„Lass dich nicht gehen. Geh selbst!“ (Magda Bentrup)
Ich habe sehr viel Zeit über den Wolken verbracht. In Flugzeugen. In manchem Jahr belief sich meine persönliche „Airtime“, also die Zeit, die man binnen 52 Reisewochen effektiv in der Luft verbringt, auf drei bis vier Monate. Bei einer einzigen Fluggesellschaft. Auf die Minute genau dokumentiert in der Meilen-Statistik des elektronischen Vielfliegerprofils.
Dies, während ich im gleichen Zeitraum natürlich noch Verbindungen bei diversen anderen Airlines buchen musste, weil Flugzeiten, Verfügbarkeit und Buchungsklassen je nach Destination differierten. Ich habe in Flugzeugen geschlafen, an Flughäfen eingekauft, mich in Lounges verköstigt und geduscht, mein Büro im Koffer transportiert, in Hotels gelebt und jegliches Gefühl für die heimische Zeitzone hinter mir gelassen. Erholsamer Schlaf wurde zum Luxusgut. Die großen Verkehrsknotenpunkte der Welt kenne ich dafür allesamt. Viele in- und auswendig. Und sie gleichen sich frappierend. Genau wie die zahlreichen grau, entkernt und desillusioniert dreinschauenden Konzernweltroboter, denen man in dieser Flugmeilen sammelnden Blase Dauerreisender zwischen Willkommensdrink, Lachshäppchen und Hochprozentigem begegnet.
Manchen Vertreter dieser Gattung trifft man denn auch tatsächlich mehr als einmal. Erst in Tel Aviv, dann in Frankfurt, Boston, Dubai oder Singapur. Die Welt ist klein, so riesig einem der Planet auf Langstreckenflügen allenthalben vorkommen mag. Man erkennt sich, sieht sofort, wer ungewöhnlich viel Zeit in der gängigen Reiseflughöhe von zehn bis zwölf Kilometern verbringt. Man nickt sich in Wartehallen, Airline-Lounges und Shuttle-Bussen, an Check-in-Schaltern, Sicherheitsschleusen und Gepäckausgaben zu. Chronischer Schlafmangel, Termindruck, Stress und permanente Beschleunigung hinterlassen Spuren, zeichnen das rascher alternde Antlitz. Mit zunehmender Reiseerfahrung und anwachsendem Meilenkonto beginnen sich außerdem die Insignien internationaler Vielfliegerschaft anzugleichen. Es leuchtet plötzlich ein, warum viele der zur Rastlosigkeit Verdammten die gleiche Koffermarke benutzen, auf den gleichen Kopfhörer schwören oder identische Reiseadapter bei sich tragen.
Dieses Paralleluniversum greller Neonröhren, summender Klimaanlagen, ohrenbetäubender Lautsprecherdurchsagen und invasiver Checkpoints ist Ausdruck der anonymisierenden Perversität eines außer Kontrolle geratenen Turbokapitalismus.
Eines technokratischen Systems, dem der karrierefixierte Homo sapiens seinen Geist, seinen Biorhythmus und seine sozialen Kontakte opfert. Wie einer Sekte. Der Altar ist das Fließband des Sicherheitspersonals in der First- und Business-Class-Schlange. Die Absolution das grüne Licht des Antiterror-Personenscanners, das endlich den erlösenden Weg zum Flugsteig freigibt. Dort angekommen, und dank Gold-Status wieder als Erster im Oberdeck der Boeing 747 platziert, ist nach dem x-ten Mal aber auch der eilig, mit einem aufgesetzten Lächeln gereichte Begrüßungssekt kein Ausdruck von Willkommenskultur oder Kundenservice mehr, sondern lediglich Sinnbild lustlos bemühter Beliebigkeit. Manifestation routinierter Austauschbarkeit. Kultivierte Redundanz.
