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Von deutschem Boden

Von deutschem Boden

Gegen in Deutschland stationierte US-Atomwaffen erhebt sich Widerstand — die Rechtslage begünstigt eher die Vorbereitung zum Massenmord, nicht den Protest dagegen.

Um zunächst die Assoziation eines erneuten „Überfalls auf Polen“ aufzuklären: Tatsächlich haben die F35A einen Einsatzradius bis 1.080 km. Mit Zwischenlandung oder Auftanken in der Luft würden so Ziele einschließlich ihrer weiten Umgebung im Westen Russlands zerstört werden, das derzeit wieder als möglicher Gegner erscheint. Gemäß der modernen NATO-Strategie der Abschreckung und Verteidigung könnten die taktischen Atomwaffen aber auch an oder hinter einer eventuellen Front in Polen, Litauen oder dem nicht mehr neutralen Schweden eingesetzt werden.

Nur ein Horror-Szenario? Auch nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs wurde keine stabile Friedensordnung aufgebaut, und nicht einmal der Zusammenbruch der Blockkonfrontation führte um die Jahrtausendwende zu einem Abbau kriegerischer Konfrontationen weltweit.

Im Gegenteil: Die aktuellen Angriffe auf Ukraine und Israel, mit unversöhnlicher Verteidigung, ja sogar Rache, haben das Risiko einer Eskalation bis hin zum Atomkrieg wieder verschärft.

Grundrechtsverletzungen

Wir sehen auch die deutsche Politik im Widerspruch zu mehrfach wiederholten Friedensgeboten des Grundgesetzes und zur Menschenwürde, zentral schon in der Präambel und in Art. 1:

„(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“

Speziell auf Atomwaffen bezogen habe ich in meiner Verteidigungsrede im Berufungsprozess Art. 25, 26 und 87a GG zitiert:

„Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“ (Art. 25 GG)

Völkerrechtlich verletzt Deutschland besonders den Atomwaffensperrvertrag. Mit dessen Ratifizierung 1975 hat sich Deutschland verpflichtet, Kernwaffen „weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben“ und „die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen“.

Es will mir nicht in den Kopf, wie man ohne geistige Verrenkungen die nukleare Teilhabe mit diesen Bestimmungen vereinbaren kann. Denn zwar können Bundesregierung oder Militärführung im Ernstfall nicht alleine über einen Einsatz entscheiden, die Verfügungsgewalt ist also keine hinreichende Bedingung für einen eventuellen Einsatz. Wohl aber ist sie eine notwendige Bedingung, denn der Bundeskanzler kann den Start atomar bewaffneter Kampfflugzeuge verweigern. Er hat also eine negative Verfügungsgewalt, ein Vetorecht. Aber auch positiv-materiell gibt es gewichtige Beiträge der Bundesrepublik: Die Bundeswehr stellt die gesamte Infrastruktur zur Verfügung, und Bundeswehrpiloten fliegen die Atombomben zum Ziel, „drücken also den Knopf“.

Bild

Mahnwache vor meinem (Johannes Wollbold, 2. v. l.) Berufungsprozess wegen zivilen Ungehorsams auf dem Atomwaffenstützpunkt Büchel/Eifel, 16. Mai 2024. Foto: Gudrun Bonk.

Art. 26 (1) GG stellt „die Führung eines Angriffskrieges“ unter Strafe, und Art. 87a (2) GG beschränkt den Einsatzzweck der Bundeswehr auf Verteidigung. Die Vorbereitung des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen, die Zivilisten wie Soldaten unterschiedslos treffen, lässt sich unserer Meinung nach damit nicht vereinbaren.

Schließlich: Eine Beschränkung der Hoheitsrechte bei Beitritt zu einem „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ nach Art. 24 (2) GG entbindet nicht von der Pflicht, Atomwaffen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen. Der Artikel wird oft auf die NATO bezogen. Der Parlamentarische Rat dachte 1949 aber sicherlich viel eher an Bündnisse zur „Wahrung des Friedens“ wie den längst vergessenen KSZE-Prozess.

