Sie gingen an:
- die Soma Analytics UG aus München für die App Kelaa Dashboard,
- den Marketingbegriff „Smart Cities“,
- Microsoft für Windows 10,
- die Cevisio Software und Systeme GmbH,
- Amazon Alexa und
- die Fraktionen von CDU und B90/Die Grünen im hessischen Landtag.
Was haben die Preisträger Schlimmes gemacht, um sie preiswürdig werden zu lassen? Es lohnt sich, die ausführlichen Begründungen nachzulesen, die auf den Internet-Seiten des BBA zu finden sind. Hier kann die Begründung aus Platzgründen nur verkürzt erfolgen.
Soma Analytics UG
Die Soma Analytics UG hat die Smartphone App Kelaa entwickelt, die die Vital-Daten der Nutzerinnen und Nutzer, zusätzlich aber auch beispielsweise das Schlafverhalten über die Bewegungen im Bett oder Gefühlsregungen der Stimme beim Telefonieren erfasst. Das Besondere ist, dass Kelaa aber nur funktioniert, wenn der Arbeitgeber über die Software „Kelaa Dashboard“ verfügt. Mit dieser Software können sich die Arbeitgeber die aktuellen Stress- und Vitalwerte ihrer Beschäftigten in „aggregierter und anonymisierter Form“ anzeigen lassen. Die entsprechenden Auswertungen stellt Soma Analytics bereit. Wie wenige Daten man braucht, um die Beschäftigten zu Deanonymisieren, ist bekannt; ist das Personal eines Unternehmens zahlenmäßig überschaubar, dürfte das nicht so schwierig sein.
Dass systematisch Vital-Daten von Arbeitnehmern an den Arbeitgeber weitergegeben werden, ist laut Preis-Laudatio ein Tabubruch, der preiswürdig ist (1).
Der Begriff „Smart City“
„Der Begriff ‚Smart City‘ ist eine schillernd-bunte Wundertüte – er verspricht allen das, was sie hören wollen: Innovation und modernes Stadtmarketing, effiziente Verwaltung und Bürgerbeteiligung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Sicherheit und Bequemlichkeit, für Autos grüne Welle und immer einen freien Parkplatz.“
Was ist daran schlimm? Ein Beispiel:
„Als große Errungenschaft für eine ‚Smart City‘ wird zum Beispiel ein neuer Typ Straßenlaterne angepriesen. Diese leuchtet nicht nur, sondern enthält auch gleich Videoüberwachung, Fußgänger-Erkennung, Kraftfahrzeug-Kennzeichenleser, Umweltsensoren, ein Mikrophon mit Schuss-Detektor und einen Location-Beacon zum Erfassen der Position. Stellen wir uns dies noch kombiniert mit WLAN vor, mit dem die Position von Smartphones ermittelt werden kann, Gesichtserkennung und Bewegungsanalyse, dann ist klar: Wenn diese Technik in unsere Stadt kommt, werden wir keinen Schritt mehr unbeobachtet tun.“
Man schaue sich die in der Laudation angeführten Beispiele aus niederländischen Städten an.
Eine solche „Smart-City“ ist in erster Hinsicht eine umfassend mit Überwachungstechnologie ausgestattete City, in der die abgegriffenen Daten ganz überwiegend durch private Unternehmen – die diese Daten zu ihrem Betriebsgeheimnis erklären – erhoben und verarbeitet werden (2).
