Nach dem Champions-League-Finale kam die Empörung: Toni Kroos wollte dem ZDF-Reporter Nils Kaben seine „Scheißfragen“ nicht beantworten und rauschte daher schnell von dannen. Der Journalist kommentierte das später bedröppelt: Er „erwarte Respekt“, erklärte Kaben seinen Journalistenkollegen, die seine Aussagen dann zu Artikeln verwursteten. Die Kommentarspalten im Lande pflichteten ihm bei: So dürfe ein Fußballer nicht auftreten, die Medien hätten schon etwas mehr Verständnis vonseiten der Sportler verdient.
Nun hat jener Toni Kroos ja eigentlich nichts Schlimmes verbrochen. Er monierte und ließ den Reporter Kaben stehen, beleidigt hat er ihn nicht. Offensichtlich wollte Kroos nur dessen Fragen entkommen, die aus seiner Sicht nun mal scheiße waren — ob das zutrifft, darüber wird man wohl streiten können. Mir ist allerdings kein Interview am Spielfeldrand bekannt, das jemals besonders tiefschürfende Erkenntnisse gehoben hätte. Für einen wirklichen Eklat taugt die Causa Kroos irgendwie nicht. Aber für eine Jammerarie unseres Qualitätsjournalismus war all das natürlich ein gefundener Vorfall.
Was heute schon zum Eklat taugt
Bevor wir jetzt in Nostalgie verfallen und festhalten, dass die heutige Spielergeneration ganz besonders brav und bieder sei, weil sie ja auch in Sachen Medien geschult wird, stellen wir lieber mal klar: Der Fußball war noch nie rebellisch. Wenn überhaupt, dann nur ganz am Anfang, als er sich gegen die Turner durchsetzen musste. Das ist aber lange her, nicht mal die Alten unter uns können sich erinnern. Klar ist aber auch, dass es schon andere Interviewpartner gab, die viel bräsiger mit den am Spielfeld lungernden Reportern umgingen. Man denke nur mal zurück an Stefan Effenberg oder Oliver Kahn. Und natürlich Mario Basler. Spieler also, die wir heute noch als „echte Typen“ verklären.
Interessant ist übrigens ein Zeitdokument, das heute noch bei YouTube zu bestaunen ist. Dort unterhält sich ZDF-Reporter Harry Valérien mit Paul Breitner. Geschehen im Sommer 1982 bei der Weltmeisterschaft in Spanien. Der Moderator des Sportstudios fragt ganz offen nach, warum Breitner Reporter sabotiert. Und der erklärt sich, langatmig und auch ein bisschen großtuerisch, wie man ihn eh und je kannte. Valérien dackelt aber nicht herum, er sucht offen und respektvoll das Gespräch, macht seinen Standpunkt klar. Auch das könnte Sportjournalismus sein. Aber wie Breitners Frisur in jener Zeit — ein Afro, ein Akt kultureller Aneignung also, Obacht liebe Wokeness-Gemeinde, lieber nicht den Link anklicken! —, so gibt es auch kaum noch solch einen Stil.
Nun weinen wir ja doch den vergangenen Tagen nach, enden letztlich doch in der Nostalgie. Aber warum auch nicht? Valérien fordert nicht einfach, dass man ihn respektieren soll, weil er einen Presseausweis hat, sondern argumentiert und begegnet Breitner auf Augenhöhe. Er zieht sich den Schuh des Stinkstiefels gar nicht erst an. Da ist es schwer nicht in Vergangenem zu schwelgen.
Valérien hatte es da freilich auch einfacher, denn im Regelfall stellte er keine saudämlichen Fragen, er war vom Fach und moderierte nicht nebenher noch das Frühstücksfernsehen oder eine politische Talkshow, wie mancher „Fachmann“ oder manche „Frau vom Fach“ heute: Nein, er war Sportjournalist — und eben kein Tausendsassa. Das hatte die charmante Nebenwirkung, dass er wusste, welche Fragen Gehalt haben und welche als lässlich zu betrachten waren.
Der Mann wurde respektiert, weil er kein mit Mikrofon geiernder Fragesteller war, der glaubte, nach der aktuellen Gefühlslage eines gerade vom Platz schlurfenden Fußballers zu fragen, sei die Krone der Sportberichterstattung.
Er benötigte keinen seiner Kollegen, damit er jetzt mal interviewt wird und sich ausschütten kann, dass er bitte Respekt möchte, weil er doch ein Journalist sei — und Journalisten, das wisse man doch mittlerweile, hätten immer, wirklich immer, Respekt verdient.
