Die systematische Ausbeutung des Produktionsfaktors Arbeit
Seit einiger Zeit laufen auch im deutschen Fernsehen extreme Beispiele für unmenschliche Arbeitsbedingungen, vor allem im ferneren Ausland. Textilarbeiter in Bangladesch und Myanmar arbeiten nicht nur unter menschenunwürdigen Bedingungen für deutsche und europäische Handelshäuser, sie setzen wegen fehlender Sicherheitsmaßnahmen sogar ihr Leben aufs Spiel. Bauarbeiter aus Nepal schuften unter sklavenähnlichen Bedingungen im reichen Katar, um Fußballfans in aller Welt, auch aus Deutschland, angenehme Bedingungen bei der Fußballweltmeisterschaft im Jahre 2022 zu bereiten. Vor wenigen Jahren stand in Bangladesch eine Textilfabrik in Flammen. Dabei verloren mehr als 100 Arbeiterinnen unter schrecklichen Bedingungen ihr Leben (1). Im gleichen Land stürzte drei Jahre später eine Fabrik ein, wobei mehr als 1.000 Textilarbeiterinnen ums Leben kamen (2).
Man muss nicht einmal nach Bangladesch, Myanmar und Katar gehen, um die systematische Ausbeutung des Produktionsfaktors Arbeit zu erkennen. Auch bei uns in Deutschland läuft eine Menge schief! Daran beteiligt: Personalabteilungen, die heute vielfach mit der englischen Abkürzung HR (Human Resources) betitelt werden.
Werner Rügemer und Elmar Wigand fragen:
„Wie übersetzt man HR eigentlich? Es bieten sich an: ‚Menschenmaterial‘, ,menschliche Rohstoffe‘, ,Humankapital‘ oder auch ,menschlicher Nachschub‘ beziehungsweise ,menschliche Reserve‘. Allesamt Worte, die entweder aus der Sprache von Bergwerksdirektoren herrühren, die Rohstoffe ausbeuten und immer neue Flöze erschließen, oder eher noch aus militärischen Generalstäben, die vor dem Problem stehen, dass ihre Bataillone in der Schlacht zerrieben wurden und neue Soldaten ausgehoben werden müssen. Hinter dem Begriff Human Resources scheint sich dem Wortlaut nach also eine streng kalkulierende Mentalität zu verbergen, die Menschen als rohe Masse sieht, die gewinnbringend auszuheben ist“ (3).
Diese Denk- und Verhaltensweise überrascht nicht. Sie ist eine logische Folge des Gewinnmaximierungsprinzips. Mitarbeiter sind Kostenfaktoren. Wenn die Kosten gesenkt werden, steigt der Gewinn. Wenn Mitarbeiter also entlassen, schlecht bezahlt oder zu mehr Leistung angetrieben werden, steigt der Gewinn.
Mitarbeiter ausbeuten: Business as usual!
Das Statistik-Portal Statista meldet: „Im Jahr 2016 machten die Arbeitnehmer in Deutschland rund 782 Millionen bezahlte und 947 Millionen unbezahlte Überstunden“ (4). Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat ausgerechnet, dass »jeder Arbeitnehmer im Jahr 2016 durchschnittlich 24 unbezahlte und 21 bezahlte Überstunden geleistet hat, zusammengerechnet ist das mehr als eine reguläre Arbeitswoche“ (5).
Ähnliches dürfte auch für den Urlaub gelten, aber Statistiken über verfallene Urlaubstage werden in Deutschland vorsichtshalber gar nicht erst geführt.
Die offensichtlich weitverbreitete, systematische Nichtbezahlung von Überstunden und die Vorenthaltung von Urlaub ist Diebstahl! Jeder Arbeitnehmer weiß genau, was ihm im Falle von Diebstahl, und sei es nur ein Kugelschreiber mit Firmenaufdruck, droht: die fristlose Kündigung.
Zahllos sind die Beispiele für absurde Kündigungsvorgänge: Eine Kassiererin findet einen Pfandbon für 1,30 Euro und löst ihn selbst ein. Oder zwei Bäcker kosten einen Brotaufstrich für wenige Cent, um festzustellen, ob der Geschmack in Ordnung ist. In beiden Fällen: Kündigung.