Microsoft Windows 10
Dass heute viele Programme und Smartphone-Apps offen oder verdeckt Daten an verschiedene Stellen übermitteln, ist bekannt; ebenso, dass die Nutzer zum großen Teil sehr leichtfertig mit dieser Tatsache umgehen. Microsoft hat das aber auf die Spitze getrieben:
„Wie mühsam bis unmöglich es ist, Windows zum Schweigen zu bringen, dokumentiert der Bericht des Bayerischen Beauftragten für den Datenschutz in seinem ‚Windows 10 Investigation Report‘. Selbst wenn sämtliche Telemetrie-Einstellungen über knapp 50 Änderungen in der sogenannten Registry verändert werden (die ausdrücklich nur für Expert.innen gedacht ist und die das Potential hat, den Rechner durch einen unbedachten Eingriff unbrauchbar zu machen), senden Windows-10-Rechner immer noch jede Menge Anfragen an Internet-Dienste für Kacheln, Updates oder Empfehlungsdienste. Dort wird mindestens die IP-Adresse des Nutzers registriert, dies bereits, ohne dass man bewusst eine Webseite aufgerufen hätte. Möglich ist eine Änderung der Registry überhaupt nur in der ‚Enterprise“-Variante von Microsoft, also für Geschäftskunden“ (3).
Da man Windows 10 kostenfrei herunterladen konnte und es mit jedem neuen Rechner ins Haus kommt, ist es inzwischen sehr verbreitet. Leider entschließen sich nur wenige Nutzer zu einem Wechsel zu einem freien, nicht spionierenden Betriebssystem wie beispielsweise Linux, mit dem sie in der Regel ihre EDV-Aufgaben auch erledigen können.
Cevisio Software und Systeme GmbH
„Der BigBrotherAward 2018 in der Kategorie Verwaltung geht an die Cevisio Software und Systeme GmbH aus Torgau für ihre Software ‚Cevisio QMM‘ (Quartiermanagement), die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz speziell für Flüchtlingsunterkünfte entwickelt wurde. Mit dieser Software werden Bewegungen zum und auf dem Gelände, Essensausgaben, medizinische Checks wie durchgeführte Röntgen-, Blut- und Stuhluntersuchungen, Verwandtschaftsverhältnisse, Religions- und Volkszugehörigkeiten und vieles mehr erfasst und gespeichert. Die Daten ermöglichen eine Totalkontrolle der Flüchtlinge und zeigen anschaulich, auf wie vielen Ebenen Privatsphäre verletzt werden kann“ (4).
Diese Software wird nach Aussage der Firma bereits in über 280 Aufnahmeeinrichtungen eingesetzt, 380.000 Flüchtlinge sind bisher betroffen. Ist das die gepriesene „Willkommenskultur“?
Amazon Alexa
Der Preis in der Kategorie Verbraucherschutz ging an Amazon Alexa, er hätte auch an Apple Siri, Google Assistant, Microsoft Cortana, Samsung Bixby und Nuance gehen können, die alle vergleichbare Funktionen haben.
Alexa ist aber besonders perfide:
„Das Gerät lauscht 24 Stunden am Tag in meiner Wohnung, weil es darauf lauert, dass ich das Wort ‚Alexa‘ sage. Sobald es dieses Wort ‚hört‘, zeichnet es die nachfolgenden Sätze auf und sendet diese zur Analyse zu den Rechnern in der Amazon-Cloud. Dort wird mein Text übersetzt, analysiert und dann werden Aktionen fernausgelöst. Zum Beispiel wird ein Timer oder Wecker gestellt, Musik, meiner Stimmung entsprechend – oder was das Gerät dafür hält – abgespielt, ein Trommelwirbel gestartet oder auf Amazon ein neuer Goldhamster bestellt.“
Man muss dieses Spionage-Gerät in der eigenen Wohnung zusätzlich in Verbindung mit der ebenfalls ausgezeichneten Smart-City sehen und dann kann einem angst und bange werden.
