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Der Pakt mit den Konzernen

Der Pakt mit den Konzernen

Im Roman „Teufelspack in Atemnot. Vom Erwachen des Dr. Faustus“ von Harry Popow prallt Goethes auferstandener Faust auf die Welt von heute.

„Abstand halten!“ hört man allerorts. Ein Schrei voller Unterwürfigkeit. Das angstmachende Gesäusel in den Medien, Kriegsgeschrei gegen Russland, Drohungen gegen Ungeimpfte, gegen Linke, dazu die Phrasendrescherei der Politiker: „Mehr Zukunft wagen“. Und wer mit Worten Fragen stellt, Zweifel äußert, der sogar friedlichen Widerstand leistet, sei ein Antidemokrat. Oder sogar ein Volksfeind ...

Der Ausweg? Abstand halten zum Pakt mit den Konzernen, den eigentlichen Verursachern und Gewinnern der Krise. Das wäre dringend geboten. Ich las zwei von zahlreichen im Netz besprochenen kritischen Publikationen, die jenen „Michels“, die noch im Dunkeln umherirren, ein Licht aufsetzen könnten. Die erste stammt von Egon Krenz, veröffentlicht im Dezemberheft der Zeitschrift RotFuchs, die zweite ist der Roman „Teufelspack in Atemnot“, also zweimal Gegenwehr gegen Volksverdummung. Vom Roman soll hier die Rede sein.

Er umfasst 556 Seiten und überzeugt, das sei vorangestellt, durch seine Tiefgründigkeit und polemische Auseinandersetzung mit geschichtlichen und gegenwärtigen gesellschaftlichen Erscheinungen. Der Autor identifiziert sich aus alter Liebe zur klassischen Literatur mit Goethes Faust, mit seinem Wissensdrang, die Welt in ihren Zusammenhängen zu verstehen und zu verbessern. Und so lässt er Faust aus seiner Gruft auferstehen.

Das Buch vermeidet es, trotz Herausarbeitung klassischer Ansichten der Geistesgeschichte, in Rückbesinnung zu versinken. Im Gegenteil: In der Gegenüberstellung zur Gesellschaftsentwicklung vor zweihundert Jahren gelingt es dem Autor, die heutigen Verhältnisse klar und kritisch herauszuarbeiten; deshalb beginnen die Berichte im Buch mit den heutigen die Menschen bewegenden Ereignissen.

Bereits im ersten Kapitel „Friedhofslärm“ stellt er die gespenstischen Vorgänge der stärker zunehmenden Beerdigungen dar. So würden die Friedhofsangestellten bald keinen Platz mehr für die steigende Anzahl von Coronatoten haben. Einige in der Menge der auf dem Friedhof arbeitenden Bestatter wollen vom „Grufti“ Faust nichts hören und sehen. Andere sind sehr angetan von seiner Auferstehung, weil er gegen Mephisto, das Böse im Menschen und in der Gesellschaft, angetreten ist, und sie betonen, dass diese Haltung in der Gegenwart ganz besonders nötig sei. Es ist ein Aufschrei an die Heutigen, sich mit dem gegenwärtigen Bösen auseinanderzusetzen.

Faust erklärt, er sei aufgewacht, die Erdenkinder vor Unheil zu schützen. Damit ist unter Zuhilfenahme einer klassisch positiven Menschheitsperson, eben Faust, der Grundtenor des Buches gekennzeichnet: die negativen Zeiterscheinungen und mögliche Wege zur Überwindung der Misere aufzeigen. Um sein Anliegen noch stärker zu formulieren, bringt Faust den deutschen Dichter Andreas Gryphius ins Spiel, der mit seinem Sonett „Thränen des Vaterlandes“ bedauernwerte Zustände des menschlichen Lebens beschreibt:

„Doch schweig ich noch von dem / was ärger als der Tod / was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth: Das auch der Seelen Schatz / so vielen abgezwungen.“

Kein Geplänkel, sondern tiefgründige Umwälzung

Es ist meine Absicht als Rezensentin, die Aufklärung der bedauernswerten Zustände in der Gesellschaft durch den Autor zu verfolgen. Doch möchte ich jene Leser warnen, die seichtes Geplänkel auf dem Niveau der gegenwärtigen Parteienpolitik erwarten und als Lektüre bevorzugen. Das richtige Maß an das Buch zu legen heißt: Es bringt hohen geistigen Gewinn, und nur so kann man die gesellschaftlichen Verhältnisse wahrhaft beleuchten.

