Angesichts der seit März 2020 anhaltenden, tendenziösen und einseitigen Berichterstattung in Bezug auf Corona stellt sich die Frage, ob die deutsche Presse ihre eigenen ethischen Grundsätze vergessen hat. Ist inmitten der Panik verbreitenden Verlautbarungen der Regierung dem journalistischen Berufsstand die Moral abhandengekommen? Wurden im Eifer des Krieges gegen einen Virus und im gemeinsamen Kampf für das Gute zeitraubende Grundsätze journalistischer Arbeit vergessen? Eine Spurensuche nach einer ethischen Pressearbeit.
Als ich im Jahr 2020 zusammen mit 110.000 Unterstützenden mehrere Petitionen für eine Corona-Sondersendung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk einreichte, bekam ich die Antwort, dass es die Menschen überfordern würde, Wissenschaftlern mit verschiedenen Einschätzungen zuzuhören, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Außerdem, so WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn, wäre eine Talkshow mit Befürwortern und Kritikern der Corona-Maßnahmen nicht das richtige Format. Ich erachtete die bis dato veröffentlichte Berichterstattung über Corona als unausgewogen und deshalb nicht der vertraglichen Pflicht des Medienstaatsvertrages nachkommend.
„Paragraf 26 (2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“
Mehr als ein Jahr später sollte genau dieser Herr folgende Aussage treffen:
„‚Journalistinnen und Journalisten decken für sich genommen nicht die Meinungsbreite der Gesellschaft ab, also in ihrer eigenen Meinung. Das hat ganz einfach damit zu tun, dass wir alle ein ähnliches Milieu bilden‘, sagte Schönenborn. Deshalb bestehe immer die Gefahr‚ ‚dass wir die Werte unseres eigenen Milieus allgemein setzen und auf andere Haltungen weniger deutlich schauen.‘ Sein Job als Programmdirektor sei es, da immer wieder den Spiegel vorzuhalten.“
Fast zeitgleich äußert sich WDR-Intendant Tom Buhrow in einem Zeit-Artikel wie folgt:
„Die Gesellschaft braucht mehr kontroverse, unbequeme Meinungen und robuste und freie Kommunikationsräume. Gerade die ARD und der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt können diese Räume anbieten.“
Diese wohlklingenden Aussagen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ARD, gut ersichtlich am Beispiel meiner Petition, nicht bereit ist, diese Debattenräume zu eröffnen. Das zeigte bereits eine Studie der Uni Passau aus dem Jahr 2020, die sich ausschließlich mit der Berichterstattung von ARD und ZDF beschäftigte. Es ist nett, über Meinungspluralismus zu reden, doch faktisch tut die ARD genau das, was Noam Chomsky als Werkzeug der Passiverhaltung der Bevölkerung beschreibt:
„Der schlauste Weg, Menschen passiv und folgsam zu halten, ist, das Spektrum akzeptierter Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb dieses Spektrums sehr lebhafte Debatten zu erlauben.“
Die Bedeutsamkeit der Presse
Das gedruckte und online publizierte Wort bildet für viele Menschen ihre alltägliche Informationsgrundlage. Basierend auf Presseerzeugnissen formen sich Weltbild, Einstellung und Verhalten. Da wir in einer komplexen Welt leben, sind wir immer mehr darauf angewiesen, anderen Menschen zu vertrauen, dass sie uns von Geschehnissen wahrheitsgetreu berichten, die wir nicht persönlich erfahren können. Dafür brauchen wir die journalistische Arbeit der Presse. Nur ein informierter Bürger ist überhaupt in der Lage, sich aktiv an der Demokratie zu beteiligen. Im Wissen um die große Verantwortung der Pressearbeit ist in der Präambel des deutschen Pressekodex Folgendes festgeschrieben:
„Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein. Sie nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr.“
