Es überrascht nicht, dass das Aufkommen der Antideutschen zu heftigen Kontroversen innerhalb der linken Szene führte. Denn die Antideutschen treiben ihre aus der deutschen historischen Verantwortung hergeleitete Solidarität mit Israel so weit, dass sie Israel und die USA als Träger der abendländischen Zivilisation verherrlichen. Ihre Solidarität mit Israel resultiert also nicht aus einer Auseinandersetzung mit dem realen Konflikt im Nahen Osten, sondern aus einer Überidentifikation mit »den Juden« sowie aus einer Projektion vermeintlich links-deutscher Befindlichkeiten auf Israel.
Sogenannte Linksautonome werfen den Antideutschen eine »völkische« Ideologie vor, weil diese in ihrem klebrigen, peinlichen Philosemitismus die jüdischen Menschen romantisieren und homogenisieren. Der Philosemitismus basiert auf fast denselben Stereotypen wie der Antisemitismus, nur dass er sie positiv bewertet. Wenn Antisemiten Juden dafür hassen, dass sie angeblich so klug und kosmopolitisch sind und angeblich den Nationalstaat zerstören, bewundern die antideutschen Philosemiten sie dafür. War es nicht sogar Henryk M. Broder, der einmal sagte, Philosemiten seien Antisemiten, die die Juden lieben? Er zählt heute zu den publizistischen Helden der Antideutschen.
Viele Exponenten der Antideutschen weisen in der Tat zudem Berührungspunkte zu neurechten Gruppen auf, insbesondere aus der islamophoben Ecke. Zu den Zentralorganen der Antideutschen zählen die Wochenzeitung Jungle World, das Magazin Bahamas und die Monatszeitschrift konkret. Manche antideutschen Autoren pflegen zudem eine gewisse Nähe zu den Publizisten der Website des rechtspopulistischen Netzwerks »Achse des Guten« um Henryk M. Broder, schreiben für entschieden proisraelische Internet-Blogs oder für die extrem rechte Jüdische Rundschau, die rassistische und nationalistische Ideologien verbreitet.
Manche linken Kritiker haben die antideutsche Strömung schon zur »grotesken Narrentruppe deutschen Schuldkomplexes« (1) erklärt und werfen ihnen vor, sie propagierten und zelebrierten »eine Form der Israel-Begeisterung, die sich mit den Maximalpositionen der israelischen Rechten deckt«. In der Zeitschrift der Rosa-Luxemburg-Stiftung war zu lesen, das Problem beim Philosemitismus der Antideutschen sei, dass sie jüdische Personen ebenso als homogene Masse betrachten würden, wie sie dies bei Antisemiten vermuten, nur dass die Vorzeichen spiegelverkehrt sind.
Der linke israelische Historiker Moshe Zuckermann meint, die »doktrinäre Israel-Solidarität« ignoriere die Widersprüchlichkeit der israelischen Gesellschaft. Die Protagonisten der linken Solidarität mit Israel würden einem Zionismus huldigen, der »weitgehend enthistorisiert« sei. Der Zionismus sei in der Vergangenheit eine Notwehrmaßnahme gegen den Antisemitismus gewesen. Vor diesem Hintergrund ist die Parteinahme für Israel im Selbstverständnis der antideutschen Ideologie eine zwingende Konsequenz aus ihrer strikten Ablehnung von Antisemitismus als größtem Übel der Welt. In einigen Ausläufern der autonomen Antifa-Szene ist es deshalb schick geworden, mit einer kaum noch theoretisch begründeten Israel-Solidarität zu kokettieren.
Ironischerweise entzündete sich die »antideutsche« Kritik ursprünglich einmal am verlogenen Gesinnungskitsch der deutsch-jüdischen Versöhnung mit ihrem tatsächlich »klebrigen Philosemitismus«. Der Publizist Eike Geisel (1945–1997) hat schon früh »jenes unerträgliche Gemisch aus betroffenen Christen, schwärmerischen Israel-Touristen, geduldigen Berufsjuden, bekennenden Deutschen und eifernden Hobby-Judaisten« scharf kritisiert. Nun sind die Antideutschen selbst beim, nunmehr zionistischen, Gesinnungskitsch angekommen.
