Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Trio Infernale

Trio Infernale

Die Wahrscheinlichkeit eines Dritten Weltkriegs kann nur korrekt eingeschätzt werden, wenn man die längerfristigen globalpolitischen Zusammenhänge betrachtet. Teil 2 von 2.

Dies ist die Fortsetzung des Textes vom 18. November 2023 über die koordinierte Errichtung einer neuen Weltordnung und das potenzielle Szenario eines Dritten Weltkrieges. Denn mit Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 änderten sich die Machtverhältnisse in Kontinentaleuropa drastisch: Anstatt sich nur mit seinen traditionellen Feinden Frankreich und Russland auseinandersetzen zu müssen, sah sich das britische Imperium im anbrechenden 20. Jahrhundert nun auch von einem geeinten, erstarkenden Deutschland unter Kaiser Wilhelm I. bedroht.

Nach Ansicht des angelsächsischen Establishments war es nur eine Frage der Zeit, bis der neue Rivale Großbritannien wirtschaftlich, technologisch und sogar militärisch die Stirn bieten konnte. Alfred Milner und seine von Cecil Rhodes übernommene Round-Table-Gruppe waren sich einig, dass diesen Entwicklungen mit allen Mitteln begegnet werden muss. Die deutsche Gefahr für die britische Vormachtstellung musste eliminiert werden, solange das noch möglich war.

Der Plan: die Fehde mit Frankreich und Russland ad acta legen und beide Länder zu Partnern des „Empire“ machen — um das Deutsche Reich isolieren und dank der militärischen Übermacht dieser neuen Allianz rasch besiegen zu können. Keine leichte Aufgabe. Um zwei Erzfeinde Großbritanniens als künftige Mitstreiter zu gewinnen und die Öffentlichkeit gegen das Deutsche Reich aufzuwiegeln — bis dahin ein geschätzter Partner der Briten, immerhin entstammen die Royals dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha —, mussten Milner und Konsorten ihren Einfluss auf die diplomatischen Kreise des Empire, die Medien und das Militär intensivieren. Und damit begannen Rhodes und Milner bereits 1899, während die beiden rücksichtslosen Imperialisten in Südafrika noch damit beschäftigt waren, den Burenkrieg loszutreten und Apartheid zu etablieren, um die afrikanischen Kolonien mit Gewalt unter britische Herrschaft zu zwingen.

Auf Betreiben von Milners Zirkel wurde der Leiter des außenpolitischen Ressorts der überregionalen Tageszeitung The Times, Donald Mackenzie Wallace, von seinem Posten verdrängt und durch das Round-Table-Mitglied Ignatius Valentine Chirol ersetzt. Chirol hatte zuvor für das britische Außenministerium gearbeitet und dadurch informellen Zugang zu Diplomaten und Offiziellen. Chirol stellte in der Folge sicher, dass eine der einflussreichsten Publikationen des Landes alle geopolitischen Vorkommnisse im Sinne von Rhodes und Milner kommentierte. Darüber hinaus verschaffte er einem seiner engsten Freunde, Charles Hardinge, im Jahr 1904 den immens wichtigen Posten als britischer Botschafter in Russland und 1906 die Nominierung zum Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt. Das reichte allerdings immer noch nicht aus, um einen Krieg mit Deutschland vom Zaun zu brechen. Milner musste es schaffen, jemanden aus den eigenen Reihen auf den Sessel des Außenministers zu hieven, jemanden, der ihn schon bei der Stimmungsmache zum Burenkrieg an der britischen Heimatfront unterstützt hatte. Und genau das passierte, als Edward Grey im Dezember 1905 für dieses Amt vereidigt wurde. Ein Amt, das er bis 1916 bekleidete, so lange wie niemand vor ihm.

Edward Grey entwickelte sich zu Milners wichtigstem Verbündeten. Er teilte, wie auch König Edward VII., dessen Ressentiments gegen das prosperierende Deutschland. Siehe die ausführliche Analyse zu Greys Wirken des amerikanischen Autors Peter Hof aus dem Jahr 2018, die in seinem überzeugend recherchierten Buch „The Two Edwards — How King Edward VII and Foreign Secretary Sir Edward Grey Fomented the First World War“ („Die zwei Edwards — Wie König Edward VII. und Außenminister Sir Edward Grey den Ersten Weltkrieg auslösten“) nachzulesen ist.

Mit Grey und Hardinge in der Regierung, der Presse auf ihrer Seite und Lord Eshers einzigartigem Zugang zu König Edward, der sich entgegen royaler Gepflogenheiten aktiv ins politische Geschehen einmischte, war die Basis der „Triple Entente“ geschaffen. Großbritannien, Frankreich und Russland nahmen Deutschland in die Zange. Milner und Co. sorgten in der darauffolgenden Dekade dafür, dass jeder internationale Zwischenfall den Deutschen angekreidet wurde.

Als 1904 der Russisch-Japanische Krieg ausbrach, lancierte die Gruppe in London das Gerücht, dass die Feindseligkeiten eigentlich von den Deutschen angezettelt worden waren. Dabei war der Brooks’s-Club-Protegé und Rothschild-Vertraute Lord Lansdowne bereits 1902 in Japan, um ein militärisches Bündnis mit Großbritannien zu besiegeln.