Dieser sehr hochtrabende Text wirkt mit Blick auf die aktuellen Presseerzeugnisse wie aus einer anderen Zeit. Im Zuge des Corona-Geschehens hat sich das journalistische Schaffen teilweise so stark enthemmt, dass die Ziffern des Pressekodex nicht mehr zu „entziffern” sind. Harald Wiesendanger, Wissenschaftsjournalist mit dem Schwerpunkt Medizin, veröffentlichte im April 2020 bereits einen offenen Brief zur Berichterstattung über Corona mit dem Titel „Ich schäme mich meines Berufsstandes”. Dort machte er bereits auf die eklatanten Missstände in der Berichterstattung über Corona aufmerksam:
„Mit blankem Entsetzen und ohnmächtiger Wut verfolge ich das unwürdige Treiben gestandener Berufskollegen: vom Redakteur beim Nachrichtenmagazin über den ‚Tagesthemen‘- und ‚Heute‘-Moderator bis hin zum Mitarbeiter der Presseagentur, zum Rundfunkplauderer, zum Social-Media-Texter, zum Talkshow-Gastgeber. Ungefiltert bringen sie offizielle Horrorzahlen unters Volk, ohne zu hinterfragen, wie diese überhaupt zustande kommen; wie sie ausgewertet werden; was sie eigentlich besagen; wie es um andere Zahlen steht.“
Fast 18 Monate später meldet sich Ole Skambraks, Mitarbeiter des SWR mit Klarnamen zu Wort und veröffentlicht einen offenen Brief mit dem vielsagenden Titel „Ich kann nicht mehr“. Als erster „Interner“ bekennt er Farbe und äußert sich öffentlich. Das ist auf der einen Seite mutig und sein Brief erfreut sich großer Beliebtheit. Auf der anderen Seite ist es eigentlich unglaublich, dass es 18 Monate gebraucht hat, bis ein Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Klarnamen die Fehlentwicklung der Berichterstattung über Corona anprangert.
Er leitet seinen offenen Brief wie folgt ein:
„Ich kann nicht mehr schweigen. Ich kann nicht mehr wortlos hinnehmen, was seit nunmehr anderthalb Jahren bei meinem Arbeitgeber, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passiert. In den Statuten und Medienstaatsverträgen sind Dinge wie ‚Ausgewogenheit‘, ‚gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ und ‚Diversität‘ in der Berichterstattung verankert. Praktiziert wird das genaue Gegenteil. Einen wahrhaftigen Diskurs und Austausch, in dem sich alle Teile der Gesellschaft wiederfinden, gibt es nicht.“
Auf Spurensuche nach dem Pressekodex
Die Diskrepanz zwischen dem Anspruch des Pressekodex und der Realität der Pressearbeit scheint im Verlauf des Corona-Geschehens groß. Aktuell sei dabei auf die Diskriminierungskampagnen gegenüber Ungeimpften hingewiesen. Der Focus berichtet von einer Impfinfektionsschere und sieht die „Pandemie der Ungeimpften” als belegt an. Im MDR stellte Ethikratsmitglied Wolfram Henn die Frage, ob Ungeimpfte im Notfall überhaupt noch beatmet werden sollten. In diesem Zusammenhang ist auch die Diffamierung sogenannter Maskenmuffel oder Maskenverweigerer zu erwähnen.
Der Tagesspiegel veröffentlichte dazu einen Beitrag von Sebastian Leber mit dem Titel: „Maskenverweigerer, ich verachte euch zutiefst“. Leber macht in diesem Kommentar keinen Hehl aus seiner tiefen Verachtung gegenüber Menschen, die keine Maske tragen:
„Vermutlich hilft da nur eines: die Verweigerer selbst anzusprechen und ihnen klarzumachen, dass sie sich schämen sollen. Dass Typen wie sie die Pandemie verlängern, teuer erkaufte Erfolge im Kampf gegen das Virus zunichtemachen und Menschenleben gefährden. Dass sie niemals wissen werden, welche Infektionsketten sie losgetreten, welche Oma durch ihre Rücksichtslosigkeit auf dem Gewissen haben.“
Ganz unabhängig davon, dass seit Beginn der Corona-Pandemie keine Evidenz für die Wirksamkeit eines öffentlichen und massenhaften Maskentragens von Laien besteht, sind diese Zeilen voller Feindseligkeit und Aggression. Das Magazin GQ bezeichnete im Herbst 2020 sogar Menschen, die keine Maske tragen als soziopathisch.