Nicht nur, dass hier scheinbar jegliches Maß verloren gegangen ist. Viel schlimmer ist die Asymmetrie, die hier zutage kommt. Für die einen ist es Diebstahl, für die anderen eine geringe Übertretung arbeitsvertraglicher Pflichten ohne Folgen. Darüber hinaus stehen viele Mitarbeiter unter Verdacht. Sie werden verdächtigt, nicht ausgelastet zu sein. Dabei lässt man Ihnen selbstverständlich großzügig „freie Hand“, die Arbeit selbst zu gestalten.
Zynische Chefs sprechen in diesem Zusammenhang vom sogenannten „Schiffe versenken“: Die Arbeitslast wird langsam, aber ständig erhöht. Gleichzeitig lässt man keine Gelegenheit aus, den Mitarbeitern das Gefühl zu geben, nicht genug zu arbeiten: „Da geht doch noch was!“, ist eine vergleichsweise harmlose Aufforderung. Gern auch mit dem Vorwurf garniert: „Sie können mich doch ausgerechnet jetzt nicht im Stich lassen!“
In Verbindung mit unbezahlten Überstunden und der seit einiger Zeit ständigen Erreichbarkeit — Smartphone und Teleworking haben eben auch ihre Schattenseiten — werden die Schiffe beziehungsweise Mitarbeiter so lange beladen, bis sie untergehen.
Martin Wehrle bezeichnet diese Vorgesetzten als Schinder-Chefs, die die Konsequenzen ihres Handelns offensichtlich nicht erkennen:
*„Gerade die engagierten Mitarbeiter, die bereitwillig an ihre Grenzen gehen, saufen im Strudel der Überforderung ab und enden als seelische Wracks. Andere sind nur noch mit ihrem Überleben, nicht mehr mit der Qualität der Arbeit beschäftigt. Und wieder andere gehen scheinbar perfekt mit der Überforderung um – doch tatsächlich sind sie nur perfekte Schauspieler. Sie täuschen Auslastung vor, wo keine ist“ (6). *
Die Konsequenzen dieser subtilen, auf Selbstausbeutung abzielenden Arbeitsverdichtung liegen auf der Hand, und dennoch geht das „Spiel“ immer weiter. Folge: Erschöpfung und beginnender Leistungsabfall, Krankheiten, zum Beispiel Burn-out, und längerer Arbeitsausfall oder verdeckte Arbeitsverweigerung.
Noch einmal Martin Wehrle:
„Schuld ist der Mitarbeiter, der untergeht, nicht die Firma, die ihn überladen hat! Das System verzichtet darauf, sich selbst infrage zu stellen. Natürlich ist es leichter, einen Mitarbeiter zum ,Weichei‘ zu erklären, als sich zu fragen: ,Beute ich meine Mitarbeiter aus?‘ Und natürlich ist es bequemer (und billiger; die Verfasser), das Problem in der Burn-out-Klinik zu entsorgen (und die Kosten auf die Krankenkassen und damit auf die Gesellschaft abzuwälzen; die Verfasser), statt selbst eine Therapie gegen Überlastung zu entwickeln“ (7).
Maschinen fährt man nicht am Limit, Mitarbeiter schon: Jeder weiß, dass Maschinen nur eine sehr begrenzte Zeit unter Volllast betrieben werden sollten, denn Volllast wird erkauft mit einem erhöhten Verschleiß und einem erhöhten Verbrauch von Betriebsmitteln, oft auch mit einer Reduzierung der Qualität. Reichen die Kapazitäten nicht mehr aus, müssen notwendigerweise zusätzliche Maschinen beschafft werden, da Maschinen nicht mit sich reden lassen. Mitarbeiter schon: „Wenn diese schwere Zeit vorüber ist ...“, „Wenn wir x weitere wichtige Kunden gewonnen haben ...“, „Wenn die Sonne wieder scheint ....“, „dann werden wir einen oder zwei neue Mitarbeiter einstellen.“
Alles leere Versprechungen! Wenn es um zusätzliches, notwendiges Personal geht, gibt man sich deutlich knauseriger als bei den beiden anderen Produktionsfaktoren. Mithilfe von Planungssystemen, IT-Unterstützung in Form von ERP-Systemen und Rahmenverträgen wird sichergestellt, dass es bei den Materialien kein „Out of Stock“ gibt. Mithilfe von Investitionsplanungs- und Investitionsgenehmigungsverfahren behält man das Anlagevermögen peinlichst genau im Auge. Und die Personaldecke, der Produktionsfaktor Mitarbeiter?
