von Helen Nearing
Wir brauchten sehr selten einen Arzt, Pillen oder ein Spitalbett. Trotzdem lebte Scott gesund und munter 100 Jahre lang und starb, als es sein Entschluss war — am Ende durch Fasten während anderthalb Monaten.
Er war immer körperlich aktiv, im Wald, im Garten, im und am Haus. Er war auch geistig aktiv, zwischen 20 und 90 Jahren schrieb er mehr als 40 Bücher, darunter auch seine Autobiografie „The Making of a Radical“.
„Arbeit“, sagte Scott, „hilft vermeiden, alt zu werden. Meine Arbeit ist mein Leben. Ich kann mir das eine nicht ohne das andere vorstellen. Wer arbeitet, dem ist es nie langweilig, der ist nie alt. Eine Person wird dann alt, wenn sie keine Hoffnung und Pläne mehr hat. Arbeit und Interesse an der Welt sind die besten Mittel gegen das Altern.“ Ruhig sah er dem Ende entgegen, als er es wusste.
1981 sagte er in einem Interview: „Ich freue mich bis 99 Jahre auf die verschiedenen Möglichkeiten meines Lebens.“ Seine blauen Augen zwinkerten. „Es ist ein unsicherer Ausblick, das versichere ich ihnen. Mit dem Alter verringern sich die Wahrnehmung und die Leichtigkeit sich auszudrücken. Mir bleibt praktisch nichts mehr übrig als Zeit. Aber so lange ich nützlich sein kann, mag ich weiterleben.“
Walt Whitman sagte, als er anfangs 70 war: „Das alte Schiff ist nicht mehr in der Lage, viele Reisen zu machen, aber die Flagge weht noch am Mast, und ich stehe immer noch am Steuer.“ Viele Leute beginnen in den Sechzigern alt zu werden. Scott begann erst nach 90 zu altern. Bis dahin geriet er in Wut, wenn ihn jemand alt nannte, weil er weder alt ausschaute noch sich alt fühlte. Sicher, er hatte viele Falten. Diese kamen in seinen Fünfzigern vom vielen harten Arbeiten an der Sonne. Aber sich schwach fühlen? Nein!
Als er 98 Jahre alt war, sagte er, „gut, wenigstens kann ich noch Holz spalten.“ Und als es bald zu Ende ging mit ihm, bedauerte er als einziges beim Verlassen dieser Welt, dass ich dann das Holz für den Küchenofen schleppen müsste. „Ich wünschte, ich könnte dir dabei helfen“, sagte er. Er war eine Hilfe bis zum Schluss.
Ein oder zwei Monate bevor er starb, saß er mit uns am Tisch. Er beobachtete uns beim Essen und sagte: „Ich denke, ich werde von nun an nichts mehr essen.“ Tiere wissen, wann es zu Ende geht. Sie legen sich in eine Ecke und essen nichts mehr. Von da an trank Scott alle Arten von Säften: Karotten-, Apfel-, Bananen-, Ananas- und Traubensaft.
Sooft er Durst hatte, gab ich ihm zu trinken. Er wurde schwächer, und natürlich war er hager und dünn wie Gandhi. Es kam der Tag, als er sagte: „Ich denke, ich werde nur noch Wasser trinken. Sonst nichts mehr.“ Von nun an, während etwa zehn Tagen, trank er nur Wasser. Er war bettlägerig und hatte wenig Kraft, aber er sprach mit mir jeden Tag. Am Morgen des 24. August 1983, zwei Wochen nach seinem 100. Geburtstag, schien es, als ob er unmerklich wegglitt. Ich saß neben ihm an seinem Bett.
Wir waren still, keine Unterbrechung, keine Ärzte, kein Spital. Dann sagte ich: „Es ist in Ordnung, Scott. Geh weiter. Du hast ein gutes Leben gelebt und bist fertig mit den weltlichen Dingen. Geh in das Licht. Wir lieben dich und lassen dich gehen. Es ist alles in Ordnung.“
In einer sanften Stimme ohne Zittern, ohne Schmerzen oder Unruhe sagte er „in Ordnung“ und atmete langsamer und langsamer und langsamer, bis keine Bewegung mehr war. Er ging aus seinem Körper so leicht, wie ein Herbstblatt, das langsam tanzend zu Boden gleitet. So kehrte er zurück zu seinem Schöpfer nach einem langen Leben, das dem allgemeinen Wohl gewidmet war. Er lebte in Frieden mit sich und der Welt, weil er auf sie eingestimmt war. Er praktizierte, was er predigte. Er lebte seine Überzeugungen. Er konnte mit einem guten Gewissen sterben.
