„Deutsche trinken im Corona-Lockdown noch mehr Alkohol — Experten sind alarmiert“, schrieb der Merkur am 20. Mai 2021 (1). „Im Lockdown werden sie beinahe unsichtbar, und dennoch dürfen sie nicht aus dem Blick geraten: die Fälle häuslicher Gewalt. Die Berliner Charité verzeichnet in ihrer Gewaltschutzambulanz erneut einen Anstieg der Fälle — vor allem bei Frauen und Kindern“, ließ rbb24 (2) am 03. März 2021 verlauten. Weitere Artikel ähnlichen Inhalts finden sich in etlichen anderen Medien. Dabei ist Alkohol selbstredend nur eine der Substanzen, zu denen während des Lockdowns vermehrt gegriffen wurde.
Nun ist der Lockdown nicht generell die Ursache für gesteigertes Suchtverhalten und gestiegene Gewalttaten. Beide Probleme gab es vorher schon, und das nicht zu knapp, doch angesichts der C-Maßnahmen, ob in Form von weniger Kontakt zur eigenen Spezies oder aufgrund wirtschaftlicher Nöte, dürfte die Stresstoleranz bei vielen Menschen überstrapaziert worden sein. Es ist zu befürchten, dass Suchtverhalten — ob mit oder ohne Lockdown — generell ein eher steigendes Problem als ein nachlassendes sein wird.
Süchtig — liegt‘s wirklich an den Genen oder an Stress und Traumata?
Einer, der sich jahrzehntelang intensiv mit dem Thema Sucht im engeren und weiteren Sinne sowie in diesem Zusammenhang auch mit kindlichen Gewalterfahrungen und Traumata auseinandergesetzt hat, ist der kanadische Arzt Dr. Gabor Maté. Er gilt als einer der renommiertesten Suchtexperten weltweit.
Ein Dokumentarfilm über die Arbeit des Arztes mit dem Titel „The Wisdom of Trauma“ (3) wurde als Crowdfundingprojekt von Zaya und Mauricio Benazzo, einem bulgarischen Filmteam, umgesetzt und feierte Mitte Juni 2021 Premiere in den USA. In dem Film, der die Erkenntnisse von Dr. Maté zum Schwerpunkt hat, wird deutlich, dass Süchte alle Gesellschaftsschichten betreffen und dass ihr Ursprung zumeist in frühkindlichen Schmerzerfahrungen liegt. Nicht zuletzt die unaufgeregte, gefühlvolle Präsentation der mitwirkenden Menschen macht diesen Film äußerst wertvoll.
Dr. Maté stützt sich auf jahrzehntelange Erfahrungen mit Hardcoresüchtigen in Vancouver sowie auf Forschungsergebnisse aus der Hirnforschung und Neurobiologie. Diese Ergebnisse belegten eindeutig, dass die Entwicklung des Säugetiergehirns maßgeblich von seiner Umwelt bestimmt werde. Schon in der Gebärmutter, insbesondere aber in den ersten Lebensjahren eines Kindes, fänden wichtige Verdrahtungen im Gehirn statt, die später darüber entscheiden würden, ob jemand zur Substanzabhängigkeit oder anderen Formen von Süchten neige oder nicht.
Ob es dazu letzten Endes kommt, hängt wiederum davon ab, ob es im Leben des Kindes oder Heranwachsenden außerhalb des dysfunktionalen Elternhauses emotional verbindliche Menschen oder Strukturen gibt. Demnach haben Süchte weder mit der Genetik noch mit Willensschwäche zu tun, sondern mit neurophysiologischen Schaltkreisen im Gehirn, die sich aufgrund früh erlebter Stresserfahrungen bilden. Ein Mangel an verlässlichen Bindungen, konkreter Missbrauch, Vernachlässigung oder andere Stressoren wirken sich besonders gravierend auf das kindliche, also das sich entwickelnde Gehirn aus. Stress beeinflusst wiederum den Cortisolhaushalt im Körper.
Cortisol gilt neben Adrenalin als eines der relevantesten Stresshormone, das von der Nebennierenrinde besonders in Gefahrensituationen vermehrt produziert wird, ein prinzipiell sinnvoller Stoffwechselvorgang. Doch auf chronischen Stress ist der Mensch von Natur aus nicht vorbereitet. Daher wirkt sich anhaltender Stress negativ auf Körper, Geist und Seele aus, denn ein dauerhaft hoher Cortisolspiegel hält den Organismus in Kampfbereitschaft und kann die Ursache oder mindestens ein Co-Faktor von vielerlei Symptomen sein, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma, Hautleiden, entzündliche Darmerkrankungen sowie eine breite Palette an Autoimmunerkrankungen — und Süchten.
Auch für die Nervenzellen im Gehirn bedeutet konstanter Stress Alarmbereitschaft. Zu den Folgen können Konzentrationsschwäche und Schlafmangel gehören, was weiteren Stress begünstigt.
Kommt ein Mangel des Schlafhormons Melatonin hinzu, kann der Körper sich kaum noch autonom regenerieren. Paradox sei, so Maté, dass bei einer Vielzahl der Erkrankungen, bei denen Stress als eine der Ursachen in Frage käme, ausgerechnet steroidhaltige Präparate (Substanzen mit hormonähnlicher Wirkung) verschrieben würden, statt die Rolle von Stress im Krankheitsgeschehen in Betracht zu ziehen.
