Der Parteienstaat
„Wir erleben demnach wirklich einen Clash of Civilisations, aber im Westen selbst, zwischen der Demokratie als bloßem Geschwätz des Establishments, das ihre Prinzipien im Müll seines täglichen Regierens zertrampelt, und der beim Wort genommenen Demokratie mit ihren unbeugsamen substanziellen Forderungen. Zwischen der Partei der Heuchelei und der Partei der Kohärenz. Zwischen dem Willen, das in der Verfassung versprochene Wort zu halten, und dem maßlos wachsenden Missverhältnis, das den Westen am Ende auch dazu zwingen wird, seine Werte auch in den Verfassungen zu leugnen.“
Paolo Flores d’Arcais
Für politisch interessierte Beobachter ist es längst keine Neuigkeit mehr, dass sich die politischen Kasten Europas von den Verfassungen ihrer Länder gelöst haben. Das zeigte sich beispielsweise in Deutschland daran, dass die Berliner Polizei auf Weisung des damaligen Innensenators Andreas Geisel (sicher in Absprache mit höheren Instanzen) bei Berliner Demonstrationen gegen das Corona-Regime und die Einschränkung der Bürgerfreiheiten und Grundrechte das Grundgesetz zu einer „privaten Meinungsäußerung“ degradierte. Die Polizisten verboten den Demonstranten, das Grundgesetz deutlich vor sich herzutragen.
Damit hat die herrschende politische Kaste kundgetan, dass das Grundgesetz sie gar nicht mehr interessiert und das eingetreten ist, was der italienische Philosoph Paolo Flores d’Arcais im oben genannten Zitat schreibt. Dieses Vorgehen der Polizei war ein Verbrechen und klassischer Verfassungsbruch, sichtbares Zeichen des offensichtlich vollzogenen Putsches „von oben“. Die auf das Grundgesetz verpflichtete Polizei hat die dafür verantwortlichen Verfassungsputschisten nicht etwa festgenommen, sondern diese laufen — wie nicht anders zu erwarten — frei herum und bekleiden Positionen im Staatsapparat.
Ein Grundgesetz, das nicht mehr gezeigt werden darf, und Grundrechte, die von der herrschenden Politkaste mit Füßen getreten werden, haben ihre Abwehrkraft gegen den Staat verloren.
„Die Freiheit des Bürgers wird von den Grundrechten als naturgegeben und dem Grundgesetz vorausliegend vorausgesetzt. Der Bürger braucht niemals eine Handlungsermächtigung. Deswegen ist es rein rechtlich gesehen ein ziemlicher Unsinn, auch wenn das immer in bester Absicht gesagt wird, wenn man sagt, die Ansichten eines bestimmten Menschen sind noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Denn die Meinungsfreiheit, die Freiheit zu sagen, was immer man will, die ist ganz natürlich da und muss nicht von etwas gedeckt sein. (...) Es ist nur eins zu beachten, wenn wir uns äußern oder sonst irgendwie handeln, dann darf das den einfachen Gesetzen nicht widersprechen. Wir Bürger sind nicht an das Grundgesetz gebunden, auch das überrascht viele Leute. Das Grundgesetz adressiert nur den Staat, der Staat muss sich an das Grundgesetz halten. Wir Bürger nicht, das spricht uns gar nicht an. Wir Bürger müssen uns an das einfache Gesetz halten, das Bürgerliche Gesetzbuch, an das Strafgesetzbuch.“
Die Aushebelung der Grundrechte durch das Corona-Terrorregime und die zunehmende generelle Ignoranz der Herrschenden gegenüber Recht und Gesetz wurden möglich, weil der Parteienstaat heutiger Prägung zur Oligarchenherrschaft mutierte, jener Verfilzung der politischen Macht mit der internationalen Konzern-, Medien-, Militär- und innerstaatlichen Repressionsmacht. Da sich die Parteien vor strafrechtlicher Verfolgung immunisiert haben, ist dem Machtmissbrauch Tür und Tor geöffnet. Parteienstaaten können per Definition keine demokratischen Staaten sein, weil die Abgeordneten ihren Parteiführern/Fraktionsspitzen unterworfen sind. Darum gilt: „Im Parteienstaat fehlt der Vertretung des Volkes die demokratische Substanz“, schreibt der konservative Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider.
„Die Politik wird von den wenigen Parteiführern bestimmt, nicht wirklich von den Abgeordneten, die zwar formal, nicht jedoch hinreichend material Vertreter des Volkes sind. Parteienstaaten sind eben nicht demokratisch, weil die Abgeordneten nicht unabhängig nach ihrem Gewissen entscheiden, wie das Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (...), gebietet, sondern fraktionsgebunden, wie es ihre Parteiführer wollen.“
Und wenn die demokratische Basis fehlt, wachsen Parteien langsam aber stetig ideologisch zusammen, beseitigen die „demokratische Restsubstanz“, das heißt die theoretisch denkbare Vielfalt politischer Positionen, und entarten zur Parteiendiktatur.
