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Die Faszination des Leblosen

Die Faszination des Leblosen

Der Philosoph Jochen Kirchhoff warnt davor, auf die Rettung der Menschheit durch Technik zu vertrauen und dabei das wirkliche Leben zu verfehlen.

Er naht mit großen Schritten, der Great Reset, der ganz große Umbruch, der alles besser machen soll: gerechter, grüner, ausgeglichener. Endgültig soll sich der defekte Mensch vor der Maschine beugen, dem megatechnischen Pharao, der Macht, die ganz oben an der Spitze der Pyramide die Welt lenkt. Alles ist vorbereitet: Die Politiker der ganzen Welt wurden in denselben Kaderschmieden formatiert, die öffentlichen Institutionen sind unter Kontrolle, die großen Medien gleichgeschaltet und die Massen marschieren im Gleichschritt in eine Richtung. Im Reich der Technik und der Experten ergibt sich der gläserne Bürger der Oberschicht. Tief geht er in die Knie vor dem Gott der abstrakten Zahl.

Wir verneigen uns vor der Macht der Rechenmodelle und Prognosen, dem zusammenhangslosen rationalen Denken, dem Reduktionismus, der sich immer tiefer in die Materie hineingegraben hat. In die kleinsten Strukturen hinein kriecht die Forschung, um dem Weltgeist auf die Spur zu kommen. Nach den winzigsten Teilchen wird gesucht, um aus ihnen eine eigene künstliche Welt zu bauen. Technisch gesehen ist das heute möglich. CRISPR-Cas befähigt uns dazu, das Lebendige beliebig zu manipulieren, und im CERN, der europäischen Organisation für Kernforschung, steht man kurz davor, einen künstlichen Big Bang zu schaffen.

Seit langem schon ist dieser Geist aus der Flasche. Bereits im alten Ägypten wurde er freigelassen, als die Pharaonen nicht mehr ein Sonnenstrahl des Höchsten, eine Verbindung zwischen Irdischem und Himmlischem sein wollten, sondern alle Macht für sich selbst wollten. Galileo Galilei (1564 bis 1642) öffnete diesem Geist schließlich Tür und Tor, als er das lebendige Subjekt aus der Forschung ausklammerte. Seitdem arbeiten sich die Naturwissenschaften an der Erforschung der Formen ab und ignorieren die Inhalte, das Wesentliche. Es interessiert nur das Außen. Das Innen wurde Religion und Psychologie überlassen und ist Privatsache.

So kann heute jemand tagsüber Menschen ermorden und am Abend seinen Kindern einen Gutenachtkuss geben.

Er hat seine Arbeit getan, seine Funktion erfüllt. Abgekoppelt von der Innenwelt zählt nur der Befehl: „Bitte machen Sie weiter!“ Eine stereotyp wiederholte Aussage reichte im Milgram-Experiment aus, um Menschen tödliche Stromschläge zu verabreichen, nur weil sie eine falsche Antwort gegeben hatten, so wie im Dritten Reich die Amtssprache ausreichte, um Millionen von Menschen zu ermorden. Unmenschlichkeit ist nur dort möglich, wo wir uns von unserer Innenwelt abgeschnitten haben. Wir wissen nicht mehr, wer wir sind und was in uns wirkt. Suspekt ist es uns geworden, das „Erkenne dich selbst“ des delphischen Tempels. Damit haben wir das Feld für die Kräfte geräumt, die heute nach der ganz großen Macht streben.

Griff nach der Unsterblichkeit

Hier setzt der Philosoph Jochen Kirchhoff an. Den Begriff des megatechnischen Pharaos bezieht er aus dem Essay „Der Mythos der Maschine“ des amerikanischen Historikers Lewis Mumford. Seit Beginn der Neuzeit ist Technik mit der Verheißung verbunden, dass nun alles besser wird, weil wir es besser können als die Natur. Bereits im frühen 18. Jahrhundert wurde die Idee, den Menschen umzubauen und unsterblich zu machen, mit Mary Shelleys Roman Frankenstein populär. Dennoch wurde die Teufelskralle dahinter nicht gesehen. Auch Julius Robert Oppenheimer, der Erfinder der Atombombe, setzte sich letztlich über alle Bedenken hinweg: „Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer von Welten.“