Den daraus resultierenden Ausbau des Militärapparates konnte sich Japan allerdings nicht leisten. So wandte sich die Regierung an Cecil Rhodes und Lord Nathan Rothschild, um den Krieg gegen Russland zu finanzieren. Zeitgleich untersagten die Briten den Russen die Nutzung des Suez-Kanals und statteten Japan mit der für einen Krieg nötigen Hochseeflotte aus. Auch in Marokko agitierte das Empire, um die Welt gegen Deutschland aufzubringen. Über geheime militärische Zusagen und entgegen geltender Garantien motivierte man Frankreich, die Handelsbeziehungen des afrikanischen Landes mit Deutschland zu stören und damit regionale Krisen auszulösen. Parallel dazu rechtfertigte die britische Presse jede Aktion Frankreichs als Verteidigung zivilisierter Werte — und verteufelte alle Reaktionen Deutschlands darauf als Akt der Barbarei.

Mit Demokratie hatte das alles wenig zu tun. Denn als Premierminister Arthur Balfour sein Amt 1905 niederlegte, sorgte Milners politisches Netzwerk dafür, dass die Round-Table-Mitglieder Henry Asquith, Edward Grey und Richard Haldane, drei „Milnerhörige“, Schlüsselpositionen in der neuen liberalen Regierung besetzten. Die Anti-Deutschland-Strategie wurde nahtlos fortgesetzt. Das britische Parlament erfuhr von den geheimen Verhandlungen mit Russland und Frankreich übrigens nichts. Erst sechs Jahre nach Amtsübernahme, im November 1911, wurde das Kabinett von Premierminister Asquith darüber in Kenntnis gesetzt, dass Milner und Co. — entgegen diversen Dementis in Presse und Parlament — derartige Vereinbarungen getroffen hatten.

Auch der Balkan versank in der Zeit vor 1914 zusehends im Krieg. Dieser drängte durch seinen Verlauf zwischen 1912 und 1913 das Osmanische Reich bis an die Grenzen der heutigen Türkei zurück. Auf ganz Europa wollte sich dieser eingedämmte militärische Konflikt allerdings partout nicht ausweiten. Erst durch das Attentat der von dunklen Kreisen finanzierten „Schwarzen Hand“ in Sarajevo entstand jene Dynamik, auf die Milner und Konsorten mit diplomatischen Abkommen, gezielter Propaganda, geheimen Allianzen und Militärbündnissen über ein Jahrzehnt lang hingearbeitet hatten. Ab 1914 befand sich Europa im Krieg. Doch damit war das Ziel des angelsächsischen Establishments noch nicht erreicht. Denn Rhodes’ Vision von einer angloamerikanisch dominierten Weltordnung, von der Reintegration der abtrünnigen US-Kolonien ins Empire konnte nur realisiert werden, wenn auch die Vereinigten Staaten in diesen Konflikt hineingezogen würden.

Doch in Amerika interessierte man sich nicht sonderlich für den Krieg im weit entfernten Europa. Die Bevölkerung hatte andere Sorgen. Erst als der britische Transatlantikliner „Lusitania“ am 7. Mai 1915 von einem U-Boot der kaiserlichen Marine vor der Südküste Irlands versenkt wurde und dabei auch 128 Amerikaner ums Leben kamen, drehte sich der Wind.

Bis heute gilt die Attacke auf das Schiff, die 1.198 Menschen das Leben kostete, als „unerwartete Gräueltat“ der Deutschen und jeder andere Erklärungsversuch als Verschwörungstheorie. Dabei sind die Indizien für eine mutwillige Inszenierung des Vorfalls überwältigend.

Die Lusitania war weder ein harmloser Passagierkreuzer, noch kam der Angriff unerwartet. Sie war ein schwer bewaffnetes Handelsschiff, das Kriegsmaterial transportierte. Nach Einschlag eines deutschen Torpedos und einer ersten Explosion wurde das Schiff von einer zweiten, ungleich heftigeren Detonation erschüttert. Die aus Munition und Schießpulver bestehende Ladung war in die Luft geflogen. Sie war nur leichtfertig verpackt und falsch beschriftet gewesen. Daher war keine zusätzliche Ladungssicherung erfolgt, wie das für Explosivgüter üblich gewesen wäre.

Und die Position der deutschen U-Boote war der britischen Marine ebenfalls bekannt. Man hatte die Kommunikation der kaiserlichen Flotte abgehört. Warum sich Kapitän Turner, Kommandant der Lusitania, nicht an den für Kriegszeiten vorgeschriebenen Zickzackkurs hielt, sondern sein Gefährt durch Geradeausfahrt zum leichten Ziel machte, wurde ebenfalls nie abschließend geklärt. Die betreffenden Unterlagen des British Naval Intelligence Department unterliegen weiterhin der Geheimhaltung. Darunter auch der von den Briten abgefangene deutsche Funkverkehr. Andere Dokumente und Beweismaterialien, wie die Akten der Cunard-Gesellschaft (Reederei), sind spurlos verschwunden. Abschriften von Funksprüchen wurden durch leere Blätter ersetzt. Und es gibt Indizien, die nahelegen, dass das Kriegstagebuch des deutschen U-Bootes SM U 20, das auf die Lusitania schoss, ebenfalls Fälschungen enthält.

Die britische Regierung dementierte 99 Jahre lang vehement, die Weltöffentlichkeit in Bezug auf diesen folgenschweren Vorfall getäuscht zu haben — bis deklassifizierte Dokumente der Royal Navy im Jahr 2014 das Gegenteil bewiesen. Die Regierung in London hatte vorsätzlich getäuscht und gelogen, um der Kriegsmüdigkeit der amerikanischen Bevölkerung entgegenzuwirken. Dabei wurde im Rahmen der publizierten Geheimunterlagen noch nicht einmal darauf hingewiesen, dass König George V., der nach dem Tod von Eduard VII. im Jahr 1910 den Thron bestieg, am 7. Mai 1915, nur wenige Stunden vor dem Angriff auf die Lusitania, hohen Besuch aus Amerika empfangen hatte. Zu Gast war Edward Mandell House, einflussreicher Gesandter des Money Trust, jenes mafiösen Wall-Street-Bankenkartells, das 1913 die Einführung des Federal Reserve Act, des Zentralbankensystems, in den USA durchgesetzt hatte.