„Die sogenannten ‚Sprachassistenten‘ sind die lästige Ergänzung zum totalen Überwachungssystem, das sich ‚smart‘ nennt, aber teuflisch ist. Skylla und Charybdis in einem, das Private (Alexa) und das Öffentliche (‚Smarte‘ Straßenlaternen) wenden sich gegen mich. Es geht gegen meine Freiheit, gegen meine freie Entfaltung, gegen meine Würde. Bald wird es so sein, dass ich, wenn ich auf der Straße spreche, von der Straßenlaterne an der Stimme erkannt werde. Wer ich bin, hat das Gerät ‚Alexa‘ verraten, das mein Stimmprofil aufgesaugt und der großen Big-Data-Krake zum Verdauen vorgeworfen hat. Diese imaginäre Datenkrake weiß dann nicht nur, wen ich besuche, sondern auch, welchen Weg ich nehme, um den Besuch abzustatten“ (5).
Das alles wird unter der aktiven, teilweise begeisterten Mitwirkung der Bürger im Lande eingeführt und umgesetzt, es erleichtert doch nur das Leben. Es erleichtert aber auch den Stellen für die staatliche Überwachung drastisch das Leben. Mag noch jemand sich über die Stasi aufregen? Ach so, ich vergaß, hier machen es ja nur die Guten.
Fraktionen der CDU und Grünen im Landtag von Hessen
Nicht nur in Bayern werden die bürgerlichen Rechte in massiver Weise angegriffen, auch in Hessen ist das der Fall. Von der CSU mag man nichts Besseres erwarten. Aber von den Grünen? Die waren doch mal Bürgerrechts- und Friedenspartei. Wenn man allerdings bei jedem Angriffskrieg mitmacht, überrascht es auch nicht, wenn man den Krieg gegen die Bürger im Lande richtet. Der soziale Krieg wird ja unter anderem mit Hartz IV bereits geführt, jetzt kommt der gegen die Bürgerrechte durch ein neues Verfassungsschutzgesetz und die geplante Novellierung des hessischen Polizeigesetzes. Dafür gab es den BBA; einige Beispiele belegen warum (6):
- Der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ soll auch vorbestrafte V-Leute rekrutieren und kriminell gewordene Verfassungsschutz-Mitarbeiter weiter einsetzen und abschöpfen können. Neu ist, dass dies erstmals gesetzlich abgesichert werden soll und kriminelle V-Leute ganz legal der strafrechtlichen Verfolgung entzogen werden können.
- Erlaubt werden soll, Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte oder Journalisten als V-Leute anzuheuern oder V-Leute in deren beruflichem Umfeld zu platzieren.
- Daten über Minderjährige unter 14 Jahren, also von Kindern, sollen in Dateien und Akten des Verfassungsschutzes erfasst und gespeichert werden dürfen.
- Eine Prüfung der Verfassungstreue soll auf der Grundlage von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bei Bewerbern um Stellen im öffentlichen Dienst erfolgen. Die Berufsverbote früherer Tage werden somit wieder belebt.
- Staatstrojaner sollen eingeführt und genutzt werden.
- Sogenannte „Gefährder“ sollen vorsorglich in elektronische Fußfesseln gelegt werden, um ihren Aufenthalt, ihre Bewegungen und Kontakte über Wochen und Monate lückenlos kontrollieren zu können. Das sind Menschen, die keine Straftaten begangen haben.
Eigentlich sollte die Politik einigen Regelungsbedarf aus dem Handeln der Preisträger ableiten können. Da sie jedoch selbst zu den Preisträgern gehört und die dargestellten Geschäftsmodelle wohl kaum stören will, wird eine entsprechende Reaktion nicht zu erwarten sein.
Anmerkungen und Quellen
(1) https://bigbrotherawards.de/2018/arbeitswelt-soma-analytics
(2) https://bigbrotherawards.de/2018/pr-marketing-smart-city
(3) https://bigbrotherawards.de/2018/technik-microsoft-deutschland
(4) https://bigbrotherawards.de/2018/verwaltung-cevisio-software-systeme-gmbh
(5) https://bigbrotherawards.de/2018/verbraucherschutz-amazon-alexa
(6) https://bigbrotherawards.de/2018/politik-cdu-gruene-landtag-hessen
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