„What gets measured gets done“, heißt es im Wirtschaftsjargon. Was gemessen werden kann, das kann gemacht werden. Hierbei sind die Kollateralschäden egal. Genauso erleben wir es heute mit der Coronakrise. Für Kirchhoff ist sie wie ein Brennglas: Alle Fehler, die wir bisher gemacht haben, werden uns auf dem Präsentierteller serviert. Durch die Abkopplung vom inneren Sein ist der Wirklichkeitsverlust bei den meisten Menschen so groß, dass nicht gesehen wird, was tatsächlich geschieht. Es interessiert nicht, wie viele Menschen an den Maßnahmen zugrunde gehen. Es geht allein um das, was machbar ist. Auch wenn die Epidemie nur auf Hochrechnungen basiert, die Diagnoseverfahren zweifelhaft sind, die Freiheitsberaubungen unmenschlich und die Impfstoffe lebensbedrohlich: Wir ziehen das durch. Wir schaffen das.

Der Preis ist hoch für die Befreiung aus den physischen und psychischen Unzulänglichkeiten, doch mit noch größerem Verheiß winkt die Belohnung: Das ewige Leben! Seit Anbeginn ist diese Sehnsucht in uns angelegt, ebenso wie die Angst vor der totalen Zerstörung, der Apokalypse. Doch nicht im Spirituellen suchen wir die Erlösung, sondern im Technischen. Wir haben das in bunter Vielfalt Schwingende, das Unvorhersehbare, Mysteriöse einer Kalkulierbarkeit geopfert, die uns in trügerischer Sicherheit wiegt. Die Welt gehorcht uns nicht, die Natur funktioniert nach ihren eigenen Gesetzen. Nur die Maschine ist uns ganz und gar ergeben.

Auf dem Weg in die Katastrophe

Mit unserer mathematischen Logik wähnen wir uns auf sicherem Boden. Die Maschinen funktionieren ja, das ist empirisch nachweisbar. Vielleicht sind sie noch nicht ausgefeilt genug, noch nicht optimal programmiert — doch wir setzen auf sie als alleinige Heilsbringer. So haben wir dem Universum eine abstrakte Maske aufgesetzt und aus dem Lebendigen ein totes Konstrukt gemacht. In einem krankhaften und neurotischen Spaltungsprozess haben Naturwissenschaft und Rationalismus den Menschen zunächst zu einem höheren Tier und schließlich zu einem Biocomputer degradiert.

Das komplexe Wesen, das wir sind, wird auf das virale Geschehen reduziert. Zusammenhänge und Terrain interessieren nicht, allein die Zahl der zur Verfügung stehenden Intensivbetten. Es sind keine Virologen, die die Maßnahmen bestimmen, sondern Mathematiker und Physiker. Sie sind es auch, die die Finanzmodelle entwickeln, die das System zu immer weiterem Aufblähen bringen. Immer mehr Geld wird gedruckt und in ein untergehendes System gepumpt, bevor alles in sich zusammenbrechen wird. So haben wir in allen Lebensbereichen den Bezug verloren. In beliebigen Zapping-Orgien vereinsamt der atomisierte Mensch hinter seinem Computer und versteht die Welt nicht mehr.

Kirchhoff fordert die Philosophie und den einzelnen Menschen dazu auf, sich wirklich auseinanderzusetzen mit dem, was ist, und bis zu den Wurzeln des Übels zu gehen. Er kritisiert die Salongespräche, die Matadore des Urteilens und das Nachplappern gerade aktueller Slogans. Nur Offenheit, eigenständiges Nachdenken und das Erfahren der Welt über die eigene Sinneswahrnehmung ermöglichen es, einen Zugang zur Wirklichkeit und der mit ihr verwandten Wahrheit zu finden. Meditation, ganzheitliche Weltbetrachtung und die Rückbindung an die lebendigen Grundstrukturen auch kosmisch-geistiger Art sind für ihn der einzige Weg aus der Katastrophe heraus. Gelingt uns dies nicht, sind wir verloren.