Obwohl Mandell House nie im Militär gedient hatte, verlieh er sich selbst das Namenspräfix „Colonel“, um seine Reputation zu stärken. House war Woodrow Wilsons leitender Berater in Sachen Europapolitik, sein „Handler“. House kontrollierte die US-Diplomatie während des Ersten Weltkrieges, organisierte den Aufbau des Round-Table-Netzwerkes in den USA und begleitete Wilson zur Pariser Friedenskonferenz im Jahr 1919. Außerdem betreute der „Colonel“ zusammen mit Alfred Milner das League of Nations Mandate, das als Vorläufer der Vereinten Nationen (UN) nach dem Ersten Weltkrieg über den legalen Status jener Staaten entschied, die Territorialverluste oder -gewinne zu verbuchen hatten, sprich die beiden waren dafür verantwortlich, die Weltkarte zu rearrangieren.

In Anbetracht dieser Hintergründe scheint es rückblickend mehr als nur Zufall zu sein, dass Colonel House und König George V. an jenem schicksalshaften Tag im Mai 1915 über „die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ozeanliner sinken könnte“, sprachen. Oder dass House seinen Komplizen Edward Grey, der ebenfalls an dem Treffen teilnahm, informierte, dass „wenn dies geschähe, eine Flamme der Empörung über Amerika hinwegfegen und uns wahrscheinlich in den Krieg verwickeln würde“. Noch offensichtlicher wird die angloamerikanische Intrige, als König George V. nur eine Stunde nach dem Meeting mit House und Grey im Buckingham Palace erklärt, dass man „zufällig über die Möglichkeit gesprochen habe, dass Deutschland einen Transatlantikliner angreifen könnte. (…) Man stelle sich vor, sie versenken die Lusitania. Mit amerikanischen Passagieren an Bord“. Um 14:00 Uhr des gleichen Tages wurde das besagte Handelsschiff in die Tiefe gerissen. Es war der Anfang vom Ende der amerikanischen Neutralität.

Milners Konspirationsnetzwerk gewann auch jenseits des Atlantik rasch an Einfluss. Denn Rhodes hatte nicht die geheime Weltregierung in Form einer verschwiegenen Handvoll alter weißer Männer gegründet, sondern eine Idee geboren. Die Vision eines elitären Herrschaftskonstrukts, das ihn erfolgreich überleben sollte. Rhodes ersann die Strukturen und Prozesse, mit denen das transatlantische Imperium seine Kolonialmacht global ausdehnen und langfristig sichern konnte: die Global Governance des postmodernen Korporatismus.

Und in den USA mangelte es nicht an Unterstützern für sein Vorhaben. Auch die 1902 gegründete Pilgrims Society, bei der später unter anderem Henry Kissinger, Margaret Thatcher, Bilderberger und FED-Boss Paul Volcker oder Weltregierungsadvokat Walter Cronkite Mitglied waren, engagierte sich vor Ort bereits für die angloamerikanische Weltherrschaft. Das US-Ostküstenkapital unterstützte internationalistische Umtriebe stets gerne. Vor allem John Pierpont Morgan, bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert Amerikas mächtigster Bankier, setzte sich für Rhodes’ imperialistische Ideen ein. Sein Finanzinstitut J. P. Morgan & Company (heute JPMorgan Chase), nach Angaben des Forbes-Magazine die bis dato größte Bank der USA und das drittgrößte börsennotierte Unternehmen der Welt, hatte schon in den 1890ern mehr Macht als das US-Finanzministerium. Als die amerikanische Regierung im Jahr 1895 einem Goldengpass entgegensah, sprangen J. P. Morgan und seine Partner der Rothschild-Banken ein, um die marode Staatskasse mit Krediten zu stützen. Die „Panik von 1907“, die Morgan maßgeblich selbst verursacht hatte, konnte die US-Regierung anschließend ebenfalls nur noch mit seiner Hilfe in den Griff bekommen. Merke: Mit dem Finanzsystem oder mit dem Krieg verhält es sich wie mit dem Glücksspiel — die Bank gewinnt immer.

John Pierpont Morgan war auch primärer Treiber hinter dem Federal Reserve Act, der die USA kurz vor Kriegseintritt unter die finanzielle Knute der Wall-Street-Bankenmafia zwingen sollte. Nachdem der Aldrich-Plan, einer erster dahingehender Plot der Hochfinanz, rasch als solcher entlarvt und politisch vereitelt worden war, sorgten „Colonel House“ und J. P. Morgan dafür, dass der obskure, dafür aber kontrollierbare Princeton-Professor Woodrow Wilson im November 1912 die Präsidentschaftswahl gewann.

Knapp ein Jahr danach, am 3. Oktober 1913, führte Wilson die kontrovers diskutierte Einkommenssteuer ein, die Federal Income Tax. Dicht gefolgt vom missliebigen Federal Reserve Act, der am 23. Dezember 1913 durch die Instanzen gepeitscht wurde. Damit hatte das im Sinne von Rhodes und Milner konspirierende Wall-Street-Kapital die Macht im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ übernommen und war bereit für Krieg. Jetzt galt es, die letzte Hürde aus dem Weg zu räumen: die Kriegsmüdigkeit der US-Bevölkerung.