Während sich trotz der infamen Oberflächlichkeit dieser Frequent-Traveller-Blase nicht wenige der um die Welt jettenden Manager für das Zentrum des Universums halten, für mondän und unersetzbar, einen arroganten Habitus betuchter Allwissenheit zur Schau stellend, wirken sie für reflektierte Eingeweihte wie die blasse, gehetzte Karikatur des erfolgreichen Geschäftsmannes. Wie ein lebloses Abziehbild. Jedes Klischee erfüllend. Die Moral der weltbekannten Erzählung über den „Handlungsreisenden“ (Arthur Miller) haben sie augenscheinlich nicht verstanden. Die Selbstdarstellungsmaschinerie hat sie vereinnahmt, der abstumpfende Marathon im Hamsterrad fremdbestimmten Lebens dafür gesorgt, dass sie Pfade abseits der ausgetretenen nicht mehr wahrnehmen. Außenwirkung ersetzt innere Werte, der Kollegenkreis die Familie, die Bonuszahlung das persönliche Glück. Ein Panoptikum standardisierter, sinnentleerter 08/15-Lebensentwürfe aus dem Hochregallager der Plutokratie.
So entgehen diesen von Outlook-Kalendern und digitalen Fesseln kontrollierten Zeitgenossen natürlich die schönen Seiten des Fliegens. Denn hat man es nach Transfers, Sicherheitsschleusen und Boarding-Logistik schließlich über die Wolken geschafft, hat so eine Flugreise durchaus wundervolle, faszinierende, bereichernde Seiten.
Die Verantwortung für das eigene Leben hat man bereits beim Einsteigen an Pilot und Maschine übereignet. Für die Dauer des Fluges ist man ausgeliefert. Das kann beängstigend wirken — oder auch sehr befreiend.
Wie der erste Blick aus dem Fenster. Denn zehn Kilometer über der Erde wirkt nicht nur die eigene Existenz irgendwie relativ, sondern auch alles andere, was da unten vor sich geht. Aus dieser Perspektive erscheinen Alltagsstress und Sorgen um irgendwelche Malaisen surreal, tägliche Animositäten überflüssig wie unbedeutend. Das kopflose Rennen und Hetzen, das Gerangel am Futtertrog, die Eitelkeiten, Obszönitäten und amoralischen Umtriebe unserer Ellenbogengesellschaft: Von so weit oben, konfrontiert mit der eigenen Machtlosigkeit und Vergänglichkeit, wirkt all das wie eine Seifenoper steriler Sinnlosigkeiten.
Während das bis zu 397 Tonnen schwere Fluggerät, begleitet vom monoton vibrierenden Brummen, das seine vier Rolls-Royce-Turbinen an die Kabine übertragen, mit knapp 1.000 Stundenkilometern über Kontinente hinweggleitet, lassen sich tiefe Einsichten gewinnen — wenn man sich en route nicht von Power-Point-Präsentationen, Excel-Tabellen oder Hunderten ungelesener E-Mails ablenken lässt, die Ausnahmesituation als solche anerkennt, sie zu schätzen weiß. Leider sind dazu wohl die wenigsten Mitreisenden fähig. Sobald der bis zur verwischten Trübheit totgepflegte Monitor an der Rückenlehne des Vordersitzes aktiviert ist, suchen sie Zerstreuung mittels Bord-Entertainment.
Ihr Leben ist ein Vakuum. Ein Dasein auf der Flucht, auf konstanter, mit zunehmendem Alter immer verzweifelter wirkenden Flucht vor sich selbst. Sie gieren, nachdem nach dem Einsteigen zunächst das Smartphone für Ablenkung sorgen musste, nach einem der verfügbaren Hollywood-Streifen. Noch bevor das Anschnallzeichen erloschen ist, drücken sie „Play“. Auch wenn sie den Film zum zweiten oder dritten Mal anschauen müssen. Hauptsache, sie werden nicht gezwungen, Zeit mit sich selbst zu verbringen — Menschen, die beim Betrachten ihres Spiegelbildes Fluchtreflexe verspüren müssen. So verrät das, was manche Zeitgenossen auf einem Interkontinentalflug mit den vielen unverplanten Stunden anzufangen wissen, oft mehr über ihr Innerstes, als sie zu vermuten wagen.
