„Das Leben ist unerträglich, wenn Du nicht schreibst“
(Martin Walser, Radiogespräch, 2021).
... und noch unerträglicher, wenn Du nicht tanzt.
Ja, tanzen wir immer weiter — un hymne à la vie, wie „Danser encore“. Wir haben ja auch nie aufgehört zu atmen, zu trinken, zu essen und zu lieben. Allerdings sind Ort, Anlaß und Weise nun anders. Jetzt muß es nach außen den Anschein geben, wir tanzten jeder für sich, umgeben von unsichtbaren plexiglasigen Gitterstäben, die die Viren, das Leben und den Verstand einhegen sollen: VLV. Und doch schlüpfen sie durch und breiten sich aus.
Wir sind als die Übriggebliebenen nach bald einem halben Jahrhundert Tanzerfahrung erst recht innerlich verbunden mit allen anderen Tanzenden gegen den Wahn der Separierung und Disziplinierung unter falscher Vorspiegelung einer Seuche und vorgeblicher Gesundheitsfürsorge. Das wahre Menschsein scheint in den EU-Ländern bereits bei den Vielen durch Gehirnwäsche abhanden gekommen zu sein, die in ihrer irrationalen Angst maskiert seelisch zu ersticken drohen und ihren Frust als Haß auf Sündenböcke leiten.
Die Orte, wo früher Tanz trainiert wurde, sind jetzt fast verwaist. Kein Ballettunterricht mehr, nicht für Kinder, nicht für Erwachsene. Anderer Tanzunterricht ist auch blockiert: Da stehen meine Frau und ich nun wöchentlich in der Ballettschule vor den Stangen — es sind immer noch dieselben wie Mitte der Achtzigerjahre, an denen wir selber unser Exercice einmal wöchentlich mit anderen absolvierten, nur die Zeiten sind jetzt andere. Und die anderen fehlen in den Spiegeln, wobei die Mehrheit für gemeinsamen Tanz wohl endgültig verloren zu sein scheint: rapide gealtert und verhärmt, völlig unfit und verängstigt. Was aber ist Tanz ohne Unbekümmertheit und erst recht Folkloretanz ohne Gemeinschaft? Wohin seid ihr entschwunden, wo sind die Feste, anläßlich derer stundenlang getanzt wird?
Der Welttanztag am 29. April konnte heuer nicht im Ansatz würdig begangen, höchstens begraben werden. Doch selbst am Grabe drückt man in manchen Kulturen seine Trauer mit und im Tanz aus.
Wo wird noch auf einem Platz, auf oder an der Straße getanzt? Einfach nur so, in der Öffentlichkeit, aus reiner Lebensfreude? Mir ist solche Begebenheit zuletzt am 1. Januar 2019 in Lijiang (Yunnan, VR China) widerfahren. Niemand hätte sich damals vorstellen können, daß noch im selben Jahr ein Virus, ursprünglich im Jahre 2012 in Mojiang (Yunnan) bei an langwierigen Lungenentzündungen leidenden Bergarbeitern — von Fledermäusen übertragen — sich entwickelnd und im Jahre 2013 in ein Speziallabor in Wuhan verbracht, von eben diesem Wuhan aus — modifiziert oder nicht und falls doch, wohl unwissentlich — über einen Markt oder andere Kanäle in die Welt getragen würde, um 2020 und fortan für übelste Reset-Zwecke global mißbraucht zu werden.
Es tanzten am 1. Januar in Lijiang auf 2.500 Meter Höhe nah der Straße auf einem kleinen Platz vor einem Restaurant am frühen Nachmittag Kellnerschaft mit Schürze und Köche mit Kochmütze kraftvoll traditionelle Tänze — wohl aus Laxi, Yunnan — mit lauter Musik und Begeisterung. Ich tanzte sodann lernend zunächst in höflichem Abstand hinter dem Halbkreis her, bis ich vom Tanzführenden hineingewunken wurde. Nach zwei weiteren Tänzen war abrupt Schluß, die Musik aus und ich raus, der halbe Kreis geriet sofort zu drei strammen kurzen Reihen: Der Chef kam heraus zum Appell, die Losung ward gesprochen, denn es war Arbeitsbeginn. Das Kollektiv hatte sich also freudig vorbereitet auf den Arbeitstag.
Dann war da noch in Lijiang spätnachmittags die einmal wöchentlich stattfindende Aufführung der Frauen und ein paar Männer, eher älterer, die zur Ethnie der Naxi gehören, die in jener Region zahlreich vertreten ist. Ihre traditionellen Tänze zeigen die Naxi gerne den meist chinesischen Touristen und laden sie zum Mittanzen ein. Der Tanz aus dem Video war auch dabei. Wenn man den Ton ausstellte und nur auf die einfache Schrittkombination und Armbewegung schaute, könnte man meinen, man sähe einen Tanz vom Balkan oder aus Anatolien. Trotz aller Diversität und des lokalen Kolorits sind gewisse Tanzmuster immer wiederkehrend. Wir sind halt alle Menschen mit meist zwei Beinen und Armen und wollen ähnliche Empfindungen ausdrücken.
