Der Verein „Rote Hilfe“ ist laut eigener Aussage eine überparteiliche Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt. Dabei bietet sie all denjenigen sowohl politische als auch materielle und rechtliche Unterstützung an, die aufgrund ihres politischen Handelns staatliche Repression erfahren. Dies geschieht unter anderem auch mittels Aufklärung über das richtige Verhalten im Falle der Repression sowie Beratung für Aktivisten, die mit der Staatsgewalt in Konflikt geraten sind.
Doch Ende November berichteten einige Medien über eine Äußerung von Innenminister Horst Seehofer (CSU), der laut über ein Verbot des Vereins nachdenkt. Unterstützung erhielt er von dem CDU-Abgeordneten Armin Schuster, der erklärte, man dürfe bei aller Konzentration auf extremistische Tendenzen in der AfD den linken Rand nicht vergessen. Damit aber verbrüdert sich die CDU mit der AfD, und der rechte Rand wächst erkennbar zusammen.
Nicht wenige Medien klatschten Beifall, mal mehr, mal weniger verhohlen. So wusste der Focus zu berichten, dass die Rote Hilfe hauptsächlich bei gewalttätigen Demonstrationen auftritt, um die radikalen Verbrecher vor der Justiz zu schützen. Dies, so war der Autor des Artikels, Josef Hufelschute, sicher, tut sie jedoch nur im Gegenzug für das Versprechen der Aktivisten, auch nach verbüßter Strafe den „revolutionären Straßenkampf fortzusetzen“. Gegen diese Falschbehauptung erwirkte die Rote Hilfe später eine einstweilige Verfügung , sodass sie in der aktuellen Version des Artikels nicht mehr zu finden ist.
Dennoch bleibt der Spin der Berichterstattung eindeutig. Die Rote Hilfe steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, auch die Bundesregierung sieht den Verein als mit dem Grundgesetz unvereinbar. Denn die Rote Hilfe zeige eine Bereitschaft zur aktiven Umgestaltung der bestehenden Verfassungsordnung. Solche Bestrebungen sind der herrschenden, auf Reichtum und Macht bedachten Klasse selbstverständlich ein Dorn im Auge. Die Berichterstattung soll also in der Öffentlichkeit den Boden für ein Verbot bestellen.
Der durch den Stimmenverlust bei der letzten Wahl sowie durch die Maaßen-Affäre angeschlagene Seehofer zieht mit diesem populistischen Manöver mit der AfD gleich auf, vielleicht um einem weiteren Abwandern der CSU-Wähler vorzubeugen. Wenn sich jedoch alle Parteien in dem Versuch überbieten, in vorauseilender Anbiederung an den vermeintlichen Volkswillen sich gegenseitig rechts zu überholen, so geraten die Grundsätze des Rechtsstaates schnell außer Acht, und dieser gerät in eine gefährliche Schieflage.
Die Rote Hilfe ist keine bombenlegende Terrorzelle, sondern ein offiziell eingetragener Verein, in dem auch Abgeordnete der SPD, der Grünen und der LINKEN Mitglied sind. Er unterstützt mit legalen Mitteln linke Aktivisten und bietet ihnen rechtliche und materielle Hilfe an. Die Rote Hilfe leistet somit einen wichtigen Beitrag zu einem funktionierenden Rechtsstaat und tut also nichts Illegales. Anders als rechte Netzwerke, die sich über Jahre in der Bundeswehr bilden konnten, bewaffnen sich seine Mitglieder nicht und schreiben auch keine Todeslisten mit den Namen vermeintlicher Feinde. Damit müssen aber die Grundsätze des Rechtsstaates und der Demokratie auch für die Rote Hilfe gelten, selbst wenn deren Tätigkeit Horst Seehofer missfällt.
Dies scheint allerdings Journalisten wie Hufelschute wenig zu interessieren. In seinem Artikel rückt er den Verein in die Nähe von Gewalt und Straftaten, führt exemplarisch G20 an und lässt dies für seine Beweisführung dann auch genügen. Dabei sind seine Aussagen kaum mehr als Behauptungen.