„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, säuselte dereinst wohlgefällig der Wohnzimmerphilosoph, Liedermacher und Freizeitpilot Reinhard Mey — der im März 2020 aber ungeniert „Wir bleiben zu Hause“ für das Bundesgesundheitsministerium trällerte. Mey zeichnet damit für eine der kitschigsten Textzeilen hiesiger Musikgeschichte verantwortlich. Eine Phrase, die vor allem für ein Mitglied der fliegerischen Zunft keinen Sinn ergibt, wurde zu Kulturgut. Leider. Denn entweder ist die Freiheit über den Wolken grenzenlos — oder eben nicht. Was sucht das Wort „wohl“ in diesem Satz? Hat beim Schreiben eine Silbe für die Rhythmik gefehlt? Entweder genießt man als Passagier — oder auch als Pilot — den unvermeidlichen Umstand, die Verantwortung für sein Leben Dritten und/oder der Technik zu übertragen, und nutzt die besonderen Umstände für eine Form geistiger Erhebung, oder man folgt der üblichen Routine und praktiziert mentalen Eskapismus. Nur eben auf „Flight Level“ 350, mit etwa 200 Stundenkilometern unterhalb der Schallgeschwindigkeit und bei minus 50 Grad Außentemperatur anstatt auf dem heimeligen Sofa.
Dort scheinen sich die meisten Passagiere zu wähnen. Dass sie nur eine dünne Außenhülle vom sicheren Tode trennt, ignorieren sie beflissentlich. Angst vor Viren in der Luftzirkulation haben sie aber. Es scheint, als hänge der Grad des sich einstellenden Freiheitsempfindens in einer solch fremdbestimmten Ausnahmesituation davon ab, inwieweit die gewohnte Umgebung simuliert wird. Sessel, Snacks, seichte Zerstreuung: Alles wie gehabt.
Frei scheinen diese Menschen also auch zu Hause nicht zu sein. Denn der Begriff hat für sie keinerlei Bedeutung. Viele Artgenossen haben offenbar panische Angst davor, sich mit sich selbst beschäftigen zu müssen, fürchten, ihren Gedanken, unerfüllten Träumen, ihrer Reue, ihren Wünschen, Defiziten, Lastern und seelischen Leiden nüchtern gegenübertreten zu müssen.
So verkommt jede ihrer Handlungen zu einer Imitation derselben. Sie treiben apathisch im seichten Strom eines schnöden Alltags dahin. Tagein, tagaus. Am Samstagvormittag penetrieren sie mit penibler Gründlichkeit das steril weiße, lebensfeindliche Kiesbett rund um ihr hypothekenbelastetes Häuschen mit dem Hochdruckreiniger, mähen den kurz geschorenen Rasen noch einmal, schwingen den Besen über die Reihenhausterrasse. Dicht gefolgt vom Laubbläser, der aus der Garage geholt wird, um unter ohrenbetäubendem Lärm eine Handvoll Laub die Straße entlang zu pusten. Sie schauen Filme oder Serien, weil Bekannte darüber sprechen, schlagen Zeit mit Computerspielen tot oder mit Hobbys, die eine willkommene Ausrede für Saufgelage bieten, kaufen Kleidung, Accessoires, Autos und Möbel, weil diese „in“ sind. Sie bestellen Dinge, die sie nicht brauchen, mit Geld, das sie nicht haben, um Menschen zu beeindrucken, die sie nicht mögen — in einem System, das sie nicht verstehen.
Und sollte man ein Exemplar der Gattung Homo demens ab und zu tatsächlich mit einem Buch in der Hand antreffen, wurde es auch eher aus Dekorationszwecken als aufgrund von überbordendem Wissensdurst erworben. Denn einen Hype — wie den um das miserabel geschriebene Machwerk „50 Shades of Grey“ im Jahr 2012 — wollen natürlich auch chirurgisch aufgepeppte und bis zur Unkenntlichkeit überschminkte Nichtliteraten vom Schlage einer Gina-Lisa Lohfink keinesfalls verpassen.
„Je weniger wir Trugbilder bewundern, desto mehr vermögen wir die Wahrheit aufzunehmen“ (Erasmus von Rotterdam).
Auch wenn es nur eines Funken Selbsterkenntnis, eines durchdringenden Blicks in den Spiegel am Morgen bedarf, um zu erkennen, dass man programmierten Reflexen folgt, einem Lebensentwurf von der Stange, identisch mit dem der meisten Bekannten und Kollegen, und dass man Lebenszielen aus einem faden Katalog von Identitätsschablonen nacheifert — wie der Erzähler zu Beginn des Films „Fight Club“ —, will die Flamme partout nicht überspringen. Miseria humana! Freizeit und Müßiggang werden nicht für „produktives Nichtstun“ genutzt, wie Erich Fromm es nannte, weil jedweder Gefahr von ehrlicher Reflexion mit Ablenkung oder Sedierung begegnet wird.