Im Überlebensmodus
Kinder reagieren besonders sensibel auf Stress, sei es als Folge von Bedrohungen, ständiger Reizüberflutung, Gewalt oder aus Mangel an dem Gefühl, ausreichend gehalten und akzeptiert zu werden. Das Gehaltenwerden bezieht sich dabei nicht allein auf die physische Präsenz der Eltern, sondern vor allem auf die seelisch und körperlich erlebbare Sicherheit, als Kind willkommen zu sein — und zwar mit allen Gefühlen. Eine solche Sicherheit können Erwachsene aber nur dann anbieten, wenn sie sie selbst kennen. Erlebt das Kind diese emotionale Sicherheit nicht, reagiert es je nach Ausmaß des wahrgenommenen Fürsorgedefizits und Stresserlebens mit Anpassung oder Resignation.
Warum tut es das? Um zu überleben. Aus der Sorge, nicht versorgt zu werden, entsteht Angst, aus der Angst wird Wut. Darf diese nicht adäquat ausgedrückt werden, führt sie entweder zu destruktivem Verhalten sich selbst oder anderen gegenüber oder zu Trauer. Wurden all diese Emotionen vom Umfeld nicht wahrgenommen beziehungsweise nicht als natürliche menschliche Befindlichkeit respektiert, folgt die Anpassung als dominierendes Lebensgefühl, oder aber dieser Mensch bleibt weiterhin im „Überlebensmodus“, was sich in latenter Kampfbereitschaft ausdrücken kann. Sehr angepasste Menschen neigen wiederum zu Opportunismus und zur Korrumpierbarkeit. Beides hat mit der fehlenden Verbundenheit zu ihrem wahren Selbst zu tun.
Um süchtige Menschen zu verstehen, geht es nicht um die Frage, was mit ihnen nicht in Ordnung ist, sondern darum, was mit ihnen passierte, welches Ereignis also zu dem Kontrollverlust über das eigene Leben geführt hat. Zwei der fundamentalsten menschlichen Bedürfnisse seien, so Maté, der Wunsch nach Berührung und das Verlangen, authentisch — also man selbst — zu sein. Würden diese Bedürfnisse nicht erfüllt, begännen Menschen, ihr Bauchgefühl zu unterdrücken, damit sie in einer Welt des emotionalen Mangels weiterhin existieren könnten.
In unserer modernen Gesellschaft sei es immer noch oft so, dass Kinder, die ihre Wut oder ihren Ärger zum Ausdruck brächten, separiert oder aufgrund von Wahrnehmungsstörungen zu neuer Kundschaft für das pharmazeutische und medizinische sowie sonstige therapeutische Establishment würden. Ein Teufelskreis. Ziel müsse sein, Ärger und Wut so zu kanalisieren, dass deren Folgen keine destruktiven Ausmaße annähmen.
Zusammengefasst: Wenn ein Kind mit seinen noch limitierten Ressourcen in Bezug auf die Selbstregulation niemanden hat, mit dem es über seine Gefühle und Erlebnisse offen sprechen kann, führt das zur Abspaltung von seinem Wesenskern, seinem individuellen Sosein.
Das Fehlen eines emotional tragfähigen, erwachsenen Umfeldes, in dem das Kind sich entsprechend artikulieren kann und darf, ist besonders fatal und kann im Gehirn die Bereitschaft für späteres Suchtverhalten etablieren.
Dabei geht es nicht nur um Substanzabhängigkeiten, sondern auch um vielerlei andere Arten von Süchten, wie etwa die Sucht nach pornografischen Inhalten, Konsum-, Glücksspiel- oder Arbeitssucht — Ersatzverhaltensweisen also, die das Individuum von seinem wahren Selbst abkoppeln, um den Schmerz, die unsägliche innere Leere nicht spüren zu müssen.
Unsere Reaktionen auf andere und uns selbst hängen somit maßgeblich davon ab, ob wir uns als Kinder gehalten und akzeptiert fühlten oder nicht. Doch nicht nur offensichtliche Vernachlässigung oder Misshandlung kann zur Abspaltung vom eigenen Selbst führen, sondern auch eine zu hohe Erwartungshaltung der Eltern, die wiederum aus deren eigener mangelnder Verbundenheit zu sich selbst resultieren kann. Emotionale Vernachlässigung kommt nicht nur in offensichtlich dysfunktionalen Familien vor. Wenn Eltern beispielsweise versuchen, emotionale Nähe durch Materielles und eine heile Fassade zu ersetzen, kommt das Seelenleben der Kinder auch zu kurz.
„Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind. Wir sehen sie so, wie wir sind“ (Anaïs Nin)
Wie bildgebende Verfahren inzwischen bestätigen, sehen die Gehirne von traumatisierten Kindern anders aus als die von nicht traumatisierten. Befragungen von GefängnisinsassInnen zeigen darüber hinaus, dass weit mehr als die Hälfte von ihnen bereits Gewalt- oder schwere Verlusterfahrungen in der Kindheit hatte. Auch kontinuierlicher Pornografiekonsum verändert das Gehirn, wie Gary Wilson in seinem Buch „Brain on Porn“ (deutscher Titel: „Porno im Kopf“) darlegt. Wilson beschäftigte sich ebenfalls intensiv mit der Neurochemie von Sucht, Paarung und Bindung. Ihm war aufgefallen, dass immer mehr Menschen über negative Auswirkungen auf ihre Persönlichkeit und Lebensqualität durch den Konsum von Internetpornografie klagten.
Das Wirkprinzip hinter Süchten basiere neurobiologisch immer auf einem kurzfristigen Belohnungssystem. Auch hier spielen die Hormone wieder eine Rolle. Die letztendliche Belohnung oder das, was wir als Glücksgefühle erleben, geht auf die Freisetzung endogener Opioide zurück. Diese morphinähnlichen Chemikalien heften sich an Rezeptoren innerhalb des Belohnungssystems. „Die des Höhepunktes scheint aus einer riesigen Freisetzung von Opioiden zu entstehen“, schreibt Wilson. Das relevante Hormon, um das es dabei gehe, sei Dopamin.