„Es ist immer wieder frustrierend, Menschen zu sehen, die keinen Mundschutz tragen. Noch schlimmer ist es, Menschen zu sehen, die sich auch nach Aufforderung weigern, in geschlossenen Räumen eine Maske aufzusetzen, weil sie glauben, dass sie im Recht wären — und damit ihr Leben und das ihrer Umgebung aufs Spiel setzen. Jetzt deuten einige Studien darauf hin, dass dieser mangelnde Wille, Sicherheitsmaßnahmen zu befolgen und eine Maske zu tragen, die Folge einer soziopathischen oder narzisstischen Persönlichkeit sein könnte.“
Die Würde des Menschen
Werfen wir angesichts dieser Kampagnen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen wieder einen Blick auf den Pressekodex und seine Verpflichtung der Verfassung gegenüber. Wir finden dort unter Ziffer 1:
„Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.“
Ziffer 2 des Pressekodex ist mit „Sorgfalt“ überschrieben:
„Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“
Seit Beginn der Berichterstattung über Corona werden bestimmte Schlagworte wiederholt, um das Pandemiegeschehen zu beschreiben: tägliche akkumulierte Todeszahlen, Anzahl von „Neuinfektionen“, Infektionssterblichkeitsraten und — ganz wichtig — die Auslastung der Intensivbetten.
Bis heute veröffentlichen Redaktionen Beiträge, die nicht zwischen einer Infektion, einem „Fall“ und einem positiven Testergebnis unterscheiden. Allein diese Sorgfalt hätte einen großen Einfluss auf die Medienlandschaft.
Eine Infektion ist laut Infektionsschutzgesetz nämlich:
„ ... die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus.“
Diesen Nachweis kann ein positiver PCR-Test nicht erbringen.
Von fehlender Sorgfalt geprägt sind auch Meldungen über plötzliche Explosionen der „Infektionszahlen“. Ein prominentes Beispiel war die Verdreifachung der „Neuinfektionen“ aufgrund einer Verdreifachung der Testanzahl in der Kalenderwoche 12 im Jahr 2020. Auch hier stellt sich die Frage, wie gründlich die Redaktionen recherchiert haben, um den Wahrheitsgehalt dieser Meldungen zu prüfen.
Noch immer wird eine prozentuale Auslastung der Intensivbetten veröffentlicht, um Menschen den Eindruck zu vermitteln, dass die Krankenhäuser bald überlastet seien. Auch in diesem Fall reichen grundlegende mathematische Kenntnisse und minimale Sorgfalt, um zu verstehen, dass sich die Anzahl der verfügbaren Betten verringert hat und nicht die Belegung der Intensivbetten angestiegen ist:
Medizinische Berichterstattung
Erinnern wir uns daran, dass es sich bei Corona um einen viralen Atemwegserreger, also eine medizinische Angelegenheit handelt. Aufgrund der Maßnahmen, die von Politikern beschlossen werden, ist es auch eine politische Angelegenheit, aber der Grund für diese Maßnahmen ist ein medizinischer. Folgende Fragen sind daher wegweisend für die medizinische Einschätzung der Lage: Wie tödlich ist das Virus, das heißt, wie hoch ist der Infizierten-Verstorbenen-Anteil? Wer verbreitet das Virus? Wie viele Infizierte landen auf den Intensivstationen? Wie alt sind die Corona-Toten? Welche Maßnahmen bewirken welche Resultate? Wie sicher ist die Impfung? Wie wirksam ist die Impfung? All das sind medizinische Aspekte. Interessanterweise sieht der Pressekodex explizit für diese Berichterstattung eine eigene Ziffer vor:
„Ziffer 14 — Medizin-Berichterstattung: Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden.“
Von Anfang an wurde diese Ziffer des Pressekodex vernachlässigt bis vergessen. Das berühmte Bild der Särge aus Italien, welches sich als Fake herausstellte, die Bilder der Coronatoten und Beatmeten, die völlig falschen Hochrechnungen des Imperial College bezüglich der zu erwartenden Toten, die Annahme asymptomatischer Übertragung, die Annahme einer gänzlich fehlenden Immunität in der Bevölkerung und das immer wieder betonte Killervirus schürten unbegründet Befürchtungen beim Leser. Diese Angst einjagenden Punkte haben sich größtenteils als falsch erwiesen.
