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Annehmen statt wegstoßen

Annehmen statt wegstoßen

Nur was wir annehmen, lässt uns in Ruhe.

Niemand will unglücklich sein und arm und krank in einer düsteren Ecke vereinsamen. Alle wollen wir, dass es uns gut geht und wir glücklich sind, oder doch wenigstens sehr zufrieden. Oft laufen wir dem Glück hinterher und versuchen, es einzufangen. Wir wollen es erobern, erhaschen, erkaufen, aushandeln und strengen uns dafür gewaltig an. Das, was wir im Gegenteil nicht wollen, was uns Angst macht oder wir als bedrohlich empfinden, bekämpfen wir, schieben es weg oder ignorieren es. So regelt es der Teil unseres Gehirns, den wir von unseren Vorfahren, den Reptilien, geerbt haben: angreifen, weglaufen oder sich tot stellen.

Unangenehmes wegschieben

Was uns Probleme bereitet, hat keinen Sinn. So glauben wir. Trennung, Entlassung, Krankheit, Unfall, Konflikt, Verlust – diese Dinge wollen wir möglichst nicht erleben. Die kleinen Unannehmlichkeiten des Alltags machen uns das Leben schließlich schon schwer genug. Also bitte nicht auch das noch. Und so versuchen wir eben, möglichst weit wegzuschieben, was wir nicht haben wollen.

Doch es ist wie verflixt: Kaum glauben wir, eine unangenehme Sache losgeworden zu sein, steht schon die nächste vor der Tür. Wir versuchen, die Tür möglichst gut verschlossen zu halten und verbarrikadieren uns dahinter. So meinen wir, verhindern zu können, dass uns das, was wir im Leben nicht haben wollen, erreicht. Doch meistens funktioniert das nicht. Wenn wir die Tür geschlossen halten, kommt das Problem oft früher oder später zum Hinterfenster hinein.

Umgekehrte Strategie

Und wenn wir einmal umdenken und die Tür aufmachen? Wenn wir nicht mehr von uns weisen, was wir nicht wollen, sondern versuchen, es anzunehmen? Wenn wir nicht mehr fliehen, sondern auf das Problem zugehen? Wenn wir also nicht mehr nur auf die Dinge reagieren, sondern von uns aus ins Handeln kommen?

Bei meiner Erfahrung mit Krebs war die Entscheidung, die Tür zu öffnen und auf das zuzugehen, was mir passierte, der Beginn meiner Heilung. Ich war nicht mehr das Opfer, mit dem etwas geschah und das hilflos einem gemeinen Schicksal oder einem blöden Zufall und ausschließlich den Kompetenzen anderer ausgesetzt war. Mit der Öffnung konnte ich die Sache in die Hand nehmen. Die ganze Sache. Nicht nur einen Teil davon. Indem ich alles annahm, so wie es in dem Moment eben war, konnte ich beginnen, aus der Situation Kraft zu schöpfen.

Zwei Seiten einer Medaille

So wandelte sich die Katastrophe: Das Monster entpuppte sich als eine Art Entwicklungshelfer. Wie nah gut und schlecht zusammenliegen können! Ich erfuhr, wie schnell sich das Blatt wenden kann und die Geschichte in eine andere Richtung weiter geht. Das, was sich bisher auszuschließen schien, waren zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das eine gab es nicht ohne das andere. Die Dinge waren nur im Doppelpack zu haben.

In meinem Alltag erlebe ich immer wieder, dass erst dann Frieden einkehrt, wenn ich die Dinge nicht von mir stoße, wie abscheulich sie mir auch auf den ersten Blick erscheinen mögen. Wenn ich fliehe, verfolgt mich die Sache weiter in meinen Gedanken und Träumen und heftet sich an meine Fersen. Es bekommt schließlich viel Macht über mich. Nur wenn ich wage, das Ungewünschte anzuschauen und es so zu nehmen, wie es ist, lässt es mich letztlich in Ruhe.

Nur das Eine haben zu wollen, das „Gute“, führt letztlich zu Stress, Angst, Unzufriedenheit, Unglück. Mit Argusaugen machen wir unsere Ziele und die Objekte unserer Begierde aus und jagen ihnen hinterher, ohne jemals zur Ruhe zu kommen. Denn an der nächsten Ecke lauert ja bereits die Gefahr, die uns das Angestrebte wieder entreißen könnte.

Wer seine Tür offen hält und alles empfängt, was in sein Leben tritt, befreit sich von der Angst. Denn Monster überleben nur im Dunkeln. Wer die Dinge anschaut, schickt sie ins Licht. So konnte bei mir aus einem Tumor ein Botschafter werden, der mir mitteilte, was in meinem Leben schief lief und wo ich besser auf mich aufpassen sollte. Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn ich ihm die Tür vor der Nase zugeknallt hätte. Ich weiß nur, dass ich jetzt bestimmt nicht hier sitzen und schreiben würde.


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