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Der lange Marsch in die Dystopie

Der lange Marsch in die Dystopie

Die derzeitige Umstrukturierung der Landwirtschaft ist nur Teil einer umfassenden Strategie, die die Zerstörung des Natürlichen zugunsten des Künstlichen vorantreibt.

von Colin Todhunter

„Eine totale Zerstörung früherer Existenzformen ist im Gange: Wie man auf die Welt kommt, das biologische Geschlecht, Erziehung, Beziehungen, die Familie, sogar die Ernährung, die bald synthetisch sein wird“, schreibt die radikale Ökologin Silvia Guerini in „From the ‚Neutral‘ Body to the Posthuman Cyborg: A Critique of Gender Ideology’“ (zu deutsch: „Vom ‚neutralen’ Körper zum posthumanen Cyborg’; keine deutsche Ausgabe verfügbar) von 2023.

Wir erleben derzeit eine Beschleunigung der Unternehmenskonsolidierung in der gesamten globalen Agrar- und Lebensmittelkette. Die Big-Data-Konglomerate, darunter Amazon, Microsoft, Facebook und Google, haben sich mit traditionellen Agrarriesen wie Corteva, Bayer, Cargill und Syngenta zusammengetan, um weltweit ihr Lebensmittel- und Landwirtschaftsmodell durchzusetzen.

Die Bill-and-Melinda-Gates-Stiftung und viele große Finanzinstitutionen wie BlackRock und Vanguard sind ebenfalls involviert, sei es durch den Aufkauf riesiger landwirtschaftlicher Nutzflächen, das Vorantreiben biosynthetischer (künstlicher) Lebensmittel und gentechnischer Verfahren oder allgemeiner durch Ermöglichung und Finanzierung der Ziele der riesigen Agrar- und Lebensmittelkonzerne.

Die Milliardärsinteressen dahinter versuchen, ihren technologischen Lösungsansatz als eine Art humanitäre Bestrebung darzustellen: Rettung des Planeten durch ‚klimafreundliche Lösungen‘, ‚Unterstützung für Landwirte‘ oder ‚Ernährung der Welt‘. Worauf es aber tatsächlich hinausläuft, ist eine Neuverpackung und ein Greenwashing der Enteignungsstrategien des Imperialismus.

Dies bringt eine Verschiebung zu einer „Eine-Welt-Landwirtschaft“ mit sich, unter der Kontrolle von Agritech und den Datengiganten auf gentechnisch verändertem Saatgut, Produkten, die im Labor erschaffen werden und Lebensmitteln ähneln. Zudem soll sie auf einer ‚präzisions‘- und ‚datengesteuerten‘ Landwirtschaft sowie einer Landwirtschaft ohne Landwirte beruhen, bei der die gesamte Agrar- und Lebensmittelkette, vom Feld (oder Labor) bis zum Verkauf, von monopolistischen E-Commerce-Plattformen gesteuert wird, bestimmt von KI-Systemen und -Algorithmen .

Diejenigen, die diese Agenda vorantreiben, haben nicht nur für die Landwirte eine Vision, sondern für die Menschheit im Allgemeinen.      

Mithilfe ihres militär-digital-finanziellen (Pentagon / Silicon Valley/ Big Finance) Komplexes wollen die Eliten ihre Technologien dafür nutzen, die Welt umzugestalten und das Menschsein neu zu definieren. Sie betrachten Menschen, ihre Kulturen und Praktiken, wie auch die Natur als problematisch und mangelhaft.

Landwirte sollen verdrängt und durch Drohnen, Maschinen und Cloud-basierte Datenverarbeitung ersetzt, Lebensmittel neu definiert und Menschen mit synthetischen, gentechnisch hergestellten Produkten ernährt werden. Kulturen sollen ausgelöscht und die Menschheit urbanisiert werden — unterworfen und abgeschnitten von der natürlichen Welt.

Was das Menschsein bedeutet, soll sich radikal verändern. Aber was bedeutete es bisher oder zumindest vor der (relativ neuen) Industriellen Revolution und der damit verbundenen Massenverstädterung, Mensch zu sein?

