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Ruf zu den Waffen

Ruf zu den Waffen

Die Deutschen sollten sich fragen, ob sie ihre Söhne und Töchter sehenden Auges in einen furchtbaren Krieg schicken wollen. Sollte die Antwort „Nein“ lauten, ist es jetzt Zeit zu handeln. Exklusivauszug aus „Kriegstüchtig“.

Die deutsche Gesellschaft muss sich zügig die Frage stellen: Will sie ihre Söhne und Töchter in den Kriegstod schicken? Wenn sie das nicht will, dann wird es Zeit, dass sie ihre Stimme erhebt. Und das ist notwendig. Dringend. In Deutschland „spielen“ nämlich Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und Künstler mit dem Feuer. Ist die Gesellschaft bereit dazu, sie — auf beste demokratische Weise — davon abzubringen? Angebracht ist es. Denn so wie sie agieren, agieren auch Akteure in anderen Ländern der NATO. Geraten ihre Feuerspiele außer Kontrolle, ist die Gefahr eines Weltenbrands Realität. Wir schreiben das Jahr 2025 — und wir müssen über den Dritten Weltkrieg sprechen.

In der aktuellen Shell-Jugendstudie gaben 81 Prozent der Jugendlichen in Deutschland an, Angst vor einem „Krieg in Europa“ zu haben. 2019 waren es 46 Prozent. Ein Befund, der tief blicken lässt. Jugendliche nehmen die drohende Kriegsgefahr wahr. Zu beobachten ist, wie sich auf der politischen Ebene geostrategische Interessen und Tiefenpolitik mit Feindbilddenken, Lust am Militärischen, Unwissenheit, Naivität und Empathielosigkeit verbinden. Diese Mischung ist hochexplosiv. Unter dem Deckmantel der von Politik, Medien und Expertentum proklamierten „Zeitenwende“ entfaltet sich eine zunehmend enthemmte Militarisierung von Politik und Gesellschaft. Unverantwortlich handelnde Politiker habe die NATO gegen Russland in Stellung gebracht. Eine Politik ist zu beobachten, die ihre „Bündnisverpflichtung“ über die historische Schuld Deutschlands gegenüber Russland stellt.

Die deutsche Demuts- und Friedenspolitik, für die der Kniefall Willy Brandts in Warschau sinnbildlich steht, wurde zerschlagen, als ginge es um den Abriss einer Bretterbude. Deutsche Panzer gegen russische Soldaten? Längst Realität. „Video zeigt deutschen Leopard-2-Panzer im Nahkampf mit Russen-Kolonne: „Der Wahnsinn“, lautet eine Focus-Überschrift. Lassen wir die unerträgliche Sprache in den Medien mal beiseite. Die eingeschlagene Politik gegenüber Russland ist an historischer Asozialität nur schwer zu überbieten. Weite Teile der Politik haben ihren Sinn und Verstand einer eiskalten transatlantischen Tiefen- und Geopolitik untergeordnet. Zum schweren Nachteil Deutschlands und seiner Bürger. Die Auswirkungen dieser Politik sind weitreichend. Dass unser Land kriegstüchtig werden soll, ist eine dieser Auswirkungen. Die Stationierung von atomar bestückbaren, weitreichenden US-Raketen in Deutschland zeigt, dass diese Entwicklung uns alle betrifft.

Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick spricht von der „kontroversesten sicherheitspolitischen Debatte der Jahre 2024/25“. Längst stehen sogar der Auf- und Ausbau eines Heimatschutzes mit auf der Agenda. Unverhohlen heißt es in den Medien: „Wir rufen zu den Waffen.“ Die Frage: „Wie kann sich ein Gesundheitssystem kriegstüchtig machen (…)?“ ist auch schon öffentlich gestellt. Olaf Scholz betont in einem Interview, dass es auch bei „der Frage von Krieg und Frieden“ „keine roten Linien“ in der Politik geben dürfe. CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat Friedrich Merz spricht in der ARD über eine Grundgesetzänderung, sodass auch Frauen eine „Dienstpflicht“ zu leisten haben. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, sagte bei einer öffentlichen Anhörung: „Ob wir wollen oder nicht, wir stehen in einer direkten Auseinandersetzung mit Russland. Und die Feinderklärung hat Putin längst gegenüber uns vorgenommen.“ Der Generalinspekteur der Bundeswehr äußert sich in einem Spiegel-Interview mit den Worten: „Wir müssen verstehen, dass Bedrohung die neue Normalität ist (…).“ Und der Befehlshaber der NATO, US-General Christopher Cavalli, merkt an: „Wir bereiten uns ernsthaft auf den Verteidigungsfall vor.“ So sieht die Entwicklung aus.

