Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Offener Machtkampf

Offener Machtkampf

Das Landgericht Stuttgart schlägt eine Einstellung des Verfahrens gegen den Querdenken-Gründer Michael Ballweg vor. Die Staatsanwaltschaft lehnt dies strikt ab.

[Update 29.3.2025]: Der Befangenheitsantrag wurde durch das Landgericht zurückgewiesen.

In der Physik gibt es Prozesse, die man den Umschlag von Quantität in Qualität nennt. So steigt beispielsweise die Temperatur langsam Grad um Grad, bis das Eis schmilzt, oder das Wasser kocht, je nachdem. Im Prozess gegen Michael Ballweg, den Organisator bundesweiter Coronaproteste in den Jahren 2020 und 2021, ist etwas Vergleichbares geschehen. Fünf Monate lang hat die zehnte große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart Zeuge um Zeuge vernommen, ohne dass sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Ballweg bestätigt hätten. Stattdessen kam das Gericht Sitzung um Sitzung einer Unschuld des Angeklagten näher. Jetzt, im März 2025, schlug die Quantität dieser Entwicklung um in eine neue Qualität: Das Gericht hat vorgeschlagen, den Prozess einzustellen, weil die mögliche Schuld Ballwegs, wenn überhaupt, gering ist.

Damit wurde nicht nur der politische Plan der Exekutive durchkreuzt, einen der bekanntesten Repräsentanten der Coronaproteste abzuurteilen. Zugleich hat der Vorgang begonnen, die gesamte Coronadebatte zu verändern. Mit Ballweg werden die Coronadissidenten, diese Schmuddelkinder, tendenziell zu gleichberechtigten Diskussionspartnern, die man nur noch schwerlich als unmoralische Kriminelle bezeichnen kann und die zur sogenannten Pandemie eine ernst zu nehmende Kritik vertreten.

Damit wiederum wird zugleich das offizielle Coronamanagement zweifelhaft, weil dabei die Kritiker zu Unrecht abqualifiziert und ausgegrenzt wurden. Die hermetisch abgeriegelten Räume brechen auf. Es gilt nicht mehr allein das mutwillige einseitige Urteil der Coronamaßnahmen-Befürworter. Die Wende im Ballweg-Prozess passt zur Debatte um die Protokolle des Robert Koch-Instituts und den manipulativen Umgang der Politik damit, oder zur Frage, dass das Corona-2-Virus aus einem Labor kommt.

Vor den Augen und Ohren der Öffentlichkeit

Möglich gemacht hat das die öffentliche Hauptverhandlung gegen Michael Ballweg, die eine Zwitterveranstaltung darstellt. Sie ist einerseits die Fortsetzung des Coronaregimes mit seinen Denunziationen und Zwangsmöglichkeiten, beispielsweise jemanden anzuklagen und monatelang in einem Gerichtssaal gefangen zu halten. Andererseits bietet sie aber die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Anklägerin, zeitgleich und gleichberechtigt vor den Augen und Ohren der Öffentlichkeit, vorausgesetzt das Kammerspiel im Saal erreicht sie. Das meinte Ballweg, als er am Tag der Eröffnung des Prozesses sagte: „Die Aufarbeitung hat jetzt begonnen.“

Eine Konstellation, die während Corona systematisch verhindert wurde. Jede Woche fanden TV-Talkshows statt, in denen über Querdenker geurteilt wurde, ohne sie selber zu Wort kommen zu lassen.

Die Unterdrückung der Kritik war die Voraussetzung, damit das offizielle Coronanarrativ mit seinen exekutiven Zumutungen überhaupt Wirkung entfalten konnte.

Die Wende im Stuttgarter Querdenken-Prozess hat nicht nur für Unverständnis und Aufgeregtheiten in der etablierten Presse gesorgt, sondern auch einen Machtkampf hinter den Kulissen sichtbar gemacht, der eigentlich unsichtbar bleiben sollte, damit die Inszenierung vom angeblichen Rechtsstaat funktioniert.