Faust will gemeinsam mit gleichgesinnten Freunden Schritt für Schritt und tiefschürfend das gesellschaftliche Leben im 21. Jahrhundert mit dessen Kämpfen um die Macht und geistigen Triebkräften erkunden. Es geht dabei weniger um Handlungsabläufe als vielmehr um vielfältige Schauplätze, die jeweils neue Gesichtspunkte, Denkanstöße für Streitbares und Korrekturen für bisherige und veraltete Einsichten bieten, wobei die Satire nicht zu kurz kommt. Es geht vor allem um die Philosophie und um die Ökonomie, um die Dialektik der Widersprüche, um die sich bereits das Denken von Goethe und anderen fortschrittlichen deutschen Dichtern und Denkern gedreht hat. Faust und seine Gesinnungsfreunde stoßen auf Konflikte, lösbare und unlösbare. Zuletzt auf eine bodenlose Ignoranz gegenüber den friedlichen Interessen des Volkes, das im Teufelskreis der Geldherrschaft nach wie vor gefangen ist und sein Dasein fristet.

Pandemie schon auf dem Friedhof

Faust wird bei seinem Aufstieg in die Welt der Lebenden bereits auf dem Friedhof sofort mit der Pandemie konfrontiert.

Das entspricht ja auch dem Sinn dieses Buches: vor dem Hintergrund eines Zeitgeistes von vor 200 Jahren die gegenwärtigen Verhältnisse zu untersuchen, den bürgerlichen Humanisten Faust auf die heutigen gesellschaftlichen Zustände blicken zu lassen.

Fausts Erschrecken ist sehr verständlich, denn er will als Humanist die Angelegenheiten der Menschen geregelt sehen und ist als Erstes ob der menschenverachtenden Zustände auf Friedhöfen — Verbringung der Toten in Plastiksäcken, wie eine Bestatterin beklagt — und zugehörigen Verhältnissen entsetzt. Das betrifft die „staatlichen Zwangsmaßnahmen“, die angeblich nötig sind.

Besonderes Augenmerkt auf „Gesundheitspolitik“

Zwangsmaßnahmen hat schon 1871 Otto von Bismarck zur Beherrschung der Pockenepidemie verordnen müssen und diese so ausgemerzt. Aber heute muss darauf hingewiesen werden, dass das chaotische Umgehen mit den Verhältnissen eine Folge der kapitalistischen Gesundheitspolitik ist, die möglichst wenig Geld den Versicherungskonzernen und -kassen abverlangen will und mit katastrophalem Unvermögen gegen die gewinnorientierte Gesundheitsvorsorge im Land vorgeht. Das macht die staatlich Agierenden zu Kaspern der Gesundheitskonzerne wie auch der stationären und ärztlichen Bemühungen. Somit werden die „Plastesäcke“ zum Symbol des Versagens derer, die in der Gesellschaft das Sagen an sich gerissen haben.

DDR-Leistungen mit im Fokus

Die Figur des Buchnarrs — es handelt sich hierbei um den Autor — stellt Faust am Ehrenmal im Treptower Park seine Freunde und Bekannten vor. Vor allem sind es die Nachkriegskinder, die den Aufbau der DDR, die Liquidierung des faschistischen Gedankengutes sowie — mit Entsetzen — die wachsende Aggressivität der BRD gegenüber der DDR miterlebten und in Form des Sinnbilds vom Bogenschützen die DDR auch zu verteidigen wussten. Dabei spielt auch die Mutter des Buchnarren eine Rolle, die in der Krypta als Wandgemälde verewigt wurde.

