Aktuell geht es um sogenannte Zubehör-„Technologie für Satteltiefladerfertigung“, die unter anderem für den schnellen Panzertransport und für den Transport schwerer Geschütze vorgesehen ist. Die Kriegswaffen werden in der Europäischen Rüstungskooperation mit Großbritannien und Frankreich weiter ausgefertigt, „mit Endverbleib der hergestellten Güter in Saudi-Arabien“, so Wirtschaftsminister Peter Altmeier in einem Schreiben an den Wirtschaftsausschuss des Bundestages (1).
Altmeier rechtfertigt den Bruch mit den Regeln zum Kriegswaffenexport mit der notwendigen Vertragstreue bei europäischen Kooperationsprojekten. Die Frage, wer denn bitte diese Verträge auf deutscher Seite so mit-entwickelt und unterschrieben hat, übergeht er geflissentlich.
Mit wem sich Deutschlands Regierung und Rüstungsindustrie in Vertragstreue beim Befeuern von Kriegen in einer tödlichen Gemeinschaft wiederfindet, das machen Recherchen von „Disclose“ deutlich, über die das arte-journal am 15. April 2019 berichtete: Ein „Jemen Papers“ genannter Geheimdienstbericht, der Investivjournalisten zugespielt wurde, legt laut arte offen:
„Was im Bericht steht: Leclerc-Panzer, mobile Artilleriegeschütze vom Typ Caesar, Mirage 2000-9, Raketen: Der Geheimbericht listet Dutzende von Frankreich gelieferte und von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien eingesetzte Waffen auf. Er enthüllt damit einen Teil der französischen Waffenverkäufe an die Golfmonarchien.
Bliebe also zu klären, ob die Koalition diese Waffen zu Offensivzwecken und gegen Zivilisten auf jemenitischem Gebiet einsetzt. Genau das zeigen die Recherchen von Disclose an vier Beispielen: Artilleriegeschütze vom Typ Caesar, Leclerc-Panzer, Luftangriffe und Kriegsschiffe“ (2).
Frankreich hat nicht die strengeren rechtlichen Vorgaben, wie sie für Deutschland mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) gelten. Aber deutlich wird, dass bei Deutschlands Kooperationspartner Kriege, Fluchtursachen und massenhafter Mord Gegenstand lukrativer Geschäfte sind, die zur Aufweichung von Beschränkungen führen.
Woran genau die Bundesregierung und die deutsche Rüstungsindustrie an sich gebunden sind, das drückt Paragraph 6 Absatz 3 KrWaffKontrG deutlich aus:
„Die Genehmigung ist zu versagen, wenn ... die Gefahr besteht, daß die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden ...“ (3).
Die Bundesregierung bricht mit Deutschlands Waffenexporten an Kriegsverbrecher nicht nur das Völkerrecht, das Grundgesetz, sondern genau auch Paragraph 6 des KrWaffKontrG und damit auf vielfältige Weise ihre eigene Glaubwürdigkeit. Sie bricht zudem ihren eigenen Koalitionsvertrag. Dort heißt es:
„Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind“ (4).
Der von den Saudis getragene Militärpakt greift nun schon im fünften Jahr Wohnheime und Wohnviertel — nach Human Rights Watch unter anderem in Mokka — an, ebenso Schulbusse und Krankenhäuser (5); die Zivilbevölkerung wird ausgehungert. Die UNO spricht von der größten humanitären Katastrophe der Gegenwart, und der Spiegel brachte die Situation am 12. September 2017 auf den Punkt:
„Sieben Millionen Menschen vom Hungertod bedroht, drei Millionen Flüchtlinge, 600.000 Cholera-Kranke: Im Jemen spielt sich eine Tragödie ab. Die Hauptverantwortung trägt Saudi-Arabien ...“
Die Bundesregierung macht sich mitschuldig, indem sie Waffengeschäfte mit Kriegsverbrechern genehmigt, die für den Einsatz in einem der schrecklichsten Konfliktgebiet vorgesehen sind, wie alleine diese Zahlen offenbaren:
- Circa zwei Drittel der 27 Millionen Jemeniten sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen, um überleben zu können.
- Alleine innerhalb des Jemen sind über weit drei Millionen Menschen auf der Flucht.
- Mehr als die Hälfte aller Jemeniten haben kein sauberes Trinkwasser. Zu den Folgen zählt „die schlimmste Choleraepidemie, die es je gegeben hat“ (6).
Im ersten Jahr der großen Koalition genehmigte der Bundessicherheitsrat in seinen geheimen Sitzungen über „400 Millionen Euro an diese Länder ... Zwei Drittel davon gingen alleine an Saudi-Arabien und die Emirate, also an die Hauptkriegsverbrecher im Jemen. Es sind auch von deutschen Rüstungsschmieden mitgebaute Eurofighter und Tornado-Kampfflugzeuge, mit denen die Zivilbevölkerung im Jemen getötet wird. Es sind Patrouillenboote aus deutscher Produktion, die die Hungerblockade auf See durchsetzen“, so die LINKEN-Abgeordnete Sevim Dagdelen am 5. April 2019 im Bundestag. Sevim Dagdelen kritisiert weiter:
„Es sind auch von deutschen Rüstungsschmieden mitgebaute Eurofighter und Tornado-Kampfflugzeuge, mit denen die Zivilbevölkerung im Jemen getötet wird. Es sind Patrouillenboote aus deutscher Produktion, die die Hungerblockade auf See durchsetzen“ (7).
