Schon seit über einem halben Jahr gehen die Fridays For Future Protestler auf die Straße, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen: Effektive Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel zu ergreifen. Die Demonstranten haben begriffen, dass es so, wie bisher, nicht weitergehen kann, denn der Klimawandel bedroht unser aller Zukunft.
Zugegeben, die Forderung nach „Klimaschutz“ greift etwas zu kurz, denn das Klima zu schützen ist im Grunde überflüssig und auch nicht möglich. Das Klima ändert sich, seit der Gesteinsklumpen namens Erde eine Atmosphäre gebildet hat; solche Änderungen lassen sich daher auch nicht aufhalten. Doch der gegenwärtige Klimawandel läuft mit einer Geschwindigkeit ab, die jede Anpassung der Erdbewohner unmöglich macht. Schon in der Vergangenheit hat der Mensch klimatische Veränderungen erlebt, und sie haben immer wieder dazu geführt, dass Reiche und Imperien in sich zusammengefallen sind.
Letztlich wurde das Leben der Menschen stets mühsamer und entbehrungsreicher. Der aktuelle Klimawandel droht schwerwiegender zu sein als alle vorangegangenen.
Er bedroht die fragile, da weltumspannende Infrastruktur, die der Mensch zur Sicherung seiner Lebensgrundlage — zumindest in den westlichen Industrieländern — geschaffen hat. Damit ist das Überleben der Spezies Mensch aber als Ganzes gefährdet. Treffender müsste es also „Menschheitsschutz“ heißen, da der Mensch vor den Auswirkungen seines eigenen Handelns geschützt werden müsste.
Denn diese von ihm geschaffene Infrastruktur ist die wesentliche Ursache dieses Klimawandels. Die Industrialisierung hat zu einer Lebensweise geführt, die ganz auf dem Verbrennen fossiler Brennstoffe beruht. Ohne Erdöl, Kohle und Erdgas läuft in der heutigen Zeit nichts mehr. Diese setzen jedoch gewaltige Mengen des für den Klimawandel relevanten CO2 frei. Hinzu kommt die industrielle Landwirtschaft sowie die Massentierhaltung, die gemeinsam nicht nur CO2, sondern auch Lachgas und Methan in riesigen Mengen in die Atmosphäre pusten. Der Klimawandel ist also menschengemacht, oder aber zumindest durch Menschen massiv beschleunigt worden.
Scheinlösungen
Dies haben Politiker und auch Unternehmer verstanden, nicht zuletzt durch die anhaltenden Proteste einer schon seit Jahrzehnten aktiven Klimagerechtigkeitsbewegung. Das Problem kann also nicht länger vertuscht und geleugnet werden, wie das lange Zeit geschehen ist. Von der Strategie des Leugnens schwenken sie nun also um auf Vereinnahmung und Scheinlösungen.
Unzählige Politiker, sogar die Bundeskanzlerin, ergingen sich im Lob für die protestierenden Schüler. Sie begrüßten die Initiative und versprachen Entgegenkommen und Verbesserungen, also eine Reform des Systems. Wenn es um Klimawandel geht, dreht sich die Debatte zumeist um zwei Dinge: Erneuerbare Energien in Form von Windrädern und Solarenergie sowie Elektromobilität. Damit wird jedoch an jeder Realität vorbeiargumentiert.
Die wesentliche Ursache der ökologischen Zerstörungen, die der Mensch über den Planeten gebracht hat, ist der Zwang des ständigen Wachstums und der Profitmaximierung. Das „Immer mehr“ hat auch zu einer stetig steigenden Produktion von Waren geführt, die wiederum einen steigenden Verbrauch an Ressourcen notwendig machte.
Die Logik des unendlichen Wachstums ist also das Grundübel unserer Gesellschaft und der Motor der Zerstörung. Dieser Zerstörung nun mit derselben Logik des Wachstums zu begegnen, offenbart den ganzen Wahn, in dem die Menschheit gefangen ist.
Statt weniger Produktion, weniger Verbrauch, weniger Konsum, weniger Emissionen, wird darauf gesetzt, die Mittel zur Energiegewinnung einfach auszutauschen. So suggeriert man uns, es könne einfach so weitergehen, wir könnten weiterhin dem Überfluss frönen, in dem wir es uns gemütlich gemacht haben.
