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Deutscher Michel, deutsche Michelle

Deutscher Michel, deutsche Michelle

Geschlechtsumwandlungen verlaufen in vielen Fällen zufriedenstellend — dennoch sollten alle Risiken ohne ideologische Scheuklappen benannt werden.

(Hinweis: Die nun folgende Einleitung ist nicht fiktional.)

Michel wurde als Mädchen mit dem Namen Michelle geboren. Schon früh fühlte er sich in seinem Körper unwohl und fremd. Seine Genderdysphorie verstärkte sich in der Pubertät, doch seine Eltern stimmten Eingriffen in die natürliche Entwicklung seines heranwachsenden Körpers nicht zu. Sobald Michel volljährig wurde, begann er seine geschlechtliche Transition. Er bekam vor allem Testosteron bei gleichzeitiger Unterdrückung von Östrogen verschrieben. Weiterhin ließ er sich die Brüste und die Gebärmutter entfernen (Mastektomie und Hysterektomie) und die Vagina durch einen künstlichen Penis ersetzen (Phalloplastie). In dieser Zeit befand er sich in einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und musste für die abschließenden Eingriffe der Endokrinologie mehrere Wochen krankgeschrieben werden. Sein Chef reagierte stets mit Verständnis.

In der Berufsschulklasse kam es weder zu Hänseleien, Herabwürdigungen oder sonstigen transphoben Übergriffen von Mitschülern, die alle von seiner Transition wussten. Michel wurde allseits respektiert. Mit seiner schmächtigen Statur, seiner ruhigen Stimme sowie seiner zurückhaltenden und freundlichen Art war er ein wichtiger Teil der Klassengemeinschaft. Es war dabei offensichtlich, dass er weder sich selbst noch die in den Medien dauerpräsente LGBTQIA+-Community zum Gesprächsthema machen, sondern am liebsten einfach nicht auffallen und schon gar nicht polarisieren wollte. Er bedankte sich ausdrücklich, als während der Zeit des Corona-Homeschoolings sein toter Name „Michelle“ durch den Schulweb-Administrator sofort in seinen mittlerweile offiziellen Namen „Michel“ geändert wurde. Auf einen Tagesausflug mit der Klasse nach Holland nahm er seine langjährige Freundin mit und machte bis zum erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung einen zufriedenen Eindruck.

Erfahrungsberichte wie dieser finden im gesellschaftlichen Diskurs über den Umgang mit Menschen aus der LGBTQIA+-Community selten ihren Platz, da er bereits viel zu sehr von den beiden zentralen politischen Ideologien vereinnahmt wurde, die gemeinhin unter den Adjektiven linksliberal und neokonservativ subsummiert werden.

In entsprechenden Diskussionen mit ihren Anhängern wird deutlich, dass diese über wenig thematische Sachkenntnis und kaum persönliche Bekanntschaft mit Betroffenen verfügen. Sie benutzen das Thema und ihre Symbolik bei jeder sich bietenden Gelegenheit in erster Linie nur, um ihren politischen Feinden pauschal Intoleranz, Ausgrenzung, Fortschritts-, Familien-, Frauenfeindlichkeit, Kindeswohlgefährdung, Bevölkerungsreduktionsstreben oder Sonstiges zu unterstellen.

Für die Rückkehr zu einer dringend notwendigen Sachlichkeit ist es ein wichtiger Meilenstein, dass die investigative BBC-Journalistin Hannah Barnes in ihrem Buch „Time to Think“ die Komplexität des Themas Geschlechtertransition einfühlsam und differenziert beleuchtet. Eine Stärke ihres Werkes, neben den zu Grunde liegenden Experteninterviews und einer gut verständlichen Fachsprache, sind die sieben Kapitel über individuelle Transgender-Biographien.

Im Mittelpunkt ihres Bestsellers steht der ehemals größte, auf Genderdysphorie spezialisierte „Gender Identity Development Service“ (GIDS) in London. Barnes zeigt die dortige Entwicklung von einem unvoreingenommenen Therapieangebot im Jahre 1989 für eine Handvoll Kinder und Jugendliche, die vielfältige Unterstützung bei der Bestimmung ihrer geschlechtlichen Identität benötigten, zu einer landesweiten Anlaufstelle für viele tausende, zumeist als Mädchen geborene Minderjährige über vierzig Jahre später. Durch die steigende Nachfrage kam es dort zu langen Wartelisten, die den Druck auf eine zügigere Diagnose und Therapie immer weiter erhöhten.

So erwartete die jungen Besucher des GIDS schon spätestens seit 2010 statt individueller Betreuung ein weitgehend standardisierter Prozess. Zuerst wurde anhand eines überschaubaren Kriterienkatalogs überprüft, ob bei ihnen einerseits tatsächlich eine Genderdysphorie und andererseits eine stabile psychische und physische Gesundheit gegeben waren.

Inwieweit die Angaben dabei der Wahrheit entsprachen, konnte von den Beschäftigten kaum verifiziert werden, da das Assessment zumeist nur drei oder vier Sitzungen umfasste. Im Mittelpunkt der anschließenden Phase stand der Einsatz von Pubertätsblockern, die als vollständig reversibel und nebenwirkungsfrei vorgestellt wurden.