Nur mit den kognitiven Kollateralschäden unseres entmenschlichten Lebenswandels, mit der Normalisierung des Abnormalen ist zu erklären, dass die Fassadendemokratie, die mediale Matrix, die „Truman Show“, in der wir gezwungen werden zu leben, noch nicht implodiert ist. Noch trägt die Täuschung, steht das potemkinsche Dorf, das wir repräsentative Demokratie und freiheitliche Grundordnung nennen sollen.
„Der typische Demokrat ist immer bereit, die theoretischen Segnungen der Freiheit gegen etwas einzutauschen, das er gebrauchen kann“, konstatierte der 1956 verstorbene Essayist Henry Louis Mencken — und beschrieb damit treffsicher die Agenda des herrschenden Systems, in dem herrschendes Recht das Recht der Herrschenden ist. Ein System, das autonome Lebensentwürfe durch trügerische Sicherheitsversprechen eines paternalistischen Staates ersetzen will, das das Individuum nötigt, in einem gleichschaltenden Globalkollektivismus aufzugehen, in dem althergebrachte, hart erkämpfte Werte keinen Wert mehr haben.
So passt eine Vielzahl der vermeintlich weltgewandten Globetrotter, Einzelgänger und Karrieristen, denen man an internationalen Drehkreuzen begegnet, nicht nur prächtig zum logikverachtenden, totalitaristischen, segregierenden Zeitgeist, sondern auch zu den Abwechslung scheuenden Bürokomplexen, Leuchtreklamefassaden, Shopping Malls und Ladenzeilen ihrer jeweiligen Destination. Zu abgeschotteten Pauschalferienresorts, wo großkotziger, greller, aufdringlich aufgetakelter Überfluss inmitten grassierender Armut zelebriert wird. Zu den kopiert wirkenden Stadtzentren der Metropolen, die stets von den gleichen Marken, Franchises, Fast-Food-, Hotel- und Kaffeehaus-Ketten dominiert werden.
Egal wo auf der Welt man sich befindet, der zivilisatorische Tumor ist schon da. Mal hat er mehr Metastasen hervorgerufen, mal weniger. Mal ist das tradierte sozioökonomische Bindegewebe der betreffenden Region vollends zersetzt, mal sind noch faulende Fetzen davon übrig. Selbst im entlegensten Kaff der vom Neokolonialismus assimilierten Gebiete dieser Welt findet sich ein Smartphone-Shop, ein McDonald’s, ein Starbucks, eine Citibank-Filiale, eine Avis- oder Hertz-Station und eine Tankstelle, die überzuckerte Softdrinks, Tabak und Schokoriegel verkauft. Weggeworfene Cola-Dosen findet man noch auf Trails in der Sahara, auf entlegenen Inseln, in den Resten der majestätischen Redwood-Wälder Kaliforniens oder am Mount Everest, wo sich heutzutage ob der Masse an Touristen regelrechte Staus vor Basis-Camps und Gipfelpfad bilden.
Um der Postmoderne halbwegs entfliehen zu können, muss man weite Wege auf sich nehmen. Wobei sich bei einem neuerlichen Besuch des gleichen Ortes in zeitlichem Abstand leicht feststellen lässt, dass auch diese Distanzen zur Zivilisation immer kürzer werden. Denn die wertewestlich-imperialistische Infrastruktur frisst sich unaufhaltsam voran.
Selbst an den viele Flugstunden von der nächsten Stadt entfernten Wasserlöchern der Masai Mara stehen zwischenzeitlich mehr Safari-Jeeps mit fotoverrückten Urlaubern, als dort Löwen nach kräftezehrender Jagd im Morgengrauen rasten. Die großen Wildtiere, die „Big Five“, werden in ihren Reservaten häufiger von Gruppen motorisierter Eindringlinge verfolgt und bedrängt als von Hyänen oder Schakalen, die es wachsam auf Reste der erlegten Beutetiere und zurückgelassene Kadaver abgesehen haben.