Daniel Z. Lieberman und Michael E. Long legen in ihrem Buch „Ein Hormon regiert die Welt“ (4) dar, dass der Stoffwechsel des Glückshormons Dopamin sogar beantworten könne, wieso Menschen eine bestimmte Partei wählten. Der Systemtheoretiker und Psychologe Norbert Bischof nimmt an, dass Individuen, die sich zu links- oder rechtsextremen Gruppen hingezogen fühlten, an einer ähnlichen Neurose litten. Die Linksextremen idealisierten die Zukunft und hätten eher mit einer missglückten Mutterbindung zu tun, die Rechtsextremen idealisierten die Vergangenheit, deren Ursache vermutlich in einer als nicht verlässlich erlebten Bindung zum Vater läge.
Bei den drei dominanten Gehirnsystemen, die an der Sucht beteiligt sind, handelt es sich um das opioide Bindungsbelohnungssystem, das dopaminbasierte Anreiz- und Motivationssystem und den Bereich der Selbstregulation im präfrontalen Cortex. Diese Systeme sind insbesondere bei süchtigen Menschen aus dem Gleichgewicht geraten. Dazu kommt der Mechanismus der Stressreaktion. Gesunde emotionale Interaktionen zwischen Eltern und Kindern begünstigen die Entwicklung der natürlichen Opioid- und Dopamin-Schaltkreise im heranwachsenden Gehirn, ungesunde Interaktionen behindern sie.
„Dies über alles: Sei dir selber treu. Und daraus folgt, so wie die Nacht dem Tage, du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen!“ (Shakespeare, aus „Hamlet“)
Was im Elternhaus oft schon seinen Anfang nimmt, wird in der Kita oder der Schule nicht unbedingt korrigiert; die Konditionierung wird dort oftmals noch fortgesetzt. Die Kinder werden in der so wichtigen Reifezeit ihres Gehirns durch Notendruck, lebensferne und wenig kindgerechte Lehrplaninhalte zu Funktionären erzogen und nicht zu autonom denkenden und handelnden Erwachsenen, zumal der Unterrichtsablauf es kaum ermöglicht, ein Gleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung zu schaffen. Letzteres wäre durch freies Spiel, unzensierte Bewegung und besonders durch kreative Mitgestaltungsoptionen machbar und wichtig. Institutionalisierte Strukturen begünstigen sogar noch traumatisierende Erlebnisse, statt dass sie Räume für Heilung anbieten.
Bedauerlicherweise neigen derartige Strukturen und Systeme dazu, sich selbst zu erhalten — etwa durch immer mehr und immer unsinnigere Verordnungen und Maßnahmen, Kontrolle und die Bestrafung jener, die authentisch geblieben sind und sich als Pioniere für Reformen engagieren. Kommt uns das irgendwie bekannt vor?
Die Konsequenzen dieser traumatisierten, von ihrem inneren Selbst abgespaltenen Gesellschaft zeigen sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft. Die Devise lautet: „Wir bauen auf und reißen nieder, so gibt es Arbeit immer wieder.“
Es wird auf Verschleiß produziert, Klimazertifikate ersetzen konkreten Naturschutz vor Ort, Subventionen fließen häufig in die Taschen jener, die ohnehin schon viel Macht und Einfluss auf dem Markt haben, und die Unterhaltungsindustrie lebt von Trivialität, Spott und leeren Inhalten. Besonders gut abbilden lässt sich diese Dynamik anhand der industrialisierten Agrarwirtschaft als Inbegriff des arglosen Umgangs mit Mutter Erde und des auch dort wirksamen Credos „immer mehr, immer schneller, möglichst billig“.
„Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen durch den Garten“ (Rabindranath Tagore)
Mittels Kunstdünger, Pestiziden und Monokulturen sollen Ernteerträge gesteigert werden oder in der Massentierhaltung durch Antibiotika und andere Präparate. Doch die Früchte des Ackers brauchen naturgemäß einen fruchtbaren Boden und kein Substrat auf der Grundlage von Steinwolle, wie es inzwischen als „nachhaltige Anbaumethode“ propagiert wird. Neben einem fruchtbaren Boden benötigen Pflanzen die Sonne als Lichtquelle und, ganz wichtig, Zeit zum Reifen.
Mit Kindern und Säugetieren verhält es sich ähnlich. Um im Leben verwurzelt zu sein, brauchen sie Erdung in Form sicherer Bindungserfahrungen, Licht und vor allem Zeit für ihre Reifeprozesse. Stehen diese Rahmenbedingungen nicht zur Verfügung, werden sie zum Bindungsobjekt, an dem die vermeintlich Erwachsenen ihre eigene Bedürftigkeit und Unbewusstheit ausagieren.
Und diese Reifeprozesse sind unerlässlich, damit Kinder sich zu souveränen Erwachsenen entwickeln können, die aufgrund ihrer Verankerung in sich selbst idealerweise das Rüstzeug für eine wirkliche Demokratie besitzen. Daher dürfte es der falsche Weg sein, das System nur anzuklagen und die Politik für alles verantwortlich zu machen, zumal nichts mehr an alte Strukturen bindet als Vorwürfe und Anklagen. Das System ist mehr als die Summe seiner Teile, und die Politik, ob auf kommunaler, nationaler oder globaler Ebene, bildet nur das Massenbewusstsein und die seelische Reife der jeweiligen Gesellschaft ab. Das Verharren in der Kritik- und Anklageschleife hat übrigens etwas mit Fixierung zu tun.