Scott Nearing, 1883 bis 1983, war ein US-amerikanischer Ökonom, Pazifist und Autor. Wegen seines Einsatzes gegen Kinderarbeit verlor er 1915 seine Professur an der bekannten Wharton School of Economics. Weil er eine pazifistische Vereinigung gegen den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg gründete, wurden seine Standardlehrbücher aus den Lehrplänen gestrichen. Nach 1932 führte er mit seiner zweiten Frau Helen das Leben eines Selbstversorgers mit je vier Stunden Arbeit in Haus und Garten, als Schriftsteller und für soziale Belange. Scott schrieb über 40 Bücher und baute insgesamt 17 Häuser mit eigenen Händen und Materialien vor Ort.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus: „Was bleibt!? Das Beste aus 27 Jahren Zeitpunkt.“ edition Zeitpunkt, 2019. 158 Seiten, Fr. 15.00.-/€ 14.00.-. ISBN: 978-3-9523955-8-5.
Jens Lehrich: „Nur Mut! Wenn wir uns ändern, verändert das die Welt!“
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Stimmen zum Buch:
„Ich möchte allen Menschen raten, mutig zu sein, und sich nicht durch Angst erdrücken zu lassen. Wer mutig ist kann freudig und gewaltlos seinen Weg gehen. Das ist bestimmt nicht immer einfach. Aber Mut öffnet Türen, die sonst verschlossen bleiben. Die in diesem Buch abgedruckten Texte zeigen, wie wichtig Mut im 21. Jahrhundert ist.“
Dr. Daniele Ganser, Friedensforscher
„Das ist ein ganz besonders Buch, denn mit jedem seiner vielfältigen Beiträge werden Sie eingeladen, ermutigt und inspiriert, sich mit all jenen zu verbinden, die künftig nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander leben wollen.“
Dr. Gerald Hüther, Sachbuchautor und Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung
„In einer Zeit, in der regressive Kräfte sehr von den Verunsicherungen in unserer Gesellschaft profitieren, brauchen wir Mutmacher mit einem langen Atem. Menschen, die uns mit Fakten und Bildern speisen, die uns an unser eigenes Potential für Veränderung und Glück erinnern. Danke Rubikon! Für dieses Buch und für eure gesamte Arbeit.“
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„Dieses einzigartige Buch macht großen Mut zur Veränderung. Es verwandelt Verzweiflung in Hoffnung, Wut in Liebe und ist ein kraftgebender Kompass durch schwere Zeiten. Für mich eines der wertvollsten Bücher der letzten Jahre.“
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„‚Nur Mut!‘ ist ein Buch, das den Leser dazu auffordert, sich selbst zu ermächtigen. Wer sich im aufrechten Gang den Problemen dieses Planeten entgegenstellt, macht sich zwar angreifbar, kann von sich aber behaupten, in der Stunde der Bewährung seine eigene Angst besiegt zu haben. Ohne solche Menschen hat unsere Spezies keine Zukunft. Die Belohnung für gelebten Mut ist ein Leben, in dem die Angst nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.“
Ken Jebsen, investigativer Journalist
„Nur, wenn wir uns selbst und unsere Gefühle erkennen, wenn wir unser Unbewusstes bewusst machen und aus dem kollektiven Stockholm-Syndrom, auf das man uns von Kindertagen an festgelegt und zu dem man uns erzogen hat, aussteigen, können wir wirkliche Liebe, vor allem aber unsere tägliche Unterdrückung erkennen. Dann können wir aus dem inneren wie äußeren Gefängnis aussteigen und unser eigenes Leben leben, in dem wir zu fühlen beginnen, was gut und ungut, was richtig und gelogen, was Liebe und was Ausbeutung und Unterdrückung ist. Wider den Gehorsam! Die Wahrheit schlummert in jedem von uns.“
Jens Wernicke, Autor und Publizist
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