Es wird Krieg geben, das ist gewiss. Auch wenn wir noch an den Fenstern stehen und nach Freunden suchen. Dass es Krieg geben wird, ist gewiss. Lange haben wir es ausgehalten, miteinander, lange sind wir gemeinsam die Straßen auf und ab gewandert und haben uns Gedanken gemacht. Sind auch zu Ergebnissen gekommen, haben in diesen Ergebnissen uns selbst gefunden, wenn wir auch nicht schön waren. Heute sind wir nur noch schön, und der Krieg wird deshalb ausbrechen, weil wir zu schön geworden sind.
Auch ich habe mich, nach langen Jahren der Gegenwehr, nun schön machen lassen. Habe die Zähne ersetzt, die schon von allein ausgefallen waren. Habe mir mein Blut nehmen lassen, damit es später schöner, glitzernder, spritziger in meinen Adern fließen kann. Damit ich lebendiger, zukunftsfroher in die Welt blicken darf. Auch meine Augenbrauen habe ich mir erhöhen lassen, damit ich mich nicht so bemühen muss, wenn sich Erstaunliches zeigt. Denn heutzutage zeigt sich doch viel Erstaunliches, das sich, wenn man die Augenbrauen nicht nach oben zieht, als solches gar nicht erkennen lässt.
Viele wollen ein erstaunliches Leben führen, und wenn man sie fragt, was denn Erstaunliches an ihrem Leben sei, sind sie schon beleidigt, glauben sie doch, dass man es ihnen ansehen müsse. Deshalb ist auch der Krieg nicht mehr fern.
Denn es ist nicht mehr möglich, Erstaunliches von wirklich Erstaunlichem zu unterscheiden, so wie die Schönheit, wie wir sie begreifen, in Wirklichkeit nicht schön ist, sondern oberflächlich und dumm.
Das Abgründige, das Geheimnisvolle der Lebendigkeit ist schon lange hässlich geworden, zumal wenn es mit dem nötigen Ernst vorgetragen wird. Deshalb ist es auch unabwendbar, dass es Krieg geben wird. Denn dem Krieg geht ja auch eine extreme Lethargie voraus.
Alle Menschen wirken wie abgestumpft, wie ausgehöhlt. In Hüllen fliegen sie durch die Lüfte der Anpassung, lassen sich von den Winden der Gleichgültigkeit in die höchsten Höhen treiben, bis sie irgendwann in einem Sturm der Entrüstung zerrissen werden. Alles nur noch ein Hin und Her, ein Auf und Ab, ein Dasein und ein Wegsein.
Auch ich fliege gerne in den höchsten Höhen und lasse mich darin zerreißen. Auch ich bin ein Feigling, der nur noch an sich selbst denkt. Deshalb wird es Krieg geben, es ist unvermeidlich, dass es zu einem Krieg kommt. Nicht nur weil wir so langweilig geworden, weil wir solche Leichtgewichte geworden sind, sondern auch weil wir nur noch der Nachahmung fähig sind.
Wir erinnern uns, wenn wir uns anschauen, nur noch an Bilder, die es schon lange gibt. Warme Bilder, weiche Bilder, im Zwischenfarbenton. Ausgewogene Meinungen, die in Menschen hausen, wie angerührter Beton, kurz bevor er aushärtet. Sprache, wie Massenware, kontrolliert von Duckmäusern, und selbst stilisierten Formwächtern, die vor ihrer eigenen Paranoia in das immer Gleiche flüchten.
Das immer Gleiche ist der erste Anlass für einen Krieg. Das Bewahren ist der zweite Anlass für einen Krieg. Denn das Bewahren schiebt das wirklich Wichtige zu einem Hügel auf, auf dem dann meistens einzelne Männer wuchern, die glauben, Gott zu sein. Dann ist der Krieg nicht mehr weit. Denn das wirklich Wichtige ist in Wahrheit das wirklich Wichtige des Einzelnen. Sein Überleben gebiert den Teufel in Gottesgestalt, und alles wird wieder einfach
Denn der dritte Grund, unter vielen anderen Gründen, ist die Kompliziertheit des Lebens. Der Einzelne möchte nicht, dass es in seinem Leben kompliziert zugeht, deshalb sucht er nach Stimmen, die ihm das Einfache versprechen. Selbst wenn diese Menschen in ihrem Beruf komplizierte Dinge machen, so wünschen sie doch, dass sie ein einfaches, normales Leben haben. Und ist das einmal nicht mehr gewährleistet, so sind sie ungehalten.
Und Leute, zumal wenn sie Bürger sind, die ungehalten werden, finden nicht mehr aus sich selbst heraus. Sie fühlen sich wie in einem Irrgarten. Dann werden sie böse, und Bürger, wenn sie böse sind, rufen nach einfachen Lösungen, und die einfachste Lösung ist nun mal der Krieg. Deshalb wird es nicht mehr lange dauern, bis der Krieg ausbricht.
Wenn auch kein Mensch das Wort Krieg in den Mund nimmt, so denkt doch jeder Mensch mindestens einmal am Tag an den Krieg. Das war schon immer so. Doch das ist keine Rechtfertigung dafür, dass der Krieg wirklich ausbricht.