Die Gründe des Gerichtes für den Einstellungsvorschlag kurz zusammengefasst: Der Tatvorwurf des Betruges sei nicht belegt; bei Schenkungen handle es sich nicht um gewerbliche Einkünfte, also seien auch keine Steuern zu entrichten; beim Angeklagten seien keine Tatvorsätze festzustellen; und mögliche Steuerhinterziehungsbeträge lägen zwischen 6,47 Euro und 2.112,18 Euro. Den Weg zur Einstellung ermöglicht der Paragraph 153 der Strafprozessordnung wegen Geringfügigkeit beziehungsweise geringer Schuld des Angeklagten, dem beide Seiten, Anklagebehörde und Angeklagter, zustimmen müssen.

Ein Schwerkrimineller, der nur geringe Schuld trägt? Oder ist der Angeklagte etwa gar kein Krimineller? Das passt nicht zusammen. Wenn da nicht die Reaktion der Stuttgarter Staatsanwaltschaft wäre, die direkt und ohne Zögern erklärte, sie stimme einer Einstellung des Verfahrens nicht zu. Die Voraussetzungen dafür lägen nicht vor; die Schuld des Angeklagten sei nicht gering; seine Verurteilung sei wahrscheinlich; die Sachlage sei noch dieselbe wie bei Prozessbeginn.

Die Strafkammer habe eine einseitige Berücksichtigung einzelner Indizien vorgenommen ohne Gesamtschau und lasse Belastungsindizien außer Betracht. Staatsanwältin Franziska Gräfe stellte für ihre Behörde einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter der fünfköpfigen Strafkammer, zu der noch zwei Schöffen gehören. Begründung: Die Richter würden eine Strafbarkeit des Angeklagten verneinen und hätten seine Verurteilung bereits jetzt ausgeschlossen. Das sei eine Vorfestlegung auf Freispruch.

Ermittlungstechnische Unverschämtheit

Man kann die Einlassung einer Staatsanwaltschaft, die einem Landgericht eine oberflächliche und konstruierte Anklageschrift vorgelegt hat, ohne Beweisgrundlage, aber voll mit Manipulationen und Erfindungen, auch als ermittlungstechnische Unverschämtheit bezeichnen. Zumal die Vorwürfe an die Strafkammer unbegründet sind, wie die vorsitzende Richterin in ihrem Bericht widerlegt: Es handle sich um die „vorläufige Rechtsauffassung“ der Kammer zum „derzeitigen Stand“ des Verfahrens; das Beweisprogramm sei „noch nicht abgeschlossen“; die Sachlage sei derzeit so, dass „nicht freigesprochen werden könne, weil nicht alles aufgeklärt“ sei; die Kammer habe nach derzeitigem Stand aber „Schwierigkeiten, zu einer Verurteilung zu kommen“; bezüglich des Steuerteils gebe es „noch mehr offene Fragen“.

Bei der internen Erörterung dieser Punkte mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung, ohne Beisein des Angeklagten Ballweg, am 12. März erklärte die Richterin zugleich, dass die Öffentlichkeit am 17. März über dieses Vorgespräch informiert werden solle.

Hinzu kommt, dass die Kammer mehrere Ermittlungsschritte selber unternahm, die die Staatsanwaltschaft unterließ, obwohl es ihre Aufgabe gewesen wäre: etwa die Untersuchung der Stiftungsgründung von Ballweg, bei der es keine Möglichkeiten zum Betrug gab, weil sie einer gesetzlichen Aufsicht unterliegt. Es handelte sich also nicht um die Schaffung einer Scheinfirma, um Gelder beiseite zu schaffen, wie der Hauptermittler der Polizei mutmaßte.

Die Staatsanwältin führte noch einen weiteren bemerkenswerten Grund für ihren Befangenheitsantrag an: Nämlich, dass die Kammer den Inhalt des Vorgespräches der Prozessparteien vom 12. März offengelegt habe. Das lege den Schluss nahe, das Gericht wolle das nicht-öffentliche Gespräch in die Öffentlichkeit tragen. Die Pressemitteilung des Landgerichts über den entscheidenden Sitzungstermin vom 17. März nannte die Staatsanwaltschaft eine „Einladung“ an Presse und Öffentlichkeit.

Sieht man einmal von der Verschwörungsfantasie der Anklagebehörde ab, die im Landgericht ein konzertiertes Vorgehen von Strafkammer und Pressestelle sieht, wird klarer, worum es bei dem Verfahren tatsächlich geht und warum die Staatsanwaltschaft nun derart panisch reagiert: Der Rädelsführer Ballweg muss verurteilt werden, auch stellvertretend für die Coronaprotestbewegung, koste es was es wolle.