Nachdem die Gesellschaften über Jahrzehnte in der Geiselhaft des Kalten Krieges mit dem Ausblick auf die nukleare Katastrophe leben mussten, haben Politiker heute nichts anderes zu bieten als eine Politik der Konfrontation. Aufrüstung ist das Credo. Zur Lösung des Krieges in der Ukraine fällt der Politik ein: Waffen, Waffen und noch mehr Waffen!

Und wenn das nicht hilft? Dann ziehen sie eben ganz Europa mit in den Sumpf des Militärischen. „Wenn es notwendig ist, werden wir sie auch mit militärischen Mitteln verteidigen“, sagt Friedrich Merz zum Publikum bei einer Veranstaltung. Mit „sie“ meint der CDU-Politiker „unsere Freiheit“. Natürlich geht es inhaltlich in der Rede um Russland.

Deutschland, so heißt es, müsse „kriegstüchtig“ werden. Kriegstüchtig? Begreifen diejenigen, die solch einen monströsen Begriff aus ihrem Mund ausstoßen, überhaupt, was sie da sagen? Auf Kriegstüchtigkeit kann, schneller als uns lieb ist, der Krieg folgen. Und das heißt: Gräben gefüllt mit Blut und Tränen, die Kriegsländer in allen Himmelsrichtungen durchziehen. Zehntausende, hunderttausende, und vielleicht Millionen Kriegstote gehen irgendwann auf das Konto einer Politik, die zuvor „Kriegstüchtigkeit“ als Notwendigkeit gegenüber dem Volk verkauft hat. Nur: Wenn der Boden, den es mit allen Mitteln zu verteidigen gilt, angeblich so wertvoll ist: Warum stehen die Politiker mit ihren Söhnen und Töchtern nicht selbst in der ersten Reihe und verteidigen ihn? Stattdessen sollen bei einem Kriegsausbruch junge Männer und Frauen, die noch ihr ganzes Leben vor sich haben, in ihrer Naivität und Wehrlosigkeit und dem Rückenwind der Propaganda an die Front geschickt werden. Und das heißt: in den Kriegstod. Die Körper in Stücke gerissen, Gesicht weggeschossen, der Kopf zerfetzt, Arme, Bein im Feldlazarett amputiert oder gar gleich komplett durch die Hitzeentwicklung der explodierenden Bomben verdampft.

Übrig bleibt: nichts mehr. Vielleicht ein Knochensplitter. Irgendwo im Boden. Der angeblich so kostbar ist. So war es jedenfalls immer. Warum sollte es dieses Mal anders sein? Vielen scheint das immer noch nicht so recht klar. Vor unseren Augen entsteht eine Kriegspolitik. Diese Kriegspolitik baut auf den Schiffbruch der Diplomatie auf. Und dieser diplomatische Schiffbruch war kein „Betriebsunfall der Geschichte“. Vielmehr lässt sich der Schluss ziehen, dass „Diplomaten“ mutwillig und vorsätzlich mit der Axt das „Schiff der Diplomatie“ zum Untergehen gebracht haben. Denn selbst mit sehr viel Wohlwollen wird es schwer, westliche Politik als deeskalierend zu bezeichnen. Nein, das wäre geradezu ein eklatanter Bruch mit der Realität.

Richtig ist: Russland hat am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen. Das zu verurteilen ist eine Selbstverständlichkeit. Doch gerade in einer Situation, wo es am langen Ende um die Frage von Krieg und Frieden in Europa, wenn nicht in der Welt geht, braucht es dringend Diplomatie. Was es nicht braucht, sind Politiker, die den Eindruck hinterlassen, sie müssen den Begriff Frieden in einem Wörterbuch nachschauen. Wohin soll der eingeschlagene Weg führen? Wohin er bisher geführt hat, ist deutlich zu sehen: zu unfassbarem menschlichen Leid in der Ukraine. Das kann und darf unter keinen Umständen so weitergehen.


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