Diesen Krieg in dem Land am Golf von Aden führt Saudi-Arabien in Kooperation mit NATO-Staaten wie den USA (8) sowie mit Verbündeten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten seit 2015 mit dem strategischen Ziel, die nicht verfassungsgemäß legitimierte, aber international anerkannte Exilregierung in der Hauptstadt Sanaa wieder an die Macht zu bringen.
Die Rolle der USA ist dabei besonders gefährlich: Am Jemen-Krieg sind US-amerikanische Streitkräfte zur Unterstützung Saudi-Arabiens beteiligt. Das ergibt sich aus dem Beschluss des Senats und des Repräsentantenhauses vom April 2019, diese Truppen binnen 30 Tagen abzuziehen. Dagegen hatte „US-Präsident Trump ... sein Veto ... eingelegt. Das teilte das Weiße Haus mit“ (9).
Zu den geostrategischen Interessen hinter dem Krieg schrieb der Nahost-Experte Professor Isa Blumi (Universität Stockholm) das Buch „Destroying Yemen — What Chaos in Arabia Tells Us about the World“. Zitat:
„Die ständige Suche nach Anlagemöglichkeiten, nach Kapitalprofiten, um die Ersparnisse der Mitglieder des Golfsicherheitsrates von den Aktienmärkten in der Region oder von Investitionen in Immobilien in der Region auf die Märkte in der westlichen Welt umzuleiten, hat dazu geführt, dass das Ausmaß an gewalttätigen Rivalitäten in dieser Region ständig zugenommen hat. Und der Jemen ist seit langem im Fadenkreuz solcher essenziellen strategischen Interessen.“
Dabei geht es westlichen Kräften auch darum, zu verhindern, „dass China und andere Rivalen des transatlantischen Westens nicht in genau diesen Gebieten Fuß fassen, mit seinen letzten noch ungenutzten natürlichen Ressourcen: ... den Fischgründen, den Minen, dem Öl und Gas ...“ (10).
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum die meinungsführenden Medien in den westlichen Staaten den Krieg im Jemen so auffällig nicht beachten.
Zusätzlich sind — wie bei solchen Verbrechen an der Menschlichkeit üblich — Profitinteressen der Rüstungskonzerne beteiligt, wie Wallstreet.online schrieb:
„Heikel sind auch drei Exportgenehmigungen für die Vereinigten Arabischen Emirate. Der ebenfalls sehr reiche Golfstaat ist wie Saudi-Arabien aktiv am Jemen-Krieg beteiligt. ... Jetzt erhalten die Emirate drei Artillerie-Ortungsradarsysteme vom Typ ‚Cobra‘ aus deutsch-französischer Produktion mit Trägerfahrzeugen und Zubehör. Außerdem dürfen 55 Ersatzteile und Software für das System geliefert werden.
Die Linke reagierte empört auf die Entscheidungen des Sicherheitsrats. ‚Offensichtlich geht es der Bundesregierung nicht schnell genug mit neuen Rüstungslieferungen an die Jemen-Kriegsallianz‘, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sevim Dagdelen. ... Neben Saudi-Arabien und den VAE wurden für vier weitere Länder Exportgenehmigungen erteilt: — Nach Algerien werden 92 elektrische Antriebe für die Bewaffnung des Transportpanzers ‚Fuchs‘ geliefert. — Indonesien erhält 18.000 Zünder für Mörser-Granaten. — Nach Katar gehen drei gepanzerte Fahrzeuge vom Typ ‚Dingo‘ und 168 Gefechtsköpfe für Raketen. — Für Singapur sind 3000 Panzerabwehrwaffen bestimmt“ (11).
Angesichts dieser Fakten wird die Doppelzüngigkeit der westlichen Propaganda als Flankenschutz für die Wirtschaftskriegführung, Spannungs-Eskalation und den Nachrichtenkrieg gegen Russland deutlich:
Sofort nach dem „Giftanschlag“ in Großbritannien mit Novichok war für die NATO und die führenden Staaten dieses Militärpaktes klar, dass Russland dafür verantwortlich war, auch wenn jede valide Faktengrundlage fehlte. „Kanzlerin Angela Merkel verteidigte bei einer Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron das harte diplomatische Vorgehen“ gegen Russland (12).
Aufgrund der vielen strategischen und ökonomischen Interessen der Konzerne und der in den Staaten des Westens Herrschenden insgesamt wird die Unterstützung von Kriegsverbrechen am Golf nicht infrage gestellt. Dies wird auch in einem Interview deutlich, das Caren Miosga am 3. Dezember 2012 mit Kanzlerin Angela Merkel führte:
(Caren Miosga bezog sich in diesem Interview-Abschnitt auf die Meldungen zu Plänen, an Saudi-Arabien Kriegswaffen wie den Panzer Leopard zu liefern, einer Diktatur mit Folter und Todesstrafe.)