Neurotische Menschen können nicht souverän sein
Dr. Hans Hein, Arzt und Psychotherapeut aus Hannover und Gründer des Forums Synergie (5), sagt dazu:
„Fixierung ist eine der Fallen, die ich als Hindernis der Befreiung betrachte. Wir entscheiden, ob wir den Wandel unterstützen oder das alte System mit unserer Aufmerksamkeit nähren. Das Feld gewinnt! Wer mit dem bisherigen System unzufrieden ist, tut also gut daran, für sich herauszufinden, was sie oder er denn anders machen würde, — und das dann auch zu tun.
Dazu ist es nützlich, sich mit Gleichgesinnten, die eine ähnliche Vision teilen, zu verbinden. Ansonsten bleiben auch diese Menschen in gewohnheitsmäßigen Mustern gefangen, wie in einer Art Schwingkreis im Nervensystem. Ein Wandel braucht immer inspirative Intelligenz und eine spielerische Herangehensweise an die Dinge.
Dabei geht es auch um Rückgrat und die Fähigkeit, authentisch ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ sagen zu können, denn erst das macht Souveränität aus. Andernfalls bleibt man in der Erstarrung oder Fixierung und spielt jenen in die Hände, die vom bisherigen System die Profiteure sind.
In dem Buch ‚DelphinStrategien‘ unterscheiden die Autoren Dudley Lynch und Paul Kordis zwischen Karpfen, pseudoerleuchteten Karpfen, Haien und Delfinen. Demnach sind die Karpfen die Getriebenen, die Lämmer sozusagen, die Arbeitsameisen, leicht manipulierbar durch Propaganda und ‚Brot und Spiele‘. Die Karpfen reagieren, statt zu agieren, lassen sich leicht mit ein paar Schlüsselbegriffen steuern und domestizieren. Die Karpfen entsprechen den sogenannten Gutmenschen.“
Das Hinterlistige daran sei, so Hein, ob im Dritten Reich oder in anderen diktatorischen Systemen: Die Karpfen würden immer ausgenommen. Das derzeit paradigmatische Denken in der Politik — und nicht nur dort — funktioniere deshalb so gut durch Schlüsselbegriffe, und die Machthabenden wüssten das, denn ihnen seien die Kästen „Rechts/Links/Mitte“ bekannt. Mit den „pseudoerleuchteten Karpfen“ meinten die Autoren den Personenkreis, der zwar auf andere als die konventionellen Informationsquellen zurückgreife, aber nicht entsprechend handele. Mit Haien wären die gemeint, die sich alles einverleibten. Bei denen ginge es nur um das eigene Überleben ohne Rücksicht auf Verluste. Damit ein Mensch in die spielerische Qualität von Delfinen kommen könne, brauche es Selbstbewusstsein, stimmige Intuition, Konzeptflexibilität, Neugierde, Vertrauen und Hingabe an das Kommende. Und all das sei nur möglich bei Menschen, die nicht traumatisiert und süchtig sind.
Das Spiegelbild verändert sich nicht, indem man den Spiegel zerstört
Moshe Feldenkrais, ein israelischer Kampfkunsttrainer und Ingenieur, hat gesagt: „Sich fürs Nichthandeln zu entscheiden, ist keine echte Wahl: Nichthandeln ist Nichtleben.“ Erst wer ins bewusste und konkrete Handeln kommt, hat die Chance auf Souveränität. „Die Pioniere und die Mutigen sind immer Grenzgänger, und sie haben immer was auszuhalten. Im besten Fall sind sie aber die Wegbereiter für den sogenannten Maharishi-Effekt, denn ab einer bestimmten Intensität im Feld findet Veränderung statt“, ergänzt Hein.
Das gerade in den letzten Monaten und Jahren oft geforderte „Ende der Fremdbestimmung“ muss also im eigenen Kopf beginnen und sich im eigenen Verhalten widerspiegeln.
Weder Souveränität noch die Würde des Menschen kann eine Regierung verordnen; beide sind idealerweise Ergebnisse inneren Wachstums. Wer die eigenen Wunden geheilt hat, will nicht mehr kämpfen und zerstören, sondern kooperieren und seine Talente konstruktiv in die Gemeinschaft einbringen. Genau das sind übrigens die ursprünglichen Merkmale matriarchaler Ethnien.
Außerdem: Das eigentliche „Grundgesetz“, nämlich das von Ursache und Wirkung, existiert immer noch. Wenn die Gesellschaft andere Wirkungen sehen will, müssen andere Ursachen gesetzt werden. In der „Göttlichen Komödie“ von Dante heißt es sinngemäß: „Gleich der Flamme, die sich nachbewegt, so folgt die Form, wohin der Geist sie trägt.“
Konkreter: Menschen haben ein neuroplastisches Gehirn mit schöpferischem Potenzial. Wer sich mehr Blumen, Bäume und Frieden wünscht, erreicht dies nicht durch Demonstrationen und Proklamationen, sondern durch eigenes Handeln vor Ort. Nicht zuletzt deshalb sind Veränderungen zum Positiven in einer Gesellschaft ganz entscheidend dort anzusetzen, wo eine neue Generation heranwächst.
„Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen“ (Anaïs Nin)
In dem eingangs erwähnten Film „The Wisdom of Trauma“ sagt Gabor Maté: „Freiheit hat etwas mit Vollkommenheit, Lebendigkeit und einem gesunden Selbstwertgefühl zu tun. Wenn wir verstehen, dass die Sucht nicht das primäre Problem ist, sondern wirklich eine Reaktion auf das Trauma, dann wird offensichtlich, dass man, um die Sucht zu heilen, einen Tunnel bauen muss, dass man die Wunde ansieht, die diese Person antreibt. Unter dieser traumatisierten Person gibt es ein gesundes Individuum, das nie Ausdruck in diesem Leben gefunden hat, weil ihm nie die Möglichkeit dazu gegeben wurde, es nie Beziehungen hatte, in denen seine authentische Menschlichkeit hätte ausgedrückt werden können.
Sind wir frei? Sind wir bewusst? Treffen wir eine Entscheidung aus vollem Bewusstsein heraus oder werden wir von unbewussten Dynamiken angetrieben, die wir übernommen haben, oder als Reaktion auf Kindheitstraumata? Nur insofern wir nicht bewusst sind, sind wir nicht frei. Wir haben also eine soziale Struktur, die bei vielen Menschen ein Trauma hervorruft und daher eskapistische süchtige Verhaltensweisen fördert, und diese inneren Tendenzen stimmen überein mit dem, wie die Gesellschaft außen aussieht.
Deshalb sieht das alles ganz normal aus. Grundlegend ist die Botschaft, dass wir mit unserem Verstand die Welt erschaffen. Wenn ich also die Weltanschauung habe, dass die Welt ein furchtbarer Ort ist, werde ich in einer Welt leben, in der ich aggressiv, misstrauisch und wettbewerbsorientiert bin und mich so groß wie möglich machen muss, damit ich nicht aufgefressen werde. Ich muss also großspurig und gerissen sein, weil das die Welt ist, in der ich lebe. Und das sind die Menschen, die unsere Gesellschaft mit Macht belohnt.“ Und er fügt hinzu: „Das, was wir Zivilisation nennen, bedeutet die Verleugnung menschlicher Bedürfnisse.“
Darum sei es auch so schwer, „das System“ zu verändern, weil die sogenannten Machthabenden kein Interesse an wahrer Heilung hätten, ein System, das wesentlich auf unbewussten Entscheidungen und niederen Trieben basiere. Große Teile der Wirtschaft überlebten nur, weil die Leute Dinge kauften, die sie nicht brauchen, die ihnen nur vorübergehend ein Gefühl der Befriedigung bescherten, aber die auf lange Sicht nichts nützten, sondern sogar eher schadeten. Wir gingen inzwischen so weit, die Erde wegen unserer Sucht zu zerstören. Die Ausbeutung von Mutter Erde, als ob sie etwas von uns Getrenntes wäre, hätte, wie Maté erläutert, viel mit patriarchalischer Herrschaft zu tun, die sich schon am Umgang mit schwangeren und gebärenden Frauen zeige.
Der Sozialwissenschaftler und Psychohistoriker Lloyd deMause war sogar davon überzeugt, dass Kriege eine Reinszenierung von Geburtstraumata seien. Sieht man sich nun die rasant steigenden Ausgaben für das Militär an und setzt diesen Sachverhalt in Relation zu der Pathologisierung von schwangeren und gebärenden Frauen, lassen sich Zusammenhänge nicht von der Hand weisen.
Grundlegende Reformen in allen Gesellschaftsbereichen
Maté appelliert an Reformen in der Familien-, Bildungs-, Sozial-, Gesundheits- und Drogenpolitik. Fachwissen über Traumata, Gehirnentwicklung und Neurobiologie im Zusammenhang mit Suchtverhalten müssten deutlich mehr in die Studieninhalte entsprechender Ausbildungszweige fließen. Die Gehirnentwicklung werde im Medizinstudium weitgehend ignoriert, ebenso die Psychopathologie des Menschen.
Maté postuliert, dass das gegenwärtige, sehr leistungsorientierte Medizinstudium die empathischeren und sensibleren Menschen eher aussortiere, denn gerade sie seien es, die vermeintliche Autoritäten und Methoden zuerst anzweifelten und dabei schnell an ihre Grenzen gerieten. Viele andere entschieden sich für ein Medizinstudium aus dem unbewussten Antrieb heraus, Autorität über Leben und Tod haben zu wollen.
Die entsprechenden Positionen hätten am Ende daher nicht unbedingt die sensibleren HochschulabsolventInnen inne. Das Letzte, was viele Fachleute aus therapeutischen Berufen, besonders der Medizin, anstrebten, wäre das Zeigen ihrer eigenen Verletzlichkeit, sagt Maté, der als Arzt nicht nur viele Jahre Drogenabhängige betreute, sondern Erfahrungen von der Geburts- bis zur Palliativmedizin vorweisen kann. Gerade im medizinischen Establishment gehe es sehr stark um Bestätigung und Ehrerbietung gegenüber Vorgesetzten.
Maté weiß also, wovon er spricht. Er wurde als Baby zum Schutz vor den Nazis selbst für einige Wochen von seiner Mutter isoliert und entwickelte später Verhaltensweisen in Form von Arbeitssucht und ausufernden Käufen von CDs mit klassischer Musik. Abgesehen von der vorübergehenden Trennung hatte er jedoch eine gesunde Bindung zu seiner Mutter. Wohl nicht zuletzt deshalb offenbarten sich bei ihm schon in jungen Jahren eine ausgeprägt rebellische Seite und ein solides Gefühl für Ungerechtigkeiten. Er tat sich schwer damit, Ideologien blind zu folgen, und hatte eine starke innere Neigung, sich äußerer Willkür und fragwürdigen Autoritäten gegenüber zu widersetzen.
Darf‘s ein bisschen rebellischer sein?