So wird der Anschein erweckt, es gäbe einen grünen Kapitalismus, der all unsere Probleme lösen könnte. Dies kann jedoch nicht funktionieren. Ganz im Gegenteil: Durch die Fixierung auf erneuerbare Energien schaffen wir nur die nächsten Umweltkatastrophen. Die erneuerbaren Energien, insbesondere die Elektromobilität, erfordern viele Rohstoffe, deren Abbau massiv die Umwelt schädigt. Ein Beispiel dafür ist Lithium.
Nur, weil diese Umweltzerstörung nicht vor unserer Haustür, sondern zumeist in sogenannten Entwicklungsländern stattfindet, heißt das nicht, dass sie nicht dramatisch wäre. Sie zwingt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen, und schafft somit neue Fluchtursachen, nur, damit wir hier im Westen gewissenlos an unserem Automobil und unserer Überproduktion festhalten können.
Doch die angebotenen Lösungen haben eines gemeinsam: Sie eröffnen einen ganz neuen Markt. Erneuerbare Energien und Elektromobilität muss zunächst hergestellt werden, und dies geschieht natürlich nicht durch, am Gemeinwohl interessierte Konzerne. Nein, im Gegenteil, dieselben Akteure, die uns die Klimakrise eingebrockt haben, wittern nun eine Chance, ihr Geschäftsfeld zu erweitern, um sich für die Zukunft wettbewerbsfähig zu machen. Die Probleme, die uns der Wachstumswahn eingebracht hat, werden also durch dasselbe Mittel, nämlich Wachstum, zu lösen versucht. Das ist ein Vorhaben, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.
Einseitige Debatte
Darüber hinaus werden in der Debatte die wesentlichen Punkte ausgespart. Auf politischer Ebene wird das Thema der industriellen Landwirtschaft totgeschwiegen. Auch hier wird an der Überproduktion festgehalten. Wem tatsächlich an einer Abschwächung der Effekte des Klimawandels gelegen wäre, der müsste darüber hinaus die fortwährenden Kriege beenden und das Militär abschaffen. Denn allein das US-Militär verursacht mindestens 5 Prozent der Emissionen von Treibhausgasen. Hinzu kommt noch die Menge CO2, die bei jeder einzelnen, durch das Militär herbeigeführten Explosion freigesetzt wird, und die damit einhergehende Zerstörung der Natur. Vom dadurch verursachten Leid der Menschen muss an dieser Stelle gar nicht erst gesprochen werden.
Zudem wird das Militär dazu eingesetzt, Erdölreserven in aller Welt und damit den Nachschub für die Produktion zu sichern. Der Klimawandel liefert darüber hinaus auch Gründe für den Krieg. Der Kampf um Wasser und fruchtbares Land ist in anderen Regionen der Welt schon ganz real. Bei fortschreitendem Klimawandel und den damit einhergehenden Dürren und der Desertifikation von fruchtbarem Land ist es nur eine Frage der Zeit, bis er zu zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen führt. Wenn die Bekämpfung des Klimawandels tatsächlich bei allen Menschen oberste Priorität hätte, und die notwendigen Maßnahmen der Deindustrialisierung und Regionalisierung der Produktion ergriffen würden, wäre unsere Welt auch friedlicher.
Umweltschutz ist Klimaschutz
Doch nicht nur der hohe Ausstoß von Treibhausgasen ist die Ursache für den Klimawandel. Auf der anderen Seite der Rechnung steht der Verlust der Speicher für diese Gase. So wurden große Teile der weltweiten Regenwälder gerodet, um Platz zu schaffen für industrielle Landwirtschaft. Wälder und die Waldböden speichern jedoch große Mengen an Kohlenstoffdioxid, die durch die Entwaldung freigesetzt werden. Das Gleiche gilt für gesunden Boden, der im Laufe der Industrialisierung der Landwirtschaft in zum großen Teil totes Substrat umgewandelt wurde. Pflügen, spritzen und düngen zerstört das natürliche Gleichgewicht des Bodens und tötet die in ihm lebenden Mikroorganismen.