Auf der Straße dann wird Faust mit einer sichtbaren Erscheinung der Zeit in Bekanntschaft gebracht, der Obdachlosigkeit, und er fragt sich: Warum gibt es Menschen ohne Dach über dem Kopf? Warum speist man sie mit Almosen ab, statt ihnen Arbeit zu geben? Faust hält der Gesellschaft deutsche Geister vor, Kant, Hegel, Schiller und andere mehr, die eine Humanität forderten, die heute noch immer vermisst wird.

Faust erlebt die Siegermentalität einiger Bundesbürger beim Gartenfest. Dabei lernt er die wirklichen Sorgen der Menschen in diesem Wohlstandsstaat BRD kennen. Wie sich zum Beispiel die „User“ Alex, Hanna, Judith und Lotti mit dem Buchnarr Gedanken darüber machen, was schiefläuft im Lande. Aber auch kluge Warner wie Rainer Mausfeld und Daniela Dahn, Dr. Hartmut König und Dr. Wolfgang Bittner werden im Anhang zitiert und jenen zur Kenntnis gebracht, die immer nur die regimetreuen Veröffentlichungen und Bücher lesen.

Nicht jede Episode, nicht jede Begegnung des in diesem Buch wiedererweckten Faust kann hier nachgezeichnet werden. Zentral ist jedoch stets das Streben nach der Wahrheit, für das ja bereits Goethes Faust bekannt war. Aus diesem Streben heraus dringt der Roman in die Tiefe gesellschaftlicher Zusammenhänge. Unter anderem lernt Faust auf diesem Wahrheitspfad mithilfe des Buchnarren und kluger Frauen und Männer aus der einstigen DDR — das Buch ist deutlich und wohltuend gegen das undifferenzierte DDR-Bashing in der BRD gesetzt — nicht nur das verlogene Menschenbild des Imperialismus, sondern auch im Verlies der „Festung“ den Ursprung der Machtgier in der Marktwirtschaft kennen.

Probleme erkennend, Lösungen suchend, liebend

Sehr gut ist die Darstellung der Warnung Goethes vor der Vereinnahmung des Menschen durch Geld und Gier, welche die Menschen in tiefes Unglück stürzen. Der Autor lässt Faust auferstehen, um sich die Welt anzusehen und zu begreifen. Dass er nicht als Rächer, Aufklärer, Nörgler oder gar Besserwisser und Politiker, auch nicht als Rebell agieren will, ist mit seiner Absicht verknüpft, Widersprüche zu erkennen und nach Lösungen zu suchen.

Damit hat der Autor das Ziel seines Buches erreicht: den strebenden, friedliebenden und liebenden Menschen in den Fokus zu rücken. Er legitimiert sein Buch damit, dass Goethe‘sches Bestreben im Sinne des gesellschaftlichen Fortschritts immer hochaktuell ist und in geistigen Kämpfen stets neu erstritten werden muss.

In die noch finsterere Gruft?

Faust muss sich am Ende des Buches jedoch fragen, ob sein Ausstieg aus der alten Gruft ihn letztlich bloß zu einer größeren und von Konzernen digital gesteuerten Gruft führt? Erst tot und dann noch toter? Wer lässt sich das schon gefallen? Er wird weitermachen, sich nicht unterbuttern lassen. Weitere Gesinnungsfreunde suchend. Mit dafür sorgend, zum Pakt mit den Konzernen Abstand zu halten und gleichzeitig aufzuklären. Damit der Mensch aus dem jahrzehntelangen Teufelskreis entkommen kann.


Hier können Sie das Buch bestellen: www.lehmanns.de


Quellen und Anmerkungen:

Harry Popow, „Teufelspack in Atemnot. Vom Erwachen des Dr. Faustus“; überarbeitete und gekürzte Neuauflage des Romans mit dem ursprünglichen Titel „Der Mensch im Teufelskreis“, 556 Seiten, ISBN: 9783757575588, epubli; 1. Edition (5. August 2023)


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