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Die Beinahe-Kanzlerin

Die Beinahe-Kanzlerin

Die herzlichere Alternative zu Olaf Scholz wurde leider schon im Vorfeld ausgebremst.

Echt jetzt, oder? Also ich verfange mich immer wieder. Diese Werbung! Sie teasern mit hübschen Bildern und interessanten Überschriften, welche die künstliche Intelligenz zuvor als Vorlieben aus deinem Surfverhalten herausgelesen hat. Wenn du dann anklickst, wird dir Zeit entnommen. So wie jetzt, wo du deine Zeit mit mir und meinen Gedanken verbringst.

Vorhin hat mich Die Zeit erwischt. Sie erzählte mir, was Samira El Ouassil so am Wochenende macht, was sie gerade für ein Buch liest, welchen Film sie anschaut, ob sie einen Freund hat und was sie mit dem macht. Und dass die Eltern gleich ums Eck in Sendling wohnen und der Vater fantastischen Minztee kochen kann.

Aha. Das Eigentliche aber, dass Samira El Ouassil beinahe Kanzlerkandidatin der PARTEI geworden wäre, das möge man sich doch bitte anschließend im Podcast anhören. 45 Minuten. Ich glaube, die Zeit nutze ich lieber, um zu erzählen, wie ich selber beinahe Kanzlerkandidatin der PARTEI geworden wäre.

Das ist eigentlich schnell erzählt. Die PARTEI machte sich vor der Wahl über die KanzlerkandidatInnen lustig, und der Abgeordnete Sonneborn meinte, es wäre doch mal ganz was anderes, wenn jeder Kreisverband einen Kanzler oder eine Kanzlerin anbieten würde. Man könne schließlich nie wissen, ob nicht doch einmal die Partei eine Wahl gewinnen würde. Und dann gäbe es — wieviel gleich wieder? — ungefähr 400 Kanzler und Kanzlerinnen. Das wär doch was. So habe ich den Sonneborn jedenfalls verstanden.

Also schaute ich nach, ob es hier bei mir ums Eck einen Kreisverband der PARTEI gibt. Später, als ich mich bereits entschieden hatte, doch lieber nicht zu kandidieren, haben sie ein paar geschmacklose Plakate geklebt. Meine Freundin hat sich sehr aufgeregt. So hat sich die PARTEI die wenigen Sympathisantinnen dann auch noch verscherzt.

„Kanzlerin von und zu Herz“

Kurz blitzte die Vision in mir auf. Eine alte Vision. Einmal habe ich mir ja den Spaß erlaubt, anno 2009, und habe mein Glück als Direktkandidatin versucht. Mit dem Alexander als übermächtigen Gegner, der von vornherein als Sieger feststand. Ah, diese Erinnerungen immerzu. Diese Geschichten. Welcher Alexander? Ja, genau der, der die Wölfe abschießen lässt. Weil ein Wolf ein Schaf mitgenommen hat. Der das Grundgesetz bricht. Der Dobrindt. Ah!

Die Wölfe verlassen Mittelerde.
Und wir werden mit ihnen ziehen…

Ah! Diese Gedichtfetzen, die immer die Stringenz des Textes zerfleddern!

Wer ist wir?
Wer wird mit den Wölfen ziehen?
Wenn ich das nur wüsste.
Vielleicht gehören wir zum „Wandernden Volk“.
Ja. Wir sind das Wandernde Volk!
Wir ziehen durch die Galaxien, schneller als Licht.
Wenn wir inkarnieren, vergessen wir unsere Herkunft.
Aber wenn wir uns erinnern, dann —
ja, dann erinnern wir uns auch an die Geschenke,
die wir mitgebracht haben.
Die Ruhmesringe!
Wer wird sie empfangen?

Also, warum ich dann doch nicht Kanzlerkandidatin der PARTEI geworden ist, das lag letztlich daran, dass mich niemand darum gebeten hatte. Diese Samira, die wurde offenbar gebeten, hat dann aber gnädig abgelehnt. Muss der Mensch mehr wissen? Außer, na ja, die Samira ist jung und hübsch. Wenn ich ein Mann von der PARTEI wäre, dann würd ich auch lieber die Samira fragen. Ist doch logisch, oder?

Außerdem kennt mich kein Mensch bei der Partei, weil ich da weder Mitglied bin noch sonstwo irgendwie in Erscheinung getreten wäre. Wie also hätte jemand auf die Idee kommen können, mich zu bitten, die Kanzlerkandidatin für den Kreisverband zu machen?

