Und danach erzählt er Ihnen, wie er die wichtigen Kompetenzen, zum Beispiel Kommunikation, Engagiertheit, Sozialverhalten, Beweglichkeit und Fitness, in Teilkompetenzen zerlegt und bewertet. Da sehen Sie ganz schön alt aus, meine Liebe. Entweder Sie gehen jetzt direkt zum Scheidungsanwalt oder Sie schlagen ihm kräftig auf den Hinterkopf. Das soll ja den Verstand wecken.
Kinder können das nicht. Kinder können sich nicht scheiden lassen. Wenn Erzieherinnen im Kindergarten Kinder systematisch beobachten, dokumentieren, was sie glauben gesehen zu haben, wenn sie daraus „Lernaufgaben“ herauslesen und diese „Ziele“ und „Teilzeile“ zur Förderung von Kompetenzen nicht nur den Kollegen, sondern auch den Eltern mitteilen, dann ist es jetzt Zeit, den Hinterkopf ins Visier zu nehmen.
Denn Erzieherinnen sind Bezugspersonen für die Kinder, die ihnen anvertraut werden. Sie missbrauchen das Vertrauen der Kinder, um sich selbst als Diagnostiker, Therapeuten oder gar Psychologen aufzuwerten. Sie verplempern ihre Zeit damit, Beobachtungen zu schreiben, Berichte und Beurteilungen, Screenings auszuwerten und Ergebnisse zu berechnen. In NRW schreibt das Gesetz vor, dass bestimmte Screenings in den Kitas durchgeführt werden müssen. Und das passiert unter dem Vorwand, dass man nur so, gezielt fördern könne.
Der ganze Irrsinn läuft unter dem Namen „Bildungs-und Lerngeschichten“ und wurde seinerzeit von der Bertelsmann Stiftung in die Kitas geworfen. In der Zwischenzeit sind andere Firmen auf den Zug aufgesprungen und produzieren Testmaterial für Kitas und passende „Fördermaterialien“. Es gibt unzählige sogenannte „Förderprogramme“ von „Felix Fit“ bis „Gustav Gewaltlos“.
Dazu: Erzieherinnen, die im Alltag wirklich mit den Kindern leben, wissen sehr genau, wo es bei einzelnen Kindern an der Aussprache, bei der Stifthaltung oder bei der Selbstversorgung hapert.
Niemand braucht Tests. Zumal die Ergebnisse sehr zweifelhaft sind. Diese Dokumentationen werden von arglosen Eltern bei der Einschulung an die Lehrer weitergereicht. Es gibt sogenannte Einschulungskonferenzen, bei denen Erzieherinnen über die „Macken“ der Kinder aussagen und nebenbei auch mal erzählen sollen, wo es ihrer Meinung nach im Elternhaus hapert. Wenn aufgeweckte Eltern solche „Bildungsberichte“ aus den Kitas nicht an die Schule weiterleiten – na dann – haben die doch was zu verbergen, oder? Arme Eltern, arme Kinder.
Tests haben eine brutale Seite. Sie kommen aus dem Vergleich. Und in der Natur des Vergleiches ist die Rangordnung, die Werteskala, das ganz Oben und das ganz Unten, und das bisschen Dazwischen. Das ist für Kinder verhängnisvoll. Denn es gibt nur eine Botschaft, die bei Eltern und Kindern ankommt: du bist unzulänglich, du genügst nicht.
In den ersten Kinderjahren, in denen sich die Grundlagen für ein „Ich“ entwickeln, ist eine solche Botschaft immer eine Katastrophe. „Du genügst nicht“ ist die Eintrittskarte für das große Hasenrennen unserer Gesellschaft. Sich immer noch mehr anstrengen, niemals ist es genug und immer die Angst im Nacken, ein anderer macht es besser und kegelt mich raus. Diese Kinder werden sehr früh vom Urteil anderer abhängig und werden nicht die Kraft entwickeln, sich eines Tages ein eigenes Urteil zu bilden.
Das gab es noch vor zehn Jahren nicht in der Frühpädagogik. Und jetzt ist es selbstverständlich in allen Kitas in NRW und vermutlich auch bundesweit.
Und das hat eine Geschichte und geschah nicht zufällig. Die Bertelsmann Stiftung spielte dabei die zentrale Rolle. Wie sollte sie auch nicht? Nach der Universität, über die Schule hat sie geschickt die Grundschule und die Kita mit in ihre verhängnisvolle Bildungsoffensive genommen. Diese „neue“ Bildung ist nicht mehr die alte. Sie hat nichts, absolut gar nichts mehr damit zu tun, dass Kinder sich entwickeln, ihre Fähigkeiten entdecken und entfalten können.
Diese neue Bildung will verhindern, dass Kinder zu selbstbewussten, kritischen und verantwortungsvollen Erwachsenen werden. Arme Kinder, arme Eltern, arme Erzieherinnen.
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