Nach dem Prozess vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main hat auch der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags seine Arbeit beendet. Die entscheidenden Fragen bleiben ungelöst:
Wurde der Mord nicht von einem, sondern von zwei Tätern begangen? Stand der zweite Täter etwa in Verbindung mit dem Verfassungsschutz?
Der CDU-Politiker und Regierungspräsident Walter Lübcke wurde in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses im hessischen Wolfhagen-Istha erschossen. Der Neonazi Stephan Ernst hat die Tat gestanden, belastet aber zugleich seinen Kameraden Markus H., dabei gewesen zu sein. Der bestreitet das. Im Januar 2021 hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt Ernst zu lebenslanger Haft verurteilt, Markus H. wurde überraschenderweise freigesprochen.
Der Untersuchungsausschuss des Landtags von Hessen wurde 2020 eingesetzt, konnte aber erst 2021 nach Ende des Prozesses mit seiner inhaltlichen Arbeit beginnen. Dabei hat er eine fragwürdige Weichenstellung vorgenommen: Der Mord an sich und die Ermittlungen der Strafverfolger standen nicht zur Diskussion. Das Urteil des Gerichtes wurde also nicht infrage gestellt und keiner Überprüfung unterzogen. Man wollte sich mit Aspekten befassen, die vor dem Mord lagen, heißt es zur Erklärung.
Die kritiklose Übernahme der Einzeltäter-Version durch die Parlamentarier war jedoch eine selbst gestellte Falle: Denn wie soll man zu den richtigen Erkenntnissen gelangen, wenn man von falschen Prämissen ausgeht? Die Prämisse vom Einzeltäter Ernst hat allerdings den Vorzug, eine Beteiligung des Verfassungsschutzes im Mordfall Lübcke weitgehend ausschließen zu können.
Das wäre beim Mittäter Markus H. anders, denn die entscheidenden offenen Fragen hängen unmittelbar mit ihm zusammen: War er beim Mord dabei? Warum bestreiten das die Anklagebehörde Bundesanwaltschaft (BAW) wie auch das Frankfurter Gericht so programmatisch und gegen alle Indizien? Hängt das etwa mit der Rolle des Verfassungsschutzes zusammen?
Der Abschlussbericht des Lübcke-Untersuchungsausschusses vom Juli 2023 besteht aus vier Einzelberichten mit einem Gesamtumfang von über 1.400 Seiten. Gegen alle Ausschussregeln, nach denen der Bericht des offiziellen Ausschuss-Berichterstatters der Hauptbericht sein sollte, haben die Regierungsfraktionen CDU und Grüne einen eigenen Bericht verfasst und mit ihrer Mehrheit zum Hauptbericht erklärt.
In den insgesamt vier Berichten von CDU und Grünen, SPD und FDP, Linkspartei sowie AfD finden sich einerseits Details, die zu den offenen Fragen passen. Andererseits sind mögliche Aktenbelege des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) als „geheim“ eingestuft und damit weder verifizierbar noch für die öffentliche Aufklärung nutzbar. Ihr Inhalt darf vom Ausschuss nicht wiedergegeben werden. Bezweifelt werden muss aber, dass die Abgeordneten tatsächlich alle VS-Dokumente frei einsehen konnten. Vertreter des Verfassungsschutzes (VS) und der anderen Geheimdienste wurden inzwischen vor Untersuchungsausschüssen derart oft beim Vertuschen ertappt, dass ihre Angaben jeglichen Wert verloren haben.
Die letzte Aussage von Ernst, bei der er geblieben ist, war: Er habe sich von hinten an Lübcke herangeschlichen, der auf einem Stuhl saß und mit seinem Handy beschäftigt war. Von vorne sei Markus H. auf den 65-jährigen Politiker zugekommen und habe ihn angesprochen. Als Lübcke aufstehen wollte, habe ihn Ernst zurück in seinen Stuhl gedrückt. Kurz danach habe er ihm in den Kopf geschossen. Zu der Darstellung passt der Fund von Ernsts DNA auf dem Hemd von Lübcke sowie der Schusskanal im Kopf des Opfers. Zur These von zwei Tätern passt außerdem, dass Zeugen in der Tatnacht zwei Autos gesehen haben wollen, die schnell vom Tatort weggefahren seien.