Professor Dr. Gerald Hüther, einer der bekanntesten Hirnforscher Deutschlands, würde seine Kinder regelrecht zu Rebellen erziehen, wie er 2016 gegenüber der Zeitschrift Ergopraxis (6) zugab. Im Detail sagte er:
„Früher hat man geglaubt, dass das Spielen eine Art Vorbereitung auf das spätere Leben ist. Inzwischen ist deutlich geworden, dass sich sämtliche lernfähigen Säugetiere dadurch auszeichnen, dass sie spielen. Und sie spielen nicht, um die späteren Lebenstechniken einzuüben, sondern um auszuprobieren, was mit ihrem Körper und in ihrer Lebenswelt möglich ist. Das heißt, Spielen ist in Wirklichkeit ein aktives Erkunden der eigenen Potenziale. Kinder, denen nicht genügend Raum zum freien und unbekümmerten Spielen bleibt, haben keine hinreichenden Möglichkeiten, sich selbst mit ihren Anlagen, Talenten und Begabungen kennenzulernen.“
Der Sachbuchautor und Lehrerbildner Horst Költze tritt ebenfalls seit vielen Jahren für Reformen im Bildungssystem ein. Er sagt:
„Die junge Generation wird bereits seit zweieinhalb Jahrtausenden für die Interessen der Herrschenden funktionalisiert. Über diesen langen Zeitraum haben die patriarchalen Strukturen und Wertsysteme den Wahrnehmungshorizont für die feminine Intelligenz in ein Schattendasein gedrängt. Die maskulinen Denkmuster sind in der Tiefe des Unbewussten verankert und blockieren den Durchblick der Eltern, aber nicht nur der Eltern, sondern auch den der Lehrerinnen und Lehrer, ja sogar der Bildungsministerinnen und Bildungsminister. Auf diese blinde Weise bestimmt das maskuline Bildungsprinzip der patriarchalen Tradition, was als Bildungswert gilt.“
Das Gehirn jedes Menschen sei, so Költze, von Natur aus mit einer linken und einer rechten Hemisphäre ausgestattet. Bei jeder Tätigkeit, also auch beim Lernprozess, würden die Areale beider Hirnhälften stimuliert. Würde im Lernprozess aber nur das Potenzial der linken Hirnhälfte beansprucht, lerne der junge Mensch über die Zeit von mindestens zehn Schuljahren, seine Gefühlssignale von seiner Persönlichkeit abzuspalten. Das bedeute, das Potenzial der rechten Hirnhälfte fehle bei der Verarbeitung der Lerninhalte. Die linksdominante Bildung ignoriere das Herzgehirn. Das wiederum bedeute: Die Signale des Herzgehirns, die die höheren Gehirnfunktionen wie Wahrnehmung, Kognition und Verarbeitung von Emotionen beeinflussten, lägen quasi brach.
Und damit seien die Kapazitäten des Herzgehirns nicht verfügbar. Die linksdominante Bildung fahre also nur mit halber Kraft. Bei einer solch buchstäblich einseitigen Bildung bleibe die Persönlichkeitsentwicklung auf der Strecke. Wenn junge Menschen mindestens zehn Jahre lang lernen müssten, was sie im Grunde ihres Herzens nicht interessiert, entstünde ein Sinn-Vakuum. Abiturienten hätten dann zwar das sogenannte Reifezeugnis in Händen, wüssten aber mit ihrem Leben nichts anzufangen und suchten Rat bei Agenturen für Lebens- und Berufsorientierung.
Integration von ganzheitlichen Herangehensweisen
Da Traumata buchstäblich im Körper „sitzen“, sind gerade körperorientierte Therapieansätze für eine entsprechend umfassende Genese unerlässlich. Die Kostenübernahme von Methoden wie der Alexandertechnik, dem Rolfing, der Bioenergetik, Shiatsu oder Feldenkrais, um nur einige zu nennen, müssten Bestandteil der Kassenleistungen sein — idealerweise schon Fächer auf dem Lehrplan. Der Wunsch in der Bevölkerung nach mehr integrativen Heilmethoden, darunter auch die Homöopathie, ist durchaus seit Jahren da, wie beispielsweise eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts FORSA (7) aus 2019 beweist.
Bei den politischen Entscheidungen bildet sich das Bedürfnis der Bevölkerung nach mehr Anerkennung komplementärmedizinischer Verfahren allerdings nicht ab. Interessanterweise genießen ausgerechnet Beamte auch in der Hinsicht mehr Vorteile als andere, denn dieser Personenkreis kann — zumindest für bestimmte Indikationsgebiete — Beihilfe (8) für homöopathische oder anthroposophische Heilmittel beantragen (9, 10).
Auch in die gesetzliche Rentenversicherung (11) zahlen Beamte nicht ein. Ohne entsprechende Zusatzversicherung haben Geringverdienende oder gar Hartz-IV-EmpfängerInnen quasi keine Möglichkeit, die Kosten für komplementärmedizinische Leistungen erstattet zu bekommen. Und die Krankenversicherungsbeiträge steigen unaufhörlich.
Dass die Gruppe der Beamten sich mit Kritik am System in Lockdownzeiten mehrheitlich sehr defensiv verhalten hat, überrascht daher wenig. Man könnte schlussfolgern: Je wichtiger die eigenen Privilegien, desto größer das Maß der Anpassung und Selbstverleugnung. Das ist keine Kritik, sondern eine Beobachtung. Natürlich sind Beamte auch nur Menschen, die irgendwann einmal bedürftige Kinder waren.
