Die Datengrundlage der bundesrätlichen Vorsicht ist extrem dünn. Die Ansteckungsrate ist drei Tage vor Beginn der ausserordentlichen Maßnahmen auf unter eins gesunken.
Das heisst: Ein Infizierter kann während der ganzen Zeit seiner Infektion nicht einmal mehr einen anderen anstecken. Am 11. April lag die Ansteckungsrate bei 0,6. Wenn sie heute bei 0,5 liegt, braucht es zwei Infizierte, um einen weiteren Menschen anzustecken.
Fazit: Die Welle klingt ab, und das schon vor den „Maßnahmen“.
Bereits drei Tage vor Ankündigung der „Massnahmen“ war die Ansteckungsrate auf eins gesunken (Grafik: ETH/Tagesanzeiger).
Ein ähnliches Bild zeigt sich übrigens in zahlreichen Ländern, wie Prof. Peer Ederer in diesem Artikel überzeugend vorrechnet.
Er zeigt darin auch, wie die prominente Max Planck-Gesellschaft der Corona-Politik der deutschen Regierung mit einem Gefälligkeitsgutachten zu Hilfe kam und sich auf Daten stützte, die sie zum Zeitpunkt der Studie noch gar nicht haben konnte. Erschütternd.
Obwohl die Ansteckungsrate schon vor dem Lockdown unter den kritischen Wert gesunken war, sprach Berset an der Medienkonferenz am 16. April 2020 von einem „Erfolg, weil unsere Massnahmen gewirkt haben.“ Dass der Bundesrat den Erfolg für sich verbuchen würde, war zu erwarten.
Aber dass die Medien solche Behaupten ohne seriöse Grundlage widerspruchslos übernehmen, stimmt nachdenklich. Sie tragen dazu bei, dass in der Bevölkerung ein Bild entsteht, nach dem virale Infektionen nur mit quasi-militärischen Massnahmen bekämpft werden können.
„Der Bundesrat will auf keinen Fall einen Blindflug riskieren“, sagte Alain Berset an der Medienkonferenz. Deshalb: „Wir brauchen wirklich ein Monitoring“ — was er auf den Mai ankündigte.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Es hat noch gar kein Monitoring stattgefunden und die Massnahmen wurden ohne zuverlässige Datengrundlage erlassen.
Zudem liegt der Verdacht nahe, dass das Monitoring primär dazu dient, die Massnahmen punktuell zu verlängern und nicht, sie zu verkürzen. In Bersets Worten:
„Die Übergangsphase wird lange dauern.“
Woher nimmt der Bundesrat seine Informationen? „Wir haben uns immer auf Expertenmeinungen gestützt“, erklärte Berset dazu. Es gibt dazu eine verräterische Stelle in der fast zweistündigen Medienveranstaltung. „Die Empfehlungen können sicher adaptiert werden, aber dafür ist es noch verfrüht“, sagte Berset und warf einen Blick auf den ebenfalls anwesenden Dr. Daniel Koch, noch bis Ende April beim Bundesamt für Gesundheit zuständig für ansteckende Krankheiten.
Berset bestätigt mit diesem Blick, dass er sich an die vereinbarte Sprachregelung hält, nämlich über weitere Lockerungen sehr zurückhaltend zu informieren und sich alle Optionen für Verlängerungen und partielle Verschärfungen (Stichwort Maskenpflicht) offen zu halten.
Berset signalisiert damit auch, dass die primäre, wenn nicht sogar einzige wissenschaftliche Quelle seiner Entscheidungen Daniel Koch ist.
Der mittlerweile vieltausendstimmige Chor von Ärzten und Wissenschaftlern aus aller Welt, die ein differenziertes, aber grundlegend anderes Bild der Pandemie zeichnen, wird nicht gehört. Woher das BAG mit seinem nachweislich schlechten Datenmanagement (siehe NZZ) seine Informationen bezieht und wie es zu seinen Strategieempfehlungen kommt, ist unklar.
Als Quellen bieten sich die Johns Hopkins University und die WHO an, die sich als globale Zentralen des Pandemiemanagements etabliert haben, aber beide in hohem Masse von Geldern von Bill Gates abhängig sind und auch von Wissenschaftlern kritisiert werden.
Wie unwissenschaftlich Alain Berset denkt, wird klar, wo er sagt, dass es nichts bringe, eine gesunde Person zu testen. Das Gegenteil ist wahr: Die Ansteckungsrate lässt sich nur zuverlässig eruieren, wenn man einen repräsentativen Ausschnitt der Gesamtbevölkerung testet, also auch Gesunde. Berset verfolgt damit, wie er selber sagt, immer noch „eine strikte Eindämmungsstrategie“:
Infizierte und Kranke identifzieren und isolieren.
Eine solche Strategie ist allerdings nur in der Anfangsphase einer Pandemie sinnvoll, wenn es darum geht, die Ausbreitung möglichst rasch zu unterdrücken. Ist die Epidemie einmal in einer Population angekommen, ist das Ziel die sogenannte Herdenimmunität, und die wird eben gerade nicht mit Unterdrückung erreicht.
Wie es scheint, fasst der Bundesrat diese wissenschaftliche fragwürdige Eindämmungsstrategie auch für die Zukunft ins Auge. Das ist exakt die Strategie von Bill Gates, der für Reisen einen internationalen Impfausweis fordert und Grossveranstaltung erst nach einer Durchimpfung wieder erlauben würde (zwei YouTube-Videos, hier und hier).
In diese Richtung deutet auch die Weiterentwicklung der Massnahmen, die Bundespräsidentin Sommaruga vorstellte. „Führen wir [die Verordnungen aufgrund von Notrecht] ins ordentliche Recht über?“, fragte sie und gab die Antwort gleich selber: „Das würde bedeuten, dass der Bundesrat eine Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet“, das darüber schon in der kommenden Sondersession beraten könnte.
Der Bundesrat geht also davon aus, dass Elemente aus dem Notrecht auch nach Abklingen der Pandemie nötig bleiben werden. Aus welchem Denken entspringt eine solche Haltung?
Eine Influenza-Epidemie ist offenbar nicht mehr etwas, das die Medizin zusammen mit den Kräften der Natur bewältigt und dabei ein vertretbares Mass an Todesfällen in Kauf nimmt. Influenza ist ein katastrophenartiges Ereignis geworden, das unter Aufgabe demokratischer Grundrechte und mit medizinisch-militärischen Mitteln bekämpft werden muss.
Wenn sich dieses Denken im Bundesrat tatsächlich durchsetzt und möglicherweise von verängstigten Parlamentariern in Sorge um ihre mediale Reputation unterstützt wird, ist beim Stimmbürger höchste Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft angezeigt. Die Medienkonferenz des Bundesrates, so harmlos ihre Ankündigung der „Lockerung“ auch daherkam, ist dafür ein deutliches Signal.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien mit dem Titel „Die Lockerung ist eine Verlängerung“ zuerst auf zeitpunkt.ch.
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