Im Prozess hat Ernst gegenüber der Familie Lübcke die Tat bedauert und beteuert, die volle Wahrheit sagen zu wollen. Er hat sich mehrfach ihren Fragen gestellt. Strafprozessual wichtig ist dabei, dass er mit seiner Version nicht nur Markus H. belastet, sondern auch sich selbst maximal. Weil das Opfer keinerlei Chance hatte, sich zu wehren, handelt es sich um kalkulierten Mord mit dem Mordmerkmal der Heimtücke, wofür nur eine lebenslange Haftstrafe in Betracht kommt. Das wusste Ernst bei seinem Geständnis genau. Er schonte sich mit seinen Angaben also am wenigsten. Für die Bundesanwaltschaft soll Markus H. seinen Kameraden lediglich moralisch unterstützt haben, aber nicht beim Mord dabei gewesen sein, auch bei keinem der Ausspähbesuche in Istha, obwohl es dafür ebenfalls Hinweise gibt. Die BAW klagte H. nur wegen psychischer Beihilfe zum Mord an.
Der Untersuchungsausschuss (UA) des Landtags von Hessen hat sich nach eigener Selbstbeschränkung mit dem Tatgeschehen und der Frage des oder der Täter nicht befasst. An der Frage zum Verfassungsschutz kam er aber nicht vorbei. Die Bewertung der Fraktionen ist nahezu einheitlich: Stephan Ernst und Markus H. seien keine V-Personen gewesen, heißt es. Bei Ernst sei eine Anwerbung aufgrund der Vielzahl seiner gewalttätigen Delikte gar nicht in Erwägung gezogen worden.
Eine Begründung, die etwas verwundert, da Gewalt bei anderen V-Leuten keinen Hinderungsgrund für eine Kooperation darstellte. Eher im Gegenteil: Straftaten von Szenemitgliedern werden von den Diensten gerne als Druckmittel eingesetzt, um sie zu einer Zusammenarbeit zu bewegen; das nennt sich in Geheimdienstkreisen Kompromat. Bei Markus H. soll es zwei Anwerbeversuche des LfV gegeben haben, die aber erfolglos geblieben seien.
Doch ganz so banal ist die Sache nicht. Im UA-Bericht der Linkspartei, die nebenbei bemerkt ebenfalls vom Alleintäter Ernst ausgeht, finden sich folgende Angaben: Im Juli 1997 plante das hessische Landesamt für Verfassungsschutz die Gewinnung von Markus H. als V-Mann. Man holte ihn von zu Hause ab und führte in der Dienststelle ein umfangreiches Gespräch mit ihm.
Danach waren im Rahmen der Werbungsoperation weitere „Folgetreffs“ (Plural!) vorgesehen. Das hieße, dass im Sommer 1997 das Amt sich mindestens dreimal mit dem Kandidaten H. getroffen hat. Mit welchem Ergebnis erfährt man nicht. Nur dass weitere Folgetreffs zum Beispiel am 4. und 5. März 1998 stattgefunden haben sollen. Die Treffs seien durch geheime Observationen abgesichert worden, bei denen keine Unregelmäßigkeiten oder Gegenobservationen festgestellt worden seien. Markus H. muss sich also an die Regeln der Konspiration gehalten haben. Damit wären über einen Zeitraum von neun Monaten mindestens fünf Treffen zwischen dem Amt und H. registriert. Das kann man durchaus als konspirative Beziehung bezeichnen.
Was dabei erörtert und beschlossen wurde, kann man auch im Bericht der Linkspartei nicht nachlesen. Offensichtlich hat der Ausschuss gar nicht weiter nachgefragt.
Die Beziehung zwischen Sicherheitsbehörden und H. ging aber im Jahr 1998 noch weiter. Die Polizei hatte festgestellt, dass sich Markus H. Material der verbotenen NSDAP/AO (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslands- und Aufbauorganisation) schicken ließ.
Es kam zu einem Verfahren gegen ihn, das die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main bemerkenswerterweise jedoch einstellte. Das war im September 1998 und erinnert an die sogenannten Zusammenarbeitsrichtlinien von Polizei, Staatsanwaltschaften und Geheimdiensten. Danach können die Geheimdienste auf die Staatsanwaltschaften einwirken, wenn zum Beispiel ein V-Mann in eine Straftat verstrickt und von einem Ermittlungsverfahren bedroht ist oder wenn er auch nur als Zeuge aussagen müsste und seine Enttarnung droht. Die Staatsanwaltschaften veranlassen dann die Polizei zur Einstellung des Verfahrens. Der V-Mann Tino B. wurde etwa 30-mal durch das Thüringer Amt für Verfassungsschutz vor Strafverfolgung verschont. Traf das vielleicht also auch für Markus H. in Hessen zu?
