertlos, dass nicht einmal ein Dieb das Zeug mitgehen lassen würde. Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als den kleinen und großen Krimskrams zu sortieren und in den angemieteten Sprinter zu verladen.
Während meine Kumpels und ich uns wie horizontal buddelnde Archäologen durch die Kruscht-Schichten wühlen, stelle ich mir die Frage, wie lange das Gerümpel auf der anderen Seite der Kellerkammer wohl schon sein staubbedecktes Dasein fristet? Vom wievielten Vor-Vor-Vormieter es wohl stammen mag? Nach langer, anstrengender und schweißtreibender Entrümplungsarbeit werde ich mit einer vagen Antwort belohnt. Ich finde eine Kunstmappe mit kindlichen Verzierungen. Darin finde ich gelungene Zeichnungen und Malereien einer jungen Schülerin, die im Schuljahr 2002/03 eine Klasse 4b besuchte. Nun mal angenommen, dass die Mappe mit dem Übertritt in eine weiterführende Schule im Schuljahr 2003/04 in den Keller verlegt wurde, kann ich daraus ableiten, dass ein Teil des Gerümpels schon seit fast zwei Jahrzehnten in diesem Keller vor sich hinschmort.
Es ist wirklich beachtlich, was Menschen über die Jahre hinweg sich aneignen, gebrauchen, ablagern und zurücklassen. Vielleicht müssen wir — so denke ich in diesem Moment — Besitz und Eigentum doch infrage stellen und die in kritischen Kreise vielleicht ketzerische Überlegung anstellen, in welchen Punkten ein Klaus Schwab eventuell recht haben könnte?
Das, was ich in diesem Kellerverlies herausgekramt habe, hat nichts mit Fülle zu tun — es ist Ballast!
Im Enddarm des Konsumismus
Endlich ist das Gerümpel von fast zwei Dekaden im Sprinter verladen, und es geht in Richtung Wertstoffhof. Dort angelangt, stauen sich die Transporter und PKWs. Wir sind bei Weitem nicht die einzigen, die ihre Altlasten loswerden wollen, und der Wertstoffhof ist bei Weitem nicht der einzige Warenfriedhof.
Wir finden einen Parkplatz und öffnen die Hecktüren. Nach und nach holen wir das „Graffe“ — wie man in Bayern zu sagen pflegt — aus der Ladekabine. Mal wissen wir direkt, in welcher Walze welcher Schrott bestattet werden darf, mal wenden wir uns an den in einen orangen Overall gekleideten Hofmeister, der uns mit Kippe im Mundwinkel und einem jugoslawischen Akzent freundlich die Containernummer zuraunt.
Mit alten Küchengeräten in den behandschuhten Händen betrete ich den Container für kleine und mittelgroße Elektrogeräte. Das Innere des Containers sieht aus wie die Antithese zu einem Mediamarkt. Produkte, die einstmals nigelnagelneu auf den Verkaufsflächen ausgestellt wurden, liegen nun als der Müll von morgen verschmutzt und abgehalftert auf dem Eisenboden. Wenn die großen Konsumtempel ein Molloch sind, dann sind die Wertstoffhöfe zweifelsohne der Enddarm. Hier sieht man, was übrig bleibt, wenn die Sollbruchstellen, die geplanten Obsoleszenzen der Gerätschaften ihre Wirkung zeitigen und diese damit vorzeitig in den funktionalen Tod schicken.
Nicht das Privateigentum infrage stellen, sondern dessen Qualität
Ich verlasse den Container, umgeben von der dystopischen Soundkulisse knurrender Müllpressen und dem Scheppern weggeworfenen Mobiliars, das in ebendiesen Pressen landet. „So kann es keinesfalls weitergehen“, denke ich in diesem Moment und muss mir wider Willen eingestehen, dass der Klaus in Davos doch irgendwo recht hat.