Als Wilson sich 1916 zur Wiederwahl stellte, warb er für die zweite Amtszeit mit dem simplen Slogan: „He kept us out of war!“ („Er hat uns aus dem Krieg herausgehalten!“). Und obwohl es mit seiner Popularität wahrlich nicht zum Besten bestellt war, sicherten ihm diese nichtssagende Feststellung und mediale Schützenhilfe seiner Financiers den knappen Sieg. Denn die amerikanische Bevölkerung verstand den Krieg in Europa noch immer nicht als den ihren. Wie auch Großbritannien bis 1905, bis Milner und Co. das Empire in ein Netz von internationalen Bündnisverträgen bugsierten, standen die Vereinigten Staaten vor dem Ersten Weltkrieg für Isolationismus. Im Rahmen einer Umfrage, die 1914 bei 367 Zeitungen durchgeführt wurde, votierten 242 für amerikanische Neutralität bei diesem „europäischen Krieg“. Ein Artikel der Zeitung The New York Sun drückte die Haltung Amerikas wie folgt aus:

„An einem Krieg wie den, auf den sich Europa vorbereitet hat, ist nichts Vernünftiges. Es wäre töricht, wenn dieses Land sich dem Wahnsinn der Dynastie-Politik und dem Aufeinandertreffen uralter Hassgefühle opferte, die die Alte Welt in ihre Zerstörung treiben.“

Im Lichte solch selbstverständlicher Positionsbestimmungen half auch ein willfähriger US-Präsident den Round-Table-Zielen nur bedingt. So verlagerte sich der medial-industrielle Komplex der angloamerikanischen Imperialisten ab 1914 auf gezielte Stimmungsmache. Auf Gräuelpropaganda. Und zwar in einem Ausmaß, wie es die Welt bis dahin nicht gesehen hatte. Eine passende Gelegenheit für die gezielte Dehumanisierung des Gegners lieferten die Deutschen, als sie im August 1914 im neutralen Belgien einmarschierten. Die kaiserlichen Truppen erschossen Zivilisten, plünderten und brannten Städte nieder. Der transatlantisch usurpierten Presse kam der Vorfall wie gerufen. Bald gab man der deutschen Invasion den Titel „Die Schändung Belgiens“ („Rape of Belgium“).

Zeitungsberichte schilderten daraufhin detailliert, wie die „unzivilisierten Barbaren“, die „hässlichen Deutschen“, die „brutalen Hunnen“ rücksichtslos Kirchen anzündeten, Frauen vergewaltigten, Kinder folterten und Babys ermordeten. Entsprechend abstoßende Poster und Flyer wurden in Umlauf gebracht. Radiosender schickten passende Horrormeldungen über den Äther. Die intendierte Botschaft solcher Darstellungen ist bis heute: Unsere Gegner sind keine Menschen, sondern Monster und Bestien. Sie verdienen den Tod. Und wie damals ist der Wahrheitsgehalt von Kriegspropaganda auch heute noch gering. Rückblickend erklären die Historiker in puncto „Schändung Belgiens“ zum Beispiel:

„Im Gegensatz zur deutschen war die gegnerische Propaganda von unverhohlen brutalen Feindbildern durchsetzt — und sie war damit in ihrer Wirkung auf die eigene Bevölkerung wie auf die neutralen Staaten sehr viel erfolgreicher als die fast harmlos und bieder erscheinende deutsche Propaganda, die bis Kriegsende 1918 auf Gräuelmotive verzichtete. (..) Die Invasion von Belgien wurde in einer sehr stilisierten Form dargestellt, (...) die sich in perversen sexuellen Akten, blutrünstigen Verstümmelungen und zeichnerischen Darstellungen von Kindesmisshandlungen mit zumeist fragwürdigem Wahrheitsgehalt erging.“

Die von Times und Daily Mail federführend lancierte Medienkampagne verfehlte ihre Wirkung nicht. Schockiert von den Nachrichten aus Belgien begann sich die öffentliche Wahrnehmung des Konflikts zu verändern. Schon bald sah die amerikanische Bevölkerung das Gemetzel nicht mehr als einen rein europäischen Krieg, der wegen irgendeines erschossenen Thronfolgers vom Zaun gebrochen wurde, sondern als ein Verbrechen der Deutschen gegen die Menschlichkeit. Als einen Akt der Barbarei des Deutschen Reiches gegenüber der zivilisierten Welt.

Den Höhepunkt dieses Empörungsmanagements markierte der Bryce Report — „zu Händen der königlich-britischen Regierung“ —, in dem 1.200 nicht verifizierte Zeugenaussagen die Kriegsverbrechen und Gräueltaten der deutschen Barbaren beschreiben sollen. Kuratiert wurde das Dokument von Viscount James Bryce, britischer Botschafter in den USA von 1907 bis 1913 und ein enger Freund von Woodrow Wilson. Ein Kriegseintritt der USA wurde erst denkbar durch diese Propagandaschlacht, in Kombination mit der Fortführung des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs seitens Deutschland und der russischen Februarrevolution, jeweils von Milners Kreisen provoziert und finanziert, und die Zimmermann-Depesche, publiziert von US-Marinegeheimdienstdirektor William Reginald Hall, der eng mit den britischen Geheimdienstabteilungen MI5 und Room 40 verbunden war.