„Bloß formale Demokratie entartet zur Parteiendiktatur“, so ebenfalls Schachtschneider. Dies ist zudem das Ergebnis einer 40-jährigen — wie oben beschriebenen — neoliberalen beziehungsweise marktradikalen Konterrevolution Deutschlands, aber auch der anderen europäischen Staaten, in der die demokratische Substanz nach Kräften zerstört wurde. In dieser Zeitspanne wurden die Parteien ideologisch und machtpolitisch gleichgeschaltet und diejenigen Parteien, die aus dem Herrschaftsspektrum herausfallen, egal ob nach links oder rechts, haben keinerlei reale Chance mehr, jemals wirkmächtig zu werden.
„Wenn die Wahl der Kandidaten in der Hand einer oligarchischen Clique liegt, wird der demokratische Charakter des gesamten Wahlverfahrens diskreditiert. Die zunehmende Interesselosigkeit der Wähler für den Urnengang nährt sich aus der exklusiven Verfügungsgewalt der Parteiapparate über die Kandidatenauswahl.“
In diesem Zusammenhang spielen auch die Medien eine entscheidende Rolle.
„Die Asymmetrie und damit die Abkehr von der Demokratie wächst, denn die Medien sind in der Hand von Oligopolen, die immer öfter Teil des Establishments der Finanzwelt, der multinationalen Konzerne und der Zunft der Berufspolitiker sind.“
Die logische Folge dieses Prozesses ist, dass die Deutschen „… nach wie vor nicht als Bürger geachtet, sondern von der obrigkeitlichen Parteienoligarchie zu Untertanen degradiert (werden).“ Obwohl die Herrschaftscliquen dem Volk die Wirkung der Souveränität verweigern, behält es dennoch seine Souveränität, denn der Bürger ist in Freiheit geboren und diese Freiheit ist Teil der menschlichen Würde, so Schachtschneider.
„Ein Parteienstaat ist wenig geeignet, den Willen des Volkes zur Geltung zu bringen. Er ist zwangsläufig Oligarchie, eine Form der Despotie, die mehr oder weniger durch liberalistische Rechte der Untertanen moderiert ist. Der Mehrparteienstaat wahrt immerhin die Chance, einen Rest an Privatheit zu verteidigen, weil der Wettbewerb der Parteien den Wählern einen gewissen Einfluss verschafft. Wenn allerdings dieser Wettbewerb nur noch Schein der politischen Klasse ist, um den Seelen ihre Ohnmacht zu verschleiern, oder es der Parteienoligarchie im Verbund mit den Oligarchien in der Wirtschaft und vor allem in den Medien gelingt, die Opposition nicht zur Wirkung kommen zu lassen (Wahlunrecht, Redeverbot, Diskriminierung, Verfassungsschutz ) wie in der Unionspolitik, wird das Mehrparteiensystem in der Substanz zum Einparteiensystem, das von Führung und Gefolgschaft bestimmt ist. Die Bürger sind dann trotz aller Wahlen entmachtet. Die Souveränität ist ihnen genommen. Das ist die Lage in Deutschland.“
Mit diesen Worten entlarvt Karl Albrecht Schachtschneider den rechts-reaktionären Parteien- und Obrigkeitsstaat und delegitimiert ihn vollständig bezüglich der Maxime der „Freiheit“, der Bürgerrechte und Volkssouveränität.
In welchem Maße sich die Parteien als Oligarchien gebärden, ergibt sich vor allem auch daraus, dass sie strafrechtlich nicht belangt werden können — und seien diese Verfolgungen auch noch so berechtigt.
Dafür haben die Parteioligarchien selbst gesorgt. In § 129 StGB Absatz 3 Nr. 1 steht Folgendes zu kriminellen Vereinigungen:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.“
In Absatz 3 Nr. 1 heißt es weiter:
„Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat.“
Dass das Bundesverfassungsgericht Parteien erst für verfassungswidrig erklärt haben muss, bevor deren kriminelle Energie festgestellt werden kann, ist zugleich grotesk und ein Widerspruch in sich selbst. Doch eigentlich konsequente Folge der letzten mehr als 100 Jahre. Seitdem ist die Justiz mit Parteigängern durchsetzt und durch Parteieninteressen verseucht. Das bedarf hier keiner weiteren Beweise. Nicht nur die Herrschaftsparteien, sondern auch die Geheimdienste und zu weiten Teilen auch das Militär bescheren der Bevölkerung mit ihren Rechtsmissachtungen und -verletzungen am laufenden Band Probleme, die sie ohne diese nicht hätte. Auf Grundlage der jetzigen Gesetzgebung brauchen die Parteioligarchen jedoch nicht zu befürchten, ihre Macht zu verlieren und für ihre angerichteten Schäden und Verbrechen zur Verantwortung gezogen zu werden. Dieser Kaste kam jede Schamschwelle abhanden und jedes Bewusstsein dafür, dass sie der Dienstleister der Bevölkerung sind und deren Wohl ihre Aufgabe. Leider existiert kein formal legales Verfahren, das diese kranken Zustände ändern könnte.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch: „Das 1x1 des Staatsterrors. Der Neue Faschismus, der keiner sein will“. Das Buch können Sie hier bestellen.
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