Rechtfertigender Notstand

Mit unseren Aktionen gewaltfreien Widerstands versuchen wir, den genannten Verfassungsprinzipien zur Geltung zu verhelfen. Dabei haben wir uns auf einen rechtfertigenden Notstand berufen:

„Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“ (Paragraph 34 StGB)

Daher habe ich im Prozess beantragt, vor einem Urteil ein Vorlageverfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anzustrengen, um folgende Frage zu klären: Gibt es verfassungsmäßige Rechtsgüter, bei denen „das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt“? Soweit Entscheidungen des BVerfG das Friedensgebot unserer Verfassung überhaupt betreffen, bleibt es seltsam blass und abstrakt. Besonders in einer Interpretation von Präambel, Art. 1 (2) und Art. 26 (1) könnten aber klarere Richtlinien und Schranken für die Drohung mit oder den Einsatz von militärischer Gewalt entstehen.

Das Landgericht Koblenz erklärte dagegen, eine Grundgesetzwidrigkeit der sogenannten nuklearen Teilhabe Deutschlands sei nicht im Rahmen des Strafrechts zu klären. Ich hatte eine direkte Wirkung der Aktion zivilen Ungehorsams auf die politische Willensbildung und die Durchsetzbarkeit der Stationierung der Atombomben ausgeführt. Mildere Mittel wie Petitionen oder Demonstrationen hätten versagt. In der schriftlichen Urteilsbegründung (AZ 16 NBs 2010 Js 46947/23) beschied die Richterin dagegen knapp: Unabhängig von der Frage, ob eine Notstandslage bestehe, sei das Tatgeschehen „weder geeignet noch angemessen“, um diese zu beseitigen. Damit schloss sie sich der herrschenden Rechtsauffassung an und verwies auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. April 2020 (AZ 2010 Js 15824/17). Dieses hatte zudem die Begehung einer Straftat als grundsätzlich nicht angemessen zur Abwehr von „Gefahren der Politik“ betrachtet, „da die bewusste Normverletzung als Mittel einer Minderheit, auf den öffentlichen Willensbildungsbildungsprozess einzuwirken, mit den Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaats schlechterdings unvereinbar ist.“

Gesetz ist Gesetz

Das ist eine konservative Interpretation, nach dem Motto „Gesetz ist Gesetz!“. Jürgen Habermas sah darin einen „autoritären Legalismus“, und er schlug — wie viele andere — Kriterien vor, nach denen ziviler Ungehorsam zur Wahrung wichtiger Rechtsgüter verhältnismäßig sein kann. Im wegweisenden Urteil 1985 zu einer trotz Verbot abgehaltenen Anti-AKW-Großdemonstration mit Sitzblockaden in Brokdorf 1981 definierte das BVerfG friedliche, erlaubte Versammlungen als solche, die insgesamt keinen „gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf“ nehmen; Ankündigungen einzelner oder Prognosen über „unfriedliche Absichten eines Teiles der Teilnehmer“ genügen nicht (1).

2011 fasste dann ein BVerfG-Beschluss (1 BvR 388/05) die geltende Verfassungslage zu Sitzblockaden maßgeblich zusammen. Danach können Blockaden als Versammlungen gerechtfertigt sein und straffrei bleiben — Art. 8 GG hebt im Einzelfall die nach Paragraph 240 StGB geforderte Verwerflichkeit der Nötigung auf.

Ziviler Ungehorsam zielt auf Schärfung der Aufmerksamkeit für Probleme wie Gefährdung des Friedens oder globale Klimagerechtigkeit.