Markus H. soll dem Verfassungsschutz aufgefallen sein, weil er Kontakte sowohl zu Links- als auch zu Rechtsextremisten unterhalten habe. Auch das eine Parallele zu anderen herausragenden V-Männern wie zum Beispiel Kai D. in Bayern. Im UA-Bericht von SPD und FDP kann man lesen, dass das LfV H. werben wollte, um einen Zugang zum Autonomen Zentrum in Kassel zu bekommen. Was daraus geworden ist, erfährt man nicht.
Zu der schillernden Figur des Markus H. passen auch kuriose Funde bei einer Wohnungsdurchsuchung bei ihm. Neben beispielsweise Nazimaterial, Militaria, Büsten von Hitler und Göring, NSDAP-Schriften verfügte H. auch über DDR-Devotionalien: eine DDR-Fahne, NVA-Spielzeugsoldaten, ein Bild von ihm in einer DDR-Uniform. Wobei man die Geschichte auch andersherum erzählen könnte: Bei einem DDR-Fetischisten wurde zugleich NS-Material sichergestellt. Was hat es mit diesem Mann tatsächlich auf sich?
Die Personalakte zu Markus H. beim LfV ist aus Quellenschutz-Gründen eingestuft. Ein Indiz, dass sich in seiner Nähe ein oder mehrere Spitzel bewegt haben könnten, was aber nicht zur eigenen Absolution ausreicht. V-Leute durch V-Leute zu kontrollieren oder abzusichern, je nachdem, ist eine bewährte Geheimdienst-Methode.
H. hatte über 30 Waffen in seinem Besitz, wenn die auch lediglich Dekowaffen waren. Er hatte sie aber legal erworben, weil das Verfassungsschutzamt die Waffenbehörde in Kassel, wo H. regelmäßig Waffenscheine beantragte, nur unzureichend über dessen politischen Hintergrund informiert hatte. H. wusste aber, wie man Dekowaffen scharf macht, was er einmal sogar im Gerichtssaal demonstrierte.
Bereits im Strafprozess, wie dann auch im Untersuchungsausschuss, spielte eine Fotografie vom Juni 2011 eine besondere Rolle. Sie befindet sich im Besitz sowohl des Landesamtes für Verfassungsschutz als auch des Landeskriminalamtes. Das Bild zeigt Personen aus der rechtsextremen Szene bei einer Sonnwendfeier am 18. Juni 2011 in Thüringen auf dem Anwesen des bundesweit führenden Neonazis Thorsten Heise im Harz. Unter den Teilnehmern sind mehrere Leute aus Kassel zu sehen, darunter auch Stephan Ernst. Der soll aber erst nach dem Mord an Lübcke darauf erkannt worden sein.
Ein angebliches Versäumnis der Sicherheitsbehörden, das tatsächlich aber von wichtigeren Fragen ablenkt, zum Beispiel der Frage, wer das Bild aufgenommen hat und wie es in den Besitz des Verfassungsschutzes gelangt war. Das Foto wurde nicht heimlich aufgenommen, der Fotograf war ganz offensichtlich einer der Teilnehmer. Die Polizei stieß auf dieses wie auch auf weitere Fotos bei einer Fahrzeugkontrolle in der Szene.
Der Inlandsgeheimdienst hatte das fragliche Bild sowie Informationen über die neonazistische Sonnwendfeier aber aus eigenen Quellen (Plural!) erhalten. Mindestens zweimal, vor und nach der Sonnwend-Veranstaltung, wurden beim LfV sogenannte Deckblatt-Meldungen dazu erstellt; darunter sind Spitzel-Informationen zu verstehen. Während des Prozesses wurde ein Kriminalbeamter zu dem Foto befragt. Dabei machte er die Bemerkung, es befände sich in der Ermittlungsakte von Markus H. Der ist darauf aber gar nicht zu sehen. War er vielleicht die Person hinter der Kamera?