Aber wie kam es dazu? Vor 1989 war »antideutsch« noch eine ziemlich diffuse Fremdbezeichnung für die antinationale Haltung in Teilen der deutschen Linken. Seine heutige Prägung erfuhr der Begriff erst sehr viel später, indem er als Selbstbezeichnung von einer spezifischen theoretischen Strömung innerhalb der Linken wieder aufgegriffen wurde, und zwar nach dem Mauerfall von 1989.
Die Spaltung der Antideutschen von der übrigen Linken wurde in der aufgeregten Wendezeit von einer breiten Öffentlichkeit kaum beachtet – bis heute. Während in Leipzig zehntausende Menschen für das nahende Ende der DDR und die deutsche Wiedervereinigung demonstrierten, fanden sich in Frankfurt am Main 20 000 Anhänger diverser kommunistischer Gruppen und der Grünen zusammen, um auf die Gefahren der Wiedervereinigung aufmerksam zu machen.
Den Deutschen, so sahen es viele von ihnen schon damals, sei der Antisemitismus kulturell quasi unauslöschbar eingraviert, und jeder deutsche Staat müsse deshalb unweigerlich in einen neuen Holocaust führen. Auf einer antideutschen Kundgebung in Hamburg im Januar 2004 war auf einem Transparent zu lesen: »Deutschland denken heißt Auschwitz denken!« Positionen, die denen der Antideutschen widersprachen, wurden schnell als »antisemitisch« denunziert, was der Satiriker Wiglaf Droste einmal mit dem Bonmot charakterisierte: »Wer als Erster Auschwitz sagt, hat gewonnen.«
Die Haltung der »antideutschen Linken« zur übrigen Linken entspricht der Haltung, die der frühere Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, einmal in der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt brachte. Er schrieb dort: »Der alte anti-zionistische Geist der DDR spukt noch in der Linken«, wenngleich es vor allem West-Linke seien, »die ihren geradezu pathologischen, blindwütigen Israel-Hass ausleben«.
Das einzigartige Phänomen der »Antideutschen« gibt es so nur in Deutschland. Es gibt auch in Frankreich oder Italien Linke, die mit Israel sympathisieren. Die »Antideutschen« nennen sich so, weil sie Deutschland wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit hassen und die USA und insbesondere Israel lieben. Sie betrachten sich als die Beschützer der Juden und sehen auch in den Israelis keine Israelis, sondern Ghetto-Juden, die geschützt werden müssen. Da kann ich nur sagen: »Gott schütze mich vor solchen Freunden, vor meinen Feinden kann ich mich selber schützen!«
Sie hassen Deutschland, stehen fest an der Seite Israels und lehnen jede Kritik an den USA ab. Die Antideutschen sind eine sehr seltsame Gruppe innerhalb der linken Bewegung. Ursprünglich wollten sie mal das »Vierte Reich« verhindern – und haben sich dabei furchtbar verlaufen. Vielleicht glauben sie das alles auch selbst. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie sich in der Unübersichtlichkeit politischer, gerade linker Splittergruppen mit diesem Thema so wunderbar wichtigmachen können. Gerade jüngere Antideutsche finden dieses vermeintliche Distinktionsmerkmal ganz, ganz toll. Schlussendlich geht es dabei nur um die eigene Befindlichkeit. Eine Art politische Theorie oder Analyse ist nicht in Sicht. Ach, wie schön ist es doch, in jeder Bewegung der Hardliner zu sein, sprich, der Durchblicker.
Nach Beginn der Zweiten Intifada ab September 2000 in Israel und Palästina und dem Terroranschlag vom 11. September 2001 in den USA kam es zu einer schroffen Polarisierung zwischen den eher traditionellen Linken auf der einen und den nunmehr als eigenständige Strömung erkennbaren Antideutschen auf der anderen Seite. Der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 und zahlreiche Anschläge auf Synagogen und jüdische Menschen weltweit deuteten sie als Alarmzeichen für einen unverändert starken antisemitischen Vernichtungswillen in allen Teilen der Welt.
