Kürzlich hatte ich einen abgefahrenen Traum: Joachim Herrmann, der bisherige bayrische Innenminister, erschien darin als neuer Bundeskanzler! Ich konnte es nicht fassen. Dieser Polizeistaatfanatiker, der für das, was er unter gelungener Integration versteht, gern mit breitem Grinsen das Gütesiegel „wunderbarer Neger“ verteilt, soll nach dem mehrheitlichen Willen der Wähler Bundeskanzler geworden sein?
In meinem Traum irrte ich in der Zeit umher, um eine Antwort darauf zu finden, wie es zu dieser Horrorbesetzung im Kanzleramt bloß kommen konnte. Das war sicher alles nur ein schlechter Scherz, und so begab ich mich zunächst zurück zur letzten Bundestagswahl. Die Parteien waren mit ihren Spitzenkandidaten im Wahlkampf. So weit, so schlecht.
Doch dass Joachim Herrmann vorhat, der neue Bundeskanzler zu werden, konnte ich nicht vernehmen. Also beamte ich mich in die Zeit nach der Wahl. Dort geschahen dann seltsame Dinge: Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer erschienen, und ich folgte ihnen in Hinterzimmer, in denen sie darüber beratschlagten, welchen Kandidaten sie dem neugewählten Bundestag zur Wahl des Bundeskanzlers präsentieren würden. Dabei fiel doch tatsächlich der Name Joachim Herrmann.
Ich musste angesichts dieser Groteske laut auflachen und stellte den Damen und Herren Ministerpräsidenten die banale Frage, mit welchem Recht sie sich anmaßten, dem Bundestag einen Kanzlerkandidaten vor die Nase zu setzen. Konnte darüber nicht der Bundestag selbst entscheiden? Oder hätten sich – so meine bescheidenen Mindestvorstellungen von Demokratie und Gewaltenteilung, die ich mir in Erinnerung rief – nicht wenigstens die Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesländer mit ihren jeweiligen Landtagen abstimmen müssen, um zumindest den Anschein einer demokratischen Legitimation zu wahren?
Ich erhielt keine Antworten auf meine drängenden Fragen und musste stattdessen zusehen, wie die ranghöchsten Vertreter der Exekutive der Bundesländer zusammensaßen und diesen Typen aus dem Hut zauberten, bei dem ich mich fragte, auf welch verworrenen Wegen der Wille des Souveräns zu ihm gefunden haben mag.
Als noch verstörender empfand ich es, dass Politik und Medien dieses Kaspertheater nicht hinterfragten.
Zwar wurde ausgiebig und kontrovers diskutiert. Aber kaum darüber, ob an dem System an sich etwas verkehrt und undemokratisch sein könnte, sondern überwiegend darüber, ob Joachim Herrmann denn der Richtige sei und ob es ihm gelingen würde, den Bundestag von sich zu überzeugen. In meinem Traum tauchten einzelne kritische Stimmen auf, die von einem deutschen Demokratiedefizit sprachen.
Aber diese einsamen Rufer wurden von denen, die sich in ihrer eigenen Wohlgefälligkeit völlig sinnfrei als „prodeutsch“ bezeichneten, als „Deutschlandskeptiker“ diffamiert und damit in einen Topf mit nationalistischen und gar völkischen Parteien geworfen.
Dann kam es schließlich zum Showdown im Deutschen Bundestag. Joachim Herrmann hielt eine flammende Rede – in der er alles und nichts versprach – und die er mit der Floskel beendete, dass die Welt mehr Deutschland wolle. Ich wusste nicht, ob ich bei so viel neokolonialem, imperialem Gehabe lachen oder weinen sollte und erwartete, dass die Abgeordneten den Daumen senken und den Joachim zurück nach München schicken würden.
Doch zu meiner Überraschung geschah das Gegenteil: Fraktionsübergreifend erhoben sich die Abgeordneten von den Sitzen, spendeten mit glasigen Augen minutenlangen Applaus, bestätigten die für sie getroffene Vorauswahl und feierten sich dabei als Akteure einer Demokratie, die keine war.
Schweißgebadet wachte ich auf und beruhigte mich bei dem Gedanken, wieder in der Realität und damit in halbwegs demokratischen Verhältnissen gelandet zu sein. Beim Frühstück las ich dann in der Zeitung, dass Ursula von der Leyen, die deutsche Kriegsministerin, neue Präsidentin der EU-Kommission ist. Mit ungläubigem Staunen vernahm ich, dass sie vom Europäischen Rat, also den Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedsstaaten, als Kandidatin auserkoren und von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments abgenickt wurde.
Meine Gedanken schweiften zurück zu meinem Traum, und ich dachte darüber nach, ob ich wach bleiben oder mich doch lieber wieder schlafen legen sollte. Ich konnte mich nicht entscheiden. Die Realität erschien mir genauso absurd wie der Traum.
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