Um dies zu beantworten, müssen wir unsere Verbindung zur Natur und das, womit ein Großteil der Menschheit vor der Industrialisierung zu tun hatte, nämlich dem Anbau von Nahrungsmitteln, erörtern.

Viele der alten Rituale und Feste unserer Vorfahren gründeten auf Geschichten, Mythen und Ritualen, die ihnen halfen, mit manchen der grundlegendsten existenziellen Fragen zurechtzukommen: vom Tod bis zur Wiedergeburt und Fruchtbarkeit. Diese kulturell eingewobenen Glaubensvorstellungen und Praktiken dienten dazu, ihre praktische Verbindung mit der Natur und deren Rolle in der Aufrechterhaltung menschlichen Lebens zu heiligen.

Als der Ackerbau für das menschliche Leben eine zentrale Bedeutung erhielt, wurden das Pflanzen und Ernten von Feldfrüchten sowie andere jahreszeitliche Aktivitäten für die Lebensmittelproduktion zum Mittelpunkt dieser Bräuche.

Die Menschen feierten die Natur und das Leben, das sie hervorbrachte. Alte Glaubensvorstellungen und Rituale waren durchdrungen von Hoffnung und Erneuerung und die Menschen hatten eine notwendige und unmittelbare Beziehung zu Sonne, Saatgut, Tieren, Wind, Feuer, Erde, Regen sowie den wechselnden Jahreszeiten, die Leben nähren und hervorbringen. Unsere kulturellen und sozialen Beziehungen mit der landwirtschaftlichen Produktion und den damit verbundenen Gottheiten hatten eine solide praktische Grundlage.

Das Leben der Menschen war Jahrtausende lang mit dem Pflanzen, der Ernte, dem Saatgut, dem Erdboden und den Jahreszeiten verbunden.

Silvia Guerini, deren Zitat diesen Artikel eröffnet, betont die Wichtigkeit von tief verwurzelten Beziehungen und von Ritualen, die diese bestätigen. Sie sagt, eine Gemeinschaft erkenne sich selbst und ihren Platz in der Welt durch Rituale. Diese erschüfen den Geist einer verwurzelten Gemeinschaft, indem sie dazu beitragen, eine individuelle Existenz in der Zeit, in einer Gegend und in einer Gemeinschaft verwurzeln und standhalten zu lassen.

Professor Robert W. Nicholls erklärt, die Kulte von Wotan und Thor überlagerten weit ältere und besser verwurzelte Glaubensvorstellungen über die Sonne und die Erde, die Feldfrüchte und die Tiere sowie den Wechsel der Jahreszeiten zwischen dem Licht und der Wärme des Sommers und der Kälte und Dunkelheit des Winters.

Die Beziehung der Menschheit zum Landbau und zu Nahrungsmitteln sowie unsere Verbindung zu Land, Natur und Gemeinschaft hat über Jahrtausende die Bedeutung des Menschseins definiert.

Nehmen wir beispielsweise Indien. Die Umweltwissenschaftlerin Viva Kermani sagt, dass Hinduismus die weltweit größte naturverbundene Religion ist, die:

„… das Göttliche in Natur erkennt und sucht und alles als heilig anerkennt. Sie sieht die Erde als unsere Mutter an und setzt sich daher dafür ein, dass sie nicht ausgebeutet wird. Ein Verlust dieses Verständnisses der Erde als unserer Mutter oder eine bewusste Ignoranz dieser Einsicht erwirkte den Missbrauch und die Ausbeutung der Erde und ihrer Rohstoffe.“

Kermani merkt an, dass alte Schriften die Menschen lehrten, dass die in Indien zu findenden Tiere und Pflanzen heilig und daher alle Erscheinungsformen der Natur zu verehren seien. Sie fügt hinzu, dass dieses Verständnis von und diese Ehrfurcht vor der Umwelt allen indischen Religionen und spirituellen Systemen — Hinduismus, Buddhismus und Jainismus — zu eigen ist.