Mir kommt ein Interview von Sophia-Maria Antonulas mit einem jungen, politisch aufgeweckten Landwirt in den Sinn. Diesen Zwiespalt, gegen den Great Reset zu sein und gleichzeitig Klaus Schwab zugestehen zu müssen, in gewisser Weise doch recht zu haben, hat der Landwirt sehr treffend ausformuliert:
„Klaus Schwab und die Grünen sind deshalb so erfolgreich, weil sie so nah an dem argumentieren, was tatsächlich gebraucht wird. Sie arbeiten mit hochintelligenten Vereinnahmungsstrategien, die aktuelle menschlich-gesellschaftliche Bedürfnisse mit einem bestimmten elitären Machtanspruch verbinden, also in ihrem Sinne umlenken. Das ist eine hohe Kunst, beeindruckend und erschreckend zugleich.“
Ja, „Vereinnahmungsstrategien“ ist das richtige Wort! Das Richtige proklamieren, um in dessen Schatten das Falsche durchzusetzen.
Im Bezug auf das Verschwendertum ist es unstrittig: Diese Lawinen aus sich nach 3 bis 5 Jahren selbst zerstörenden Geräten stehen unserer besseren Zukunft im Weg.
Meine Gedanken kreisen weiter, hin zu zu Thomas Eisingers Klimadiktatur-Dystopieroman „Hinter der Zukunft“, in welchem eine entrechtete und besitzlose Bevölkerung einem rigiden Enthaltsamkeits- und Spardiktat unterworfen ist. Eine der Romanfiguren bringt es sehr treffend auf den Punkt:
„Die Ressourcen wurden deshalb so rasch verbraucht, weil Milliarden Menschen täglich zum Konsum angestiftet wurden. Und zwar von denen, die damit extremen Reichtum erwarben und sich einen Dreck um Umwelt oder Ressourcen scherten. Die ihre Produkte extra so bauten, dass sie schnell kaputt gingen. Die in Steueroasen angesiedelt sind und so der Gemeinschaft die dringend benötigten Finanzmittel entziehen, mehrere 1000 Milliarden pro Jahr. Erst die Manipulation der Massen durch die Wenigen führte zur Ausbeutung des Planeten.
Es müsste also nicht heißen, ‚wir müssen uns einschränken‘ sondern vielmehr ‚ihr müsst euch einschränken‘ nämlich mit eurem Wahn nach Reichtum und Macht.
Doch das exakte Gegenteil ist geschehen. Je größer die Ungleichheit wurde, desto mehr Geld wurde in Kampagnen gesteckt, die uns Menschen erklärten, wir wären schuld an allen möglichen Missständen“ (1).
Besser hätte man es nicht formulieren können. Es sind die gleichen Dirigenten, die sowohl hinter „Geiz ist geil!“ als auch den Kampagnen stecken, die uns heute einreden wollen, wir hätten die Welt an den Rand des Abgrunds getrieben, durch unseren Überflusskonsum, zu dem uns die omnipräsente Werbung und der damit einhergehende, industriell induzierte Prestigedruck erst gedrängt haben. So hat uns die globale Oligarchie einen vermüllten Planeten, einen riesigen Schrotthaufen und ein zu weiten Teilen unberechtigtes schlechtes Gewissen beschert.
Wir Menschen im globalen Norden leben nicht in der Fülle, sondern ersticken in dem Ballast unseres Krempels. Schwab und seine elitäre Entourage nutzen diese — erst durch sie selbst verursachte — Tatsache aus, um uns eine gänzliche Enteignung schmackhaft zu machen, statt die materielle Entlastung auf das Überflüssige zu reduzieren.
Nun mag man sich sicherlich trefflich darüber streiten können, welche Gerätschaften als „überflüssig“ deklariert werden könnten oder sollten. Das kann niemand abschließend feststellen; schließlich sind unsere Bedürfnisse und Interessen so unterschiedlich, dass es ein Ding der Unmöglichkeit wäre, einen für alle Menschen bedarfsgerechten Warenkorb zu erstellen. Würden wir in diese Richtung denken, dann wären wir ganz schnell wieder in einer — wenn auch digitalen — Planwirtschaft, die mit der Vorstellung eines freien und mündigen Menschen unvereinbar ist.