Das hat zur Folge, dass der einstmals lebendige Boden sich in eine tote Masse verwandelt, auf der nur noch etwas wächst, weil er mit Kunstdüngern getränkt ist. Diese Dünger wiederum werden aus Erdgas und Erdöl gewonnen, oder aber es werden große Güllemengen aus der Massentierhaltung auf die Äcker ausgebracht. Beides sorgt für hohe Treibhausgasemissionen. Treibhausgase, die von gesunden Böden absorbiert werden könnten. 2000 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid können die noch vorhandenen, gesunden Böden speichern (1). Kaum vorstellbar wäre der Effekt auf das Klima, wenn man beginnen würde, gesunde Böden aufzubauen.
Auch die Meere sind wichtige CO2-Speicher. Man schätzt, dass in den Meeren bis zu 38.000 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid gespeichert sind (1). Doch auch das Ökosystem der Ozeane ist längst aus dem Gleichgewicht geraten. Das anschaulichste Beispiel dafür ist wohl die Korallenbleiche: Die über Jahrtausende gewachsenen Korallenriffe sterben momentan innerhalb weniger Jahre ab. Grund dafür ist die durch den Klimawandel verursachte phasenweise Erwärmung der Meere (2).
Hinzu kommt die massive Überfischung der Meere, das Aussterben von Walen und Haien sowie die Vergiftung der Ozeane mit Abwässern, Abfällen und Plastikmüll. All dies bringt das empfindliche Gleichgewicht in Gefahr, und sorgt dafür, dass der Ozean als CO2-Speicher verloren geht. Noch funktioniert er zwar, jedoch zum Preis der Übersäuerung, welche die Gefahr größerer Rückkopplungen mit dem Klimasystem in sich birgt.
Der Ausbreitung des Menschen, und damit einhergehend der Landwirtschaft, fielen im Laufe der Jahrhunderte Sümpfe und Moorlandschaften zum Opfer. Sie wurden trockengelegt, um die Flächen für die Landwirtschaft nutzen zu können. Torf wurde und wird noch immer abgebaut und als Brennmaterial verwendet. Doch auch Sümpfe und Moore speichern Treibhausgase, und durch die Trockenlegung und Verbrennung werden diese wieder freigesetzt. Und der Wegfall dieser Biotope geht weiter.
Durch seine Eingriffe in die weltweiten Ökosysteme hat der Mensch das Gleichgewicht der Erde empfindlich gestört, und nicht nur den Klimawandel, sondern auch das sechste Artensterben verursacht.
Obwohl einige Menschen behaupten, man müsse Klimaschutz und Umweltschutz streng trennen, weil es sich um ganz unterschiedliche Dinge handelt, zeigt sich hier, dass das nicht stimmt. Effektiver Umweltschutz, also der Erhalt von Ozeanen, Wäldern, Mooren und Sümpfen sowie gesunder Böden, bedeutet auch effektiven Klimaschutz. Diesen Zusammenhang bestätigt eine aktuelle Studie der ETH Zürich.
Danach wäre es möglich, den Klimawandel durch Aufforstung zu bekämpfen. Möglich wäre es, etwas weniger als eine Milliarde Hektar Wald verteilt über die ganze Welt, zu pflanzen. Damit müsste jedoch schnell begonnen werden, da es Jahrzehnte dauert, bis die positiven Effekte zum Tragen kommen.
Doch die Gleichung funktioniert auch umgekehrt. Der Klimawandel setzt die ohnehin schon geschädigten Ökosysteme weiter unter Druck, und trägt so zum Artensterben bei. So führt effektiver Klimaschutz auch zu einem effektiven Artenschutz. Man sieht, dass Klimaschutz und Umweltschutz sich nicht trennen lassen.
Was wirklich notwendig wäre
Doch Aufforstung alleine kann nicht genügen. Denn hierbei handelt es sich lediglich um eine Symptombekämpfung. Klimawandel und steigende CO2-Emissionen sind Folgen der Konsum- und Wegwerfgesellschaft, des Zwangs zum Wachstum und der Gier nach immer mehr und immer Neuem. Die Art und Weise, wie wir leben, muss sich von Grund auf ändern. Das betrifft die Art und Weise, was wir wie essen, wie wir wohnen, uns kleiden, uns fortbewegen, was wir produzieren, vor allem wo und in welchen Mengen.
