Auf Twitter geht gerade ein Videoclip von John Mearsheimer aus dem Jahr 2016 viral, wie es alte John-Mearsheimer-Videos im Jahr 2022 zu tun pflegen, wenn seine Vorhersagen, das westliche Handeln würde zur Zerstörung der Ukraine führen, sich auf erschreckende Weise bewahrheiten.
Auf die Frage, was die schlimmste außenpolitische Katastrophe der USA gewesen sei, stimmte Mearsheimer mit einem anderen Diskussionsteilnehmer darin überein, dass der Irak zu diesem Zeitpunkt die schlimmste Katastrophe gewesen sein dürfte, und sagte dann, er rechne damit, dass sich die US-Politik gegenüber der Ukraine in den kommenden Jahren als viel schlimmer erweisen werde. Er erinnerte an die Tatsache, dass Russland über Tausende von Atomwaffen verfügt und dass es durchaus möglich ist, dass diese Waffen eingesetzt werden, wenn Russland sich bedroht fühle.
„Da der Kalte Krieg weit in der Vergangenheit liegt, haben die meisten Menschen, vor allem die jüngeren, nicht viel über Atomwaffen und nukleare Abschreckung nachgedacht, und sie neigen dazu, sich recht unbekümmert über Atomwaffen zu äußern, und das macht mich sehr nervös“, sagte Mearsheimer.
2016 wurde Mearsheimer gefragt, was das größte Desaster in der US-Außenpolitik sei. Der Diskussionsteilnehmer neben ihm sagte Irak. Hier ist seine Antwort. In meiner Branche nennt man das Kristallkugel. pic.twitter.com/pFBnOIJ5Jm — David Sacks (@DavidSacks) 19. Juni 2022
Auch mich macht das nervös. Vor allem, weil wir es mit einem ständig eskalierenden Stellvertreterkrieg zu tun haben, der sich durch die Pattsituation in Litauen leicht zu einem direkten heißen Krieg zwischen Russland und den NATO-Staaten ausweiten könnte, und zudem der oberste britische Armeegeneral seine Truppen anweist, sich auf den Dritten Weltkrieg vorzubereiten.
Das meiste, was ich im öffentlichen Diskurs über eskalierende Aggressionen zwischen dem US-Militärbündnis und Russland sehe, spiegelt die unbekümmerte Haltung wider, von der Mearsheimer 2016 sprach, genauso wie meine eigenen Interaktionen mit Menschen im Internet. Auch das Verhalten der NATO-Mächte deutet auf diese unbekümmerte Haltung gegenüber Atomwaffen hin. Die Menschen, von der breiten Öffentlichkeit bis hin zu den oberen Führungsetagen des Imperiums, scheinen nicht sehr genau darüber nachzudenken, was ein Atomkrieg ist und was er bedeuten würde.
Wie Mearsheimer sagte, scheint das daran zu liegen, dass wir heute so weit von jenen Tagen entfernt sind, in denen sich jeder bewusst war, die Raketen könnten jederzeit losgehen.
Der Gedanke, dass alles durch das gleiche Szenario eines nuklearen Armageddon enden könnte, vor dem sich ihre Großeltern noch fürchteten, passt einfach nicht zum Weltbild der jungen Menschen.
Zwei Männer, die sich gegenseitig Waffen an den Kopf halten, würden dies zunächst als sehr gefährlich empfinden, aber nach einer Weile, wenn niemand abdrückt, lässt die emotionale Spannung langsam nach. Wenn die Jahre vergehen und die Männer älter werden, nimmt sie noch weiter ab. Sollten sie so alt werden, dass sie die Waffen nicht mehr halten können, und ihre Kinder und Jahre später die Kinder ihrer Kinder die Waffen übernehmen, wäre die emotionale Erfahrung der Pattsituation so gut wie vergessen.
Aber die Waffen sind trotzdem nicht weniger tödlich. Die Tatsache, dass es noch keinen Atomkrieg gegeben hat, bedeutet nur, dass er noch nicht stattgefunden hat. Dinge, die noch nie zuvor passiert sind, passieren ständig. Früher gab es keine Atomwaffen, heute gibt es sie. Die Erde ist derzeit ein bewohnbarer Planet, eines Tages wird sie es vielleicht nicht mehr sein.
Im vergangenen Kalten Krieg waren wir um Haaresbreite davon entfernt, uns selbst auszulöschen, und das nicht nur einmal, sondern viele Male.
Jegliche nukleare Brinkmanship eröffnet die Möglichkeit, dass ein Atomkrieg auf eine Art und Weise ausbricht, die zu schwer vorherzusehen und zu planen ist, weil es zu viele Kleinigkeiten gibt, die sich gegenseitig beeinflussen, zu viele Möglichkeiten, wie eine Atombombe infolge einer technischen Fehlfunktion, eines Kommunikationsfehlers, einer Fehlkalkulation und/oder eines Missverständnisses gezündet werden könnte.
Je weiter die Situation zwischen den beiden atomaren Supermächten der Welt eskaliert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht.
Natürlich haben die Mächtigen allen Grund, diese Denkweise weiterhin zu bestärken.
Sollte eine kritische Masse der Bevölkerung wirklich begreifen, dass ihr Leben durch einen Atomkrieg bedroht wird, und zwar aus keinem anderen Grund als der Bereitschaft des US-Imperiums, alles zu riskieren, um die weltweite Hegemonie zu sichern, würde es sofort schwierig, mit ihnen umzugehen.
Die Manager des Imperiums planen, sich nicht nur auf nukleare Brinkmanship einzulassen, sondern in ihren langfristigen Agenden gegen Russland und China es auch der Öffentlichkeit finanziell schwerer zu machen, und alle spielen nur mit, wenn sie nicht verstehen, was ihnen angetan wird.
Das ist der Grund, weshalb sich die Medien in den vergangenen Jahren so seltsam verhalten haben. Es werden Agenden geschmiedet, denen kein vernünftiger Mensch zustimmen könnte, sofern er sie vollständig verstehen würde, also muss ihre Zustimmung mittels massiver Propaganda hergestellt werden. Das ist auch der Grund, warum die Internetzensur in dieser Zeit einen hohen Stellenwert einnimmt: Die Menschen dürfen ihre neu gewonnene Möglichkeit zum Informationsaustausch nicht dazu nutzen, sich in die narrativen Manipulationen des Imperiums einzumischen.
Wir werden in ein propagandistisches Koma versetzt, während immens mächtige Leute mit unserem Leben ein gefährliches Spiel treiben. Daher ist es in unserem Interesse, einen Weg zu finden, so schnell wie möglich aufzuwachen.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst am 23. Juni 2022 unter dem Titel „People Don’t Think Hard Enough About What Nuclear War Is And What It Would Mean“ im Blog von Caitlin Johnstone. Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektorat lektoriert.
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