Die Angst vor der Begegnung mit sich selbst

Der Punkt, um den sich alles dreht, ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Wir wollen nicht sterben! Hierfür, so zeigt es uns der Umgang mit Corona, sind wir bereit, uns lebendig begraben zu lassen. Solange es hinter den Bildschirmen, die uns mit dem Außen verbinden, noch flimmert, nehmen wir alles in Kauf. Wir ziehen uns in unsere vier Wände zurück, feiern alleine Weihnachten und lassen uns freiwillig genetisch verändern, nur um dem Tod nicht ins Auge zu blicken. Denn das, was wir im Sterben zu sehen bekommen, ist unsere größte Angst: die vor uns selbst. Das fremde Wesen, zu dem wir keinen Bezug mehr haben, wartet auf uns im Augenblick unseres letzten Atemzuges und wird uns unweigerlich zur Rechenschaft ziehen: Was hast du da getan? Niemand kann dem entfliehen. Dieser Wirklichkeit müssen wir alle uns früher oder später stellen.

Der megatechnische Pharao kann nur über die herrschen, die seine Angst vor dem Tod teilen. Wir nähren ihn mit unserer Weigerung, die Wirklichkeit anzunehmen. Er würde verhungern, wenn wir uns dafür entscheiden, die Verbindung zu unserer Innenwelt wieder aufzunehmen, wenn wir die Lösungen nicht mehr im Außen suchen würden und die Zyklen des Lebendigen akzeptieren. Leben ist Geburt und Tod, Werden und Vergehen. So hängt der Eintritt in das technokratische Zeitalter allein von uns ab: Wo kein Beherrschter ist, da ist auch kein Herrscher. Wenn wir uns erneut der geistigen Dimension des Lebens zuwenden und uns auf die Suche nach der Wahrheit in uns machen, dann hat Pharao verloren.

Vom Sinnlichen zum Übersinnlichen

Die aktuelle Krise ist nicht nur eine Herausforderung an unsere Bereitschaft, uns mit uns selbst zu beschäftigen, anstatt ständig auf die anderen zu schauen, um sie zu kritisieren oder um Lösungen von ihnen zu erwarten. Sie ist auch eine Herausforderung an unsere Intelligenz. Im Gegensatz zur Künstlichen Intelligenz ist die menschliche Intelligenz dazu in der Lage, Wirklichkeit und Wahrheit zu erkennen und in der Erfahrungswelt Zusammenhänge herzustellen.

Der Glaube an die Superintelligenz der Megamaschinen ist für Kirchhoff ein groteskes Phantasma und letztlich Ausdruck von Dummheit, die wir nur überwinden können, wenn wir den Bezug zum Innen wiederherstellen.

So können wir über das Sinnliche zum Übersinnlichen finden, in einen Raum der wunderbaren Vielfalt, den seelischen Weiteraum. Von der Möglichkeit dieser Verbindung nährt sich seine Hoffnung. Der Todeslauf dieser Zivilisation ist nicht zu stoppen. Die Katastrophe ist schon da. Es wird eine Apokalypse geben, die uns alle aufrütteln wird. Es wird stürmisch werden. Nicht in ein paar Jahrzehnten. Jetzt, in den nächsten Monaten und Jahren. Doch Jochen Kirchhoff ist von Optimismus beseelt. Er glaubt an die unbedingte Würde des Menschen und an die kosmischen Wirkkräfte, die dem Leben auf der Erde eine neue Chance geben.

So wird sich der Great Reset nicht wie geplant vollziehen. Es sind noch ganz andere Kräfte am Werk als die, mit denen wir rechnen. „Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben“, heißt es in Goethes „Faust“. Über eines ist sich Kirchhoff sicher: Die Lösung wird nicht aus der Politik kommen. Für ihn gab es im letzten Jahrhundert nur einen einzigen wirklich erfolgreichen Politiker: Mahatma Gandhi. Wenn wir uns wieder eingliedern in das lebendige Gesamte, wenn wir uns als Teil der Natur begreifen, wenn wir wieder ganz werden und das Außen mit dem Innen verbinden und die Materie mit dem Geist, dann werden uns ungeahnte Kräfte zur Seite stehen und uns durch das Chaos hindurchführen.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.youtube.com/watch?v=Kgnj2zTzcxc


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