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Angriff auf die Schwächsten

Angriff auf die Schwächsten

Im öffentlichen Nahverkehr in immer mehr Städten werden Senioren und Kinder abgehängt, indem die Zahlung mit Bargeld nicht mehr möglich ist.

Im Bus bar bezahlen? In Hamburg ist das seit dem 1. Januar 2024 passé. Senioren haben ein Problem: Ein Bild-Reporter begleitete die 80-jährige Christa D. auf ihrer Fahrt in die Innenstadt. Nach dem Einstieg muss sie am Ticketcomputer ein Angebot wählen und mit Guthabenkarte bezahlen.

Doch sie schafft es nicht: Eh der Fahrschein gekauft ist, rollt der Bus an und nimmt die Seniorin mit durch alle Strapazen des Stadtverkehrs. Sie kann sich nicht einhändig festhalten, wenn der Bus bremst. „Die Behörden zwingen mich zum Schwarzfahren“, sagt Christa D., die ihre Tochter besuchen möchte. Früher zahlte sie mit abgezähltem Kleingeld beim Busfahrer. Das ging schnell.

Christa D. kann den Ticketcomputer zumindest in der Theorie bedienen. Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder einer Sehbehinderung gilt das nicht. Anfang 2024 haben fünf soziale Vereinigungen die Abschaffung des Bargelds in Hamburg kritisiert. Angelika Antefuhr, Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg, sagte, vielen Menschen mit Behinderung sei es „nicht mehr eigenständig möglich, mit dem Bus zu fahren“. Dabei steht im Grundgesetz: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Selbst wenn der Ticketkauf in der Hansestadt mit fremder Unterstützung gelingen sollte, bleibt immer noch die finanzielle Benachteiligung: Wer ein Smartphone besitzt und ein Ticket per App kauft, erhält seit 2021 exklusiv sieben Prozent Rabatt.

Kein Halten vor den Kindern

Die unsoziale Seite der Entwicklung zeigt sich auch gegenüber Kindern mit voller Härte. In Chemnitz wurde ein Zwölfjähriger zum Aussteigen veranlasst, weil er nicht mit Karte bezahlen konnte. Die örtlichen Verkehrsbetriebe empfahlen dem Vater daraufhin eine „Mastercard für Kinder zwischen 7 und 18 Jahren“. Die Karte hätte laut MDR stattliche 36 Euro im Jahr gekostet.

Besonders zynisch daran: Mastercard führte in der Vergangenheit eine Kampagne gegen das Bargeld. Der Konzern verbreitete das Bild von dreckigen, mit Bakterien und Viren verseuchten Banknoten.

Zu gern würde das Unternehmen sehen, dass der Bürger auf seine Kreditkarte umsteigt. Wir sprechen über eines der rentabelsten Geschäfte weltweit: Mastercard verwandelt die Hälfte seiner Einnahmen in Gewinne und erwirtschaftet einen Gewinn von 15 Milliarden Dollar jährlich.

Mit staatlicher Unterstützung

Auch in Dresden, Erfurt, Leipzig, Mainz, Schweinfurt und Wiesbaden macht sich der Staat an der Bargeldabschaffung mitschuldig. Er lässt zu, dass das einzige analoge gesetzliche Zahlungsmittel im Nahverkehr unter die Räder kommt. In Rostock verschwinden die Barzahlmöglichkeiten in Bus und Bahn zu Gunsten bargeldloser Ticketdrucker. An nicht einmal 10 Prozent der Haltestellen gibt es Automaten mit Bargeldannahme.

Für die finanzielle Unterstützung des bargeldlosen Nahverkehrs in Rostock darf sich der Bürger beim Bundesverkehrsministerium bedanken. Auch Hamburg konnte auf diese Hilfe von ganz oben zählen. Die Politik bekennt sich laufend zum Bargeld, aber sie fördert seine Abschaffung als Zahlungsmittel. Ein Skandal.

Wege aus der Negativspirale

Ein Lichtschimmer ist die große Unterstützung für den europaweiten Schutz des Bargelds. Im Juli habe ich nach langer Vorbereitung zusammen mit Hansjörg Stützle eine Petition an EU-Parlament und die nationalen Finanzministerien gestartet. Bald 90.000 Menschen haben unterschrieben. Eine der Forderungen lautet: „Der öffentliche Nah- und Fernverkehr muss problemfrei mit Bargeld genutzt werden können.“

Dieses Ziel muss unbedingt in der geplanten EU-Bargeld-Verordnung berücksichtigt werden. Helfen Sie mit, Druck auf die Politik zu erzeugen. Wir brauchen 100.000 Unterstützer. Zeichnen Sie die Petition und sagen Sie es weiter. Bis sich etwas tut, schreitet die Verdrängung des Bargelds fort. Seit dem 1. September 2024 kann in Berlins Bussen nicht mehr bar bezahlt werden.


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