In ihrer Dissertation von 2023 sieht Samira Akbarian so „Zivile[n] Ungehorsam als Verfassungsinterpretation“. Grundideen sind:

  • Im Einklang mit dem Urteil von 2011: „Wenn es ein Recht auf Versammlung gibt, dann gibt es auch ein Recht zu stören.”
  • „Versammlungen dürfen und müssen vielleicht sogar die öffentliche Ordnung unterbrechen, wenn sie Machtungleichgewichte, zum Beispiel gegenüber Lobbyverbänden oder im Zugang zu Medien, ausgleichen und die diskursiven Verhältnisse in Bewegung bringen sollen.“

Abschied von der strafrechtlichen Argumentation?

In unserem Fall konnten wir uns allerdings nicht einfach auf das Versammlungsrecht berufen, denn es ging um Hausfriedensbruch; daher die Begründung mit einem rechtfertigenden Notstand. Die oben angesprochene Argumentation der gängigen Rechtsprechung dazu verstehe ich jedoch inzwischen. Besonders das Kriterium einer „nicht anders abwendbaren Gefahr“ ist nicht erfüllt: Es wäre eine Katastrophe, wenn wir keine anderen öffentlichen, politischen oder juristischen Mittel hätten, um den Irrsinn atomarer Hochrüstung zu stoppen!

Da ich also keine Chance sehe, dass das BVerfG sich über den Weg des Strafrechts mit einer Grundgesetzwidrigkeit der nuklearen Teilhabe beschäftigt, habe ich auf Revision beim Oberlandesgericht Koblenz verzichtet, wie inzwischen auch die zwei meiner Mitstreiter, die ebenfalls den juristischen Weg bis zur 2. Instanz gegangen waren. Formal Recht zu bekommen, ist nicht das primäre Ziel von zivilem Ungehorsam, vielmehr gehört dazu, eine eventuelle Strafe bewusst in Kauf zu nehmen. Und auch wieder zum Protest zu benutzen, etwa Solidaritätskampagnen mit dem Ziel, dass viele in kleinen Beträgen die Strafe mittragen. Interessenten schreiben bitte eine Mail an jwollbold@gmx.de. Andere verweigern die Zahlung, beziehungsweise versuchen es, da Pfändung droht. Sie machen einen öffentlichkeitswirksamen „Protest hinter Gittern“, wie ihn derzeit für mehrere/viele Monate Susan van der Hijden und Susan Crane zunächst in der JVA Wöllstein-Rohrbach bei Bad Kreuznach abhielten. Am 30. Juli wurden sie in den Offenen Vollzug der JVA Koblenz verlegt, was sie als einen Versuch des deutschen Justizsystems interpretieren, den Fehler des Schuldspruchs zu korrigieren. Diese Versöhnungsgeste nahmen sie trotz Bedenken gegen das persönliche, auf Initiative der Gefängnisleitung gewährte Privileg an.

Die Verweigerung von Strafzahlungen, die zum Teil in Rüstung fließen, kann sich auch schon gegen den ersten Bußgeldbescheid richten, braucht keinen Gerichts- und Instanzenweg.

Es gab schon über 100 Prozesse wegen zivilen Ungehorsams gegen die nukleare Teilhabe, eine durchgehende Ablehnung von Beschwerden beim BVerfG und einiger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Ich finde, wir sollten hier nicht weiter mit dem Kopf durch die Wand wollen und dabei höchstens zum Zweck der Prozess-Öffentlichkeitsarbeit eigenes und Steuergeld für Gerichts- und oft Anwaltskosten verschwenden. Gewaltfreie Aktionen wirken vorrangig politisch, als konsequentes, gut begründetes Handeln gegen Unrecht.

Dennoch Hoffnung auf Justitia?

Dennoch will ich andere Wege der juristischen Klärung unterstützen, was Friedenspolitik beinhalten und ausschließen muss.

Das direkteste, aber auch aufwändigste wäre ein Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 (1) Nr. 2 GG. Es scheint jedoch aus dem schlichten und skandalösen Grund auszuscheiden, dass es seit den 1950er Jahren kein einziges Gesetz gibt, das die existenzielle Entscheidung legitimiert: Der US-Army wird erlaubt, Atombomben in Rheinland-Pfalz oder woanders zu lagern, oder im Kriegsfall einzufliegen. Dort ziehen sie — vielleicht nukleare — Militärschläge auf sich, auch gegen die Bevölkerung, die eigentlich „verteidigt“ werden soll. Umgekehrt plant und übt die Bundeswehr vernichtende Angriffe mit Atomwaffen!