Deshalb verstößt die dazugehörige Pressearbeit in hohem Maße gegen die Sorgfaltspflicht und gegen eine ethisch vertretbare Berichterstattung besonders im medizinischen Bereich. Sie erinnert viel mehr an die Vorgaben des Panikpapiers des Innenministeriums, in dem es hieß:
„Wir müssen wegkommen von einer Kommunikation, die auf die Fallsterblichkeitsrate zentriert ist. Bei einer prozentual unerheblich klingenden Fallsterblichkeitsrate, die vor allem die Älteren betrifft, denken sich viele dann unbewusst und uneingestanden: ‚Naja, so werden wir die Alten los, die unsere Wirtschaft nach unten ziehen, wir sind sowieso schon zu viele auf der Erde, und mit ein bisschen Glück erbe ich so schon ein bisschen früher‘. Diese Mechanismen haben in der Vergangenheit sicher zur Verharmlosung der Epidemie beigetragen. Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden.“
Diese Kommunikationsstrategie ist eine Anleitung zu Panikmache und die deutsche Presse hat diese Strategie meiner Meinung nach größtenteils übernommen. Sie ist nur ein Beispiel dafür, dass es in der Corona-Berichterstattung eine „Tendenz zur Affirmation der staatlichen Maßnahmen“ gibt. Zu diesem Ergebnis kommt die bereits erwähnte Studie der Uni Passau mit dem Titel „Die Verengung der Welt“. Der Leipziger Kommunikationswissenschaftler Uwe Krüger attestierte bereits in einem Interview aus dem Jahre 2015 den führenden Redakteuren in Deutschland eine beunruhigende Nähe zu den Eliten aus Politik und Wirtschaft.
Reaktion des Presserats
Auf meine Anfrage an den Presserat nach einer Einschätzung der Pressearbeit bezüglich Corona bemerkt dieser:
„Etwa drei Viertel der geprüften Beiträge bezogen sich 2020 auf die Ziffer 2 des Pressekodex (Sorgfaltspflicht). Hier ging es um Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen oder um die korrekte Wiedergabe der vom Robert Koch-Institut (RKI) genannten Zahlen und Begriffe. Hier hatten die Medien ebenfalls überwiegend sauber gearbeitet.“
Im Jahresbericht 2020 des Presserats wird von auf „Rekordniveau gestiegenen Beschwerdezahlen“ gesprochen und dass die „Kritik sich etwa gegen die in den Medien genannten Infektionszahlen, unterschiedliche Szenarien zur Sterblichkeit, aber auch gegen Berichte, die über die Beweggründe von Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen informierten, richtete“:
In Bezug auf die vielen eingegangenen Beschwerden kann der Presserat die Leser des Jahresberichts aber beruhigen:
„Die Mehrzahl dieser Vorwürfe konnte der Presserat entkräften und bestätigte damit, dass die an den Pressekodex gebundenen Medien sich überwiegend an die Sorgfaltspflicht halten.“
Der bereits oben erwähnte Wissenschaftsjournalist Harald Wiesendanger stellte schon im Frühjahr 2020 der Pressearbeit hinsichtlich Corona ein anderes Zeugnis aus:
„Mit blankem Entsetzen und ohnmächtiger Wut verfolge ich das unwürdige Treiben gestandener Berufskollegen: vom Redakteur beim Nachrichtenmagazin über den ‚Tagesthemen‘- und ‚Heute‘-Moderator bis hin zum Mitarbeiter der Presseagentur, zum Rundfunkplauderer, zum Social-Media-Texter, zum Talkshow-Gastgeber. Ungefiltert bringen sie offizielle Horrorzahlen unters Volk, ohne zu hinterfragen, wie diese überhaupt zustande kommen; wie sie ausgewertet werden; was sie eigentlich besagen; wie es um andere Zahlen steht. Sie machen im Eilverfahren zugelassene, mangelhaft überprüfte Tests wichtig und notwendig, ohne zu beleuchten, was diese überhaupt messen; was aus ihnen folgt und was nicht; wie hoch die Fehlerquote ist; wer von ihrem Masseneinsatz profitiert.“
