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Unzureichender Bargeld-Schutz

Unzureichender Bargeld-Schutz

Die Schweizer Landesregierung will Bargeld ins höchste Gesetz schreiben. Wichtige Grundvoraussetzungen dafür sollen aber nicht von der Verfassung garantiert werden.

Wer in der Schweiz ein Café aufsucht oder einen Weihnachtsmarkt besucht, der hat als Barzahler immer öfter ein Problem. Auch die Schweizer Bundesbahnen und das im Buslinienverkehr führende Unternehmen Postauto wollen Bargeld weitgehend abschaffen. Doch der Bundesrat, also die Landesregierung der Eidgenossen, hält einen Bargeld-Annahmezwang derzeit für „weder angemessen noch notwendig“.

Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz keine Koalitionsverträge. An der Regierung werden alle großen Parteien beteiligt, und das Regierungskabinett entscheidet nach dem Konsensprinzip. Ein Votum der Regierung heißt noch lange nicht, dass der Gesetzgeber den gleichen Weg einschlägt. Und so könnte das Parlament am 18. Dezember beschließen, den Bürgern eine Frage zur Abstimmung zu unterbreiten: Soll die Verfassung bestimmen, dass „in der Regel“ Bargeld als Zahlungsmittel anzunehmen ist?

Wenn das Stimmvolk seinen Segen gibt, dann hätte der Staat als Garant der Verfassung den Auftrag, sicherzustellen, dass die Akzeptanz von Banknoten und Münzen die Regel bleibt — und nicht im großen Stil untergraben wird.

Eigentlich sagt bereits das Schweizer Gesetz, dass Banknoten „von jeder Person unbeschränkt an Zahlung genommen werden“ müssen. Eine sehr viel eindeutigere Formulierung als in Paragraf 14 des deutschen Bundesbankgesetzes, in dem nur vom einzigen unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel die Rede ist.

Allerdings gibt es in beiden Ländern keine Strafe für denjenigen, der Bargeld ablehnt. Und nach verbreiteter Auffassung von Juristen und Behörden bedeutet das, dass im Rahmen der sogenannten Vertragsfreiheit schon in den allgemeinen Geschäftsbedingungen die Kartenzahlung als Bargeldersatz verankert werden darf. Ein transparentes Schild an der Ladentür — „Hier nur Google-Pay und EC-Karte“ — und fertig.

Der Verfassungszusatz fand in der Parlamentskommission für Wirtschaft und Abgaben am 8. Oktober keine Mehrheit (16 Nein-Stimmen, 8 Ja-Stimmen). Die im Gesetz verankerte Annahmepflicht brauche „in den Augen der Kommissionsmehrheit keine zusätzliche Verfassungsbestimmung“. Nun aber ist das Parlament am 18. Dezember in seiner Gesamtheit gefragt. Eine Initiative um den ehemaligen Politiker Richard Koller bittet Schweizer Bürger, sich bis zum 7. Dezember an einer Petition an die Abgeordneten zu beteiligen. Dabei beruft er sich auf die Unterstützung von zwei Seniorenverbänden. Die Petition samt den Unterstützungsschreiben sozialer Organisationen soll am 8. Dezember dem Nationalratspräsidenten überreicht werden.

Wie kommt es überhaupt zur Debatte um eine Annahmepflicht? Richard Koller und die Freiheitliche Bewegung Schweiz starteten 2021 eine Volksinitiative unter dem Titel „Bargeld ist Freiheit“. Die notwendigen 100.000 Unterschriften kamen innerhalb der Frist von anderthalb Jahren zusammen. Somit muss das Begehren dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Die Initiative überreichte der Landesregierung 2023 insgesamt 140.000 gültige Unterstützungserklärungen. Für Schweizer Verhältnisse ein beachtenswerter Erfolg.