Journalismus im Panic Room
In dieser jämmerlichen Haltung liegt meines Erachtens die bittere Wahrheit des journalistischen Berufsstandes. Seit Jahren ist zu beobachten, wie sich die Medienvertreter des Landes selbst zu Instanzen des Anstandes und der Sittlichkeit stilisieren. Darunter scheint es die Branche gar nicht mehr zu machen. Jedenfalls dann nicht, wenn man in den High-End-Formaten der Branche sein Geld verdient — oder sagen wir besser: in der man oftmals unser Geld verdient, Stichwort: Gebührenfinanzierung. Dort sitzen Leute, die sicherlich Journalismus studiert haben, also grundsätzlich das Handwerk beherrschen, aber auf dieses Wissen gar nicht mehr zurückgreifen. Stattdessen üben sie sich in Haltung, ergreifen aktiv Partei für das, was sie als das Richtige erachten und fordern dann noch, dass man sie bitte mit Samthandschuhen anfasst.
Jede Kritik an ihrem Schaffen schieben sie daher beiseite. Wer in Zeiten von Pest und Corona die Rolle des deutschen Medienbetriebes zur Disposition stellte, wurde sogleich als jemand diskreditiert, der mit dem Rechtsradikalismus im Bunde stehen müsse.
Denn wer den hiesigen Journalismus kritisiert, der frevelt an einer Instanz, die absoluten Respekt verdient. Ein solcher Kritiker kann nur ein niederträchtiger Mensch sein, der mit allen Mitteln bekämpft werden darf — und muss!
Nicht wenige aus der Branche sind ja der Ansicht, sie seien die letzten Säulen der Demokratie. Allein deshalb müsste man sie bei allem respektieren, was sie tun — oder eben unterlassen. Dass sie dann auf den Straßen der Republik nicht sonderlich gerne gesehen werden, wie sie kritische Bürgerinnen und Bürger in maßloser Arroganz als Neonazis oder Leugner abstempeln, die in einer richtigen Demokratie gar nicht erst demonstrieren dürfen sollen, macht manchen aus dem Medienbetrieb fassungslos. Geht man so mit diesem respektablen Beruf um? Was erlauben sich diese Leute eigentlich, Menschen mit Presseausweis nicht zu hofieren? Prompt machten sie es wie neulich jener Kaben und diktieren der ebenso fassungslosen Kollegenschaft in den Stenoblock, dass sie mehr Respekt einfordern.
Kritik löst bei diesen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen regelrechte Panik aus; aus ihrem Panic Room heraus machen sie Atemübungen, um die Hyperventilation, die der Frevel an ihrer Arbeit auslöste, wieder in den Griff zu bekommen. Zudem ist es auch der Ort, wo man unter sich ist, wo man sich bestärkt in der eigenen selektiven Wahrnehmung. Die Filterblase dieses journalistischen Betriebes: Es ist eben dieser Panic Room, in den es alle treibt, die viel mehr Geltung haben wollen — aber wenig Qualitäten mitbringen, die ihnen zur Geltung verhelfen könnten.
Wir müssen diesen Journalismus aushalten, aber dieser Journalismus hält kaum was aus
Haben Sie neulich die Sendung Markus Lanz gesehen? Jene, in der er die Rolle des Moderators verließ, um selbst mal als geifernder Gast bei sich vorbeizuschauen? Es war jene Ausgabe, in der Ulrike Guérot versuchte, sich als Stimme der Vernunft zu positionieren. Wer sie gesehen hat, dem geht es wie jenen Journalisten, die hyperventilieren. Mir ging es jedenfalls so. Einen solchen Vorfall gab es meines Erachtens auch noch nicht. Und in unserer Medienwelt war schon viel da. Aber dergleichen: nein, wirklich nicht. Was muss man als Rezipient eigentlich aushalten?
Und wie wenig hält im Gegensatz dazu doch unser Journalismus aus! Er verträgt nichts, bejammert den eigenen Deutungsverlust in weiten Teilen der Gesellschaft, kommt aber nicht auf den Trichter, diese Entwicklung mal zu hinterfragen, die eigene Rolle zu analysieren. Konfrontiert man diesen Weichei-Journalismus dann mit Ablehnung oder Verachtung, fragt er nicht nach, wie es seine ureigenste Aufgabe wäre, sondern blockt, wird wütend, diffamiert und diskreditiert.
Große Teile dieser Branche stecken in einem weinerlichen Modus fest, der als eine Art Schutzmechanismus wirkt.
Genauso wie bei Teenagern, die die Welt um sich herum als eine einzige Verschwörung gegen den Nabel der Welt, der sie selbst sind, begreifen — und die auf Kritik nicht eingehen können, weil in dieser Entwicklungsphase hin zum Erwachsenwerden der eigene Kosmos nur schwerlich dazu bereit ist, sich in andere hineinzuversetzen. Bei Teenies ist so ein Benehmen ganz normal. Aber bei erwachsenen Journalistinnen und Journalisten kann man das doch nicht als ein völlig normales Auftreten abtun.
Das Problem an der Sache ist, dass wir diese „berufsjugendlichen“ Trotzköpfe nicht einfach auf ihr Zimmer schicken, ihnen nicht das Taschengeld entziehen können. Gelänge uns Letzteres, insbesondere bei den larmoyanten Damen und Herren öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, wäre schon viel gewonnen — für den Journalismus, die Rezipienten und nicht zuletzt auch für Toni Kroos.
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