Der Bryce-Report wurde am 12. Mai 1915 publiziert, fünf Tage nach der Havarie der Lusitania. Zwischen diesen beiden Vorkommnissen, am 9. Mai 1915, schrieb Colonel House ein Telegramm an Woodrow Wilson, der die Eingaben seines Instruktors am nächsten Tag pflichtbewusst dem Kabinett vorlas. Zeitungen im ganzen Land druckten das House-Telegramm, dessen Wortlaut frappierend an die Wohlfühlphrasen der Gegenwart erinnert:

„Amerika ist an einem Scheideweg angelangt, an dem es entscheiden muss, ob es für eine zivilisierte oder unzivilisierte Kriegsführung einsteht. Wir können nicht länger neutrale Zuschauer bleiben. Unser Handeln in dieser Krise wird darüber entscheiden, welche Rolle wir spielen werden, wenn Frieden geschaffen wird, und inwieweit wir eine Lösung zum dauerhaften Wohl der Menschheit beeinflussen können. Unsere Worte werden auf die Waagschale gelegt — unsere Position unter den Nationen wird von der gesamten Menschheit beurteilt.“

Schon im Herbst 1915, über ein Jahr bevor Wilson sich zur Wiederwahl stellte, besprach Colonel House mit Edward Grey, wie man die USA endlich zum Kriegseintritt bewegen könne. Diese Geheimverhandlungen zogen sich bis Winter 1916 und wurden stets von beiden Seiten dementiert — bis die archivierten Dokumente von Edward Mandell House im Jahr 1928 veröffentlicht wurden und alle Verdachtsmomente bestätigten. Als House am 7. Mai 1915 zu Grey und König George sagte, dass der Untergang der Lusitania einen Sturm der Entrüstung in den USA entfachen würde, lag er richtig. Seine Vermutung, dieser maritime Verlust könne den Kriegseintritt der USA nach sich ziehen, war dagegen falsch. Dennoch war es schlussendlich vor allem der Krieg zur See, der den Krieg eskalieren ließ.

Die Geschichtsbücher der Gewinner beschreiben das diesbezügliche Vorgehen der kaiserlichen Seestreitkräfte allerdings sehr tendenziös. Denn die deutsche Praxis, Handelsschiffe in Sichtweite anzugreifen, verstieß fraglos sowohl gegen internationales Seerecht als auch das Völkerrecht, war aber entgegen alliierter Lesart beileibe kein unprovozierter Akt der Barbarei. Das Deutsche Reich reagierte damit ab 1915 auf unzählige Affronts der Briten, die ihrerseits und schon lange vor den kaiserlichen Flottenverbänden das See- und Völkerrecht brachen.

Bereits zu Kriegsbeginn 1914 nutzte Großbritannien seine Vormachtstellung zur See, um eine folgenschwere Blockade gegen das Deutsche Reich durchzusetzen. Sie richtete sich nicht nur gegen die Lieferung von Kriegsmaterial, sondern auch gegen den Transport von Nahrungsmitteln, und wird als „eines der umfangreichsten und komplexesten Unterfangen des gesamten Ersten Weltkrieges“ bezeichnet. Das Empire erklärte dabei schlicht die gesamte Nordsee zum Kriegsgebiet und brachte großflächig Wasserminen aus. Damit verstieß das britische Vorgehen sowohl gegen die Erklärung von Paris (1856) als auch die Erklärung von London (1909), die eindeutige Regeln für die Kriegsführung zur See definierten.

So war die britische Seeblockade zweifelsohne ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und Großbritanniens Unterfangen, ein ganzes Land auszuhungern, setzte sich bis nach Kriegsende fort. Da nun auch die Ostseeküste von der Blockade betroffen war, intensivierte sich die Hungersnot bis 1919. Die Bevölkerung musste sich für ihre Grundversorgung mit einer Ration von 1.000 Kalorien pro Tag zufrieden geben. Wer den Hunger überlebte, litt an Tuberkulose oder anderen Krankheiten.

Nach Angaben des Landesgesundheitsamtes Berlin starben 763.000 Menschen an den direkten Folgen der Blockade. Andere Quellen sprechen von 424.000 verhungerten Zivilisten. Am klar erkennbaren Vorsatz, durch die Blockade unbeteiligte Menschen töten zu wollen, ändert die exakte Anzahl ziviler Opfer derweil nichts.

Es ist vor allem dieser Doppelmoral der britischen Propaganda-Diplomatie zuzuschreiben, dass die USA in den ersten Weltkrieg eintraten. Denn erst nach monatelangem Hin und Her — und angesichts der zunehmend verzweifelten Lage an der Heimatfront — entschied die deutsche Admiralität Anfang 1917, den uneingeschränkten U-Boot-Krieg wieder aufzunehmen. In der Folge dieses Beschlusses versenkte die kaiserliche Flotte bereits im März 1917 vier amerikanische Handelsschiffe. Wenige Tage danach, am 2. April 1917, hielt Woodrow Wilson seine historische Rede und forderte den US-Kongress auf, Deutschland den Krieg zu erklären. Es sollte das erste Mal in der amerikanischen Geschichte sein, dass Truppen nach Europa entsendet würden.

Am 6. April 1917 veröffentlichte der US-Kongress die offizielle Kriegserklärung. Die Vereinigten Staaten traten unter Woodrow Wilsons Führung in den Ersten Weltkrieg ein. 15 Jahre nach dem Tod von Cecil Rhodes begannen dessen Visionen Realität zu werden. Das Empire und die abtrünnigen Kolonien kämpften wieder Seite an Seite, unter dem Banner der Alliierten. Rhodes’ Nachfolger Alfred Milner hatte mittels Round-Table-Konzept, Schattendiplomatie und Propaganda das erste Etappenziel auf dem Weg zur angloamerikanischen Weltherrschaft erreicht. Kaum war der Krieg zu Ende, wurden die ersten neoimperialistischen Transatlantiknetzwerke der „neuen Weltordnung“ installiert. Chatham House, Völkerbund, Council on Foreign Relations, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich — das Fundament des supranationalen Korporatismus, in seiner Gesamtheit zurückzuführen auf die Umtriebe eines einzigen einflussreichen, verdeckt agierenden und kriminellen Infiltrationsnetzwerks.