Ja. Eben. Die Zeit fragt mich schließlich auch nicht, wie ich mein Wochenende verbringe. Obwohl ich ein wunderbares Wochenende mit zwei wunderbaren Frauen verbracht habe, mit dem Thema „Tod und Wiedergeburt“. Ein ganzes Wochenende lang. Eine Zeit. Unsere Zeit. Die Zeit. Aber ich weiß auch gar nicht, ob ich der Zeit überhaupt ein Interview geben würde. So wie die sich aufgeführt hat, in letzter Zeit.
Es ist 7 Uhr 19.

Die Morgenröte hinter den Dächern
Die Lampions am Gartenhaus der Nachbarin
Farben des Lebens.

Was das für eine Gedichtform ist? Ob es ein Haiku ist? Wohl kaum, denn es folgt nicht der strengen Silbenregel von 5-7-5. Als Haiku würde es so gehen:

Die Morgenröte
Lampions am Gartenhaus
Farben voll Leben.

Also, das sind meine Gedichte des heutigen Tages.

Und falls es jemanden interessiert: Ich lese gerade eine Geschichte von einem Mädchen, das alleine in „der Marsch“ aufwächst. Wie es überlebt. Wie es lesen, schreiben, rechnen und malen lernt. Wie es die Marsch kennt wie niemand sonst. Wie es liebt und wie über sie gesprochen wird im Dorf. Dazu noch die Leiche des größten Frauenhelden aller Zeiten im Moor … Sehr spannend. Der Gesang der Flusskrebse. Der Roman bedarf allerdings meiner Werbung gar nicht, denn er ist bereits ein Bestseller.

Und Filme: Ach! Ich hätte so gerne „The Dune“ gesehen. Aber ich durfte nicht. Weil — ihr wisst schon warum. Ich durfte das Kino nicht betreten. Nun wird „Dune“ vielleicht nie wieder im Kino gespielt — und gerade so ein Film lebt doch von der Atmosphäre und den großen Bildern. Womöglich darf ich auch nie mehr wieder in ein Kino rein. Ich kann es mir noch nicht so recht vorstellen. Aber wie sich früher Leute gefühlt haben, die wegen irgendwas vom „anständigen“ öffentlichen Leben ausgeschlossen waren, wegen der Hautfarbe oder wegen der Sprache — also das kann ich jetzt ein bisschen besser mitfühlen. Und ja, genau: Ich möchte auf keinen Fall, dass das so weitergeht.

Und dem Olaf, dem Olaf schreib ich jetzt auch noch gerade, bevor ich den Tag mit einem Morgenspaziergang beginne.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

es ist schade, dass Sie Bundeskanzler geworden sind und nicht ich.
Hatten Sie nicht versprochen, dass es keine Impfpflicht geben wird?
Hab ich da was falsch verstanden?
Und was tun Sie?
Als Erstes gleich mal ein Versprechen brechen.
Tut mir leid, so einen Kanzler kann ich nicht gebrauchen.
Ich empfehle Ihnen, als Übergangskanzler in die Geschichte einzugehen.
Sie waren doch auch beteiligt, als die letzte Übergangsregierung noch schnell Waffenverkäufe in nie dagewesener Höhe genehmigt hat. Pfui Teufel!
Jedenfalls sind Sie ja geübt darin, Übergänge zu regieren.
Ah! Mir reicht’s jetzt wirklich!
Obwohl ich Vegetarierin bin, wäre mir ja die Metzgerei-Fachverkäuferin als Kanzlerin noch lieber. Die hat ein Schild vor der Tür hängen, da steht ganz groß drauf:
„Hier herrscht 1 G — Gesunder Menschenverstand“.
Die Frau ist offenbar deswegen denunziert worden. Denn die Polizei war da, hat sich das Schild angeschaut, eine Brotzeit gekauft und ist wieder gegangen.
Entschuldigen Sie also, wenn ich kein Blatt vor den Mund nehme!
Ein Kanzler, der sein Wort nicht hält — tut mir leid.
Das geht gar nicht.
Es gibt nur eine Rettung für Sie:
Sorgen Sie dafür, dass Sie Ihr Wort halten können.
Freie Impfentscheidung!
So viel Macht sollte ein Kanzler doch grad noch haben.

Mit freundlichen Grüßen

PS: Der Brief stammt vom 14. Februar 2022, also lange bevor erneut Kriegswaffengeschäfte in nie dagewesener Höhe von 100 MILLIARDEN Euro „Sondervermögen“ von der Regierung Scholz durchgewunken wurden.


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