Wir Menschen sollten frei entscheiden dürfen, welche Güter wir produzieren, verkaufen und erwerben wollen, solange diese Güter niemandem nachweisbar und unmittelbar schaden. Als Beispiel wären hier Waffen und andere Rüstungsgüter zu nennen. Bei all der mehr als notwendigen Kritik am derzeitigen Wirtschaftssystem sollten wir auf der Hut sein und nicht die Wanne samt dem Kind ausschütten, sprich uns das freie Unternehmertun und Privatvermögen nehmen lassen.
Was die geplante Besitzlosigkeit anbelangt, brauchen wir uns nichts vorzumachen — sie wird nicht von universeller Geltung sein. Jene, die Besitzlosigkeit propagieren, werden selbst nicht zu den Besitzlosen gehören. In dem Modell einer Gesellschaft, in welcher alle alles leihen, muss es zwangsläufig die Eigentümer geben, die alles verleihen und damit die Macht darüber haben, wer in den Genuss eines temporären Besitzes kommt. Statt uns also die totale Entrechtung durch Enteignung als „hippe“ Befreiung von der Last des Konsumismus und des Kapitalismus aufschwatzen zu lassen, wären wir besser damit beraten, über die Qualität von Besitz und Eigentum zu sprechen, ergo über Produktion, Instandhaltung und Nutzung. Die nachfolgenden Gedanken sind als Impulse zu verstehen und erheben selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Produktion
Eine zentrale Rolle bei der Produktion von Gütern in einer lebenswerten Zukunft wäre die Ausrichtung der Produktion weg von der Massenanfertigung hin zu einer individualisierten und bedarfsorientierten Produktion vermittels der sich immer weiter entwickelnden 3D-Drucktechnik. In dem nicht dinglichen Bereich des Digitalen ist dies unlängst geschehen. Die Ökonomin Shoshana Zuboff zeigte diese Unterscheidung sehr anschaulich in einem Vergleich der Produktionsweise von Ford im 20. und Apple im 21. Jahrhundert auf:
„So wie Ford sich als einer der Ersten den neuen Massenkonsumenten erschloss, war Apple eine der ersten Firmen, deren Umsatz durchs Dach ging, indem man neue Gesellschaft von Einzelnen und deren Bedarf an personalisierten Möglichkeiten des Konsums aufs Korn nahm (…).
Das befreite den Kapitalismus aus alten operativen Zwängen und versprach etwas ganz und gar Neues, dringend Notwendiges, etwas, was außerhalb der vernetzten Räume des Digitalen undenkbar war. Dessen implizites Versprechen einer anwaltschaftlichen Ausrichtung an unseren neuen Bedürfnissen und Werten nahmen wir als Bestätigung unserer Würde und unseres Selbstwertgefühls; es bestätigte uns, dass wir zählten. Außerdem bot es dem Verbraucher ein Schlupfloch aus einer institutionellen, seinen individuellen Bedürfnissen gegenüber gleichgültigen Welt. Daraus wiederum ergab sich die Möglichkeit eines neuen, vernünftigen Kapitalismus, der uns zu geben versprach, was wir wirklich wollen, und zwar exakt so, wie wir es wollen“ (2).
Mit Hilfe des 3D-Drucks kann diese individualisierte Produktion vom Digitalen auf das Analoge übertragen und das Zeitalter der Massenanfertigung in Fabriken weitestgehend überwunden werden. Man denke nur an die Arbeitskraft, die dadurch freigesetzt werden würde. Millionen von Menschen aus diesem riesigen Arbeitssegment der industriellen Produktion stünde es plötzlich frei, ihr Leben mit sinnstiftenden Inhalten zu füllen.
Instandhaltung
Wenn die 3D-Produktion dann noch von einer langlebigen und damit nachhaltigen Beschaffenheit wäre und folglich die geplante Obsoleszenz statt der Produkte endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landen würde, entfiele zugleich die Notwendigkeit, zum Zweck des Unternehmenserhalts und der Gewinnmaximierung immer neue Produkte herzustellen, die die alten Produkte ersetzen. Unternehmen könnten ihr Tätigkeitsfeld auf die Wartung, Reparatur und das Upcycling der Produkte verlagern. Schließlich sollten Güter mit einer Haltbarkeit von Hunderten Jahren kompatibel mit neuen technischen Innovationen sein, für die es schlicht einer Modernisierung statt eines Neuerwerbs bedarf.