Der Bundesrat erkannte, dass die Initiative auf große Zustimmung stößt, und stellte diesen Sommer einen Gegenentwurf vor. Dem Volk würden also gleich zwei Vorschläge zu einem Verfassungszusatz unterbreitet werden: zum einen die Variante der Freiheitlichen Bewegung Schweiz. Sie will erreichen, dass der Staat auf Bundesebene dafür sorgt, dass „Münzen oder Banknoten immer in genügender Menge zur Verfügung stehen“. Außerdem soll der Schweizer Franken als Währung ausdrücklich geschützt werden.

Der Gegenentwurf der Landesregierung übernimmt diesen Punkt ebenfalls, bei der Bargeldverfügbarkeit gibt es aber einen Unterschied: „Die Schweizerische Nationalbank gewährleistet die Bargeldversorgung“, heißt es dort. Nun stellt sich die Frage, was unter „Bargeldversorgung“ zu verstehen ist. Die Notenbank besitzt keine regulatorische Befugnis, die Banken zu zwingen, ihren Kunden Bargeldauszahlung anzubieten und ein Netz von Filialen und Automaten für Unternehmen und Privatmenschen zu unterhalten.

Somit liefert die Formulierung des Bundesrats einen Hinweis, dass der Verfassungsartikel lediglich gewährleisten soll, dass die Nationalbank den Banken nach deren Bedürfnis Bargeld bereitstellt. Ob die Banken aber der Gesellschaft gerecht werden und einen guten Zugang zu Bargeld sicherstellen, steht auf einem anderen Blatt.

Ein zweiter Kritikpunkt ist, dass die Volksinitiative auf die physische Beschaffenheit von Bargeld hinweist: „Banknoten und Münzen“, also Papier- und Metallgeld, während der Bundesrat nur von „Bargeld“ spricht. Spitzfindige Juristen könnten daher irgendwann argumentieren, dass eine staatliche Digitalwährung aus Bits und Bytes, die sich Grundeigenschaften von Bargeld teilt, deren Geldeinheiten aber keinen physischen Körper aus Papier oder Metall besitzen, ebenfalls verfassungsgemäßes Bargeld wäre.

Das Parlament kann den Gegenvorschlag der Landesregierung abwandeln. Ein Parlamentarier beantragte, die Variante des Bundesrats um den Grundsatz der Annahmepflicht von Bargeld zu ergänzen. Abgestimmt wird darüber am 18. Dezember. Eine zweite Volksinitiative, die dem Staat sehr ausführliche Vorgaben gemacht hätte, wie Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld zu gewährleisten sind, scheiterte im September im Sammelstadium, da die notwendigen 100.000 Unterschriften nicht zusammenkamen. Schweizer Bürger können den Vorschlag aus dem Parlament, die Annahmepflicht in Verfassungsrang zu erheben, bis zum 7. Dezember als Petitionszeichner unterstützen.

Im Euroraum fordert die Europäische Zentralbank, dass Staat und Wirtschaft Bargeld verpflichtend annehmen müssen. In Spanien gilt seit dem 28. Mai 2022 ein Annahmezwang, in Belgien seit dem 30. März 2024, in Norwegen seit dem 1. Oktober. In den Niederlanden, in denen nach letzter Erhebung der Nationalbank bereits 16 Prozent der Apotheken Bargeld ablehnen, hat das Unterhaus im September für eine Annahmepflicht gestimmt.

Wie eine Pressesprecherin des niederländischen Finanzministeriums auf Anfrage des Autors mitteilt, müsse der Senat noch zustimmen. Einen Termin dafür gebe es noch nicht. Ginge das Gesetz durch, hätten die Unternehmen — vorbehaltlich Ausnahmen in noch zu bestimmenden Bereichen — Barzahlungen bis zu 3000 Euro zu akzeptieren. Gleichzeitig würde ein Barzahlungsverbot ab 3000 Euro in Kraft treten. Eine Petition für die Sicherstellung der Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld im gesamten Eurogebiet steht inzwischen bei 97.000 Unterschriften.


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