Flo Osrainik: Robert, du bist seit fast dreißig Jahren in der Medienbranche tätig. Und das mit Auszeichnungen und Erfolg. Mit deiner Agentur Buchgut gibst du nicht nur Form „Relevanz“. Auch „Haltung” ist für dich wichtig, du nennst es „die neue Philosophie”. Du hast bisher zahlreiche Buchprojekte gestaltet, darunter eine Menge Bestseller. Hast du überhaupt noch einen Überblick, wie viele Bücher es sind? Und was meinst du mit dem Wort „Haltung“?
Robert Schumann: Puh, ja, das stimmt. Seit dem Studium gestalte ich Bücher. Den Überblick habe ich nicht verloren, sie stehen hier schließlich alle im Regal, es müssten so um die 3.000 Bücher sein. Motivation war von Anfang an, relevante Projekte zu unterstützen, und so ist es geblieben. Wahrscheinlich ist das die stärkste Prägung, die ich 1989 mit der Wende in der DDR mitbekam: dass jeder Text, jedes Wort das Recht hat, veröffentlicht zu werden. Aus meiner Sicht war es damals weniger von Bedeutung, zwischen verschiedenen Parteien wählen zu dürfen, viel wichtiger war es, die Möglichkeit zu haben, alle Gedanken aufschreiben, veröffentlichen und lesen zu können. Und das halte ich immer noch für wichtig.
Wieso ist das in heutigen Zeiten nach wie vor von Bedeutung, und hast du bei der grassierenden Cancel Culture, die vielmehr eine Unkultur ist, keine Scheu vor der „falschen” Haltung und möglichen Repressalien? Wieso sollte man in der Medienbranche also Haltung zeigen, anstatt bequem und unauffällig mitzuschwimmen?
Zum Mitschwimmen fehlt mir die Kondition. Im Ernst, ich bin recht empfindlich, wenn ich das Gefühl habe, in einem gleichförmigen Strom zu hängen. Es ist auch nicht sonderlich kreativ, einer größtmöglichen Menge gefallen zu wollen.
Grundsätzlich kann man mich als freischaffenden Gestalter schwer canceln, lediglich nicht mehr beauftragen. Cancel Culture ist ja auch nicht neu, diesen Machtmissbrauch gab es in den Medien eigentlich schon immer. Jetzt gibt es allerdings eine griffigere Bezeichnung dafür. Und klar, das häuft sich derzeit auffällig, betrifft viele Existenzen und ist letztlich ein Symptom für eine kranke Demokratie. Ich beobachte aber auch, dass man niemandem das Wort wirklich verbieten kann, denn das Wort findet immer einen Weg. Es wird versucht, Kanäle mit Korken zu verschließen. Dadurch steigt aber lediglich der Druck, und der Korken schießt früher oder später wieder heraus. In der Regel trifft er dann das eigene Knie. Deswegen sind auch so viele neue Medien entstanden. Kritische Journalisten und Autoren suchen sich andere Veröffentlichungswege, wenn ihnen die bisherigen weggenommen werden. Das war ja unter anderem ein Grund, weshalb die Bücher im Rubikon-Verlag so erfolgreich waren.
Richtig, wir haben ja beide mit oder für den Rubikon-Verlag gearbeitet. Das war ab dem Jahr 2020, also mit dem Beginn der Corona-Krise, zu einer irrsinnigen und faschistoiden Zeit. Nun ist der Verlag Geschichte, der totalitäre Irrsinn ist geblieben.
Man kann das als Phänomen sehen: In nicht einmal vier Jahren haben wir 19 Bücher publiziert. Davon waren 13 Spiegel-Bestseller. Und das ohne ein klassisches Vertriebssystem, denn der Handel hat uns weitgehend ignoriert und die herkömmlichen Medien haben uns geächtet. Dennoch gab es eine Leserschaft, die umfassend informiert werden wollte. Trotz dieser Bedingungen ist es gelungen, die kritischen Bücher und Leser zusammenzubringen, auch und vor allem über die neuen Medien. Das lag insbesondere an der enormen Kraftanstrengung der wenigen Beteiligten sowie an tollen Autoren und, ja, an gut gestalteten Produkten.
Verlegerisch war es gewiss mutig, Texte zu einem Thema zu publizieren, um das seinerzeit herrschende Narrativ zu hinterfragen. Zugleich wurde so sozusagen aus dem Nichts auch ein ganz neuer Kanal geschaffen, und wir waren in der Pflicht, diesen zu bedienen und uns um Aufklärung zu bemühen. Und das auf gleichbleibend hohem Niveau. Das ist spektakulär gelungen, in dieser Form war es allerdings nicht weiter fortsetzbar.
Nun begleitest und gestaltest du seit ein paar Monaten Manovas Print-Projekt GEGENDRUCK. Und zwar nicht extern, sondern intern als Teammitglied, und das von Anfang an. Hattest du überhaupt noch Kapazitäten frei, und was hat für dich den Ausschlag gegeben? Anders gefragt: Warum ist der GEGENDRUCK deiner Meinung nach wichtig und nötig?