Nutzung
Bei der Nutzung geht es nun tatsächlich um die Qualität des Besitzens oder des Eigentümerseins. Die Fragen lauten: In welcher Weise werden die Güter benutzt? Und wer nutzt die Güter?
Es wäre erstrebenswert, wenn Güter — im Speziellen technische Gerätschaften — durch ihre langlebige und bedarfsgerecht individuell zugeschnittene Herstellungsweise mit besonderer Achtsamkeit und pfleglich behandelt werden. Pfleglicher als die alljährlich neu erscheinenden Smartphones, die bereits nach einem Jahr der alte Schrott von gestern sind.
Wie schön wäre es, würde sich die Kurve des Produktwertes umgekehrt bewegen, statt von oben nach unten von unten nach oben. Wäre es nicht wünschenswert, Güter würden ihren Wert mit dem Alter erhalten, wie das bei Schmuck, Kunst oder Oldtimer-Fahrzeugen der Fall ist? Stellen wir uns vor, das Bestaunen von Gerätschaften würde nicht der Nigelnagelneuheit gelten, sondern der Tatsache, dass sie sich so lange halten. Man stelle sich vor, wie man im Jahr 2077 den 2027 aus einem 3D-Drucker geschlüpften Toaster bewundert, der nach einem halben Jahrhundert immer noch köstlich geröstete Brotscheiben aus den Schlitzen hüpfen lässt.
Die anschließende Frage danach, wer alles die Produkte nutzt, korrespondiert mit dem vorherigen Qualitätsmerkmal der Benutzung. Im Kern geht es bei der Wer-Frage darum, wie die Güter ausgelastet werden respektive von wie vielen Menschen sie genutzt werden. Eine kollektive Nutzung, die über ein Verleihsystem abgewickelt würde, schafft unweigerlich Anreize zur sorgsamen Nutzung, da von grober, schädlicher Handhabung am Ende alle Nutzer Nachteile erleiden.
Doch nun stellt sich die Frage, welche Güter dafür geeignet sind, kollektiv per Verleih genutzt zu werden? Es sind vor allen Dingen diejenigen Gegenstände, die im privaten, exklusiven Eigentum selten genutzt werden. Klare Beispiele hierfür sind Werkzeuge und Gartengerätschaften. Dass ein Mensch etwa einen Rasenmäher exklusiv für sich beansprucht, ergibt im Grunde genommen überhaupt keinen Sinn, wenn der Rasen nur fünfmal im Jahr gemäht werden muss.
Veranschlagen wir für jede Mäh-Session eine Stunde, liegt die Nutzungszeit des Rasenmähers im Jahr (!) bei fünf Stunden. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Rasenmäher zu 99,95 Prozent des Jahres ungenutzt rumsteht. Würde hingegen eine Siedlung mit beispielsweise hundert Haushalten den Rasenmäher gemeinschaftlich nutzen, diesen in einem gemeinsamen Schuppen parken und bei Bedarf herausholen, dann läge die jährliche Nutzung immerhin bei 500 statt bei 5 Stunden. Und die jährliche Nutzungsrate läge bei 5,7 statt bei 0,05 Prozent. Die Kosten für die Wartung wären folglich auch deutlich geringer, da durch die häufige Nutzung das Gerät nicht einrostet, und mathematisch logisch ist eine durch 100 dividierte Wartungssumme für den Einzelnen deutlich geringer.
„I told you“, würde Klaus Schwab nun einwerfen, „you will own no lawn-mower and you will be happy.“ Doch so einfach wollen wir es uns nicht machen. Denn wo endet diese Kollektivnutzung von Gegenständen? Bis zu welchem Gegenstand geht sie? Würde die von den Great-Reset-Befürwortern angestrebte Besitzlosigkeit auch meine Zahnbürste betreffen? Nun, die Zahnbürste würde ich — und vermutlich die meisten Menschen der Welt — ganz und gar nicht gerne mit anderen teilen. Die Beläge, Essensreste, Ansätze von Karies aus 15 anderen Mündern und vielleicht sogar Rückstände von fluoridhaltiger Zahnpasta anderer Nutzer auf „meinen“ Zahnbürstenborsten? Nein danke!