Seitdem steht die vorbehaltlose Solidarität mit dem Staat Israel und die scharfe Gegnerschaft zu antizionistischen Haltungen im Zentrum des antideutschen Selbstverständnisses. Antideutsche sehen Juden in aller Welt und insbesondere im Staat Israel von verschiedenen Seiten bedroht – sowohl durch das Fortbestehen einer Ideologie der Volksgemeinschaft in den westlichen Ländern und insbesondere in Deutschland (»Postfaschismus«) als auch durch die Ignoranz der europäischen Regierungen gegenüber dem angeblich erstarkenden Antisemitismus in der EU und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Besonders der virulente Antisemitismus in vielen islamischen Ländern sei eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das Existenzrecht Israels und Bestandteil einer »antisemitischen Internationale«, davon sind sie überzeugt.
Als eigentliche Geburtsstunde der antideutschen Bewegung kann das Jahr 1995 gelten. Bei der Zeitschrift Bahamas verließ die Fraktion, die sich als Teil einer linken Bewegung verstand, die Redaktion. Die verbliebenen Redakteure wollten fortan außerhalb der Linken »nur sich selbst« verantwortlich sein. Die Antideutschen, als deren Zentralorgan Bahamas fortan galt, organisierten sich als (pseudo-intellektuelle) Zirkel, die sich vor allem auf die Kritische Theorie und die Psychoanalyse (sic!) beriefen. Gleichwohl ist ihr intellektuelles Niveau eher schlicht, und sie haben immer wieder zu roher Gewalt gegriffen, wenn es darum ging, andere Gruppen zum Schweigen zu bringen.
Statt sachliche Analysen zu betreiben, theoretisieren sie ihre eigene Befindlichkeit.
In Leipzig versuchten sie den Vortrag des britisch-kanadischen Philosophen Ted Honderich zu sprengen, indem sie mit einer riesigen Israelfahne auf das Podium traten, Honderich verdeckten und ihn so am Vortrag hinderten. Es musste schließlich die Polizei gerufen werden. Ebenfalls in Leipzig versuchten »Antideutsche«, den Vortrag des Auschwitzüberlebenden Hajo Meyer auf dieselbe Art und Weise zu verhindern.
Als Meyer sie darauf aufmerksam machte, dass ihn das an die Aufmärsche der SA-Trupps erinnerte, als diese vor der Machtergreifung diverse Veranstaltungen von Kommunisten, Sozialdemokraten und natürlich Juden sprengten, lachten die überwiegend jugendlichen Störenfriede. Ähnlich wie die Nazis waren sie überzeugt von ihrer Untat. Meyer konnte nur noch hinzufügen, dass die Polizei damals auf der Seite des Unrechts war – im Gegensatz zu heute.
Berühmt und berüchtigt sind die Antideutschen auch deswegen, weil sie einen unnachgiebigen Kampf gegen den Islamismus propagieren und ihnen auch gewöhnliche Muslime verdächtig sind. Sie sind der Ansicht, dass dieser Kampf vor allem militärisch geführt werden müsse und dass Entwicklungen wie die arabischen Revolten auch langfristig keinen Anlass zur Hoffnung auf Besserung des Nahost-Konfliktes bieten könnten, und bieten dafür komplexe und abstrakte philosophische Begründungen auf. Mit den Niederungen gesellschaftlicher Realitäten und der spezifischen Geschichte des Nahen Ostens befassen sich Antideutsche dagegen nur ungern bis gar nicht. Man will sich eigentlich nur mit der eigenen Sichtweise befassen.
Aus dieser Analyse folgt für Antideutsche die Forderung nach bedingungsloser Solidarität mit Israel, welches als Staat der Holocaust-Überlebenden eine notwendige Zuflucht für verfolgte Juden aller Länder bilde. Diese grundsätzliche Solidarität mit Israel bedeutet bei vielen Antideutschen auch die volle Unterstützung für die konkreten politischen und militärischen Maßnahmen der jeweiligen israelischen Regierungen.
Israel habe »als Opfer beständiger Aggression durch palästinensische Organisationen das Recht, sich mit Maßnahmen wie Kontrollen, Sperranlagen im Westjordanland und zum Gazastreifen sowie gezielten Tötungen zu verteidigen«, heißt es in einem typischen antideutschen Text. Ein sich in fortwährendem Bedrohungszustand befindendes Israel dafür zu kritisieren, dass es sich selbst verteidige und, sofern notwendig, auch präventiv zum Angriff übergehe, laufe darauf hinaus, seine Vernichtung billigend in Kauf zu nehmen. Solidarität, die über Lippenbekenntnisse hinausgehen wolle, könne daher nur bedingungslos sein.