Laut den Institutsrichtlinien sollte den Adoleszenten durch diese Maßnahme Stress genommen werden. Konkret wurde gehofft, dass sie sich in einer Phase der Unterbrechung pubertärer Entwicklungen besser ihres Geschlechts bewusst werden könnten. Die Einnahme dieser Blocker führte in der Praxis jedoch nicht an eine Weggabelung, sondern eher in eine Einbahnstraße. Denn sie erwirkte so gut wie nie einen Therapieabbruch, sondern wurde nach einiger Zeit in fast allen Fällen durch die Einnahme von Hormonen des anderen Geschlechts ergänzt, was in Großbritannien erst mit 16 Jahren erlaubt war. In der Regel begannen die chirurgischen Eingriffe dann mit dem Erreichen der Volljährigkeit.

Viele GIDS-Beschäftigte spürten mit den Jahren ein wachsendes Unbehagen. Zuerst betraf dies die offensichtliche Verbreitung einer pharmazeutischen Fehlinformation.

Es war spätestens seit 2015 durch Studien der „British Society of Pediatric Endocrinology and Diabetes“ (BSPED) allgemein bekannt, dass der Einsatz von Pubertätsblockern keineswegs voll reversibel, sondern im Gegenteil für das gesamte Leben unwiderruflich risikoreich sein kann. Das Wachstum kann beeinflusst werden und die Knochendichte gefährlich abnehmen. Dies liegt vor allem daran, dass es dem Körper an wichtigen Mineralstoffen mangelt.

Im späteren Leben bedeutet dies ein sehr hohes Risiko für Osteoporose. Auch die Hirnentwicklung kann beeinflusst werden. Weiterhin bestehen Gefahren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders wurden in den Studien die psychiatrischen Auswirkungen erwähnt, denn es waren bei den Patienten emotionale Störungen, Selbstverletzungen, Ess-Störungen, Depressionen, Selbstmordversuche et cetera beobachtet worden. Ein Tabuthema war lange Zeit die Verhinderung des ersten Orgasmus durch Pubertätsblocker. Laut vielen Kinderpsychologen könnte diese nicht gemachte Erfahrung die geschlechtliche Identitätssuche erschweren sowie zu lebenslanger Unlust und Depressionen führen.

Es liegt somit auf der Hand, dass bereits der Einsatz von Pubertätsblockern eine sehr differenzierte Abwägung erfordert und niemals Standardtherapie sein darf. Dies sollte besonders vor dem Hintergrund gelten, dass in vielen Studien 60 bis 90 Prozent aller Kinder und Jugendlichen, die sich mit ihrem eigenen Geschlecht laut eigener Aussage absolut unwohl fühlten, am Ende auf eine Transition verzichteten. Zumeist lebten sie später glücklich und zufrieden in homosexuellen Partnerschaften. Diese Entscheidung gegen eine Transition wird in der Fachliteratur als „Desisting“ bezeichnet.

In vielen von Barnes geschilderten Fallbeispielen spielte ein homophobes Umfeld der Kinder und Jugendlichen tatsächlich eine gravierende Rolle bei ihrem Wunsch nach Geschlechtertransition.

Die Heranwachsenden hatten erkennbar das Gefühl, dass es der einfachere Weg wäre, das Geschlecht zu wechseln, anstatt sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen. Doch dies war natürlich nicht die einzige zu klärende Frage. Ebenso konnte es bei der angegebenen Geschlechterdysphorie in Wirklichkeit um die Verarbeitung von Traumata, Formen des Autismus oder die Beeinflussung durch digitale Medien und vieles mehr gehen.

Obwohl ein Großteil der Besucher des GIDS erhebliche Gesundheitsprobleme aufwies, wurden sie dennoch zumeist dem beschriebenen Standardprozess zugeführt. Leider wurde dabei auf eine wissenschaftliche und statistische Begleitung verzichtet. Die unglücklichen Fälle, die Anzahl der Detransitionen und die juristischen Auseinandersetzungen nahmen folgerichtig zu. Die Presse in Großbritannien berichtete seit 2019 dazu immer ausführlicher, und die Politik forderte einen Kurswechsel. So blieb dem GIDS schließlich nichts anderes übrig, als das Angebot im Jahre 2023 zu beenden. Die Zukunft der ganzheitlichen Betreuung junger Menschen mit Genderdysphorie soll nun in wohnortnahen, kleinen Zentren liegen. Es soll ihnen dort genug Zeit zur Verfügung stehen und eine genaue Dokumentation ihrer Entwicklung erfolgen, die landesweit ausgewertet wird.

Der Kollaps des GIDS in London war ein wichtiges Warnsignal und sollte auch in Deutschland Familien, Lobbygruppen, Fachleuten, Politikern, Medien und der Gesellschaft als Ganzes die Notwendigkeit verdeutlichen, mit den in der Regel außergewöhnlich sensiblen und fragilen Kindern und Jugendlichen, die sich aus verschiedensten Gründen hinsichtlich ihrer Geschlechtsidentität unsicher sind oder eine Genderdysphorie aufweisen, zu hundert Prozent transparent, verantwortungsvoll und vorsichtig umzugehen. Sie brauchen keine ideologische Meinungsmache politischer Lager in der Schule oder den sozialen Medien. Was sie stattdessen brauchen, ist die diesbezügliche Expertise erfahrener Kinderärzte und -psychologen.


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