Einmal mehr offenbart der Medienbetrieb damit seine Nähe zum herrschenden System. Nicht die strukturelle Gewalt des Kapitalismus, durch die täglich 24.000 Menschen verhungern, nicht die zahlreichen Kriege, begonnen von der herrschenden Ordnung, nicht die verfehlte Umweltpolitik, die sich um Umwelt tatsächlich einen Dreck schert, nicht die menschenunwürdigen Sanktionen von Hartz IV, kurz, nicht die ganze, unmenschliche und nur einer kleinen Klasse nutzende Politik gibt Anlass zur Kritik, sondern ein Verein, der Menschen unterstützt, die sich genau gegen diese Verhältnisse wehren.
Angriff auf linke Bewegungen
Nach der Verschärfung der Polizeigesetze in ganz Deutschland, dem Gefährder-Gesetz sowie den Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz in Bayern könnte es nun, sollte Horst Seehofer mit seinem Vorschlag ernst machen, zu einer neuen Drehung an der Stellschraube des repressiven Polizei — und des Überwachungsstaates kommen. Damit soll es linken Aktivisten, welche die herrschenden Verhältnisse in Frage stellen, weiter erschwert werden, ihre Kritik anzubringen und auf Veränderungen hinzuwirken.
Jene, welche die derzeitige Ordnung beherrschen und sie durch konsequente Verrechtlichung ihrer Privilegien und des daraus resultierenden Unrechts in Gesetz gegossen haben, suchen ihre Macht gegen alle etwaigen Feinde zu verteidigen. Dabei schrecken sie auch vor einer Verbrüderung mit rechten Kräften nicht zurück, welche ja bekanntlich die Eigentumsordnung nicht hinterfragen. Mit ihnen lässt sich der Kapitalismus, wie schon in der Vergangenheit geschehen, gegen jeden Wandel verteidigen. Erstaunlich ist jedoch, dass dieser Vorstoß erst jetzt kommt. Den Verein „Rote Hilfe“ gibt es immerhin schon seit 1970 und damit seit fast 50 Jahren.
Hierin drückt sich die zunehmende Unsicherheit der herrschenden Klasse aus, die einer immer größeren Unzufriedenheit der Bevölkerung die Mittel und Unterstützung streitig machen will. Damit holt sie zu einem Schlag gegen die gesamte Linke aus, der rechten Kräften in die Hände spielt. Grund für das jetzige Verbotsvorhaben könnte auch die steigende Mitgliederzahl des Vereins sein. Darin zeigt sich deutlich: Immer mehr Menschen wenden sich von der herrschenden Politik ab und wünschen sich einen Wandel, den sie zur Not auch erkämpfen.
Es geht also nicht darum, den linken Rand nicht zu „vergessen“, sondern vielmehr darum, von den wahrhaft extremistischen Bestrebungen am rechten Rand abzulenken, mit denen sich im Zweifelsfall noch gut zusammenarbeiten lässt. Denn CDU und CSU machen sich mit diesem Schritt mit der AfD gemein. Schon André Poggenburg hatte, als er noch Mitglied der AfD war, im Landtag von Sachsen-Anhalt ein Verbot des Vereins gefordert. Der jahrelang durch den Staat geförderte Extremismus von rechts, man denke nur an die unmotivierte Aufklärung des NSU-Komplexes seitens der Gerichte und Staatsanwälte, soll durch einen faktisch inexistenten Extremismus von links verharmlost werden.
Mit seiner Äußerung hat Horst Seehofer der Roten Hilfe jedoch, wenn auch unbeabsichtigt, eine Welle von Unterstützung und Neueintritten beschert. Dabei stammen die neuen Unterstützer nicht nur aus dem linken Spektrum. Nicht wenige von ihnen seien gar nicht links, so das Vorstandsmitglied Henning von Stoltzenberg, ihnen gefalle nur das Vorgehen des Staates in Gestalt von Horst Seehofer nicht.
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