Bernd Hahnfeld, Richter i.R. weist umgekehrt auf eine Initiative des Bundestags hin: „Die Abgeordneten (…) sind aber auch nicht gehindert, die nukleare Teilhabe eigenmächtig durch ein entsprechendes Gesetz zu beenden.“ Eine Kampagne dafür könnte die Diskussion im Blick auf die Bundestagswahl 2025 voranbringen. Zu ihr sollten sich viele Gruppen, Organisationen und Parteien weiter verbünden. Eine Rolle dabei spielen würde sicher auch das Netzwerk Friedenskooperative, das derzeit Nachfolgeaktionen zur gerade beendeten Büchel-Kampagne atomwaffenfrei.jetzt plant.

Bernd Hahnfeld bringt eine zweite, nun juristische Möglichkeit des Bundestags ins Spiel:

„Bundestagsfraktionen haben jedoch die Möglichkeit, wegen Verletzung ihrer verfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechte vor dem BVerfG eine Organklage zu erheben.“

Allerdings: „Der Antrag muss binnen sechs Monaten gestellt werden, nachdem der Antragsteller von dem beanstandeten Verhalten des Antragsgegners erfahren hat.“ Wenn es nochmals einen substanziell neuen Regierungsbeschluss gibt wie die Aufrüstung mit F-35 und zielgenaueren Lenkwaffen, wäre das vielleicht möglich. Denn dazu gab es keine expliziten Bundestagsbeschlüsse — die Investitionen in Zerstörung wurden nur indirekt im Rahmen der Haushaltsabstimmungen bewilligt. Ich nehme aber an, dem Verfassungsgericht würde das genügen, denn immerhin konkretisiert der Haushalt Grundlinien der Politik. Das BVerfG könnte aber eine Fraktion sicherlich anrufen, wenn Fantasien zu einer europäischen Atomstreitmacht ohne Beteiligung des Bundestags beschlossen werden sollten.

Weiter in der Diskussion der Vorschläge Bernd Hahnfelds:

„Die von einem Atomwaffeneinsatz unmittelbar Betroffenen haben die Möglichkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht.“

Die Klage der in der Nähe des Fliegerhorst Büchel wohnenden Friedensaktivistin Elke Koller wurde am 14. Juli 2011 vom Verwaltungsgericht (VG) Köln in erster Instanz abgewiesen (26 K 3869/10). Eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte sei nicht feststellbar, sondern es gehe nur um Gefährdungen.

„Schlichtes Regierungshandeln, völkerrechtliche Regierungsakte, militärische Kommandoakte und parlamentarisches Handeln sind regelmäßig der dem Individualschutz dienenden gerichtlichen Kontrolle entzogen.“

Art. 25 und 26 GG (Völkerrecht ist Bestandteil des Grundgesetzes; Verbot von Angriffskriegen und friedensgefährdenden Handlungen) seien also nicht anwendbar – jedoch sagt Art. 25 GG ausdrücklich:

„Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes (…) gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“

Die freche Interpretation des VG Köln sollte Chancen eröffnen, eine verbesserte Argumentation nochmals zu versuchen. Zwar nahm das BVerfG Elke Kollers — bis auf den EGMR — letztinstanzliche Berufung 2018 nicht einmal zur Verhandlung an, ebenfalls mit der Begründung, sie sei nicht individuell und unmittelbar betroffen. Vielmehr wohnten „unüberschaubar viele“ Menschen in Deutschland in der Nähe gefährlicher oder gefährdeter Einrichtungen. Das ist aber ebenfalls eine unterkomplexe Argumentation ...