Ohne eine umfassende Deindustrialisierung, eine Regionalisierung von Wertstoff- und Versorgungskreisläufen, die Abschaffung aller Kunststoffe und synthetischer Mittel, eine Orientierung hin zu einer Gesellschaft, die nicht von Gier und Konsum angetrieben wird, bleibt jede Maßnahme nichts als eine Scheinlösung.
Der Wandel müsste so tief greifend sein, dass an seinem Ende eine Gesellschaft steht, die sich komplett von unserer heutigen unterscheidet.
Dieser Wandel bietet jedoch eine Menge Chancen. Leben die Menschen heutzutage entfremdet nebeneinander und im ständigen Konkurrenzkampf, in einer Welt des beständigen Mangels und des Zwanges zu einer, oft sinnlos erscheinenden, Lohnarbeit, so könnte sich dies vollkommen ändern. Der Wandel hat das Potenzial, eine Gesellschaft entstehen zu lassen, in der die Menschen wieder miteinander leben, in der soziale Interaktion nicht zur reinen Notwendigkeit verkommt.
Auch wäre die oftmals sinnlose Arbeit nicht mehr notwendig, stattdessen werden sinnvolle Tätigkeiten ausgeübt, die der Versorgung der Menschen dienen, die sich auf das Wesentliche beschränkt. Damit einhergehen würde auch eine deutliche Verringerung der Arbeitszeiten, sodass mehr Zeit bleibt, eine menschliche Gesellschaft zu gestalten. Ständiges Hetzen durch die Welt, weil man von einer Tätigkeit zur nächsten springen muss, weil man, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, pendeln muss, und dabei mehr im Stau steht, als sich fortbewegt, all das kann der Vergangenheit angehören, wenn wir es nur wollen, und den Wandel selbst in die Hand nehmen.
Alles das sind notwendige Begleiterscheinungen eines Wandels hin zu einer ökologischen Gesellschaft. Doch die Politik ignoriert diese Vorschläge. Stattdessen fokussiert sie sich auf Elektromobilität und alternative Energien, die nur eine Fortsetzung des Status Quo mit anderen Mitteln bedeuten. Die Logik des Immer mehr, des Wachstums und des Profites blendet jede wirkliche Ursachenbekämpfung aus und reduziert Gestaltungsmöglichkeiten auf deren Rendite.
Dies ist der Grund, warum Politik und Wirtschaft auch auf die Protestierenden zugehen können. Die von ihnen vorgeschlagenen Lösungen bewegen sich innerhalb der Logik des Systems. Sie müssen keinen Verlust ihrer Machtposition hinnehmen, sondern wittern ein neues Geschäft, und damit die Möglichkeit, in einer Welt noch Wachstum zu generieren, in der jeder Markt bereits gesättigt ist. An den grundlegenden Abhängigkeitsverhältnissen, der Unterdrückung der Masse durch das Diktat der Lohnarbeit und auch an der Zerstörung der Natur ändert sich dadurch nichts.
Das gegenwärtige System liefert uns keine tragfähigen Lösungen für die großen Probleme unserer Zeit. Dadurch, dass es jede Handlungsoption auf den reinen ökonomischen Nutzen reduziert, ist es blind für die tatsächlichen Notwendigkeiten. Es reformieren zu wollen bedeutet nur eine Verschwendung kostbarer Zeit. Der notwendige Wandel kann nicht innerhalb dieses Systems stattfinden.
Das bedeutet, dass der Wandel in der Hand von jedem von uns liegt. Wenn von Politik und Wirtschaft nichts mehr zu erwarten ist, müssen wir der Wandel sein, den wir in der Welt sehen wollen. Fangen wir also gleich damit an, denn wir sind eigentlich schon zu spät dran.
Quellen und Anmerkungen
(1) Schwinn, Florian: Rettet den Boden, S. 45, Westend Verlag, 2019.
(2) Terry P. Hughes et al.: Global warming and recurrent mass bleaching of corals. In: Nature. Band 543, 2017, S. 373–377, doi:10.1038/nature21707
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