Einige prominente Vordenker der antideutschen Linken haben die Solidarität mit Israel philosophisch zu begründen versucht. So entwickelte der Politologe Stephan Grigat den »zionistischen kategorischen Imperativ« als Maßstab für eine aktive Solidarisierung, die dazu beitragen solle, »die Möglichkeiten reagierender und präventiver Selbstverteidigung« des Staates Israel aufrechtzuerhalten.
Ohne es offen auszusprechen, beruht das antideutsche Denken auf einem rassistischen Argument: Einmal Deutscher, immer Nazi! Wer dem widerspricht und bezweifelt, dass Deutschland wieder ein Reich errichten und Juden ermorden will, betreibt in ihren Augen »Appeasement«. Für die Mehrzahl einiger Linken, die sich den Antideutschen verbunden fühlen, ist, was immer Deutschland tut und welcher Mittel es sich auch bedient, vom gleichen Motiv getrieben. Es geht ihrer Ansicht nach immer um das Gleiche: um eine Wiederauflage der Hitlerei, der deutschen Eroberungskriege und vor allem – der Judenvernichtung.
Der wegen Auschwitz erteilten Absage ans deutsche Böse steht die einseitige Parteilichkeit für den absolut guten, zu allem berechtigten Staat der Juden gegenüber. Dabei wird der Staat Israel nicht als das wahrgenommen, was er ist, sondern als Wirklichkeit seiner historischen Gründungsideologie. Darüber erschließt sich den Antideutschen, was für eine segensreiche und heimelige Einrichtung der Nationalstaat doch ist. In der Zeitschrift konkret schrieb deren Herausgeber und Chefredakteur Hermann Gremliza einmal: »Israel ist der Staat, dessen ganzer Zweck der Schutz jüdischen Lebens ist, verlören die Juden ihn, wären sie erneut den Launen der Antisemiten preisgegeben« (2).
Gremliza schrieb hier wohlweislich nichts vom Schutz »seiner Bürger«, sondern griff auf die radikal zionistische Vorstellung zurück, dass Israel alle Juden auf der ganzen Welt schütze. Doch den Juden in aller Welt winkt in Israel keine sichere »Heimstatt«, und umgekehrt erwartet die Juden in aller Welt kein Pogrom. Stattdessen leben Juden heute in Israel am gefährlichsten. Und wenn man nicht in Israel lebt, was auf die meisten Juden zutrifft, wird man von diesem Staat materiell und vor allem moralisch in Anspruch genommen und unter Druck gesetzt, bis hin zu der Konsequenz, dass selbst jüdische Kritiker als »Antisemiten« und »Jüdische Selbsthasser« denunziert werden.
Die absurde und seltsame Ideologie der sogenannten Antideutschen leuchtet den meisten Linken nicht ein. Die Antideutschen pochen auf eine angebliche Pflicht der politischen Linken zu proisraelischer Parteilichkeit. Die linken Israelis, die aber mit der Politik in ihrem Land nichts zu tun haben wollen und deshalb zu Tausenden nach Berlin flüchten, werden von diesen Antideutschen als Vaterlandsverräter (sic!) beschimpft und verleumdet. Und wenn sich irgendwo tatsächlich ein Linker rührt, der zu Deutschland oder gar zu Israel eine andere Meinung hat als sie, dann kann er äußern, was er will: Er wird als Beleg für jenen angeblichen »linken Antisemitismus« gesehen, dessen moralisches Bekämpfen die Antideutschen sich zum Daseinszweck gemacht haben.
So sehr diese vermeintlich linksradikale und antideutsche Strömung von sich behauptet, gegen das herrschende System zu sein, so sehr hat es ihr gefallen, als Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete, dass Israels Sicherheit »deutsche Staatsräson« sei. Wer zwischen dem Groß-Israel-Projekt der rechten Likud-Regierungen, aber eigentlich auch fast aller Regierungen davor, und dem Anspruch von Juden in aller Welt auf ein Leben ohne rassistische Anfeindungen auch nur den geringsten Unterschied macht, will Auschwitz reaktivieren, und wer auf den Straßen von Berlin gegen den israelischen Angriff auf Gaza protestiert, will den Holocaust wiederbeleben.