Es gibt Güter, die naturgemäß dem rein eigenen, exklusiven Eigentumsanspruch vorbehalten sind. Und selbst für solche Dinge, die für eine kollektive Nutzung prädestiniert wären, wie etwa Rasenmäher, Automobile oder Bücher, muss es zu allen Zeiten das Recht geben, diese als exklusives Eigentum besitzen zu dürfen. Das muss sich gar nicht zwangsläufig widersprechen. Ein Mensch kann temporär einen Car-Sharing-PKW besitzen und dauerhaft Eigentümer eines Oldtimers sein.
Die Wahl zwischen kollektiver und exklusiver Nutzung muss immer frei bleiben. Nur so kann es gelingen, die auf Privateigentum fußende Autonomie zu wahren und die Vorzüge der Sharing-Angebote zu genießen.
Schlussgedanken
Viele der Menschen in meinem Umfeld, die in irgendeiner Form Spiritualität in ihrem Alltag praktizieren, verwenden des Öfteren den Begriff der „Tempelenergie“. Die Bedeutung dahinter ist vergleichbar mit „Feng Shui“, die chinesische Lehre von der Anordnung der Dinge im Raum zum Zweck des optimalen Energieflusses. Bekanntermaßen spiegelt sich das Äußere im Inneren und umgekehrt. Der Grad an Aufgeräumtheit in den eigenen vier Wänden korrespondiert analog mit der Aufgeräumtheit des Geistes. An einem zugemüllten Schreibtisch wird wohl kaum jemand etwas Fruchtbares (er)schaffen.
Es wäre nun ein Leichtes, David Finchers mittlerweile „totzitiertes“ Werk „Fight Club“ heranzuziehen und Zitate zum Besten zu geben, wie etwa: „Alles, was du besitzt, besitzt irgendwann dich“ oder : „Erst wenn wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun“. In diesen Aussagen steckt durchaus etwas Wahres, aber sie sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Natürlich, Eigentum verpflichtet und bindet und hindert uns nicht selten daran, das zu tun, was wir wollen. Doch ganz ohne sind uns diese Möglichkeiten ebenfalls verbaut.
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in unserem Leben auf diesem Planeten nun mal grobstoffliche Wesen mit immateriellen, aber eben auch materiellen Grundbedürfnissen sind. Das lässt sich nun mal nicht leugnen. Und ja, der Geist mag über der Materie stehen und sie formen, aber dazu braucht es — ganz richtig — eben die Materie. Das eine geht nicht ohne das andere. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, Haben und Sein nicht mehr als unvereinbare Gegenpole zu betrachten, sondern beides in eine gesunde Balance, das Stoffliche wie das Feinstoffliche zum Tanzen zu bringen und unser Verhältnis zum Materiellen zu überdenken. Weg vom Markenfetischismus, hin zu einer dankerfüllten, sorgsamen und auf Langlebigkeit bedachten Handhabung der Gegenstände, die wir individuell oder als Gruppe unser Eigen nennen.
Vergleichen wir die Reise durch unser Leben mit einer Schiffsreise, so können wir uns folgender Analogie bedienen: Fahren wir besitzlos, bar jeder Gegenstände auf diesem Schiff, kommen wir nicht weit. Uns fehlen ein Kompass, ein Fernrohr, die Karte, Werkzeuge, Klamotten und vor allen Dingen Lebensmittelvorräte. Beladen wir den Bug hingegen mit zu vielen Gegenständen, versinkt das Schiff.
Für die Besitztümer gilt ebenfalls das, was uns der Schweizer Arzt Paracelsus lehrte:
„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“
Quellen und Anmerkungen:
(1) Siehe Eisinger, Thomas: „Hinter der Zukunft“, Vachendorf, 2021, Nova MD, Seiten 419 und 420.
(2) Siehe Zuboff, Shoshana: „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“, Frankfurt am Main, 2018, Campus, Seiten 48 und 49.
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