Tanzen heißt, lebendig zu sein, mit nahen wie mit fremden Menschen im nonverbalen Austausch zu stehen. Wir sehen uns in den anderen, die sich dem gleichen Rhythmus hingeben.
Tanzen wir durch die Angst hindurch, die uns die Hygiene-Diktatur mit C-O-V-I-D buchstabiert. Wir sind gemeinsam „ziemlich anders“:
„Komm tanz, wir woll'n leben und wir woll'n es ganz! … Niemals werden wir uns fügen, ihren unverschämten Lügen werden wir niemals vertrau'n! … Niemand wird uns infiltrieren und auf keinen Fall dressieren, da sind wir nicht dabei! ...“
Die Musiker und Sänger haben ein komponiertes Lied und einen dichten Text, nur die Tanzenden haben oft kein Bewegungskonzept, jedenfalls kein gemeinsames: L'élégance manque. Kraftvoll wär's, wenn alle etwa beim Refrain synchron tanzten und sodann wieder in Improvisation übergingen — solo oder pas de deux oder in einer Art négyes sich in den Armen liegend und kreisend. Wären die Vierer nicht aus zwei Haushalten, so wär's allemal strafbewehrt unter dem Joch der Maßnahmen-Perversion: AHA, Da Da Da. Es müssen nur viele sein, sehr viele und noch mehr, nicht vergessend, worin unsere Stärke besteht.
„¡Que NO nos quiten lo BAILAO! … Dantzatzen duen herria ez baita inoiz hilko“.
Ach, laßt uns noch einmal freudig und ungestüm mit ganz vielen den baskischen „Carnaval de Lantz“ tanzen und drehen. Verkleidet oder nicht. Man faßt sich nicht an: AHA. Der Tanz — leicht zu erlernen — ist ursprünglich Teil eines Rituals und einer Feier gleichen Namens im Örtchen Lantz in der baskischen Zone innerhalb von Nafarroa/Navarra (Spanien). Der Tanz ist auch verbreitet in Okzitanien und wird in Folkdance-Kreisen, sortiert unter „Französische Tänze“, immer wieder gerne getanzt.
Viele Tänzer in Lantz sind bei ihrem Ritual als „Txatxos“ bunt verkleidet, mit Hütchen — mal spitz, mal rund — und vollmaskiertem Gesicht und vielen Glöckchen an der Kleidung. Die Maske — obgleich die Augen noch nicht verdeckt — tragen die Deutschen schon im Alltag, es fehlte nur an einer Narrenkappe. Und klingeln müßte es auch noch bei ihnen, wenn nicht am Gürtel, so im Kopfe. In Lantz tanzen die Menschen nahe einer bunten Strohpuppe mit langem Spitzhut, der den Dieb „Miel Otxin“ darstellt, der vorgibt, ein böser Geist zu sein, ein großer Riese. Hier und heute haben wir andere Assoziationen: Miel Otxin hat unsere Grundrechte gestohlen und eine Raute könnte sein gestricktes Antlitz zieren. Der böse Geist ist nun der Hygienismus als menschenverachtende Ideologie, den es aus den Köpfen zu vertreiben gilt. Im mehrtägigen Ritual wird die Strohpuppe schlußendlich abgebrannt.
Ob der Zauber hilft? Vielleicht muß Tanz mal etwas kampfeslustiger sein? Ας χορέψουμε Τρυγόνα! Viele dieser pontischen Tänze wirken energetisierend und führen fast in Trance — jedenfalls nach einer Stunde oder zwei. Auf Außenstehende mögen sie kämpferisch wirken, und einer ist es auch gewiß: Σέρρα. Denn kämpfen muß man schon. Kommen wir tanzend denen in die Quere, die uns zu Arbeitssklaven einhüten, abspritzen und kulturell vertrocknen lassen wollen zum Profite der ganz Wenigen. Seien wir die Quertänzer, denn „eines, ja, das sind wir nie, einfach nur euer Arbeitsvieh“ — (Flashmob „Danser Encore“, München 1. Mai 2021).
Wie der Psychologe Klaus-Jürgen Bruder am Ende einer Rede sagte:
„Holen wir uns unser Leben selber zurück, unsere Kultur, wie das uns die 50 Künstler vorgemacht haben, unsere Freunde, von denen wir durch die Abstandsregeln und Kontaktverbote getrennt worden waren, unsere Selbstbestimmung über das Denken und Sagen und Tun, über unsere Körper, unsere Gesundheit. Danser encore! Venceremos!“
„Und für unser Wohlbefinden
lassen wir uns nicht mehr schinden
die Freiheit ist nicht zu entbehren
Zusammenhalt wird sich bewähren
und der Widerstand vermehren.“
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