Statt indirekt — wie wir es versucht haben — über das allgemeine Strafrecht gibt es eine zusätzliche direkte Möglichkeit, gegen den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu klagen, vielleicht auch gegen die konkrete Vorbereitung des Einsatzes. Zwar können wegen Völkerrechtsverstößen, speziell gegen das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) nur Vertragsstaaten Verfahren einleiten, und der UN-Sicherheitsrat Sanktionen verhängen. Im Jahr 2002 wurde jedoch insbesondere das Römische Statut in Form des Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB) detailliert und explizit in deutsches Recht überführt. Dies entspricht Art. 25 und 26 GG und widerlegt meiner Meinung nach die völkerrechtsfeindliche Interpretation des VG Köln. Bernd Hahnfeld: „Der Einsatz von Atomwaffen ist strafbar nach dem Völkerstrafgesetzbuch und dem Strafgesetzbuch. Diese Verbrechen kann in Deutschland jedermann anzeigen. Ob bereits die einsatzbereite Stationierung der Atomwaffen ein versuchtes Verbrechen ist, das ist — wie bereits dargelegt — eine juristische Bewertungsfrage.“ Ein Straftatbestand ist zum Beispiel die Vorbereitung eines Angriffskriegs.

Dennoch — auch hier gibt es juristische Fallstricke. Zwar kann entsprechend den Zuständigkeiten des BVerfG in Art. 93 (1) 4a GG „jedermann“ eine Grundrechtsverletzung anzeigen, dies wird aber wie dargelegt von den Verfassungsrichtern auf eine individuell besondere Situation bezogen. Von den weiteren dort genannten Grundgesetzartikeln könnte man sich höchstens auf das Widerstandsrecht nach Art 20 (4) GG berufen. Wenn aber ein rechtfertigender Notstand nach Paragraph 34 StGB nicht anerkannt wird, so erst recht nicht ein Widerstandsrecht, das ebenfalls der Einschränkung unterliegt, „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“. Außerdem wird es oft eng auf Fälle eingeschränkt, in denen die grundlegende verfassungsmäßige Ordnung im Sinn von Art. 20 (1) - (3) GG auf dem Spiel steht.

Was bleibt? Ziviler Ungehorsam!

Ist also Justitia blind und schläft beim Thema Atomwaffen, wie wir es auf einer Friedensfahrradtour vom Bundesverfassungsgericht zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte letzten Herbst in einer Performance dargestellt hatten?

Inzwischen denke ich, dass die Zuständigkeiten der Gerichte formal kaum eine Beschäftigung mit dieser Menschheitsfrage hergeben.

Versierte Juristen in der Friedensbewegung sollten aber die möglichen Hebel weiter untersuchen — vielleicht lässt sich am ehesten über den Weg betroffener Anwohner doch ein Grundsatzurteil erreichen, das die politischen Eskalationsmöglichkeiten nuklearer Abschreckung zumindest einschränkt.

Ich selbst beteilige mich gerne weiter an diesen Diskussionen. Bald im Unruhestand mit etwas mehr Zeit, also als „widerständiger Alter“ — so nannte sich einmal eine Aktivistengruppe in Büchel — sehe ich aber politische Aufklärung und Überzeugungsarbeit als wirkungsvoller an. Vor allem fröhlichen zivilen Ungehorsam — vielleicht mal an anderem Ort, bei dem mein noch kleines Strafregister dann hoffentlich wieder bei 30 Tagessätzen Friedens-Investition anfängt.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) Schön auch die Würdigung des wilden, ungezähmten und herrschaftskritischen Aspekts von Demonstrationen in der Demokratie: „Mit diesen Anforderungen wären erst recht behördliche Maßnahmen unvereinbar, die über die Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze hinausgehen und etwa den Zugang zu einer Demonstration durch Behinderung von Anfahrten und schleppende vorbeugende Kontrollen unzumutbar erschweren oder ihren staatsfreien unreglementierten Charakter durch exzessive Observationen und Registrierungen (vgl. dazu BVerfGE 65, 1 [43]) verändern.“

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