Die Antideutschen, die sich fast ausschließlich mit der Politik Israels und der Politik der USA beschäftigen, sind der Meinung, dass um der jüdischen Opfer von Auschwitz willen dem Staat Israel eine bedingungslose blinde Solidarität zusteht, auf die andere Opfer keinen Anspruch erheben können. Wer aber behauptet, dass die Opfer von Auschwitz das wollten? Evelyn Hecht-Galinski, die Tochter des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, wird nicht müde zu erklären, dass ihr Vater, Heinz Galinski, Auschwitz nicht überlebt hatte, um zu neuem Unrecht zu schweigen. Zum Unrecht in Israell hat er aber geschwiegen.
Daran, dass er Israel zubilligt, was man sonst als schreiendes Unrecht verurteilen würde, bewährt sich der wahre und gute »Antideutsche«. Da legen sich sogar mutmaßliche Intellektuelle die Borniertheit einer israelisch-vaterländischen Parteilichkeit als Standpunkt zurecht. Ihr Imperativ, als guter Deutscher wie ein idealtypisch bornierter Israeli zu denken und zu urteilen, gerät folgerichtig zu einer explizit bindungslosen Affirmation staatlicher Gewalt, zu der es in dieser Rigidität normalerweise einen israelischen Faschisten bräuchte.
Solche Antideutsche machen den Eindruck, dass sie sich eines fortgesetzten Moral-Verrats schuldig machen, weil sie nicht noch bedingungsloser zu Israel halten als jeder noch einigermaßen nüchtern gebliebene israelische Patriot. »Man kann in Deutschland nicht gegen Israel und auch nicht gegen die konkrete Regierungspolitik in Israel demonstrieren!«, glauben sie. »Der Staat, in den sich die den deutschen Mördern entkommenen Juden gerettet haben, war in tödlicher Gefahr. Es gibt kein Prinzip, das es Mitgliedern des Kollektivs, ›die Deutschen‹ erlaubte, in solcher Lage anderes zu tun, als Israels Partei zu ergreifen.«
Dass der Staat, in den sich viele Juden aus Europa gerettet haben, damals noch nicht existierte, sondern ein bewohntes Gebiet war, das den Palästinensern gehörte, ignorieren sie.
Selbst in den Verfassungsschutzbericht fand die »antideutsche« Strömung im Jahr 2006 erstmals Eingang. Doch schon zwei Jahre später konstatierte der Verfassungsschutzbericht: »Den Höhepunkt ihres Einflusses auf den traditionellen Linksextremismus hat die »antideutsche« Strömung inzwischen überschritten. Ihr wird in der Szene kaum noch Aufmerksamkeit entgegengebracht.« Im Folgejahr wurden die Antideutschen nicht mehr im Bericht des Verfassungsschutzes erwähnt.
Die Zahl der Antideutschen, die sich um das Sektenblatt Bahamas und vergleichbare Mini-Publikationen wie Prodomo und Bonjour Tristesse gruppieren, ist nicht hoch, sie dürfte einige Hundert nicht übersteigen. Sie besitzen allerdings eine junge und eingeschworene Fangemeinde, primär in den Antifa-Szenen, von manchem Beobachter auch als »eventorientierte Spaßjugend« bezeichnet, der Universitätsstädte, und ihre Ideen, oder besser, der Wunsch nach Distinktion, verbreiten sich auch in anderen Strömungen der Linken. Mittlerweile gibt es in zig linken Gruppierungen – von den Jusos bis zu den Anarcho-Syndikalisten – eine explizit proisraelische Fraktion. Antiisraelische Aktivitäten wie die BDS-Kampagne stoßen bei ihnen auf größeren Widerstand.
Die Antideutschen mögen einen Hang zum Sektierertum haben, wie ihnen auch von Wohlmeinenden attestiert wird. Ohne politische Wirkung sind sie aber nicht geblieben. Der Einfluss der »antideutschen Strömung« zeigt sich unter anderem daran, dass die Bundestagsfraktion der Linkspartei ihren Mitgliedern vor einigen Jahren das Eintreten für eine Ein-Staaten-Lösung, die Teilnahme an einer weiteren Gaza-Flottille und Boykottaufrufe gegen israelische Produkte untersagt hat.