Immer wieder kämpfen Betriebsräte um verlässliche Daten zur Personalplanung und laufen wie Don Quichotte gegen Windmühlen: „Angesichts der volatilen Nachfragesituation stehen Angaben zur Personalplanung nicht beziehungsweise nicht in dem gewünschten Ausmaß zur Verfügung. Von unseren Mitarbeitern müssen wir deshalb ein Höchstmaß an Flexibilität erwarten!“ So oder so ähnlich lauten die Antworten, die der Betriebsrat von der Geschäftsleitung oder von den Controllern erhält. Das ist so, als würde ein Arzt die Veränderungen eines Implantats zwar im Auge behalten, sich aber für den Herzschlag und andere elementare Körperfunktionen nicht interessieren.
Und wie behebt man die Probleme, die aus dem fehlenden vorausschauenden Umgang mit Personalkapazitäten resultieren? Da schließt sich der Kreis! Die Lösung lautet:
- Überstunden, oft nicht bezahlt,
- nicht bezahlter Urlaub (8),
- erhöhter Stress am Arbeitsplatz
mit den bekannten Konsequenzen, die gern auch externalisiert und der Allgemeinheit aufgebürdet werden.
Sehr häufig wird von Mitarbeitern und Personal-Fachleuten beklagt, dass Chefs zu wenig Sozialkompetenz haben. Insbesondere würde zu wenig gelobt. Aber Vorsicht: Das Lob kann auch eine Falle sein!
Ein Lob, das nicht auf die Vergangenheit gerichtet ist, das nicht eine bereits erbrachte Leistung in den Mittelpunkt stellt, ist fast immer der Versuch einer Manipulation. Wenn Chefs dieses Lob aussprechen, dann meistens mit der Absicht, (Mehr-)Leistungen zu erzielen.
Wie oft hört man diese Sprüche im Arbeitsalltag? „Ich freue mich wirklich, dass Sie mich jetzt nicht im Stich lassen. Ohne Sie könnten wir das alles überhaupt nicht schaffen. Schön, dass Sie sich so mit Ihrer Arbeit identifizieren!“ Solche Parolen klingen gut, fordern den Mitarbeiter jedoch dazu auf, etwas zu tun, wozu er sich nicht verpflichtet hat und wozu er nicht verpflichtet ist. Juristisch gesehen, erwartet der Vorgesetzte eine unentgeltlich zu erbringende Leistung unter Ausnutzung einer Schwächesituation. Auch so definiert man Ausbeutung.
Ausbeutung von Frauen: Unterbezahlt in mieseren Jobs!
„Am Equal Pay Day (…) machen Frauen in ganz Deutschland darauf aufmerksam, dass der aktuelle Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern 21 Prozent beträgt. Das heißt: Frauen arbeiten 77 Tage im Jahr umsonst“ (9). Damit liegt Deutschland in Europa im hinteren Mittelfeld, im Jahr 2012 war Deutschland noch Schlusslicht (10).
Maria Grote, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Witten, empört sich: „Frauen verdienen nicht weniger, weil sie weniger leisten, sondern weil sie für gleichwertige Arbeit schlechter bezahlt werden! (11).
In Bezug auf Frauen ist Deutschland bei der Lohndiskriminierung sogar spitze, titelt Spiegel-Online: „Deutsche Politiker und Unternehmen reden zwar viel über Gleichberechtigung im Beruf, in der Realität haben Frauen aber meist die schlechteren Karten. Zu diesem Ergebnis kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Demnach ist in keinem anderen europäischen Land das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern so groß wie in Deutschland.“
Doch nicht nur in Sachen Lohn hinkt Deutschland hinterher. Die OECD kritisiert auch den Anteil von Frauen in Spitzenjobs in deutschen Firmen (12).