Öffentlichkeit stört bei einem solchen Plan.

Machtkampf im Hintergrund

Ein Gericht wird dafür kritisiert, dass es tut, wofür es bestimmt ist: Vorwürfe zu untersuchen — und zwar öffentlich — und zu einem Urteil zu kommen. Auch darin offenbart die Strafverfolgungsbehörde ein fragwürdiges Verständnis von Rechtsstaat. Was am 17. März zu erleben war, ist eine Kriegserklärung der Staatsanwaltschaft an das Gericht. Der hintergründige Machtkampf um dieses politische Verfahren ist nun voll entbrannt und offen ausgebrochen.

Der Pressesprecher des Landgerichts, der als einer von drei Richtern über die gestellten Befangenheitsanträge mitzuentscheiden hätte, stellte, da die Befangenheitsanträge der Staatsanwaltschaft sich auch gegen seine Arbeit als Pressesprecher richteten, Selbstanzeige gemäß Strafprozessordnung und erklärte sich selber für befangen.

Rechtsanwalt Gregor Samimi, einer von Ballwegs Verteidigern, bezeichnete den Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft als unzulässig, weil er zu spät und nicht bereits nach dem Vorgespräch am 12. März gestellt worden sei. Sowie als unbegründet, weil eine Vorfestlegung auf einen bestimmten Ausgang des Verfahrens nicht stattgefunden habe. Vielmehr sei der Antrag der Staatsanwaltschaft „rechtsmissbräuchlich“.

[Update 29.3.2025]: Am 27. März wurden die Befangenheitsanträge der Staatsanwaltschaft durch Beschluss des Landgerichts als unbegründet zurückgewiesen. Die Verlesung des Protokolls des nicht-öffentlichen Rechtsgespräches durch die Kammer habe der Informationspflicht und der Sicherstellung eines transparenten Strafprozesses sowie der Kontrolle der Justiz durch die Öffentlichkeit gedient, so das Landgericht.

Zur Riege der Befangenen kann man aber auch Staatsanwalt Christian Schnabel zählen, der in der Staatsanwaltschaft Stuttgart seit mindestens 2022 an Ermittlungen beziehungsweise „Vorermittlungen“ gegen Michael Ballweg beteiligt und in der Hauptverhandlung am Landgericht einer der zwei Sitzungsvertreter der Behörde ist. Schnabel ist aktives Mitglied der Regierungspartei Die Grünen, für die er bei der Kommunalwahl zum Gemeinderat kandidierte. In seinem Wohnort wurden erklärte Anti-Querdenken-Kundgebungen organisiert („Unsere Stadt hat Querdenken satt“), an denen sich die Grünen beteiligten. Der Beamte führt seinen Kampf gegen die Coronakritiker gewissermaßen aus dem Amt heraus fort. Er ist nicht nur parteiisch, sondern auch befangen. Sein Arbeitgeber will sich dazu nicht äußern: „Wir beantworten keine Fragen zum Privatleben von Kollegen“, heißt es.

Das Ermittlungsverfahren gegen Michael Ballweg wurde im Jahr 2022 eingeleitet. In der Anklage wirft ihm die Staatsanwaltschaft die drei Delikte Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung, beziehungsweise Tatversuche, vor. Die zehnte große Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht ließ nur Steuerhinterziehung zu, lehnte Geldwäsche und Betrug aber als unbegründet ab. Das Urteil der Richter über die Ankläger war vernichtend: Sie arbeiteten mit „Unterstellungen“ und „fehlerhaften Annahmen“; die Anklage sei auf „unzureichender Tatsachengrundlage“ erhoben worden und „rechtsstaatlich bedenklich“.

Der Beschluss der zehnten Wirtschaftsstrafkammer datiert vom 6. Oktober 2023. Kurz danach, am 1. November 2023, ging der Vorsitzende Richter Schwarz in Ruhestand. Manche Beobachter waren davon überrascht.

Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Entscheidung des Landgerichts sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) ein, das mit Beschluss vom 24. Januar 2024 neben Steuerhinterziehung auch den Betrugsvorwurf zuließ und lediglich den Vorwurf der versuchten Geldwäsche einkassierte. Zugleich wies das OLG das Landgericht an, das Verfahren zu führen.