Es war eine Zeitenwende. Denn mit dem Ende der Kampfhandlungen waren auch die letzten Tage der Erbmonarchie gezählt. Zumindest offiziell. Die Weltkarte hatte sich signifikant verändert. Die geostrategischen Sollbruchstellen der Zukunft waren entstanden. Nicht nur Europas Grenzlinien waren neu gezogen worden, auch der Nahe Osten erfuhr eine Remodellierung. Schon 1916 verständigten sich Großbritannien und Frankreich im Rahmen des geheimen Sykes-Picot-Abkommens darauf, wie die Region nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches zwischen den Kolonialmächten aufgeteilt werden solle. Die arabische Bevölkerung erfuhr natürlich nichts davon. Sie war den Kolonialmächten egal.

„Der Brite zog eine Linie von Kirkuk (im heutigen Irak) nach Haifa im damaligen Palästina — nördlich davon sollte Frankreich das Sagen haben, südlich davon Großbritannien. (…) Vermutlich war es Zufall, dass Sykes ziemlich genau den Verlauf der späteren Ölpipeline aus dem Irak nach Haifa zeichnete“, kommentiert der Deutschlandfunk am 21. Juni 2014.

Kurz nach dem Sykes-Picot-Abkommen, im Juli 1917, lancierten Lionel Walter Rothschild und Alfred Milner die Balfour-Erklärung, mit der das britische Imperium offiziell bestätigte, das 1897 beim ersten Zionisten-Kongress in Basel (CH) festgelegte Ziel des Zionismus unterstützen zu wollen, in Palästina eine nationale Heimstätte des jüdischen Volkes zu errichten — obwohl Großbritannien das betreffende Territorium zuvor bereits der arabischen Bevölkerung versprochen hatte.

Auch im Buckingham Palace passte man sich dem Zeitgeist an. Ebenfalls im Juli 1917 verkündete die königliche Familie, ihren Namen von „Sachsen-Coburg und Gotha“ in „Windsor“ zu ändern. Jede Referenz und jeder Titel, der an das dunkle Deutschland erinnerte, sollte mit etwas Britischem ersetzt werden. So war bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges bereits eine Generation junger Briten nachgewachsen, die sich in weiten Teilen nicht bewusst war, dass sie von deutschen Erbmonarchen gegen Nazideutschland ins Feld geschickt wurde.

Am 26. März 1918, knapp ein Jahr nach dem Kriegseintritt Amerikas, lud Alfred Milner die alliierte Generalität zu einer Konferenz im Rathaus von Doullens (F), um vorzuschlagen, die Entente-Streitkräfte unter ein vereintes Kommando zu stellen und General Foch mit dessen Leitung zu betrauen. Am 20. April 1918, als erstes offizielles Statement in seiner neuen Rolle als britischer Kriegsminister, gab Lord Milner der französischen Zeitung Le Temps diesbezüglich zu Protokoll:

„Ich war persönlich an den Maßnahmen beteiligt, die zur jetzigen Organisation des Kommandos führten. Und ich gratuliere mir selbst zu dem herzlichen Vertrauen, das ständig zwischen Herrn Clemenceau und mir geherrscht hat. Nicht umsonst haben wir die gleichen Ängste und die gleichen Freuden brüderlich geteilt. Die Zeit, in der wir leben, schafft unvergängliche Bindungen.“

Eineinhalb Dekaden später, am 11. November 1931, besuchte Viscountess Violet Milner den Konferenzraum im zweiten Stock des Rathauses von Doullens, um ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Alfred dort eine Marmorbüste zum 15-jährigen Jubiläum der „kriegsentscheidenden“ Übereinkunft zu widmen. Das geeinte Kommando hatte unter Foch ab 8. August 1918 zur Hunderttageoffensive geführt. Im Nahen Osten bahnte sich unterdes der endgültige Zusammenbruch der osmanischen Front an, die mit der Palästinaschlacht vom 19. bis 21. September 1918 vollends fiel. Schon am ersten Tag der Auseinandersetzung nahmen die Briten das osmanische Hauptquartier im Westjordanland ein.

Bereits 1917 hatte das Empire Bagdad erobert, Gaza, Jaffa und Jerusalem besetzt. Die Übermacht der Invasoren war erdrückend. Das Mittelmeer wurde von der Royal Navy beherrscht. In Palästina dominierten ebenfalls britische Truppen. Der Nachschub für die Besatzer kam über den von den Rothschild-Banken finanzierten Sueskanal aus Ägypten. Nach der Ablösung von General von Falkenhayn hatte der deutsche General Otto Liman von Sanders am 19. Februar 1918 den Oberbefehl über die osmanische Armee in Palästina übernommen. Doch nach sieben Monaten war seine Armee besiegt und das letzte große Gefecht des Ersten Weltkriegs im Nahen Osten nach drei Tagen zu Ende.

Sieben Wochen nach der Palästinaschlacht schwiegen die Waffen endgültig. Denn am 11. November 1918 um exakt 11:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit war der Erste Weltkrieg offiziell zu Ende. Und Millionen von Menschen haben diesen Schritt in Richtung Global Governance mit ihrem Leben bezahlt.