„Eine Frau, 13 Männer — so ist das Verhältnis in den Vorständen deutscher börsennotierter Unternehmen im Schnitt. Im vergangenen Jahr ist der Anteil von Frauen in den Spitzengremien zwar gestiegen, aber nur leicht. Einer Analyse des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY zufolge erhöhte er sich zum Stichtag 1. Januar 2018 auf 7,3 Prozent, Anfang 2016 hatte er noch bei 6,5 Prozent gelegen. (…) In vielen Unternehmen ist noch immer keine einzige Frau im Vorstand. 73 Prozent der Gremien sind ausschließlich mit Männern besetzt (13).
Sicherlich sind auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dafür mitverantwortlich, dass Frauen vergleichsweise schlecht bezahlt in mieseren Jobs Beschäftigung finden: „Sie sind häufig teilzeitbeschäftigt, arbeiten in kleineren Betrieben oder geringer verdienenden Branchen und haben durch den Familienknick schlechtere Karrierechancen“ (14).
Darüber hinaus zeigt auch das überholte Gesellschaftsbild „Frauen gehören an den Herd“ Nachwirkungen und wertet die tatsächliche Leistung weiblicher Arbeitnehmer mindestens unbewusst ab. Es ist an der Zeit, diese frauenfeindliche Sicht zu überwinden. Selbstverständlichkeiten, wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Chancengleichheit und Gleichberechtigung, sind nicht nur einzufordern, sondern mit aller Kraft umzusetzen. Alles andere ist Ausbeutung.
Zeitarbeit: Dumpinglöhne für harte Arbeit!
Gleichen Lohn für gleiche Arbeit erwartet auch die große Schar von Zeitarbeitern, die im Volksmund auch als Leiharbeiter bezeichnet werden, während im juristischen und politischen Umfeld der Begriff Arbeitnehmerüberlassung verbreitet ist.
Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn Arbeitnehmer eines Unternehmens gegen Entgelt einem anderen Unternehmen überlassen werden. Während 1995 nur 41.700 Zeitarbeiter gezählt wurden, sind es 2016, also gerade einmal 20 Jahre später, mit 991.000 bereits 24-mal so viele Zeitarbeiter.
In ihrer Untersuchung „Der Arbeitsmarkt in Deutschland — Zeitarbeit —Aktuelle Entwicklungen“ macht die Bundesagentur für Arbeit deutlich, dass Zeitarbeit von unterdurchschnittlichen Einkommen über alle Branchen hinweg und von einer hohen Fluktuation geprägt ist. „Während eine Fachkraft in Zeitarbeit mit durchschnittlich 1.856 Euro brutto nach Hause geht, verdient eine Fachkraft in einem regulären Beschäftigungsverhältnis etwa 2.669 Euro. Ein Beschäftigter aus der Branche Metall und Elektro verdient in Zeitarbeit 1.729 Euro, in einem regulären Beschäftigungsverhältnis 3.058 Euro. Zur Fluktuation: Im ersten Halbjahr 2013 wurden 440.000 Arbeitsverhältnisse in der Zeitarbeit geschlossen, während 484.000 beendet wurden — was fast einen Austausch von 50 Prozent der in Zeitarbeit Beschäftigten bedeutet“ (15).
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stellt darüber hinaus fest, dass Zeitarbeit überwiegend eintönig und körperlich belastend ist (16).
Ein weiteres Problem stellt in diesem Zusammenhang die Zweiklassengesellschaft in den ausleihenden Unternehmen dar: Leiharbeiter versus Belegschaft. Ursprünglich wurden Leiharbeiter eingesetzt, um sich saisonalen oder unvorhersehbaren Auftragsspitzen anzupassen. Heute werden Leiharbeiter weit verbreitet eingesetzt, um Löhne zu drücken (17).
Auch wenn von Unternehmerseite und von Vertretern der Politik immer wieder versichert wird, dass dies angesichts der gesetzlichen Regelungen überhaupt nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist, zeigt die Praxis etwas anderes: Stellen, die bislang mit Facharbeitern besetzt wurden, werden zu Produktionshilfsstellen umfunktioniert. Markus Breitscheidel beschreibt in eindrucksvoller Weise seine dunklen Erfahrungen als Leiharbeiter (18).
