Ich möchte heute von einem anderen Land sprechen, das ebenso wie Griechenland in den Jahren ab 2008 von einer starken Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen war, von einem Land, das die Euro-Staaten ebenso wie Griechenland unter Druck gesetzt haben: Die Politiker sollten die ökonomisch-sozialen Probleme im eigenen Staat mit den Mitteln der ebenso brutalen wie hirnrissigen „Austeritätspolitik“ lösen.
Ich möchte von einem Land reden, das — ganz im Gegensatz zu Griechenland! — genau diesen Weg nicht gegangen ist und heute in jedweder Hinsicht aufs Eindeutigste erheblich besser dasteht als Griechenland. Ich spreche von: Portugal!
Ihr erinnert Euch — und ich muss das an dieser Stelle nicht im Detail wiederholen, schon gar nicht das vielfach mitgeteilte Zahlenmaterial —, welchen angeblichen Rettungsweg Europa den Griechen aufgezwungen hat: Lohnsenkungen und Rentensenkungen, Abschaffung von Sozialleistungen und Zerstörung des Gesundheitssystems, Verkauf von Flughäfen und Hafenanlagen und Zwangsversteigerungen von Kleinbesitz an Immobilienkonzerne und, und, und. In einem Wort: eine Zwangsverelendung Griechenlands und der Griechen schlechthin. Und auf der anderen Seite zwang Europa den Griechen Kostensteigerungen ohnegleichen auf: Anhebung und Ausweitung der Mehrwertsteuer, Anhebung und Ausweitung der Immobiliensteuern — also: neue finanzielle Zwangsbelastungen noch und noch!
Dass bei einer derartigen Vernichtung von Inlandsnachfrage und Kaufkraft Wirtschaftswachstum, Konjunktur, Wiederaufstieg der griechischen Volkswirtschaft nicht zu generieren war, das konnte nur Idioten wundern. Oder eben Austeritäts-Ideologen wie Schäuble & Co! Und dass Griechenland einbrach bei Bruttoinlandsprodukt und Schuldentilgung, bei Beseitigung von Massenarbeitslosigkeit und Produktivitätsverfall, dass mittlerweile bis zu 500.000 Griechinnen und Griechen — zumeist dringend benötigte junge, hoch motivierte und hoch qualifizierte Arbeitskräfte — ausgewandert sind — Stichwort „braindrain“ —, das kann dito nur die Schäubles dieser Welt in Erstaunen versetzen. Aber:
So sehr auch immer die Idiotie und die Inhumanität dieser Art von Vernichtungspolitik gegeißelt worden sind, nicht zuletzt auch von mir, so sehr auch immer wir den Irrsinn, den völligen Mangel an Logik und Vernunft und Plausibilität dieser sogenannten Austeritätspolitik zu beweisen und zu belegen versuchten:
Immer wieder wurde dieser Argumentation entgegengehalten, dass eine Politik der Humanität nicht funktionieren könne, volkswirtschaftlich nämlich; dass Menschengüte das eine sei, gute Wirtschafts- und Finanzpolitik aber das andere.
Wenige Worte zeigen die Absurdität dieser Sichtweise: Im Falle Griechenlands müsse ein Patient halt hungern und hungern, damit er wieder auf die Beine kommt! Und die beste Vorbereitung auf einen Marathonlauf sei halt einschränkungsloser Nahrungsentzug! Wenn man so will:
Theorie stand gegen Theorie. Oder schärfer formuliert: Die eiskalten „Richtigkeiten“ eines Schäuble standen gegen die gutmenschlichen Sentimentalitäten der sozial denkenden Menschen! — Womit ich, nun endlich, bei Portugal bin, bei der Tatsache nämlich, dass Portugal nahezu einschränkungslos das getan hat, was ich seit Jahren für Griechenland gefordert habe, und dass es eben dieses Portugal ist, das heute ungleich besser dasteht als Griechenland! Aber konkret:
Erfolgsmodell Portugal
Die Linksregierung in Portugal, unterstützt von zwei — oh Gott! — „linksradikalen“ Parteien, hat in einem Zeitraum von drei Jahren aus einem Absturzland ein Erfolgsmodell gemacht. Es war schlicht die Aufkündigung dieses wahnwitzigen „Sparkurses“, gemeint „Austeritätspolitik“, die zum Erfolg geführt hat. Es war die Weigerung Portugals im Sommer 2016, Schäubles sogenanntes Zweites Rettungsprogramm anzunehmen, die das Land Portugal aus der sozioökonomischen Krise heraushelfen sollte. Widerstand also, den gleichen Mist mitmachen zu sollen, den Griechenland leider mitgemacht hat. Noch konkreter:
- Die von den konservativen Vorgängerregierungen drastisch gekürzten Löhne und Renten wurden wieder erhöht.