Kermani zufolge haben die vedischen Gottheiten eine tiefe Symbolik und viele Existenzebenen. Eine dieser Verbindungen besteht mit der Ökologie. Surya wird mit der Sonne in Verbindung gebracht, der Quelle von Wärme und Licht, die jeden nährt; mit dem Regen, den Feldfrüchten und der Fülle wird Indra assoziiert und Agni ist die Gottheit des Feuers und der Verwandlung, die alle Veränderungen überwacht.

Sie merkt an, in der Vrikshayurveda, dem alten Sanskrit-Text über die Wissenschaft von Pflanzen und Bäumen, fänden sich detaillierte Beschreibungen zur Erhaltung des Bodens, zum Pflanzen, Säen, zur Behandlung und zur Vermehrung sowie zum Umgang mit Schädlingen und Krankheiten und vieles mehr.

Wie Nicholls bietet Kermani Einsichten in einige der tiefgehenden kulturellen, philosophischen und praktischen Aspekte der Verbindung der Menschheit mit der Natur und der Nahrungsmittelproduktion.

Diese Verbindung ist im Einklang mit dem Agrarianismus, einer Philosophie, die auf genossenschaftlicher Arbeit und Gemeinschaft beruht und in starkem Gegensatz zu den Werten und Folgen städtischen Lebens, Kapitalismus und Technologie steht, welche als der Unabhängigkeit und Würde abträglich angesehen werden. Auch betont der Agrarianismus eine spirituelle Dimension wie auch den Wert einer ländlichen Gesellschaft, kleiner Bauernhöfe, weit verbreitetem Grundbesitz und einer politischen Dezentralisierung.

Wedell Berry, prominenter Verfechter des Agrarianismus, sagt:

„Die Revolution, die mit Maschinen und Chemikalien begann, macht nun mit Automatisierung, Computern und Biotechnologie weiter.“

Für Berry ist Agrarianismus keine sentimentale Sehnsucht nach längst vergangenen Zeiten. Koloniale Einstellungen im Inland, im Ausland und nun global, haben dem echten Agrarianismus fast von Beginn an Widerstand geleistet — es gab nie vollkommen nachhaltige, stabile, lokal angepasste und landbasierte Wirtschaften.

Dennoch liefert Berry viele Beispiele kleiner (und auch größerer) Bauernhöfe, die mit einem Drittel des Energieaufwands einen ähnlichen Ertrag erwirtschaften wie die industrielle Landwirtschaft.

In seinem Gedicht „Eine spirituelle Reise“ schreibt Berry:

„Und die Welt kann nicht durch eine meilenlange Reise entdeckt werden,
egal, wie lang sie ist,
sondern nur durch eine spirituelle Reise,
eine Reise von einem inch,
sehr beschwerlich und demütigend und voller Freude,
bei der wir auf dem Boden unter unseren Füßen ankommen
und lernen, zu Hause zu sein.“

In der geplanten kalten, zentralisierten, technokratischen Dystopie jedoch soll die spirituelle Verbindung der Menschheit zum Land, zur Nahrung und zur landwirtschaftlichen Produktion im Mülleimer der Geschichte entsorgt werden.

Silvia Guerini bedankt sich bei Paul Cudenec und seinem Artikel und sagt:

„Die Vergangenheit wird zu etwas, das ausgelöscht werden muss, um den Faden zu kappen, der uns an eine Geschichte, eine Tradition, eine Zusammengehörigkeit bindet — für den Übergang in eine neue entwurzelte Menschheit, ohne Vergangenheit, ohne Erinnerung … eine neue Menschheit, in ihrem Wesen entmenschlicht, vollkommen in der Hand der Manipulatoren von Wirklichkeit und Wahrheit.“
 
Diese von der Vergangenheit abgeschnittene entmenschlichte Menschheit ist Teil der umfassenden Agenda des Transhumanismus. So sehen wir zum Beispiel nicht nur einen Vorstoß in eine Welt ohne Landwirte und alles, was uns mit dem Boden verbunden hat, sondern, Guerini zufolge, auch eine Welt ohne Mütter.

