Donald Trumps Vorschläge für einen Frieden zielen laut dem Sonderbeauftragten für Ukraine und Russland, General Keith Kellogg, darauf ab, „die Frontlinien an ihren aktuellen Positionen einzufrieren und die Regierungen in Kiew und Moskau an den Verhandlungstisch zu zwingen“ (1). Trumps Vize JD Vance plädiert dafür, dass die Ukraine auf die Gebiete verzichtet, die Russland besetzt hat, dass sie nicht der NATO beitritt und gegenüber Russland ihre Neutralität erklärt. Er schlägt die Einrichtung einer stark befestigten demilitarisierten Zone vor (2), die allerdings nicht von amerikanischen, sondern von europäischen Truppen gesichert werden soll (3).
Abgesehen davon, daß dieser Zustand bereits mit den Istanbuler Verhandlungen im Frühjahr 2022 zu viel günstigeren Bedingungen für die Ukraine hätte erreicht werden können, bestand die Möglichkeit, den Konflikt einzufrieren, bereits acht Jahre lang, bevor Russland 2022 überhaupt eingegriffen hat. Beim heutigen Stand der Front, den Opfern, die Russland gebracht hat, seiner momentanen technisch-militärischen Überlegenheit und seinem Mißtrauen in westliche Zusagen wird es keinem Waffenstillstand zustimmen, der der Ukraine wie einst die Scheinabkommen Minsk 1 und 2 Gelegenheit zur Aufrüstung gibt, nur damit der Konflikt in wenigen Jahren erneut ausbricht.
Für Russland sind diese Vorschläge nicht annehmbar, und Trump wird Wladimir Putin nicht durch Androhung von Zöllen und Sanktionen zur Annahme zwingen können, denn sie verwirklichen genau die Bedrohung, die zu verhindern Russland überhaupt in den Krieg eingetreten ist: die Stationierung westlicher Truppen an der russischen Grenze. Für Russland ist ein echter Frieden nur möglich, wenn diese seit Jahrzehnten aufgebauten Bedrohungen beseitigt sind. Die Bedingungen dafür sind:
- dauerhaft keine NATO- oder EU-Mitgliedschaft der Ukraine,
- keine westlichen Truppen in der Ukraine,
- eine neutrale, vor allem nicht mehr russlandfeindliche Ukraine, was bedeutet, dass Russland ein Stück weit Kontrolle über die Politik in Kiew haben muss,
- Beseitigung der Bedrohung für die ukrainischen Russen, das heißt Abtrennung der von ihnen bewohnten Ost- und Südregion. Dazu muß die Ukraine nicht nur das Land abtreten, das Russland bis jetzt erobert hat, sondern ihre Landesgrenzen müssen ganz neu bestimmt werden.
Damit bietet sich aber erstmalig die Möglichkeit der Schaffung eines echten ukrainischen Nationalstaats, wie ihn die Ukrainer seit über hundert Jahren anstreben. Denn es war 1991 ein Fehler, die unabhängige Ukraine in den Grenzen der Sowjetrepublik zu belassen, anstatt neue Grenzen entsprechend der Bevölkerung, die sich als ukrainisch definiert, zu ziehen und die russische samt dem Land, auf dem sie lebt, aus dem Staat zu entlassen.
War das 1991 verständlich, als alle noch in sowjetischer Eintracht lebten, so lag es 2014, als die Ukrainer seit der orangen Revolution 2004 ihr ethnisches Nationalbewußtsein entfaltet hatten, nicht mehr wirklich in ihrem Interesse. Wieso wollte die durch den US-gesteuerten Maidan an die Macht gekommene Kiewer Regierung die Grenzen der ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine mit dem von ihr verhassten russischen Bevölkerungsanteil beibehalten, anstatt diesem eine freie Entscheidung zu lassen? Die russischen Gebiete wurden doch bei der Gründung der Sowjetunion nur deshalb in die Sowjetrepublik Ukraine eingegliedert, damit Moskau einen verlängerten Arm nach Kiew hat. Das lag ausschließlich im Interesse derjenigen, von denen sich Kiew 1991 abspalten wollte.
Verschiedene Bevölkerungsgruppen in einem Staat sind meist ein Problem beziehungsweise ein Garant für Spannungen und Konflikte, mithin für eine instabile und instrumentalisierbare Lage (vergleiche sämtliche britischen kolonialen Grenzziehungen von Kaschmir über den Nahen Osten bis zu Polen nach 1918). Die Kiewer Regierung wollte 2014 zwar die Schwerindustrie und die Bodenschätze im Osten des Landes behalten, aber nicht die Menschen gleichberechtigt behandeln, die seit Generationen dort leben.
Hätte der Westen darauf hingewirkt und Kiew das Problem zwischen 2014 und 2022 gelöst und durch Referenden alle Bevölkerungsteile aus dem Staat entlassen, die hätten entlassen werden wollen, hätte es gar keinen Krieg und damit auch keine Möglichkeit für Russland gegeben, militärisch in der Ukraine einzugreifen.