Neben dem allgemeinen Pressekodex gibt es einen Online-Leitfaden für Journalisten im Bereich Medizin-Berichterstattung des Netzwerks Recherche e. V. Dieser beinhaltet hilfreiche Leitlinien, um ethisch vertretbar zu berichten. Besonders spannend ist im Kontext der Corona-Berichterstattung ein Abschnitt, der sich mit neu aufkommenden Krankheiten beschäftigt:
„Überzeugen Sie sich von der Relevanz des Themas. Unmengen von Pharma- und Medizinunternehmen leben davon, weitgehend normale Verhaltensweisen oder Lebensabläufe als therapiebedürftige Krankheiten zu stigmatisieren. ‚Disease Mongering‘ nannte Wissenschaftsjournalistin Lynne Payer dieses Phänomen in ihrem gleichnamigen Buch aus dem Jahr 1992. Darin zählt sie eine Reihe von Kriterien auf, an denen man prüfen kann, ob eine neue Krankheit den Marketing-Fantasien der Industrie entsprungen ist.
Vorsichtig mit neuen Krankheiten sollten Sie sein, wenn …
- eine sehr große Bevölkerungsgruppe plötzlich von einem Leiden betroffen sein soll,
- eine große Zahl an Doktoren und unbekannten Experten unvermittelt auf ein neues Leiden hinweisen,
- Statistiken selektiv genutzt werden, um den Erfolg einer Behandlung zu belegen,
- eine Behandlungsmaßnahme — oft absolut risikofrei — gleich mit angeboten wird,
- ein häufig auftretendes Symptom, zum Beispiel einfache Kopfschmerzen, mit einer neuen Krankheit verknüpft wird.“
Alle fünf Hinweise dieser Checkliste sind oder waren bei Corona erfüllt. Sowohl Pressekodex als auch dieser Leitfaden standen und stehen allen Redaktionen in Deutschland zur Verfügung, und trotzdem haben sie größtenteils über mittlerweile anderthalb Jahre versagt! Auf Anfrage beim Netzwerk Recherche e. V., wie sie die Corona-Berichterstattung hinsichtlich ihres Leitfadens beurteilen, erhielt ich die Antwort, dass sie keine Kapazitäten haben, meine Fragen zu beantworten.
Persönliche Schlussbetrachtung
Ähnlich wie mit der Gültigkeit des Grundgesetzes oder der Kinderrechte in Pandemiezeiten scheint es, dass im Eifer des Corona-Gefechts Grundsätze ethischer Pressearbeit ad acta gelegt werden. Der Pressekodex wurde in elementaren Bereichen langfristig und deutlich verletzt. Frühe kritische Stimmen wurden ignoriert und diffamiert.
Im Tunnelblick, mit der Angst vor dem Virus im Rücken, wurde die Bevölkerung nicht mehr informiert, sondern indoktriniert.
Sie wurde größtenteils belehrt, einseitig informiert und in Panik versetzt. Wie oben bereits beschrieben, war es der Bevölkerung nicht zuzumuten, sie mit verschiedenen Standpunkten zu versorgen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt der Krise war die aufgenommene Fahrt der Berichterstattung so rasant und die Fahrspur so schmal, dass eine Kursänderung aufgrund stärker werdender Kritik von Außen nicht mehr möglich war. Ein weiterer, möglicher Beweggrund für die Unfähigkeit der Presse, ihre Berichterstattung wieder auf die ethischen Grundlagen zu stellen, könnte auch die Angst davor sein, den eigenen Irrtum zuzugeben.
Redaktionen im ganzen Land hatten viel in die Ausrufung einer Pandemie durch einen Killervirus investiert, sodass eine Kurskorrektur einen starken Gesichtsverlust bedeutet hätte. Ganz bestimmt gab es in jeder Redaktion Journalisten, die bereits im Frühjahr 2020 Zweifel am Regierungsnarrativ hatten.
