Kein Fleck der Erde – so scheint‘s – ist noch sicher vor Corona. Nicht vor dem Virus selbst, sondern den Maßnahmen, die zu seiner vermeintlichen Eindämmung unternommen werden. Rund 180 Länder sind zum Zeitpunkt dieser Niederschrift betroffen. Darunter auch Argentinien.
In ihrer neuen Dokumentation zeigt die Südamerika-Expertin Gaby Weber die Auswirkungen der dort verhängten Maßnahmen auf die Bevölkerung. Deren Unverhältnismäßigkeit wird im Vergleich zu wesentlich größeren, aber von Politik und Wirtschaft gebilligten Gefahren noch sichtbarer.
Als eine dieser Gefahren skizziert Weber die gesundheitsschädigende Wirkung des „von der chemischen Landwirtschaft hergestellten Zeugs“ respektive der Lebensmittel, die mithilfe von Pestiziden, Dünger und anderer naturmisshandelnder Giftstoffe in Massen hergestellt werden. Anders als in weiten Teilen Europas, in denen eine wohlhabende Mittel- und Oberschicht die Bioprodukte zu einem etwas höheren Preis im Yuppie-Viertel eigenen Biomarkt erwerben kann, sind in Argentinien zahlreiche Bauern und die kleinen Lebensmittelläden, die eben diese Erzeugnisse verkaufen, in ihrer Existenz bedroht. Gesperrte Straßen, ausbleibende Kunden lassen die Kleinunternehmer um ihre Existenz bangen.
Während die großen Lebensmittelkonzerne keine großen Verluste fürchten müssen, beginnt für den kleinen Mann in dem ohnehin schon hoch verschuldeten Staat ein Kampf ums nackte finanzielle Überleben. Dies entbehrt deswegen nicht eines gewissen Zynismus, sind doch dessen biologische Produkte der Volksgesundheit wesentlich zuträglicher, ganz im Unterschied zu den Produkten aus der chemischen Landwirtschaft, die – wie eine argentinische Ernährungsexpertin erläutert – für zahlreiche der Zivilisationskrankheiten im Lande verantwortlich sind. Jene, deren Produkte der Gesundheit wirklich schaden, bleiben von jedweden ökonomischen Schäden verschont, während diejenigen, die der Volksgesundheit einen wertvollen Dienst erweisen, unterzugehen drohen.
Bleiben Sie zuhause!
Die rigorose Forderung des Zuhausebleibens entblößt in Buenos Aires — durch die sehr bedrückende Enge innerhalb der eigenen vier Wände — ihren zynischen Charakter. Dort leben die Menschen, insbesondere Großfamilien in den Städten, auf engstem Raum. Der Zwang, in kleine Wohnungen ohne Ausgang eingepfercht zu sein, ist mehr als eine Zumutung. Häusliche Gewalt, auch mit Todesfolge, gehört in Argentinien schon in normalen Zeiten zur traurigen Alltagsrealität.
Dieser Realität spotten dann Beiträge wie diese (siehe Abbildung 1) aus der Zeitung Clarin, die dem argentinischen Durchschnittsbürger erklären, wie er seine Zeit im Hausarrest sinnvoll mit Yoga und Sport zubringen kann. Garniert wird das durch Stockbilder, die in neokolonialer Manier perfekte, wunderschön sexy, aber keinesfalls argentinisch, sondern europäisch aussehende Models abbilden, die in einer großen, aufgeräumten Wohnung ihrer Yoga-Übungen (vor-)machen.
Man kann sich hier, hier, hier oder hier einfach wahllos ausgesuchte Street View-Bilder aus Buenos Aires ansehen und sich überlegen, wie sehr solche Beiträge mit der Alltagsrealität der Argentinier gemein haben.
Auch zeigt die Dokumentation sehr gut, wie sich die argentinische High Society in ihrem Ferienexil niederlässt, während das Volk im abgeriegelten Land zusehen kann, wie es über die Runden kommt.
Reale Gefahren
Während im stillgelegten Europa der Frühling erwacht und die Grippesaison sich ihrem Ende neigt, steht die Südhalbkugel – und mit ihr Argentinien – an der Schwelle zur dunklen Jahreszeit. Der Herbst steht an und mit ihm kalte Tage, Wochen und Monate, in welchen die Argentinier in meist schlecht beheizten Wohnungen ausharren müssen. Das öffentliche Leben liegt bereits brach, und wenn in dieser angespannten Situation noch weitere Grippewellen hinzukommen – die Kältesaison bietet immerhin ideale Voraussetzungen dafür –, dann droht ein Pulverfass hochzugehen. Der Zündfunken an der Lunte ist das grassierende Denguefieber, das Südamerika gerade wahrlich in Atem hält.
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