Wenn Markus H. bei dem Treffen in Thüringen dabei war, was ein Leichtes wäre zu ermitteln, könnte damit wiederum eine weitere relevante Frage beantwortet werden. Ernst und H. sollen sich, nachdem sie ein paar Jahre keinen Kontakt hatten, 2011 wieder getroffen haben, und die Frage wäre also: vor oder nach der Sonnwendfeier? Wenn danach, könnte man H. als Fotograf bei der Veranstaltung ausschließen. In den vier Ausschussberichten wird diese Frage nicht geklärt, sondern im Gegenteil eher vernebelt. Denn für die Wiederbegegnung von Ernst und H. werden in den einzelnen Berichten noch vollkommen andere Daten genannt, 2013, 2014 und sogar 2015, ohne dass dieser Widerspruch geklärt würde. Kann etwa nicht ausgeschlossen werden, dass H. bei dem Sonnwend-Treffen mit dabei war?
Markus H. war zumindest in Kassel und Nordhessen eine Führungsperson in der rechtsextremen Szene. Nicht selten handelt es sich bei Führungspersonen um V-Leute, so bei Tino B. in Thüringen oder bei Kai D. in Bayern. H. war es, der jene Videosequenz von Lübckes Auftreten bei einer Bürgerversammlung im Oktober 2015, die H. zusammen mit Ernst besucht hatte und bei der Lübcke die Aufnahme von Flüchtlingen verteidigte, ins Netz stellte. H. führte mit Ernst auch gemeinsam Schießübungen durch.
Im Prozess wirkte Ernst mitunter seltsam abwesend, wie ferngesteuert, als ob er nicht realisierte, was geschah. Unter anderem sagte er einmal, er wisse gar nicht, wie er zu seinen anfänglichen Anwälten gekommen sei, bei denen es sich um rechte Szeneanwälte handelte. Auf deren Initiative gingen die beiden ersten, letztlich verheerenden Geständnisversionen von Ernst zurück. Von ihrer Seite kam der fragwürdige Vorstoß, H. aus der eigentlichen Tat herauszuhalten.
Markus H. dagegen legte vor Gericht ein ziemlich auffälliges Verhalten an den Tag. Ohne Rücksprache mit seinen beiden Verteidigern meldete er sich immer wieder zu Wort. Dabei äußerte er für einen Beschuldigten seltsame Sätze wie: „Ich muss jetzt auch mal eingreifen.“ Der Angeklagte trat dann in inhaltliche Auseinandersetzungen mit LKA-Beamten und dem Vorsitzenden Richter, etwa als es um seinen Computer ging und was darauf gespeichert war. Ein anderes Mal erhob sich H. unaufgefordert von seinem Platz und ging nach vorn zum Richtertisch, wo ein Waffentechniker des LKA als Zeuge gehört wurde, um sich dann an der Erörterung der Frage zu beteiligen, wie man Schreckschusswaffen zu scharfen Waffen umbauen kann. Ein so ungewöhnliches wie riskantes Verhalten, weil H. damit zum Beispiel offenbarte, dass er über Kenntnisse in Waffentechnik verfügt.
Jedenfalls erschien der nominelle „Neonazi“ wie jemand, der keine Verteidigung brauchte. Genießt er andere Schutzgarantien? Sein selbstbewusste Auftreten erinnerte, nebenbei bemerkt, frappierend an das dominante Auftreten des V-Manns Kai D. im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Auch bei ihm gewann man den Eindruck, dass er bestimmte Schutzmächte hatte, was ja zutraf.
Zurück zum Untersuchungsausschuss. Das Bundesland Hessen hat erst seit 2020 ein spezielles Untersuchungsausschuss-Gesetz (HUAG). Die U-Ausschüsse davor, zum Beispiel auch einen zum Thema NSU, wurden auf Basis der hessischen Landesverfassung eingesetzt und mit den regulären parlamentarischen Regeln durchgeführt.
Nun im UA-Gesetz ist neben dem Vorsitz explizit auch die neue Stelle des sogenannten Berichterstatters eingerichtet worden (§ 29 HUAG). Er ist für die Vorlage des schriftlichen Abschlussberichtes verantwortlich. Berichterstatter des Lübcke-Ausschusses war Gerald Kummer (SPD). Als der Schlussbericht des U-Ausschusses am 19. Juli 2023 im Plenum debattiert wurde, war Kummer der erste Redner, der ans Landtagsmikrofon trat. Was er dabei sagte, stellte im Prinzip die gesamte Veranstaltung infrage.