Ziemlich sicher gab es fast überall mindestens eine kleine Minderheit, die ahnte, dass die Berichterstattung nicht mehr den Grundsätzen des Pressekodex entspricht. Durch die Einengung des Debattenraums mittels der Befragung der immer gleicher „Experten“ und durch die systematische und respektlose Diffamierung Andersdenkender als „Corona-Leugner“ oder „Verschwörungstheoretiker“ wurde es für diese journalistische Minderheit immer schwerer, ihre Stimme zu erheben. Sie wollten ja nicht zu denen gehören, die öffentlich aus dem Debattenraum ausgegrenzt wurden.
Auf der einen Seite war die Angst vor dem Jobverlust aufgrund einer immer stärkeren Prekarisierung im Journalismus und die Sorge als Querdenker dazustehen, auf der anderen Seite das journalistische Gewissen und ein Bewusstsein für die Mitverantwortung an der Informiertheit der Bürger. Die große Mehrheit der Journalisten hat entweder nicht gemerkt, dass sie sich in Sachen Corona von den ethischen Grundsätzen des Pressekodex mehr als nur anderthalb Meter sozial distanzierte, oder empfand sich nicht in der Lage, ihren Widerspruch konsequent zu äußern.
Beides führte zu großflächiger Unausgewogenheit und fehlender Sorgfalt in der Pressearbeit. Dass es sich bei diesen Kodexverstößen nicht um Banalitäten handelt, dürften die Coronakrise und die immensen Schäden durch die Maßnahmen mehr als deutlich gezeigt haben. Die Presselandschaft ist meiner Meinung nach in großem Maße mitverantwortlich für:
- eine übertriebene und damit krankmachende Angst vor SARS-CoV-2,
- einen feindseligen Debattenraum bezüglich der unterschiedlichen Sichtweisen auf die Corona-Maßnahmen,
- die Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft,
- die Angst vor gesunden Menschen als Infektionsquellen,
- die Annahme, Lockdowns beeinflussen das Infektionsgeschehen ohne dabei großen Schaden anzurichten,
- die Annahme, massenhaftes und laienhaftes Maskentragen schütze andere,
- die Annahme, SARS-CoV-2 wäre ein ganz neues Virus,
- das durch Schulschließungen, Maskentragen und Testen erzeugte Leid an Millionen von Kindern,
- einen signifikanten Vertrauensverlust in die deutsche Presselandschaft.
Journalisten hätten, wie auch vereinzelt geschehen, durch eine dem Pressekodex entsprechende Berichterstattung, die Möglichkeit gehabt, dialogfördernd, sorgfältig, besonnen und hinterfragend zu berichten. Politiker und vermeintliche Experten wären dadurch dazu herausgefordert gewesen, ihre Prognosen und Thesen zu belegen und Widersprüche zu erklären. Außerdem wäre es möglich gewesen, die Argumente der Maßnahmenkritiker zu veröffentlichen, um ausgewogen zu berichten und zu erfahren, mit welchen stichhaltigen Argumenten die Befürworter darauf reagieren. Ein lebendiger, respektvoller und hoch spannender Diskurs wäre möglich gewesen. In meinen Augen ist es das, was uns Medienkonsumierenden laut Pressekodex und Medienstaatsvertrag zusteht.
Es ist bereits fünf nach zwölf, um endlich zu verstehen, dass Herdendenken und Gruppengläubigkeit nicht Teile des Pressekodex sind.
Es wird Zeit, eine ethische, würdevolle und sorgfältige Berichterstattung zu betreiben, auch dann, wenn es bedeutet, sich konträr zur Mehrheit zu äußern. Auch in Krisenzeiten und auch dann, wenn ich als Journalist persönlich ganz anderer Meinung bin, als die, über die ich berichte, muss Ziffer 1 des Pressekodex das journalistische Handeln durchdringen:
„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.“
Es ist höchste Zeit, Strukturen zu schaffen, die dafür sorgen, dass sowohl Pressekodex als auch die Grund- und Kinderrechte nicht hohle Phrasen sind, sondern gelebte Grundsätze für ein ethisches und würdevolles Zusammensein auch und besonders in Pandemiezeiten!
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