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Leitmedien schützen Tiefen Staat

Leitmedien schützen Tiefen Staat

In den USA ist ein im Windschatten staatlicher Strukturen agierendes Machtzentrum aktiv, das gegen den neuen Präsidenten mobil macht.

Herr Bröckers, wenn ich mich nicht verzählt habe kommt in ihrem Buch der Begriff Tiefer Staat 44mal vor - bzw. Formulierungen, die diesem Begriff nahestehen. Bei 105 Seiten gibt es beinahe auf jeder zweiten Seite ein Bezug zum Tiefen Staat. Ist ihr Buch also eigentlich ein Buch über den Tiefen Staat?

Angeblich gibt’s den ja nur in der Türkei oder Ägypten und nicht in einer vorbildlichen freiheitlichen Demokratie wie den USA. Deshalb habe ich die Geschichte im exzeptionalistischen Königreich angesiedelt, in dem die Vizekönigin Hillary gegen den Herausforderer Donald um den Thron kämpft und die unsichtbaren „Meister der Intelligence“ aus den Tiefen des Reichs ihre Strippen ziehen. Wie in einem Real Game of Thrones, aber mit Quellenangaben und Links.

Was versteht man denn unter Tiefem Staat oder tiefenstaatlichen Strukturen?

Ganz allgemein sind das Macht,-und Einflussstrukturen, die jenseits der offiziellen demokratisch legitimierten Gefüge existieren – und oft für den Notfall von Krieg und Katastrophen geschaffen wurden, um – wie es in den USA heißt – die „continuitiy of governement“ zu gewährleisten.

Und Sie gehen davon aus, dass es einen Tiefen Staat auch in den USA gibt?

Professor Peter Dale Scott, der diese Strukturen seit Jahrzehnten erforscht und den heutigen Begriff von „deep state“ entscheidend prägte, hat das am Beispiel des Attentats auf John F. Kennedy und seiner Vertuschung exemplarisch aufgezeigt. In anderen Fällen wurden Teile dieser Strukturen auch aufgedeckt und gerichtsnotorisch, wie etwa der direkt aus dem Weißen Haus organisierte Drogen,-und Waffenhandel bei der „Iran-Contra-Affäre“.

Wie sieht dieser Tiefe Staat denn aus?

Wo wir gerade beim illegalen Drogen,-und Waffenhandel sind; er sorgt zum Beispiel dafür, dass seit der Besetzung Afghanistans durch US,-und Nato-Truppen die dortige Opium- und Heroin-Produktion auf nie dagewesene Rekorde gesteigert wurde und wird, weil mit den Profiten aus dem Geschäft verbündete Warlords bezahlt werden. Vor 50 Jahren im Vietnamkrieg lief das schon genau so – und wurde von den Medien weder wirklich skandalisiert noch von der Politik abgestellt. Spätestens seit der „Operation Mockingbird“, mit der die CIA die Schaltstellen der westlichen Leitmedien infiltrierte, hatte der tiefe Staat von den Leitmedien nur selten etwas zu befürchten.

Was hat nun die Wahl von Donald Trump mit dem Tiefen Staat zu tun? Oder, anders gefragt: Warum rückt für Sie der Gedanke an einen Tiefen Staat so stark in den Vordergrund, wenn Sie sich mit der Wahl von Trump zum neuen US-Präsidenten auseinandersetzen?

Man sieht ihn hier sehr gut am Werke. Mit Trump ist ein Außenseiter auf den Thron gekommen der zwar aus derselben Elite-Liga kommt aber aus einem anderen Club. Völlig überraschend, gegen den nahezu gesamten Medienchor – ein unvorhergesehener Unfall. Und anders als bei allen Präsidenten sonst üblich gibt man ihm nicht die üblichen 100 Tage mediale Schonfrist, sondern arbeitet vom Tag eins an seiner Demontage, in diesem Fall mit immer neuen Gerüchten und Leaks über russische Einflussnahmen und Trump als Marionette Putins.

Diese Kampagne wird nicht von außen gefahren, sondern von innen, Geheimdienste und Behörden – eigentlich dem Präsidenten und dem Staat verpflichtet – stechen Infos direkt an die Presse durch, die nichts dabei findet, mit anonymen Quellen und namenlosen „senior officials“ die Gerüchteküche permanent weiter anzuheizen. Mit Journalismus hat das nichts mehr zu tun, für diese Russen-Märchen zum Beispiel gibt es ja bis heute keinen einzigen handfesten Beleg, angeblich deshalb, weil die Geheimdienste ihre „Quellen und Methoden“ nicht offenlegen können.