Den von den Regierungsfraktionen vorgelegten Ausschussbericht habe er nicht geschrieben, erklärte der eigentlich zuständige Berichterstatter, er sei auch nicht völlig damit einverstanden. Er sei zum Berichterstatter für den Ausschuss bestimmt worden, und als solcher habe er auch einen Bericht entworfen, über 500 Seiten lang. Anschließend habe er auf Verbesserungsvorschläge gewartet, stattdessen sei ihm von den Regierungsfraktionen CDU und Grüne ein „Gegenangebot“ für einen Schlussbericht gemacht worden. Dass sein Entwurf von dieser Mehrheit komplett abgelehnt wurde, weil er fehlerhaft sei, habe er erst aus der Zeitung erfahren. Niemand habe ihm je dargelegt, wo die Fehler seien. Der Steuerzahler habe drei Jahre lang eine Stelle des UA-Berichterstatters bezahlt, die sich als überflüssig erwiesen habe, so das bittere Fazit des Abgeordneten.
Was vorgefallen war, wurde erst im Verlauf der Sitzung deutlich. Der CDU-Abgeordnete Holger Bellino griff die Kritik des nominellen Berichterstatters auf und bestätigte sie in gewisser Weise indirekt. Er drehte die Verantwortlichkeit einfach um und warf dem Berichterstatter vor, an einer konstruktiven Zusammenarbeit nicht interessiert gewesen zu sein. Man habe gebeten, Teile des Entwurfes zu übermitteln, stattdessen sei im März 2023 (!) der Bericht gekommen, der so „von uns nicht mitgetragen“ werden konnte. Ein Austausch darüber sei von SPD und FDP nicht gewünscht gewesen.
Kummers SPD-Genosse Günter Rudolph wies das vehement zurück. Der Bericht des Berichterstatters sei qualitativ in Ordnung, er habe keine Fehler. 14 Tage nach der Vorlage ein „Gegenangebot“ von mehreren Hundert Seiten zu unterbreiten, sei „nicht akzeptabel“. Der FDP-Abgeordnete Matthias Büger äußerte den Verdacht, dass der Alternativbericht „von langer Hand vorbereitet“ war. Inhaltlich sei dieser Mehrheitsbericht im Sinne des Innenministeriums und der Landesregierung, kritische Stellen seien gestrichen worden.
Tatsächlich überlässt der Bericht der Regierungsfraktionen der Landesregierung ihre eigene Schlussbetrachtung. Die verschiedenen Ministerpräsidenten und Innenminister kommen mit ihrer eigenen Bewertung zu Wort, warum sie auf dem rechten Auge nicht blind gewesen seien. Oder warum die Tat durch die Sicherheitsbehörden nicht zu verhindern gewesen sei.
Mit anderen Worten: Die Regierungsfraktionen haben das Untersuchungsgremium mit ihrer Mehrheit gekapert. CDU, Grüne, aber auch die AfD erklären zum Teil wortgleich außerdem, die Polizei habe den Mord vorbildlich aufgeklärt, den Täter ermittelt und seiner Strafe zugeführt.
Vom Einzeltäter Ernst gehen fast alle aus: Ermittler und Strafverfolger, Politik und Medien. Nicht allerdings die Angehörigen von Walter Lübcke, seine Frau und seine Kinder: Für sie war H. nicht nur beim Mord dabei, sondern spielte die entscheidende Rolle. „Ohne Markus H. hätte es den Mord an Walter Lübcke nicht gegeben“, sagte der Anwalt der Familie Lübcke in seinem Plädoyer vor Gericht. In der Landtagsdebatte ging der SPD-Abgeordnete Rudolph immerhin in die gleiche Richtung, als er wörtlich erklärte: „Was ist mit Markus H.? Die These von Stephan Ernst als Einzeltäter glauben wir nicht.“
Als im April 2006 in Kassel der junge Deutsch-Türke Halit Yozgat erschossen wurde, was als neunter Mord des NSU gilt, war ein LfV-Beamter in dessen Internetladen anwesend. Der Anwalt der Familie Yozgat sagte in seinem Plädoyer vor dem OLG München: „Ohne den Verfassungsschutz ist das Morden des NSU nicht denkbar.“ Wie sich die Worte gleichen ... Gleichen sich auch die Taten?
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