Nun erhielt die zehnte Wirtschaftsstrafkammer, die monatelang ohne Vorsitz geblieben war, wieder eine Vorsitzende. Seit 1. Februar 2024 steht Richterin Julia Weiß der Kammer vor, zu der weiterhin die Richter Gerhard Berg und Daniel Huss gehören. Weiß hatte mit dem Ballweg-Verfahren bereits vorher zu tun. Sie wies einmal eine Haftbeschwerde des U-Häftlings zurück.

Welche Rolle spielt die Politik in der Causa Ballweg? Sicher ist, dass das Verfahren ein politischer Berichtsfall gegenüber der Landesregierung von Winfried Kretschmann ist.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft muss dem zuständigen Justizministerium von Ministerin Marion Gentges (CDU) „fortlaufend“ darüber berichten. Das weiß man aus einer Antwort des Ministeriums auf die Kleine Anfrage eines Landtagsabgeordneten der AfD.

Erklärte Chefsache

Beispielsweise führte das Ministerium am 30. August 2022 mit der Staatsanwaltschaft ein Telefonat, bei dem es um die „technische Umsetzung von Akteneinsicht an den Beschuldigten in der Justizvollzugsanstalt“ gegangen sei. Am 31. August 2022 lief die Abgabefrist für Steuererklärungen schlussendlich ab. Und wenn die Causa Ballweg im Justizministerium Chefinsache war, kann man davon ausgehen, dass sie im Kabinett Chefsache gewesen ist.

Die Regierungslogik gilt aber auch für die umgekehrte Perspektive. Ist es denkbar, dass ein Strafverfahren dieser politischen Dimension mit Staatsräsoncharakter, zumal auf einer derart windigen und substanzlosen Grundlage, in Eigenregie einer Staatsanwaltschaft und ohne politische Rückendeckung geführt wird? Dass also auch aktuell der peinliche Befangenheitsantrag einer Staatsanwältin gegen die drei Richter allein auf dem Mist der Strafverfolgungsbehörde gewachsen sein soll?

Der Fall Ballweg ist mindestens zum Fall Staatsanwaltschaft geworden, wenn nicht sogar zum Fall Kretschmann.

Ging die Initiative zu dem Verfahren möglicherweise von außerhalb der Strafverfolgungsbehörde aus? Während der Stand-Up-Pressekonferenz am Rande des Sitzungstages vom 17. März antwortete die Sprecherin der Behörde auf die Frage, ob es etwa eine Anweisung des Landesjustizministeriums an die Staatsanwaltschaft gebe, dieses Verfahren zu führen: „Dazu kann ich keine Stellung nehmen.“

Wer diesen Gespensterprozess verfolgte, musste nicht überrascht über diese Wendung und diese Zuspitzung sein. Überrascht waren diejenigen, die zur Eröffnung der Hauptverhandlung noch zahlreich mit Kameras und Laptops erschienen waren, sich dann aber bald wieder von der Veranstaltung verabschiedeten, als sie erkannten, dass der Prozess nicht zum Schlachtfest gegen die verdammten Coronakritiker und einen ihrer Anführer taugt. Jetzt waren sie wieder für einen Tag da, aber ihre alten Fragen gehen ins Leere, weil sie eine Entwicklung verpasst haben. Stattdessen steht die etablierte Presse, von SWR bis Bild und dpa bis taz, Spalier und beklatscht die Inszenierung.

Sollte sich der so umstrittene wie ungeklärte Fall von der Justiz entfernen, könnte er sich zugleich auf einen anderen möglichen Schauplatz zubewegen: einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Die Hauptverhandlung wird am 1. April fortgesetzt.


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Weiterlesen

Ahrimans Welt
Thematisch verwandter Artikel

Ahrimans Welt

Menschen lieben Frieden, Freiheit, Lebendigkeit. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, dass diese Werte in einer Gesellschaft ins Hintertreffen geraten. Das tut es vielleicht auch.

Kurden unter Druck
Aktueller Artikel

Kurden unter Druck

Die zuvor kampfbereite Minderheit in Syrien sieht sich weitgehend isoliert und riskiert deshalb momentan keinen Konflikt mit der Zentralregierung.