Neben den Hartz-Gesetzen sind es die rot-grünen Rentenreformen, die ehemalige SPD-Wähler noch bis heute nachdrücklich vergrätzen. Im Klartext: Nur wenn die SPD deutlich bessere Renten durchsetzt, wird sie wieder sozialdemokratisches Profil zurückgewinnen. Das haben die Mitglieder an der viel zitierten Basis längst begriffen. Bis an die Parteispitze scheint sich das aber noch nicht herumgesprochen zu haben, denn die Rente steht nicht oben auf dem Wunschzettel der SPD-Sondierer. Die ignorieren weiter trefflich das Problem, für das sie selber die Mitschuld tragen. Zahlen gefällig? Im Jahr 2016 zahlte die Deutsche Rentenversicherung eine durchschnittliche Rente in Höhe von 848 Euro aus. Bereits heute liegt also die Durchschnittsrente nur noch knapp über der Höhe der durchschnittlichen Grundsicherungsleistung. Und auch jene, die 45 Versicherungsjahre oder mehr auf dem Buckel haben, kamen nur auf bescheidene Renten von 1.378 Euro (Männer) und 1.053 Euro (Frauen).
Damit liegen wir im internationalen Vergleich ganz weit hinten. Der jüngste Rentenbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD („Pensions at a glance 2017“) ist deutlich: in den entwickelten Ländern der Welt bekommen die Rentner im Schnitt eine Rente, die etwas mehr als die Hälfte des früher lebenslang erzielten Einkommens ausmacht. Man spricht von einer durchschnittlichen Lohnersatzquote von 52,9 Prozent. In Deutschland beträgt diese aber gerade mal 38,2 Prozent. Länder wie Dänemark, Niederlande oder Österreich schaffen hier mehr als doppelt so viel.
Dies zeigt zweierlei: Die deutschen Renten sind verglichen mit den meisten Nachbarländern lächerlich gering und das offizielle Rentenniveau von derzeit 48 Prozent streut der Öffentlichkeit mit allerlei Rechentricks gewaltig Sand in die Augen. Besonders weit hinten liegen wir international bei den Altersrenten für Geringverdiener. Nur in Polen und Mexiko werden diese noch schlechter behandelt als hierzulande. Ketzerische Frage: Gehörte diese Gruppe nicht früher einmal zu den traditionellen SPD-Wählern? Offenbar hat man sie bei der Konzentration auf die von Bodo Hombach und Gerhard Schröder erfundene „neue Mitte“ irgendwie aus den Augen verloren. Die betroffenen Wähler haben hingegen, wie die jüngste Bundestagswahl gezeigt hat, die sozialdemokratische Rentenpolitik der vergangenen 20 Jahre nicht vergessen.
Vorerst keine Besserung in Sicht
Was ist nun von den Sondierungen zu erwarten? Die Forderung nach einer Bürgerversicherung im Gesundheitswesen ist honorig und wenn man sie denn konsequent umsetzte auch sinnvoll und gerecht. Doch wie soll ein solcher Angriff auf die private Krankenversicherung und die Ärztelobby allen Ernstes in einer Koalition mit der Union durchgesetzt werden? Das können sich Karl Lauterbach & Co. glatt abschminken.
Wenn die Rente thematisiert wird, so liegt die klare Forderung des SPD-Landesverbandes NRW auf dem Tisch: das Rentenniveau soll zunächst stabilisiert und dann „perspektivisch“ wieder auf 50 Prozent erhöht werden.
Was oberflächlich gut klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung als vollkommen ungenügend. Das Rentenniveau, so sagen es derzeit alle Prognosen, bleibt aufgrund der guten Beschäftigungslage bis zum Jahr 2022 ohnehin stabil bei rund 48 Prozent. Eine vorläufige Stabilisierung kostet die Union also nur ein müdes Lächeln. Gegen eine spätere Erhöhung auf 50 Prozent gäbe es allerdings vermutlich Widerstände. Jede noch so kleine Verbesserung, provoziert das sofortige Veto der mit der Union eng verbandelten Arbeitgeberverbände.
Und dennoch: Selbst wenn der von der SPD geforderte Erhöhungsschritt gelingen sollte, wären die Rentner vermutlich bitter enttäuscht, wenn sie die Früchte einer solchen Verbesserung in Augenschein nähmen: Die sogenannte Standardrente (= Rente nach 45 Versicherungsjahren mit Durchschnittsverdienst) stiege ausgedrückt in Werten von heute von monatlich 1.396 Euro auf 1.454 Euro, brutto wohlgemerkt. Und was man immer betonen muss: Die Standardrente darf keinesfalls, siehe oben, mit der Durchschnittsrente verwechselt werden. Diese liegt deutlich niedriger.
Wir brauchen höhere Renten für alle!
Daraus folgt: Was wir perspektivisch wirklich brauchen sind deutlich stärkere Rentenerhöhungen für alle. Die Renten wurden seit der deutschen Wiedervereinigung durch diverse Maßnahmen um mindestens ein Drittel entwertet. Wollte man das wieder ausgleichen, so müsste die Standardrente auf mindestens 1.890 Euro angehoben werden. Vergleiche mit europäischen Nachbarländern zeigen: Das ist möglich und finanzierbar. Dennoch fordert das derzeit kein einziger führender Sozialdemokrat. Und natürlich schon gar kein Unionspolitiker – was in der berechtigten Kritik an der SPD leicht ein wenig untergeht.
Vielleicht bekräftigt man stattdessen in einer sich anbahnenden neuen GroKo die gemeinsame Liebe zur neuen Betriebsrente. Die findet in dem gemeinsam beschlossenen und seit Jahresanfang in Kraft getretenen Betriebsrentenstärkungsgesetz ihren Ausdruck. Man kann die perfide Wirkung dieses Gesetzes nicht oft genug kritisieren: Die Arbeitnehmer sollen ihre sogenannte Betriebsrente künftig nahezu allein finanzieren. Es gibt keinerlei sichere Zusagen, was die spätere Rentenhöhe angeht. Es kann also auch weniger rauskommen als die Arbeitnehmer einzahlen.
Organisiert wird das Ganze von Allianz & Co., also denselben privaten Versicherungskonzernen, die auch Riester- und Rürup-Produkte anbieten. Und durch die Einzahlungen der Arbeitnehmer für ihre späteren sogenannten Betriebsrenten fallen ihre Ansprüche aus der gesetzlichen Rente noch niedriger aus.
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