Der Verein Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost und eine Gruppe von mehr als 100 israelischen linken Aktivisten kritisierten die Linkspartei für diesen Beschluss: Solche kritischen Positionen seien legitim.
Ob es einen Kausalzusammenhang zwischen radikal-aggressiver linker Theorie und dem Erstarken des Rechtspopulismus gibt, kann ich nicht beurteilen. Sicher ist aus meiner Sicht aber die Tatsache: Eine Linke, die nicht daran glaubt, dass es verschiedene Meinungen und Fakten, Lügen und Wahrheit, verbale und reale Gewalt, falsch und richtig gibt, geben darf und vielleicht auch geben muss, hat rechten Lügnern, Leugnern und Tätern argumentativ wenig entgegenzusetzen. Hier bezeichnet sie sich nur noch als links, bei genauem Hinsehen bildet sich hier aber die oft beschworene Querfront tatsächlich aus. Zu rechten Positionen gibt es gar keine Unterschiede mehr. Links ist daran gar nichts.
Israel verliert nach und nach seine Freunde in der Welt. Nicht nur Sozialdemokraten und Linke gehen auf Distanz zur israelischen Politik. Die Labour Party in England distanziert sich von Benjamin Netanjahu, auch andere linke Parteien quer durch Europa, von Italien und Spanien, über Frankreich und Holland bis hin zu Schweden, kritisieren die nationalistische Politik Israels. Demgegenüber gewinnt Israel Freunde auf der rechten Seite.
Heute unterhält die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu nicht nur gute Kontakte zu Heinz-Christian Strache, dem Vorsitzenden von Österreichs rechtspopulistischer Freiheitlicher Partei (FPÖ), der in Israel von Mitgliedern der Koalitionsregierung mit offenen Armen begrüßt wurde. Straches Partei wurde ursprünglich von österreichischen Nazis gegründet, und Jörg Haider, ihr früherer Vorsitzender, äußerte Sympathien für gewisse politische Maßnahmen Adolf Hitlers. Heute steht sie aber in erster Linie für einen anti-muslimischen und Anti-Einwanderungskurs und bildet hier also einen Querfrontpunkt mit den Antideutschen.
Ein anderer Freund Israels ist der Rechtspopulist Geert Wilders aus den Niederlanden, der zwar extrem fremdenfeindlich, andererseits aber Israel sehr freundlich zugewandt ist. Im Herbst 2016 wurde bekannt, dass Wilders Besuche in Israel und seine Treffen mit israelischen Regierungsmitgliedern so häufig stattfanden, dass der holländische Geheimdienst seine »Verbindungen mit Israel und ihre möglichen Auswirkungen auf seine Loyalität zu Holland« untersuchte (3). Wilders hasst Muslime, und nicht wenige Juden, wie zum Beispiel Henryk M. Broder, stehen deshalb hinter ihm. Auch die rechtspopulistische und islamophobe französische Politikerin Marine Le Pen sucht die Nähe zu Israel, nach dem Motto:
Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Und Israel unterhält auch zu den fundamentalistisch-evangelikalen Christen in den USA enge Beziehungen, obwohl jeder weiß, dass diese antisemitisch eingestellt sind. Mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat diese Art der Zusammenarbeit Einzug in das Zentrum der amerikanischen Politik gehalten. Deshalb hat Trump auch einen erklärten Zionisten als Botschafter nach Israel entsendet, will die Botschaft der USA nach Jerusalem verlagern und den illegalen Siedlungsbau stärker unterstützen. Das läuft auf eine US-Außenpolitik hinaus, die sich zionistischer als der Zionismus gibt.
Unlängst solidarisierten sich auch die AfD-Politikerin Beatrix von Storch und andere ultrarechte Europa-Abgeordnete im Europaparlament mit der neu gegründeten Lobby zugunsten der völkerrechtswidrigen Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten. Hier kommt offensichtlich zusammen, was zusammengehört:
Rechte Zionisten aus Israel und rechte Nationalisten in Europa. Plus die Antideutschen. Querfront eben.
Quellen und Anmerkungen:
(1) http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/12/antideutsche-israel-linke-deutschland/
(2) konkret 5/02
(3) https://quotenqueen.wordpress.com/2016/12/11/geheimdienst-schnueffelte-wegen-wilders-israel-verbindung/
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