Das hat auch mit Transparenz, wie sie das demokratische System zumal bei politischen Anschuldigungen fordert, nichts zu tun – das sind Polizeistaatsmethoden. Und das Schlimme: Liberale und Linke, die diese Methoden angeblich ablehnen, sitzen jetzt mit den Geheimdiensten und dem militärisch-industriellen Komplex in einem Boot. Weil es gegen den vermeintlichen „Faschisten“ Trump geht greift man unbedenklich auch tatsächlich faschistoide Methoden zurück.

Wo wird der Tiefe Staat aktuell denn noch sichtbar?

Zum Beispiel darin, dass Trump nicht wegen der politischen Forderungen seines Wahlkampfs – ISIS „eliminieren“, mit Russland „klar kommen“, die Infrastruktur aufbauen – angegangen wird, sondern als „Putin-Marionette“. ISIS ist ein Konstrukt der CIA, des tiefen Staats, finanziert und bewaffnet von Saudis und Kataris und vorangetrieben von Obama und Hillary Clinton als Vehikel im Krieg gegen Syrien und Iran. Das müsste man thematisieren, wenn Trumps Forderung, das Kalifat „von der Erde verschwinden zu lassen“ Realität werden soll.

Aber das ist nicht erwünscht, auch kann man nicht offen davon sprechen, dass „Al Qaida“ oder „Al Nusra“ natürlich keine „moderaten Rebellen“ sondern wachechte islamistische Terrorbanden sind. Als der Chef des Militärgeheimdiensts unter Obama davor warnte, dass sich diese Banden zu einem eigenen Kalifat zusammenschließen und sie gestoppt werden müssten, wurde er entlassen. Als Trump diesen General Michael Flynn als Sicherheitsberater einstellte wurde er sofort demontiert. Vorgeblich weil er mit einem russischen Botschafter telefoniert hatte, tatsächlich aber weil er mit Trump dem Kalifat ein Ende setzen wollte.

Als ich dann kurz vor Weihnachten in der New York Times die Schlagzeile las „Presidents who sideline the CIA do so at great risk“ erinnerte mich diese offene Drohung an JFK, der sich mit dem tiefen Staat angelegt und in Dallas dafür gezahlt hatte. Dann wurde gemeldet, dass Trump seine eigenen Leibwächter mit ins Weiße Haus bringt, weil er dem Schutz des Secret Service offenbar nicht wirklich traut. Auch hier ließen die Schüsse auf John F. Kennedy grüßen und ich dachte mir: das geht ja hier zu wie im „Game of Thrones“, wo konkurrierende Könige und Fraktionen intrigieren und sich die Köpfe abschlagen. Deshalb schrieb ich die Chronik der ersten 100 Tage von „König Donald“ im Ton eines Real Game of Thrones.

Wie wird sich denn das „Königreich“ mit seinem „neuen König Donald“, wie Sie es in Ihrem Buch formulieren, weiterentwickeln?

Nachdem ich seine Wahlkampfankündigungen in Sachen ISIS, Russland und einem Stopp der regime change Politik und einem Wiederaufbau der heimischen Infrastruktur gehört hatte, schien mir das ein Grund zum Aufatmen: endlich kümmert Amerika sich mal um sich selbst, statt permanent Krieg zu führen und den Rest der Welt zu tyrannisieren. Zugegeben ein naiver Wunsch – nicht nur weil es sich dabei um Wahlkampf und um einen Clown wie Donald handelte, sondern auch weil der tiefe Staat ganz offensichtlich anderes im Sinn hat. Frieden war und ist für den militärisch-industriellen Komplex keine Option. Der irre „Rassist“, „Sexist“, „Faschist“ Donald wurde denn auch erstmals überhaupt als „verantwortungsbewusster Präsident“ gelobt, als er sinnlose Bomben auf Syrien abwerfen lies. So wird es, steht zu befürchten, weitergehen.


Redaktioneller Hinweis: Zum Weiterlesen empfehlen wir die beiden Bücher "König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron" sowie "Fassadendemokratie und Tiefer Staat: Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter".


Mathias Bröckers, Beiratsmitglied bei Rubikon, ist freier Journalist, gehörte zur Gründergeneration der taz und schrieb zahlreiche Bücher. Von ihm erschienen unter anderem (mit Paul Schreyer) „Wir sind die Guten – Ansichten eines Putinverstehers“ (2014) sowie (mit Sven Böttcher) „Die ganze Wahrheit über alles“ (2016). Er bloggt auf broeckers.com.


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