Ich gebe zu, auch ein bisschen dazu überredet worden zu sein, weil ich bereits an vielen Projekten beteiligt bin. Zum Beispiel haben wir mit dem Hintergrund-Magazin bei Buchgut regelmäßig ein aufwendiges Periodikum auf dem Tisch liegen. Aber der Reiz, bei GEGENDRUCK mitzuwirken, bestand vor allem darin, Teil des ganzen Prozesses zu sein. Also nicht nur Texte zu bekommen, die dann hübsch aufbereitet und in die Druckerei geschickt werden. Klar war es von Vorteil und auch gut, dass wir uns im Team von GEGENDRUCK schon seit ein paar Jahren kennen und nach dem Ende des Rubikon-Verlags zusammen ein neues Projekt auf den Weg bringen. Auch hatte ich schon länger die Idee einer Publikation, die zwischen Buch und Zeitschrift liegt. Eines Produkts, das man überall lesen kann und das danach nicht einfach weggeworfen wird.
Außerdem ist die Form dieser Publikation flexibel, es kann zum Beispiel mal eine monothematische Textsammlung oder auch mal eine Pro-und-Kontra-Streitschrift sein. Damit kann man gut auf Zeitläufte und redaktionelle Ideen reagieren. Denn Gegendruck muss man schließlich von mehreren Seiten ausüben. Dass das Format von GEGENDRUCK, das Konzept mit den Ziffern auf dem Cover und die Gestaltung des Produktes so aussieht, ist auch dem Vertrauen des Teams in meine Arbeit geschuldet. Und das ist ja nicht selbstverständlich.
GEGENDRUCK hat ein kraftvolles und zugleich luftiges Layout. Die Texte der Autoren werden gleichberechtigt und gut lesbar präsentiert. Selbst das Lesen der Fußnoten macht Laune. Zudem gibt es in jeder Ausgabe Karikaturen. Das Ganze passiert auf offenem Werkdruckpapier, und das raschelt wunderbar beim Umblättern.
Am 15. Januar 2025 erschien die dritte Ausgabe von GEGENDRUCK, die vierte ist in Arbeit. Warum sind gedruckte Medienprodukte ergänzend zum Angebot im Netz bedeutend, oder sind sie in einer immer weiter ins Digitale abdriftenden Gesellschaft des Smartphone- und KI-Wahns denn überhaupt noch von Bedeutung? Wie ist die Tendenz, wohin geht die Reise?
Nun, das gedruckte Wort hat seit 500 Jahren Bestand. Das wird sich so schnell auch nicht ändern. Die Relevanz und die Eindringlichkeit, die ein Buch ausstrahlt, selbst wenn es einfach nur so rumliegt, kann von keiner Internetseite getoppt werden.
Wenn ich ein Buch schließe, dann ist es immer noch da. Der Onlinebeitrag ist dagegen mit einem Klick wieder verschwunden. Den nimmt man sich selten in ein paar Jahren noch mal vor.
Das klingt jetzt vielleicht ein wenig altmodisch, aber dann war ich vor 25 Jahren auch schon altmodisch. Ich bin mir auch nicht sicher, ob mich das Digitale, das permanent Animierte, das künstlich Berechnete einfach nur nervt. Vielleicht bin ich einfach skeptisch und denke, dass mich Papier garantiert nicht ausspähen kann. Es ist doch beruhigend, dass ich Gedrucktes lesen kann und dabei nicht selbst gelesen werde.
Und diejenigen, die Bücher schreiben, tun das ja mit der Ahnung, dass es für die Ewigkeit sein könnte. Das ist ein hoher Anspruch. Dasselbe gilt für die Typografie, die sollte auch noch in Jahrzehnten lesbar sein. Es bleiben also unterschiedliche Welten. Texte haben gedruckt grundsätzlich eine andere Qualität.
Trotzdem gehen die Auflagen runter. Print wird immer weniger. Wie kann man dafür sorgen, dass wieder mehr gedruckt wird?
Ja, das stimmt. Die Auflagen werden immer geringer. Diese Entwicklung hat allerdings schon begonnen, als es das Internet noch gar nicht gab. Das liegt auch daran, dass es immer mehr Alternativen für Unterhaltung gibt. Das Drucken von Texten ist ehrlich gesagt auch nicht besonders wirtschaftlich, die Kosten für Papier und Herstellung steigen stetig. Und gebundene Bücher und Zeitschriften müssen mühsam bewegt werden. Auch die Gestaltung ist aufwendiger, als wenn man irgendwelche Templates ausfüllt.
Aber hinter all diesen arbeitsintensiven und kostspieligen Prozessen stehen eben auch leidenschaftliche Menschen. Das weiß man, und es ist spürbar, wenn man die Produkte in die Hand nimmt. Etwa eine Ausgabe von GEGENDRUCK. Deshalb glaube ich, dass diese Wertschätzung zumindest bei lesenden Menschen nicht verloren gehen wird. Und mit einer gelungenen Gestaltung kann man auch dafür sorgen, dass es so bleibt. Mit dem Kauf von Büchern im Übrigen auch.
Robert, ich danke dir für das Gespräch.
Hier können Sie das Buch bestellen: „Gegendruck 3: Schlachtfeld Gehirn“
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.