Sie legt dar, dass diejenigen, die hinter Retortenbabys und Leihmutterschaft stehen, sich nun der Gentechnik und der künstlichen Gebärmutter zuwenden — was Frauen aus dem Reproduktionsprozess ausschlösse. Guerini sagt voraus, dass künstliche Gebärmütter als Recht für alle, darunter auch Transsexuelle, gefordert oder vielmehr vermarktet werden könnten. Es ist interessant, dass die Ausdrucksweise rund um die Schwangerschaft durch das Weglassen des Begriffes „Frauen“ in Erklärungen wie „Personen, die schwanger werden können“ bereits angefochten wird.

Natürlich werden die Grenzen zwischen Biotechnologie, Eugenik und Genmanipulation seit Langem aufgeweicht. Genmanipulierte Nutzpflanzen, Genantrieb und gentechnische Verfahren sind bereits Wirklichkeit — das ultimative Ziel jedoch besteht darin, künstliche Intelligenz, Bionanotechnologie und Genmanipulation zu verbinden, um den Einen-Welt-Transhumanen zu erschaffen.

Dies wird von mächtigen Interessen forciert, die Guerini zufolge einen Regenbogen, eine transgene Linke und LGBTQ+ -Organisationen nutzen, um eine neue synthetische Identität zu bewerben und neue Rechte einzufordern. Sie sagt, dies sei ein Angriff auf das Leben, auf die Natur, auf „das Geborene im Gegensatz zum Künstlichen“ und fügt hinzu, dass damit alle Verbindungen zur echten, natürlichen Welt gekappt werden müssen.

Es ist interessant, dass der britische Supermarktgigant Sainsburys in seinem Bericht „Future of Food“ („Die Zukunft der Nahrung“) eine Zukunft feiert, in der wir mit Mikrochips versehen und getrackt werden und in der neurale Netze („neural laces“, siehe weiter unten; Anmerkung der Übersetzerin) potenziell all unsere genetischen, gesundheitsbezogenen und situativen Daten aufzeichnen, speichern und von Algorithmen analysiert werden können. Diese können dann genau berechnen, welche (von Drohnen gelieferten) Nahrungsmittel wir benötigen, um uns zu einem bestimmten Zeitpunkt in unserem Leben zu unterstützen. All das wird uns als „persönliche Optimierung“ verkauft.

Dem Bericht zufolge ist zudem anzunehmen, dass wir wichtige Nährstoffe durch Implantate zugeführt bekommen. Ein Teil dieser Nährstoffe wird aus im Labor gezüchteten Lebensmitteln und Insekten bestehen.

Ein neurales Netz ist ein ultradünnes Geflecht, das in Schädel implantiert werden kann und eine Ansammlung von Elektroden bildet, die die Gehirnfunktion überwachen können. Es bildet eine Schnittstelle zwischen dem Gehirn und der Maschine. 

Sainsbury leistet bei dem Versuch, eine dystopische Zukunft zu propagieren, in der die KI Ihren Job übernommen hat, ganze Arbeit. Dem Bericht zufolge haben Sie dann jedoch jede Menge Zeit, um die wunderbare, verdrehte Welt der „Essenskultur“ zu feiern, die vom Supermarkt und Ihren digitalen Herrschern erschaffen wurde.

Technofeudalismus trifft auf Transhumanismus — selbstverständlich nur zu Ihrer Bequemlichkeit.

Nichts davon wird jedoch über Nacht geschehen. Und ob die Technologie erfolgreich sein wird, bleibt noch abzuwarten. Diejenigen, die diese schöne neue Welt propagieren, haben sich möglicherweise übernommen, werden aber die nächsten Jahrzehnte mit dem Versuch verbringen, ihre Vision voranzutreiben.

Ihre Achillesferse ist jedoch die Arroganz.

Es bleibt noch Zeit, sich zu unterrichten, zu organisieren, Widerstand zu leisten und gegen diese Hybris zu agitieren — nicht zuletzt, indem man die Giganten industrieller Lebensmittel und das System, das sie aufrechterhält, hinterfragt und indem man sich für Graswurzelbewegungen im Lebensmittelbereich sowie für lokale Ökonomien, die die Nahrungsmittelsouveränität stärken, einsetzt und diese gründet.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „From Agrarianism to Transhumanism: The Long March to Dystopia“ bei Global Research. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.


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