Ob es um die Gefallsucht der Promis geht, deren Sponsoren in der Regel genau die Konzerne sind, die mit Heilung und Naturschutz ungefähr so viel zu tun haben wie ein Stacheldraht mit einem Seidenschal, oder um viele Protagonisten aus der Politik oder dem Management: Fast könnte man meinen, dass das Verlangen nach Privilegien in Form von Sicherheit, Macht und Sonderrechten ein Gradmesser für eigene innere Konflikte ist, und fragen: „Wie viel Schmerzensgeld und Ruhm brauchst du, um die Situation der Anpassung und inneren Leere ertragen zu können?“
Für Heilungsprozesse ist ein ganzheitlicher Blick sogar unerlässlich
Der Professor für Biophysik Dr. Changlin Zhang erforschte die elektromagnetischen Felder in Menschen und anderen lebenden Systemen. Er publizierte zahlreiche Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und ist Chefredakteur des International Journal of Physiotherapy and Life Physics. In seinem Buch „Der unsichtbare Regenbogen und die unhörbare Musik“ beschreibt er die Situation der heutigen Wissenschaft anhand der Geschichte „Die Blinden untersuchen einen Elefanten“:
Eines Tages brachte ein Fremder einen Elefanten zum König der Blinden. In diesem Königreich war der Elefant unbekannt. Der König ließ einige seiner blinden Experten in seinen Palast kommen und fragte sie, wie der Elefant aussähe. Nachdem sie ihn ausgiebig betastet hatten, sprach der Blinde, der das Bein des Elefanten berührt hatte: „Oh, Majestät, er ist wie ein Pfeiler“, und derjenige, der das Ohr untersucht hatte, meinte: „Oh, Majestät, er ist wie ein großes Blatt.“ Der König und seine Minister lachten herzlich über die Blinden und ihre dummen Antworten.
Diese Geschichte verdeutliche, meint Professor Zhang, wie Experten über Annahmen und Hypothesen fachsimpelten, den Wald vor lauter Bäumen aber nicht sähen. Dazu kommt die inflationär angestiegene Technologisierung der Medizin, in der das mechanistische Weltbild als Paradigma immer noch wesentlich zum Ausdruck kommt.
Von den ökologischen Konsequenzen dieses sogenannten technologischen Fortschritts mal ganz abgesehen, denn, wie die Journalistin Katherine E. Standefer in ihrem Buch „Lightning Flowers“ ausführt, hat die moderne Medizintechnik in den Industrienationen einen hohen sozialen und ökologischen Preis für andere, der sich offenbart, wenn man die Lieferketten für entsprechende Rohstoffe und Geräte verfolgt.
Ihre Spurensuche führte sie zu sterilen Laboren von Medizingeräteherstellern über Tantal- und Zinnminen im Kongo bis zu Nickel- und Kobaltminen in Madagasgar. Auch dieser Aspekt unseres Gesundheitssystems sollte mit Blick auf jegliche Diskussion rund um Nachhaltigkeit berücksichtigt werden.
Reformen dürften sicherlich auch im Umgang mit Schutzbefohlenen oder, wie man heute zu sagen pflegt, mit „Klientinnen und Klienten“ seitens der Sozial- und Wohlfahrtsverbände wünschenswert sein. Zu Recht stellt die Journalistin Vera Lengsfeld in einem Artikel aus 2012 die Frage:
„Wie kommt es bei solch einer Betreuungsdichte dennoch immer wieder dazu, dass Kinder aus einer total vermüllten Wohnung herausgeholt werden müssen oder gar totgeschlagen werden? Vielleicht deshalb, weil die Unterbringung von Kindern bedeutet, dass der Betreuer den Fall an einen anderen Träger abgeben muss“ (12).
Eine Frage, die der Lockdown mit sich bringt, lautet also: Zu welcher „Normalität“ wollen wir zurückkehren?
Will die Menschheit sich weiterhin an einer global agierenden Marketingmaschine abarbeiten, bei der das menschliche Leben von der Konzeption bis zum Totenbett einem Monitoring unterliegt, sogar die Organe posthum noch vermarktet werden, oder entscheidet sich die Menschheit für Heilung auf allen nur möglichen Ebenen?
In seinen Büchern „Im Reich der hungrigen Geister: Auf Tuchfühlung mit der Sucht — Stimmen aus Forschung, Praxis und Gesellschaft“ (13) sowie „Wenn der Körper nein sagt. Wie verborgener Stress krank macht — und was Sie dagegen tun können“ (14), fasst Maté zusammen, welche dramatischen Auswirkungen dauerhafter Stress auf unsere Gehirnchemie haben kann. Wer ein Screening des Films „The Wisdom of Trauma“ organisieren möchte, beispielsweise für den Freundeskreis, die Kirchengemeinde, Schulen oder möglicherweise auch in Kooperation mit Drogenhilfeeinrichtungen oder Obdachlosenasylen, findet auf der Website des Filmteams (15) weitere Informationen zum Prozedere.
Nachbetrachtung: Wo nun einige der Lockdownmaßnahmen gelockert wurden, gibt es hier und da Jubel über die Möglichkeit, endlich wieder „Party machen“ oder zum „Public Viewing“ gehen zu können. Natürlich: „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“. Doch vielleicht ist der gelegentliche Rückzug in die Stille etwas, wobei man Qualitäten in sich selbst entdecken kann, die in der reizüberfluteten, umtriebigen Welt kaum noch wahrnehmbar sind.