„C.M.: Regen sich bei Ihnen Skrupel, ein solches Land mit Waffen zu unterstützen?
A.M.: Wir richten über die Entscheidung des Bundessicherheitsrates. Ich kann Ihnen ganz allgemein sagen, dass unsere Entscheidungen immer eine Abwägung sind, natürlich zwischen Fragen der Menschenrechte aber auch zwischen den Fragen von Stabilität. Und diese Abwägungen werden genau nach den Prinzipien, die im Übrigen von der Vorgängerregierung entwickelt wurden, immer wieder getroffen. Man kann, wenn dann Exporte stattfinden, auch in der Öffentlichkeit immer wieder diskutieren. Mehr kann ich zu diesem Thema an dieser Stelle nicht sagen.
C.M.: Die grundsätzliche Frage sei ja erlaubt: Darf die Partei, die das ‚C‘ in ihrem Namen trägt, darf die arabische Diktatoren mit Waffen versorgen?
A.M.: Die Frage, die wir uns in der Außenpolitik stellen, die ja sowohl wertegeleitet ist, aber auch natürlich deutschen Interessen entspricht, sind Fragen, die wir im Einzelfall immer zu beantworten haben. Ich will darauf hinweisen, dass wir mit einigen der Golfstaaten strategische Partnerschaft haben ...“ (13).
Die Abwägung zwischen Menschenrechtsfragen und den Interessen der Strategen und der Rüstungsindustrie ist entlarvend und markiert eine frühe Stelle in der Eskalation der Gewalt.
Dieser Verrat an humanen Werten führt zu immer größeren Katastrophen, Tragödien und Bedrohungen. Inzwischen berichten die Medien vermehrt davon, dass der Jemen Saudi-Arabiens Vietnam sein wird. Der Zerfall einer ganzen Region schreitet voran. Eine Befriedung der Region kann es nicht ohne ein Waffenembargo geben.
Es wäre schon einmal ein Schritt, wenn Deutschland, wenn die NATO-Staaten das Völkerecht und ihre eigenen Gesetze einhalten. Genauso wichtig ist es, dass Steuergelder statt für Ressourcen-vergeudende und umweltzerstörerische Rüstungsproduktion für Umweltschutz und Infrastruktur, auch für Soziales und für Bildung sowie generell für den Frieden eingesetzt werden. Dann würde man die Welt im Vergleich zur heutigen Welt der Kriege und anderer Formen des Terrors, der bis an den Rand des Atomkrieges reichenden Eskalationsgefahr nicht wiedererkennen.
Das aber ist die Bedingung dafür, dass die Gesellschaften des Abend- und des Morgenlandes überleben können, sodass ihre Bürger/innen noch eine Zukunft haben. Die Großregion vom Golf bis Israel und Ägypten muss zudem, wie es die Konferenzen zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages fordern, eine nuklearwaffenfreie Zone werden (14).
Das würde das Risiko für die Menschheit entschieden verringern, dass dieses Pulverfass nuklear außer Kontrolle geraten und Ausgangspunkt eines Infernos für den eurasisch-afrikanischen Raum werden kann. Daher setzt sich die Friedensbewegung seit langem für die atomwaffenfreie Zone in Nahost ein. Das setzt einen Friedensprozess in der Region voraus, der nach dem Sieg Netanjahus und seiner bis ins faschistische Spektrum reichenden Koalition mittelfristig nicht zu erwarten ist (15).
Aktuell ist es erst einmal die immer wichtiger werdende Aufgabe der Kräfte des Friedens, durch Aufklärung über die Zusammenhänge und Protest gegen die Verbrechen den medialen Mantel des Schweigens über die schlimmste humanitäre Katastrophe der Gegenwart wegzuziehen.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Frankfurter Rundschau, 12.4.2019
(2) https://www.arte.tv/sites/de/story/reportage/jemen-waffen-made-in-france/?lang=de
(3) http://www.gesetze-im-internet.de/krwaffkontrg/KrWaffKontrG.pdf
(4) https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1 , S. 149
(5) https://www.hrw.org/news/2015/07/27/yemen-coalition-strikes-residence-apparent-war-crime + Zeit,17.09.2016
(6) Spiegel, 12.09.2019
(7) https://www.sevimdagdelen.de/offene-tuer-fuer-ruestungsexporte-nach-saudi-arabien-ist-skandaloes/
(8) https://www.n-tv.de/politik/USA-liefern-Raketen-an-Saudi-Arabien-article20746804.html
(9) dlf24, 17.04.2019
(10) https://www.ucpress.edu/book/9780520296145/destroying-yemen
(11) Wallstreet.online, 12.04.2019
(12) https://www.tagesschau.de/ausland/skripal-121.html
(13) http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt4348.html
(14) https://www.stern.de/politik/ausland/un-atomwaffenkonferenz-israel-zur-annahme-des-atomwaffensperrvertrages-aufgerufen-3279462.html
(15) https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/israel-benjamin-netanjahu-parlamentswahl-demokratie-bedrohung
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