So verkommen selbst erhabene Erlebnisse, einmalige Begegnungen mit der Wildnis Afrikas, Tête-à-Têtes mit neugierigen Elefanten, imposanten Raubkatzen oder seltenen Nashörnern zum lapidar abgehakten Punkt auf der „Bucket List“, zum Foto-Icon in einer Big-Tech-Cloud, zum austauschbaren Bildschirmhintergrund des Smartphones, zu dem nach wenigen Tagen kein emotionaler Bezug mehr besteht — während für die Herstellung des Geräts, nur wenige Kilometer entfernt vom Urlaubsort, kleine Kinder in primitiven Minen nach Rohstoffen wie Kobalt oder Coltan buddeln und ihre Gesundheit ruinieren.
Dabei könnte für wohlstandsverwöhnte Touristen aus Industrienationen gerade der Besuch Afrikas eine Zäsur im Leben markieren. Wird man doch gerade auf dem aus 55 Ländern bestehenden Kontinent mit derart vielen Extremen konfrontiert, dass es als Ding der Unmöglichkeit erscheint, die eigene Position, die eigenen Ansprüche, ja den gesamten Lebensentwurf der wertewestlichen Gesellschaften nach der Rückkehr nicht komplett hinterfragen zu müssen. Von der dramatischen Armut und deren Manifestation in Ballungszentren bis zur überwältigenden, entwaffnenden Schönheit, Brutalität und Verletzlichkeit der Wildnis — der Kontrast zur zwangsdigitalisierten Erste-Welt-Oase zu Hause könnte größer kaum sein.
Ob in Mombasa oder Johannesburg, der Masai Mara oder der Serengeti, ob an der Küste, in der Sahel-Zone oder Sub-Sahara: Fast überall geht es primär ums nackte Überleben, hängt die eigene Existenz am seidenen Faden. Bedroht von Hunger, Krieg, Wassermangel, humanitären Katastrophen, Kriminalität, Neokolonialismus, blutigen Stammesfehden sowie der unberechenbaren Unerbittlichkeit der Natur schärft sich der Blick fürs Wesentliche. Selbstverständlichkeiten werden zu Ausnahmeerscheinungen. Überfluss wird abgelöst von Mangel, Sicherheit von Risiko, der Mensch reduziert auf sein Minimum und befähigt zu maximalem Erkenntnisgewinn. So zumindest habe ich selbst meine Reisen nach Afrika in der Rückschau dankbar wahrgenommen, als einige der wichtigsten, prägendsten und lehrreichsten Erfahrungen meines Lebens. Denn ich habe mich auf das Land, die Menschen, auf Flora und Fauna eingelassen und so retrospektiv Fernreisen in mein Innerstes unternommen — genau deshalb nenne ich kaum mehr als zehn Fotografien aus diesem Zeitraum mein Eigen.
Ob in Afrika, Asien oder der Atacama, auf sturmgepeitschten Ozeanen, einsamen Berggipfeln oder der Osterinsel: Je weiter ich mich geografisch von meinem Zuhause, von Bekanntem, Routinen, Bequemlichkeiten und Geborgenheiten entfernte, desto näher kam ich mir selbst. Je intensiver die visuellen Eindrücke waren, die ich sammelte, je stärker die damit verbundenen Emotionen, desto weniger hatte ich das Verlangen, diese auf Bildern festhalten zu müssen.
Um Freunden derartige Erlebnisse greifbar nahezubringen, brauche ich weder Fotos noch bewegte Bilder. Der Film befindet sich in meinem Kopf. Mit jeder Rekapitulation lässt er sich anschaulicher beschreiben und bereichert so mein Leben. Bis zum Ende. Denn was uns auf dem Sterbebett bleiben wird, sind einzig unsere Gedanken, unsere Erinnerungen, die unvergesslichen Momente. Das ist wahrer Reichtum, das ist der Schatz, der sich mit ins Grab nehmen lässt. Geboten ist also, genau diese Besitztümer zu mehren, anstatt die Schlaglöcher der eigenen Existenz mit materieller Scheinbefriedigung zu füllen.
„Es ist nicht der Berg, den wir bezwingen — wir bezwingen uns selbst“ (Edmund Hillary).
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