Nun setzen sich in zwei parallelen Ausstellungen bei C/O Berlin und im Museum für Fotografie internationale Künstler mit den verschiedenen Praktiken der Überwachung auseinander. An beiden Orten zu sehen ist eine Arbeit von Hasan Elahi, der 1972 in Bangladesch geboren und in den USA aufgewachsen ist. Nach 9/11 geriet er im Rahmen des rassistischen Profiling in das Fadenkreuz der US-Behörden bei der Suche nach den Attentätern.
Zwar wurde jeder Anfangsverdacht ausgeräumt, dennoch blieb er im Fokus der Behörden. In vorauseilendem Gehorsam und in der Gewissheit, dass am Ende eine Datenüberflutung stehen wird, begann Elahi seinen Alltag mit Mobilphone zu überwachen und eine eigene Akte all seiner Aktivitäten mit Bildern und Daten anzulegen. In subversiver Affirmation sammelte er 70.000 Farbbilder, die er an das FBI weitergab. In der Ausstellung sind sie wie Pixel auf Papier- und Textilbahnen zu beeindruckenden Grafiken komponiert und werden neben großen S/W-Luftaufnahmen der NSA-Zentrale in Fort Meade, Maryland, präsentiert.
Die schon in so vielen Ausstellungen thematisierte Stasi als über die Maßen dämonisierte Instanz der abgewickelten DDR darf auch hier nicht fehlen. Simon Menner zeigt gefundenes Fotomaterial, das der Ausbildung von Agenten diente. Aspekte der Tarnung, Zeichensprache zur Übermittlung von Informationen sowie Fotos aus observierten Wohnungen und Protokolle mit banalsten Inhalten sind im Museum für Fotografie ausgebreitet. Die Bilder wirken geradezu lächerlich und anachronistisch angesichts heutiger Technik. Wäre es nicht endlich mal an der Zeit, sich mit den Praxen von Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst zu befassen?
Manche Künstler neigen zu absurden Planspielen, deren Ergebnisse kaum ein Mehrwert an Erkenntnis vermitteln. Florian Mehnert kontrastiert mit seiner Klangarbeit „Waldprotokolle“ bei C/O das Bild des Waldes als Rückzugsort und der Stille mit den von ihm aufgezeichneten Geräuschen und dem Stimmengewirr von Spaziergängern. Damit soll zum einen die Absurdität der Datensammlung und zum anderen die Auflösung der Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem demonstriert werden.
Jill Magid aus den USA ließ sich 2004 gut sichtbar in einem roten Mantel 31 Tage lang in Liverpool von City Watch, dem zuständigen Unternehmen für die Überwachung des öffentlichen Raumes, bei ihren Gängen durch die Stadt filmen. Dabei hatte sie die Augen geschlossen und wurde aus dem Monitorraum mittels Mobilfon geleitet. Um später an die in 31 Tagen gesammelten Daten zu gelangen, musste Magid Anträge stellen, die sie wie Liebesbriefe formulierte. Entkleidet man das Projekt aller unnötigen Sperenzchen, so bleibt die Demonstration der nahtlosen Überwachung in der Innenstadt. Dies hatte 1993, lange vor 9/11, Timm Ulrichs in Hannover bereits demonstriert und dabei nicht nur seinen Gang durch die Stadt von den installierten Kameras filmen lassen, sondern auch die Kameras unter dem passenden Titel „Schuß/Gegenschuß“ ins Visier genommen.
Den Fokus auf die Strategen der Überwachung und die ausführenden Mitarbeiter richten gleich zwei Künstler. Mit brillanten Fotografien portraitiert Julian Röder Technik und Personal des Überwachungssystem Eurosur, das mittels Satelliten, Infarotkameras und Zeppelinen die EU-Außengrenzen kontrollieren. Etwas fantasielos begnügte sich der italienische Konzeptkünstler Paolo Cirio (C/O) damit, Keith Alexander (NSA), James Comey (FBI), John Brennan (CIA), die für das von Edward Snowden geleakte Überwachungsprogramm Verantwortlichen der Verborgenheit zu entreißen.
Dafür generierte er im Internet zugängliche Fotos und sprühte die Gesichter der Verantwortlichen mittels HD-Graffiti-Sprühschablonen in den öffentlichen Raum mehrerer Städte. Auch Trevor Paglen (C/O) kommt leider nicht über die Dokumentation des Bekannten hinaus, indem er mittels Fotografie und Seekarte die neuralgischen und materiellen Architekturen des Internet zwischen Europa und dem amerikanischen Kontinent sichtbar macht.
Bemerkenswert dagegen ist die durchaus mit satirischen Elementen versehene Videoprojektion „How Not to be Seen: A Fucking Didactic Educational“ von Hito Steyerl, mit der sie diverse Strategien, sich unsichtbar zu machen, vorstellt. Bereits ihre Eingangsbemerkungen lassen die Spannbreite zwischen kritischer Reflexion und sarkastischem Humor erkennen: „Liebe ist unsichtbar, Krieg ist unsichtbar, Kapital ist unsichtbar und Frauen über 50 sind unsichtbar.“ Der raumgreifenden und redundanten Installation als Additiv zu dem Film hätte sich Steyerl, die eine Professur an der UdK inne hat, allerdings durchaus sparen können.
Der belgische Künstler Tomas van Houtryve ließ eine Drohne mit Kamera über die USA fliegen und fotografierte ähnliche Menschenansammlungen wie zum Beispiel Hochzeiten und Beerdigungen, die in Pakistan und Jemen Ziel von tödlichen Angriffen durch US-Drohnen wurden. Die Imagination einer staatlichen Lizenz zum Töten, die nun mal in den USA selber Anwendung findet, macht die bittere Absurdität dieser Selbstermächtigung zum Mord, schlagartig klar.
Die aus den USA stammende Ausstellung im Museum für Fotografie wurde übrigens von der „Open Society Foundation“ des Spekulanten und Mäzens George Soros finanziert, über den 2007 im Nachrichtenmagazin „Hintergrund“ Erhellendes zu lesen war:
„Verkleidet als Menschenrechtler und Philanthrop unterstützt er prowestlich gesinnte Bürgerrechtsbewegungen und Politiker dabei, in ihren jeweiligen Ländern neoliberal eingestellte Regierungen zu installieren, um anschließend in diesen Ländern unter wirtschaftlich optimierten Bedingungen seine eigenen Geschäfte um so effektiver betreiben zu können.“
Weiterlesen:
Museum für Fotografie: "Watching You, Watching Me"
C/O Berlin: "Watched! Surveillance, Art & Photography
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