Der grässlichen Zäsur folgten 21 Jahre Zwischenkriegszeit — Interbellum. Die illusorische Ruhe vor dem noch vernichtenderen Sturm. So wie Ferdinand Foch es prophezeite: Es „ist kein Frieden, sondern ein Waffenstillstand für 20 Jahre“. Und während sich Leitmedien oder betriebsblinde Historikerkreise bis heute mit der sogenannten Kriegsschuldfrage beschäftigen, sich in Überlegungen ergehen, ob man nun in diesen Krieg „hineingeschlittert“ sei oder Europa unter Umständen „einer politischen Kultur der Paranoia“ verfallen war, scheint die wahre Ursache für den Ersten Weltkrieg im Lichte der angeführten und verlässlich dokumentierten Indizien auf der Hand zu liegen. Und auch die Frage nach den Profiteuren dieser perversen Premiere industriellen Tötens ist schnell beantwortet.

Denn Imperialisten wie Rhodes, Milner, Chirol, Grey oder Jan C. Smuts — ebenfalls Mitglied der Round-Table-Bewegung — machten vor dem Ersten Weltkrieg beileibe kein Geheimnis daraus, dass sie im Begriff waren, das konzeptionelle Fundament für eine neue Form von Weltregierung zu legen. Sie hatten verstanden, dass Weltmacht nicht militärisch zu erringen, geschweigen denn zu sichern war. So verlagerten sich die elitären Zirkel auf Infiltration statt Invasion. Auf Globalisierung anstatt Imperialismus.

Deutlich wird dieser Ansatz, wirft man einen Blick auf das Wirken von Akteuren wie Jan C. Smuts oder Sir Alfred Eckhard Zimmern, der nicht nur den Begriff „Commonwealth“ als unverdächtigere Beschreibung für britischen Gewaltkolonialismus prägte, sondern 1917 auch Gründer der League of Nations Society war, dem Vorläufer der Vereinten Nationen. Zimmern war von 1913 bis 1923 als Kernmitglied im inneren Kreis der Round-Table-Bewegung als Vordenker für supranationale Strukturen führend und auch nach dieser Zeit noch lange in den äußeren Zirkeln aktiv. Im gesetzten Alter war es Zimmern, der dem Georgetown-, Harvard- und Princeton-Professor Caroll Quigley belastbare Insiderinformationen über die Round-Table-Gruppe zukommen ließ. Und Quigley verarbeitete den Input gewissenhaft in seinen beiden Klassikern zu angloamerikanischer Geopolitik.

„Zum ersten Mal in ihrer Geschichte besteht die Gefahr, dass die westliche Zivilisation von innen durch eine korrupte, kriminell herrschende Kabale zerstört wird (…) Diese Junta übernahm in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Kontrolle über das politische, finanzielle und kulturelle Leben Amerikas. (…) Hier gibt es tatsächlich (…) ein internationales anglophiles Netzwerk, das in gewissem Maße so operiert, wie die radikale Rechte glaubt, dass die Kommunisten handeln. Tatsächlich hat dieses Netzwerk, das wir als Round-Table-Gruppe bezeichnen können, keine Abneigung gegen die Zusammenarbeit mit den Kommunisten oder anderen Gruppierungen und tut dies häufig. Ich kenne die Funktionsweise dieses Netzwerks, weil ich es zwanzig Jahre lang studiert habe und Anfang der 1960er zwei Jahre lang die Erlaubnis hatte, seine Papiere und geheimen Aufzeichnungen einzusehen“ (Caroll Quigley, Tragedy and Hope, 1966).

Wie relevant die Ereignisse zwischen 1891 und 1918 für die Gegenwart sind, veranschaulicht en détail das 2013 bei Princeton University Press erschienene Buch „No Enchanted Place: The End of Empire and the Ideological Origins of the United Nations“ (zu Deutsch: „Kein zauberhafter Ort: Das Ende des Imperiums und die ideologischen Ursprünge der Vereinten Nationen“). Ja, das Ende des Ersten Weltkrieges zeitigte nicht nur das trügerische Zurückstehen der Monarchie, sondern vor allem das schleichende Dahinscheiden des Nationalstaats, der seine Befugnisse fortan „Public-Private-Partnerships“ und supranationalen Organisationen übereignen sollte — Organisationen, die sich nach dieser traumatisierenden Tragödie für den Weltfrieden engagieren sollten.

Ohne Milner und Co. wäre Amerika neutral geblieben, hätte sich nicht zur bis an die Zähne bewaffneten Weltpolizei aufgeschwungen, die im Namen des an Transluzenz gewinnenden, vorsätzlich zurückhaltender auftretenden Empires Demokratie auch dort abwirft, wo niemand danach fragt. Seit 1918 hat sich aber vor allem unser Verständnis von Krieg drastisch verändert. Genau wie unser Bild vom Staat, der im Notstandsmodus zusehends übergriffiger wurde. Zudem trieben die horrenden Ausgaben für die Materialschlacht die Regierungen in die dauerhafte Abhängigkeit des Zentralbankensystems.

Der „militärisch-industrielle Komplex“ (Mills, 1956), wie wir ihn heute kennen, entstand aufgrund der Weltkriege. Ohne dieses globale Desaster, ohne das Massentrauma des Ersten Weltkriegs hätten die in „die schöne neue Welt“ von „1984“ führenden Transformationsprozesse niemals eingesetzt.

Ohne den Zweiten Weltkrieg wäre das angloamerikanische Establishment nie in der Lage gewesen, die Global Governance der Gegenwart zu etablieren. Wenig überraschend also, dass die 1939 beginnende Katastrophe auf die gleichen faschistoiden Zirkel zurückzuführen ist wie 1914. Obgleich Rhodes und Milner mittlerweile das Zeitliche gesegnet hatten — ihre Konzepte und Organisationsstrukturen überlebten sehr erfolgreich. Das zeigte nicht zuletzt das Apartheidregime Südafrikas. Denn Rhodes, Smuts und Churchill gelten als dessen Erfinder. „Apartheid: made in Britain“, titelte The Independent im März 2013, als er über die Entstehung von Apartheid und Konzentrationslagern in Südafrika berichtete.