Weitere Beispiele:
- „Seit den Hartz-Reformen 2003 hat sich die Zahl der LeiharbeiterInnen beispielsweise in Niedersachsen verdreifacht – dabei erhalten so beschäftigte ArbeitnehmerInnen im Schnitt 20 Prozent weniger Lohn. Verdrängt werden auch hier Stammbelegschaften: So ist von den rund 2.600 Beschäftigten der Bertelsmann-Tochter Arvato E-Commerce, die von Hannover aus das Onlinegeschäft von C&A und Esprit erledigt, mehr als jedeR vierte LeiharbeiterIn. Viele arbeiten bereits seit Jahren so“ (19).
- „Der Versandhandel legt seit Jahren rasant zu. Besonders stark gewachsen sind die Onlinehändler Amazon und Zalando. Durch den Umgang mit ihren Mitarbeitern in Logistikzentren sind die Unternehmen schon wiederholt in die Kritik geraten. (…) Leiharbeit steht dabei im Fokus – und in der Kritik. Das Instrument hat sich nicht nur im Handel und in der Logistik als probates Mittel etabliert, um flexibel auf Saisonspitzen reagieren zu können. Auch die Industrie setzt bei hohem Auftragsbestand auf Zeitarbeitskräfte, von denen sich die Unternehmen schnell wieder trennen können, sobald die Nachfrage nachlässt. (…) Brisant wird es allerdings, wenn Leiharbeitskräfte in Logistikzentren schlecht bezahlt und behandelt werden. Auch dies ist nicht nur auf den Versandhandel beschränkt“ (20).
Es gibt sogar Unternehmen, die in den untersten Hierarchiestufen ausschließlich Leiharbeiter beschäftigen und erst vom Vorarbeiter aufwärts mit eigenen Kräften arbeiten.
Dass es auch anders geht, zeigt der Unternehmer Detlef Lohmann. In seinem Unternehmen der Autozulieferbranche werden, anders als üblich, Leiharbeitern im Vergleich zu festangestellten Mitarbeitern höhere Löhne gezahlt. Lohmanns Begründung: „Die Leiharbeiter engagieren sich nicht, weil sie mehr bezahlt bekommen, sondern weil sie fühlen, dass sie ernst genommen und als wertvoll angesehen werden. Weil sie sich nicht nur als Kostenfaktor fühlen, sondern spüren, dass ihre Arbeit, ihr Risiko und ihre Flexibilität anerkannt werden. Sie leisten jetzt automatisch mehr (21). Das höhere Risiko und die höhere Flexibilität werden also sachgerecht mit einem höheren Lohn belohnt.
Die gegenteilige Praxis, von einem (Mit-)Arbeiter mehr zu verlangen und ihm gleichzeitig weniger zu zahlen, das ist ebenfalls eine Definition von Ausbeutung. Die starke Zunahme von Leiharbeit in den letzten 20 Jahren ist wenig überraschend: In dem Maße, in dem Leiharbeit günstiger ist als Stammbelegschaft — sei es durch verringerten Kündigungsschutz, sei es durch schlechtere Bezahlung — wird sie auch von Gewinn maximierenden Unternehmen angewendet werden.
Das in der Betriebswirtschaftslehre ständig gepredigte Prinzip der Gewinnmaximierung muss daher logischerweise zu einer Erhöhung des Anteils von Leiharbeit führen, und zwar so lange, wie Leiharbeit aus Unternehmenssicht die billigere Alternative zur Stammbelegschaft darstellt.
Bei leicht ersetzbarem, schlecht ausgebildetem Personal spielen Zufriedenheit und Loyalität keine große Rolle für das Unternehmen. Über Druck und Angst, vor allem durch die jederzeitige Kündbarkeit, können hier die Unternehmensgewinne viel stärker erhöht werden als über Arbeitnehmerzufriedenheit oder Loyalität. Aus Gewinnmaximierungssicht ist es rational, den unteren Teil der Beschäftigten, der sich schlecht wehren kann, auch schlecht zu behandeln.
Quellen und Anmerkungen:
Bei Interesse entnehmen Sie bitte die Quellen und Anmerkungen dem Buch „Blenden Wuchern Lamentieren: Wie die Betriebswirtschaftslehre zur Verrohung der Gesellschaft beiträgt“.
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