Daher ein letzter Gedanke zu diesem komplexen Thema: Gerade heute ist vielleicht ein guter Tag für einen guten Tag, für einen, an dem man einfach mal Smartphone und Fernseher ignoriert, sich irgendwo ins Gras legt und die Augen Richtung Himmel schweifen lässt, den Vögeln lauscht, das Wolkenspiel bestaunt und sich der Gewissheit hingibt, dass wir Menschen irgendwie ja doch alle unter einer Decke stecken. Vielleicht bekommen wir in solchen Momenten sogar die Eingebung, dass der irgendwann in unser aller Leben aufgetretene Trennungsschmerz uns im gemeinsamen Wunsch nach Heilung nun endlich wieder miteinander verbinden statt weiterhin voneinander trennen sollte.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.merkur.de/welt/deutsche-trinken-im-corona-lockdown-noch-mehr-alkohol-experten-alarmiert-zr-90653644.html
(2) https://www.rbb24.de/panorama/thema/corona/beitraege/2021/03/haeusliche-gewalt-anstieg-lockdown-berlin-charite.html
(3) https://thewisdomoftrauma.com/
(4) https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-ein-hormon-regiert-die-welt/1655158
(5) https://www.forum-synergie.de/
(6) https://www.thieme.de/de/ergotherapie/kindliches-spielverhalten-102083.htm
(7) https://www.dzvhae.de/forsa-buerger-wuenschen-homoeopathie-nach-schweizer-vorbild/
(8) https://info-beihilfe.de/beamte-und-beamtenanwaerter/beihilfefaehig/arzneimittel/
(9) https://www.transparent-beraten.de/gesetzliche-krankenversicherung/berufsgruppen/beamte/
(10) https://www.krankenkassenzentrale.de/wiki/krankenkasse-beamte
(11) http://www.versicherungsmagazin.net/fragen/zahlen-beamte-auch-beitr%C3%A4ge-zur-gesetzlichen-rentenversicherung
(12) https://www.achgut.com/artikel/die_sozialindustrie_frisst_unsere_zukunft
(13) https://www.narayana-verlag.de/Im-Reich-der-hungrigen-Geister-Dr-Gabor-Mate/b25533
(14) https://www.narayana-verlag.de/Wenn-der-Koerper-nein-sagt-Dr-Gabor-Mate/b25537
(15) https://thewisdomoftrauma.com/host-a-screening/
Zitate Anaïs Nin:
Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind. Wir sehen sie so, wie wir sind: https://gutezitate.com/zitat/198366
Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen: https://gutezitate.com/zitat/176838
DVD-Tipp:
Aufwach(s)en im Umgang mit digitalen Medien — Was Eltern und Erzieher wissen sollten: Wie der Gebrauch digitaler Medien die Gehirnentwicklung beeinflusst (diagnose:funk)
Ergänzende Literaturtipps:
Dr. Bruce Alexander: The Globalization of Addiction: A Study in Poverty of the Spirit (2010), Oxford University Press
Willi Maurer: Der erste Augenblick des Lebens: Der Einfluss der Geburt auf die Heilung von Mensch und Erde (2009), Drachenverlag
Dr. Marc Bracket: Die Kraft der Gefühle — Nutzen Sie die Energie der Emotionen für sich und ihr Kind, (2021) Unimedica-Verlag
Thomas Sjödin: Warum Ruhe unsere Rettung ist: Stell dir vor, du tust nichts und die Welt dreht sich weiter (2019), SCM R. Brockhaus
Prof. Dr. Ivan Illich: Die Nemesis der Medizin: Die Kritik der Medikalisierung des Lebens Neuauflage aus 2021), C. H. Beck
Prof. Dr. Ivan Illich: In den Flüssen nördlich der Zukunft: Letzte Gespräche über Religion und Gesellschaft mit David Cayley (Neuauflage 2021), C. H. Beck
Prof. Dr. Ivan Illich: H2O und die Wasser des Vergessens (1987), Antiquariat
Prof. Dr. Ivan Illich: Fortschrittsmythen (1983), Antiquariat
Prof. Dr. Ivan Illich: Entschulung der Gesellschaft (2003), Antiquariat
Thierry Paquot: Ivan Illich: Denker und Rebell, 2017, C. H. Beck
Jürgen vom Scheidt: Alleinsein als Chance (1997), Antiquariat
Jürgen vom Scheidt: Innenwelt-Verschmutzung. Die verborgene Aggression: Symptome, Ursachen, Therapie (1973), Antiquariat
Jürgen vom Scheidt: Der falsche Weg zum Selbst: Die Drogenkarriere als gescheiterte Selbstheilung (1984), Antiquariat
Arthur Firstenberg: Die Welt unter Strom — Eine Geschichte der Elektrizität und ihrer übersehenen Gesundheitsgefährdung (2021), Unimedica
Erich Fromm: Haben oder Sein: Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft (Neuauflage 2005), dtv
Arno Gruen: Der Verlust des Mitgefühls — Über die Politik der Gleichgültigkeit (1997), dtv
Neil Postman: Wir amüsieren uns zu Tode: Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie (1988), Fischer TB
Neil Postman: Das Verschwinden der Kindheit (1987), Fischer TB
Betsy Polatin: Humanual: A Manual for Being Human (2020), Waterside Productions
Alexander Kissler: Dummgeglotzt: Wie das Fernsehen uns verblödet (2009), Gütersloher Verlagshaus
Alexander Kissler: Die infantile Gesellschaft — Wege aus der selbstverschuldeten Unreife (2020), HarperCollins
Hans-Hofmann-Reinicke: Grün und Dumm: Die Natur lässt sich nicht zum Narren halten (2020), Independent Publishing
Norbert Bischof: Das Kraftfeld der Mythen: Signale aus der Zeit, in der wir die Welt erschaffen haben (Neuauflage 2020), Psychosozialverlag
Walter Wüllenweber: Die Asozialen. Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren — und wer davon profitiert, 2014, btb-Verlag
Ricardo Semler: Das Semco-System — Management ohne Manager (1993), Heyne (Antiquariat)
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