Progressive Sozialingenieure, Intellektuelle und Ökonomen sahen den „großen Krieg“ verstörend oft nicht als Tragödie oder Barbarei, gezeichnet von der Mechanisierung des Massenmordes. Sie beschrieben ihn, wie Richard T. Ely, als „Chance“. Der amerikanische Philosoph John Dewey beispielsweise notierte zu den „sozialen Möglichkeiten des Krieges“:

„In jedem kriegführenden Land gab es die gleiche Forderung, dass in Zeiten großer nationaler Spannungen die Produktion für den Profit der Produktion für den Gebrauch untergeordnet werden muss. Besitz und individuelle Eigentumsrechte mussten vor gesellschaftlichen Anforderungen zurücktreten. Die alte Vorstellung von der Absolutheit des Privateigentums bekam einen Schlag versetzt, von dem sie sich nie ganz erholen wird.“

War 1918 bereits ein großer Wurf für Milner und Co., markierte 1945 einen Quantensprung für deren Infiltrationsnetzwerke. Denn erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden jene gesichtslosen, antidemokratischen Institutionen elitärer Globaldominanz zementiert, die uns heute regieren. Bereits 1939 wurde in Großbritannien die Federal Union gegründet, eine Vorläuferorganisation der EU. 1942 entstand unter Anleitung des britischen MI6 deren amerikanischer Ableger, das Office of Strategic Services (OSS), heute bekannt als Central Intelligence Agency (CIA). Nach 1945 wurden Weltbank, Internationaler Währungsfonds, Vereinte Nationen, NATO, RAND Corporation, Mossad, Le Cercle, Bilderberg-Konferenzen, BND, Trilaterale Kommission et cetera ins Leben gerufen. Man sollte meinen, damit hätten Rhodes’ geistige Erben ihr Ziel erreicht. Denn die von ihnen gegründeten oder inspirierten Organisationen kontrollieren mittlerweile tatsächlich den gesamten Planeten.

Doch ist die Schattenmonarchie der Prädatorenkaste wirklich am Ziel? Der informierte Beobachter weiß: nein! Die „Superclass“ bezeichnet die Normalbevölkerung als „Cattle“, als Vieh. Und das hat man auf einer Farm erst dann unter Kontrolle, wenn man seine Identität, Mobilität und Vitalfunktionen kontrolliert. Nicht von ungefähr sehen wir 15-Minuten-Städten, Totalüberwachung, elektronischen Identifikationssystemen und digitalem Zentralbankgeld entgegen. Die Polykrise macht’s möglich. Allerdings sind die anstehenden Paradigmenwechsel derart drastisch, dass ernsthaft infrage gestellt werden muss, ob diese allein mit Propaganda, Pandemien, Wirtschaftskrisen und regionalen Kriegen realisiert werden können.

Bisher waren Weltkriege nötig, um solch weitreichende Veränderungen zu ermöglichen. Klassenkampf von oben funktioniert nämlich am besten, wenn die Beherrschten dem Chaos ausgesetzt und mit sich selbst beschäftigt sind.

Und im Lichte zunehmender militärischer Auseinandersetzungen an Russlands Außengrenzen, im Nahen Osten und im Indopazifik muss befürchtet werden, dass Geschichte sich wiederholen soll. Ein Dritter Weltkrieg wäre das ideale Szenario, um im Zuge des kostspieligen Wiederaufbaus alternativlose Lösungen anzubieten — e-ID, CBDC (Digitalgeld) und bedingungsloses Grundeinkommen beispielsweise. Darüber hinaus könnte ein solches Katastrophenszenario und das vorsätzlich herbeigeführte Ende der „Pax Americana“ der UN endlich die Legitimation angedeihen lassen, die Rhodes, Milner, Smuts, Mandell House, Zimmern, die Rothschilds oder Rockefellers für eine solche Institution vorsahen. Den Prämissen der Round-Table-Gruppe folgend, scheint ein Dritter Weltkrieg also praktisch unausweichlich.

Offen ist, wie dieser Krieg aussehen könnte, wie verheerend er sein wird. Sterben dieses Mal in Anbetracht des technischen Fortschritts nicht „nur“ ein paar Millionen Menschen, sondern ein paar Hundert Millionen? Oder eine Milliarde? Oder haben wir Glück im Unglück und die Technokratie ist mittlerweile so weit gediehen, die medial kuratierte Demokratiesimulation der „Truman Show“ so überzeugend und die Deprivation der Massen so weit fortgeschritten, dass das wichtigste Schlachtfeld dieses Dritten Weltkrieges ein Display ist?

Auch wenn solch ein ernüchterndes Eingeständnis evolutionären Rückschritts ein Armutszeugnis für den Homo sapiens an sich darstellt, kann man nur hoffen, dass Letzteres — als das kleinere Übel — der Fall sein wird.


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

VG-Wort Zählpixel

Weiterlesen

Selbst gewählte Tyrannei
Thematisch verwandter Artikel

Selbst gewählte Tyrannei

In „Demokratien“ wählen wir Bürger, welche Farbe der Stiefel hat, der uns tritt — besser wäre es, eine Gesellschaft zu organisieren, in der niemand mehr getreten wird.

Die Mär vom menschenleeren Land
Aktueller Artikel

Die Mär vom menschenleeren Land

Die Besiedelung rohstoffreicher Gebiete wurde in der Geschichte oft damit gerechtfertigt, dass diese Regionen angeblich unbewohnt seien. Da dem nie so war, wurde mit Vernichtungskriegen „nachgeholfen“.