In dem Fall hätte es sich nicht auf die sonst immer von den USA für fremde Völker am anderen Ende der Welt proklamierte Schutzverantwortung (responsibility to protect) für die acht Jahre lang von Kiew bombardierte russische Bevölkerung berufen können. Diese achtjährige Fortsetzung des Kriegs gegen den Osten und seine Intensivierung Anfang 2022, die gezielte Überschreitung aller von Russland formulierten roten Linien boten erst die Gelegenheit für das Eingreifen Russlands. Wie hätte es stattdessen die NATO-Mitgliedschaft einer ukrainischen Ukraine, die keinen Krieg gegen die einst eigene russische Bevölkerung führt, verhindern sollen?
Wenn man davon ausgeht, dass hier gar keine ukrainischen, sondern amerikanische Interessen verfolgt werden, dass das amerikanische Ziel aber nicht war, den Ukrainern etwas Gutes zu tun oder sie in die NATO zu holen, sondern eben das militärische Eingreifen Russlands zu provozieren, um Russland und Europa durch einen dauerhaften Konflikt zu spalten und zu schwächen, dann ist klar, dass der Krieg nicht enden darf.
Der Krieg in der Ukraine ist in Wirklichkeit ein Krieg gegen Russland, Deutschland und Europa, die als Konkurrenten für die USA ausgeschaltet werden sollen.
Es geht nicht um einen Sieg der Ukraine in dem Sinne, dass ihre territoriale Einheit von 1991 wiederhergestellt wird, sondern darum, das Niveau der Konfrontation so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und weiter zu eskalieren, um jede Annäherung Russlands und Europas und den friedlichen Handel mit wichtigen Ressourcen, billigen Energieträgern und hochwertiger Technologie zu verhindern. Strategie der USA ist, ihren stärksten Rivalen gegen die Weltvorherrschaft (full spectrum dominance) klein zu halten. Das ist nicht China, das ist die gesamte eurasische Weltinsel.
Wenn auf dem eurasischen Kontinent friedlicher Handel von China über Russland bis nach Europa stattfindet, wird eine wirtschaftliche Dynamik entfaltet, der die USA nichts entgegenzusetzen haben. Deshalb muss der Graben zwischen Deutschland/Europa und Russland tiefer gezogen und beide Regionen nachhaltig voneinander getrennt, bestenfalls auch noch ein Keil zwischen Europa und China getrieben werden (4). Und wie werden wir uns dabei verhalten? Emanzipieren wir uns zu einer eigenständigen Politik und verfolgen endlich unsere eigenen Interessen, die genau im Gegenteil dessen liegen, was laut George Friedman die US-Politik heute nicht anders als seit über hundert Jahren anstrebt (5)?
Trump will den Krieg vielleicht tatsächlich beenden, der US-amerikanische Deep State nicht. Die an seinen Fäden hängenden europäischen Staaten, für die Frieden immer synonym war mit Sieg für die Ukraine, und die in ihr investierten US-Unternehmen werden keine Veränderung der Grenzen in Europa akzeptieren, die ukrainischen Gebietsabtretungen an Russland nicht anerkennen und wie im Frühjahr 2022, als Boris Johnson geschickt wurde, um allen Verhandlungen ein Ende zu setzen, einen einseitigen Friedensschluss der Ukraine mit Russland oder gar eine Kapitulation gegenüber Russland mit der Zusage von weiteren Militär- und Finanzhilfen verhindern.
Wir werden unser Engagement verstärken und ausweiten, während Trump die USA finanziell und militärisch aus dem Konflikt zieht. Wir werden immer mehr Geld nicht nur in die Ukraine, sondern zugunsten der US-Rüstungsindustrie auch in die eigene Aufrüstung stecken und dazu die Schuldenbremse aussetzen.
Wir werden die Ukraine bis zum letzten Ukrainer für amerikanische Interessen kämpfen lassen und dabei wie bisher unsere Beteiligung Stück für Stück ausweiten, von Stahlhelmen am Anfang über Kampfpanzer, Kampfflugzeuge, bald Marschflugkörper und, wenn der Ukraine endgültig die Soldaten ausgehen, Bodentruppen.
Die werden aber keinen Waffenstillstand oder Frieden garantieren, sondern die Fortsetzung des Krieges durch die direkte Konfrontation westlicher und russischer Truppen, ohne Beteiligung der USA. Denn „wenn man einen strategischen Gegner ohne den Einsatz von US-Truppen besiegen kann, ist man auf dem Gipfel der Professionalität“ (6).
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Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.reuters.com/world/us/trump-reviews-plan-halt-us-military-aid-ukraine-unless-it-negotiates-peace-with-2024-06-25/
(2) https://www.yahoo.com/news/demilitarised-zone-ukraine-abandonment-nato-070424145.html?guccounter=1
(3) https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-trump-plaene-ukraine-100.html
4 https://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/iraq/etc/wolf.html
(5) https://www.telepolis.de/features/Die-Aufrechterhaltung-eines-starken-Keils-zwischen-Deutschland-und-Russland-7286781.html?seite=all
(6) https://libertarianinstitute.org/news/trump-picks-ukraine-war-hawk-as-envoy-to-conflict/