Aber er wird ausbrechen. Auch versprechen sich viele Menschen eine Art Erlösung, weil sie immer angespannter werden. Dann denken sie vielleicht jede zweite Stunde an den Krieg und sagen vor sich hin: Kann das die Lösung sein?
Und sie schütteln zuerst mit dem Kopf, schütteln lange Zeit, immer wieder mit dem Kopf. Doch irgendwann wird es ein zuerst zögerliches Nicken geben, dann ein normales, später ein festes überzeugtes. Dann werden Gründe gesucht, Einheit verlangt, vielleicht sogar nationale Interessen angeführt. Doch diese werden natürlich zuerst verschleiert, mit komplizierten Wortfolgen verschleiert, von Wissenschaftlern erfunden, in schöne Münder gelegt, die allein durch ihr Aussehen Sicherheit versprechen. Denn was den Krieg zuallererst befördert, ist die Sehnsucht nach Sicherheit.
Dabei wird immer die Sicherheit von außen als Grund herangeführt, doch in Wirklichkeit ist es immer die eigene Unsicherheit, die einen nach Sicherheit von außen verlangen lässt. Dann kommen die Männer auf den Plan. Denn ohne Männer gäbe es keinen Krieg. Männer wollen immer etwas zum Verteidigen haben. Meistens ist es die eigene Familie. Oder wenn man ihnen erklärt, dass es um wichtigere Dinge geht, und im Krieg geht es immer um wichtigere Dinge, dann sind sie sofort bereit, in den Krieg zu ziehen. Sie haben es ja schon oft bewiesen, dass sie gerne in den Krieg ziehen, mit all dem Getöse, das dazugehört. Denn um in den Krieg zu ziehen, bedarf es einer Einheit, und wenn es Menschen gibt, die in ihrer Sprache dazu fähig sind, eine Einheit herzustellen, sind die Männer es, die dazu bereit sind, in den Krieg zu ziehen. Deshalb wird es auch Krieg geben.
Denn dem Einzelnen fehlt die Einheit, in der er sich auflösen kann. Denn neben der Erlösung in der Einheit gilt die Auflösung in der Einheit als eine besondere Eigenschaft des Mannes. Dort kann er dann wieder zur Bestie werden. Auch ich fühle mich, wenn ich in einer Menschenmasse hin und her woge, wie ein Sandkorn und zugleich wie ein Gott, unter anderen Göttern. Alles ist möglich, weil alles um mich herum möglich wird. Mein Herz spring über, mein Lachen fliegt in die Gesichter der anderen, meine Gedanken zerfallen in den Gedanken der vielen, und alles wird gut.
Dabei wird das Vergessen erzeugt. Es gibt keine Vergangenheit mehr. Alle Warnungen, alle Erfahrungen, all das Geschwätz der Alten verbrennt als Schlacke, die auf dem glühenden Eisen der Einheit wabert. Es ist also unvermeidlich. Es wird Krieg geben.
Auch die Hüter der Warenwelt hoffen auf einen Krieg, ja sie tun alles, damit es zu einem Krieg kommt. Sie hetzen einzelne Käuferschichten aufeinander. Säen Zwietracht und Hass. Sie wollen in Wirklichkeit, dass ihre Waren zerstört werden, damit sie neue schaffen können.
Und so wie man hört, haben sie schon Bunker gebaut, in denen ihre Spitzenleute überleben können. Sie sollen dort neue Produkte entwickeln können, während die Welt brennt.
Die Hüter der Warenwelt lieben es, wenn die Welt brennt. Auch die Politiker und Wirtschaftsleute lieben es, wenn die Welt brennt, denn sie können sich sicher sein zu überleben. Deshalb wollen ja auch die meisten Menschen Politiker, Wirtschaftsführer oder Hüter der Warenwelt werden. Damit sie überleben, während die Welt brennt.
Deshalb auch diese hierarchische Welt. Dieses Streben nach oben, weil man da überleben kann, wenn die Welt brennt. Selten werden, nachdem der Brand der Welt gelöscht wurde, diese Leute zur Rechenschaft gezogen, denn sie verstehen sich unkenntlich zu machen oder reden der allgemeinen Meinung das Wort, denn die allgemeine Meinung entsteht dort, wo der Brand der Welt gelöscht wurde.
Und in der allgemeinen Meinung ist der Keim des nächsten Krieges schon enthalten. Denn aus der allgemeinen Meinung entsteht irgendwann eine besondere Meinung, und die besondere Meinung, wenn sie eine Mehrheit findet, führt unweigerlich zum Krieg. So ist die Welt, und deshalb ist es auch recht und billig, dass auch ich mich auf den Krieg vorbereite. Deshalb habe ich mir, nicht nur weil ich schön sein will, die Zähne machen lassen, sondern damit ich, wenn ich in dunklen Kellern dem Kriegsgetöse zuhöre, keine Zahnschmerzen bekomme, und bin auch deshalb beim allgemeinen Arzt gewesen, damit mein Blut so durch meine Adern fließt, dass ich keinem Herzinfarkt erliege. Damit ich einigermaßen gesund aus dem nächsten Krieg hervorgehe, um weiterhin der kleine Mann auf der Straße sein zu können, der, wenn er beobachten kann, am glücklichsten ist.
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