- Die von den konservativen Vorgängerregierungen eingeführten Sondersteuern wurden abgeschafft und diverse Steuererhöhungen zurückgenommen — und zwar jene Belastungssteigerungen, die nahezu ausschließlich die „kleinen Leute“ betrafen, zum Beispiel die Mehrwertsteuer.
- Stattdessen führte man Steuern oder Steuererhöhungen ein, die ausschließlich von den Reichen im Lande aufzubringen waren und sind: Erbschaftssteuer zum Beispiel, Vermögenssteuer auf Großgrundbesitz. Ein Freibetrag hat sichergestellt, dass die „einfachen“ Leute mit ihren kleinen Häuschen oder normalen Wohnungen nicht betroffen sind von dieser zusätzlichen Steuerlast für die Reichen im Land.
Und was waren, was sind die Folgen dieser „klassenkämpferischen“ Politik? Massenflucht der Superreichen oder der sogenannten Funktionseliten aus diesem furchtbaren Portugal? Keineswegs! Stattdessen:
- Binnennachfrage, Investitionen und Konsum wurden erheblich gestärkt.
- Die Kaufkraft der Portugiesen wurde deutlich erhöht.
- Die Arbeitslosigkeit ging auf mittlerweile nur noch 6,7 Prozent zurück.
- Neue Beitragszahlungen für die Sozialkassen und neue Steuereinnahmen wurden dadurch generiert.
- Das Haushaltsdefizit des Staates wurde auf 2 Prozent gesenkt, liegt also deutlich unter der EU-Stabilitätsgrenze von 3 Prozent und auch deutlich unter der Brüsseler „Vorgabe“ von 2,4 Prozent.
- Portugal konnte frühzeitig teure Kredite an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückerstatten und verschaffte sich dadurch Möglichkeiten für weitere, für eigene Investitionen und Verbesserungen der Sozialsysteme.
- Portugal hat damit — dieses nicht zuletzt — eine „Brandmauer“ geschaffen gegen „rechtspopulistische und faschistoide Parteien“, so ein junger Portugiese, und Portugal ist damit das einzige Land in Europa, in dem keine ultrarechte Partei existiert. Und, um den Alltag des „kleinen Mannes“ nicht auszusparen:
- Abgesehen von der immensen Steigerung der Gewinnzahlen im Tourismusbereich — 2017 bereisten mehr als 24 Millionen Menschen das kleine Land am Westrand Europas, und Portugal registrierte während der letzten beiden Jahre Einnahmensteigerungen in diesem Bereich jeweils um mehr als 10 Prozent —, abgesehen also von den Plus-Beträgen in der Größenordnung von 15 bis 17 Milliarden Euro pro Jahr, kann auch der „kleine“ Portugiese wieder in die Kneipe gehen und seine Mahlzeiten dort einnehmen neben den Gästen aus dem europäischen Ausland! Und zuallerletzt:
- Portugal zieht wegen seiner anti-austeritären Erfolgspolitik im wachsenden Maße auch Investoren aus dem Ausland an — etwa aus dem benachbarten Spanien, das wegen seiner Vasallentreue gegenüber den Brüsseler Vorgaben immer noch sozial, ökonomisch und politisch (mit drei rechtsextremistischen Parteien) zu kämpfen hat.
Bleibt eine Preisfrage am Schluss: Wieso hört man von diesem Erfolgsmodell im sonstigen Europa nichts? Wohlgemerkt: von einem Erfolgsmodell, das nicht mal als sozialistisch — geschweige denn, als marxistisch — bezeichnet werden kann, lediglich als einigermaßen humanitär und sozial. Wieso ignorieren die bundesdeutschen Medienberichterstatter — egal, ob im Elektronik- oder im Printbereich — dieses Erfolgsmodell einer offenkundig vor allem keynesianisch-inspirierten Wirtschafts- und Finanzpolitik?
Sollte es tatsächlich so sein (wie Kenner der bundesdeutschen Medienszene seit längerem vermuten), dass sich die Medienwelt bei uns, von Ausnahmen abgesehen, schon längst in den Händen der Neoliberalismus- und Austeritäts-Ideologen befindet?
Dann wäre und ist es in der Tat so, dass es solcher Websites wie dieser bedarf, um hinter die Kulissen zu schauen! Und es wäre ein weiteres Mal die Richtigkeit der Aussage belegt: Nicht von oben, nein, nur von unten erfasst man die politisch-gesellschaftlichen Realitäten in unseren Ländern wirklich und ganz. Man muss sich auf die Seite der „kleinen Leute“ stellen, um erfassen zu können, was die „Großen“ der Welt ihnen antun: ebenso irrsinnig wie inhuman!
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.