Wie kommt es dazu, dass so ein kritisches Medium wie der Rubikon plötzlich Räumlichkeiten beim ZDF bezieht?
Vor ein paar Wochen kam dieser Anruf aus den Vereinigten Staaten, zunächst hatte ich das für einen schlechten Scherz gehalten. Wir haben ja beim Rubikon bis vor Kurzem noch in einem Kellerlokal gehaust, ein Dixi-Klo vor der Tür war der größte Luxus.
Heißt das, die Spenden der Leser flossen nur zäh?
An manchen Tagen mussten wir uns in der Redaktion auf ein altes klappriges Fitnessrad setzen, um über einen selbstgebastelten Generator Strom in unser dunkles Büro einzuspeisen. Nein, Spaß beiseite, wir haben den Kitt aus den Fensterrahmen gefressen.
Und dann hat das Telefon geklingelt?
Das war wirklich völlig verrückt. Es war Freitagnachmittag, kurz vor Redaktionsschluss. Ein Mann mit leicht amerikanischem Akzent meldete sich bei mir mit den Worten, dass er den Rubikon seit einem Jahr verfolge und das Konzept grundsätzlich sehr spannend finde. Ein kritisches Magazin dürfe allerdings nur in der Außenwirkung kritisch wirken, inhaltlich aber niemals wirklich kritisch sein, insbesondere nicht gegen NATO-Staaten.
(Wernicke wirkt in diesem Moment auf mich, als könne er noch immer nicht fassen, was ihm widerfahren ist.)
Am Telefon sagte der Mann zu mir, er würde uns in den nächsten 5 Jahren 1 Million Euro an Spendengeldern zusagen, wenn wir mitspielten. Zunächst habe ich das für einen schlechten Witz gehalten. Unser Beiratsmitglied Dr. Daniele Ganser hat ab und zu den Schalk im Nacken und macht gerne zwischendurch solche Spaßanrufe mit verstellter Stimme, wenn ihm in der Schweiz ein wenig langweilig ist.
Wenn ich Sie richtig verstehe, und die neuen Räumlichkeiten des RUBIKON hier sehe, dann ist es ja kein Scherz gewesen. Wer steckt denn jetzt hinter der großzügigen Spende?
Das können wir nur vermuten. Ich hatte dem Anrufer die Spendenkontonummer des Rubikon genannt, um zu überprüfen, ob er es ernst meint und bereits eine Woche später waren die ersten 50.000 Euro auf unserem Konto. Im Verwendungszweck stand: „Bertelsmann“.
Bertelsmann? Wie haben Sie reagiert?
Ich war echt baff. Es war Freude und Anspannung zugleich. Schließlich wusste ich, dass wir für das Geld auch was abliefern müssen. Ich hatte ja mal vor Jahren ein kritisches Buch über Bertelsmann veröffentlicht, „Netzwerk der Macht“, naja, wie soll ich sagen, alles hat eben am Ende seinen Preis.
Das habe ich jetzt nicht verstanden, WAS konkret ist der Preis?
Wir haben das Buch umgehend vom Markt genommen.
(Jens Wernicke wirkt auf mich plötzlich angespannt. Er nippt mehrfach nervös an seinem Kaffee, schaut immer wieder auf seinen neuen Breitling-Chronographen und möchte am liebsten abbrechen. Ich aber bleibe am Ball und hake weiter nach!)
Wie hat der Verlag darauf reagiert?
Ja, toll fanden die das natürlich nicht, aber ich hab ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt, entweder das Buch verschwindet oder ich muss das meinem Anwalt übergeben. Geld genug wäre ja plötzlich da gewesen für so eine juristische Auseinandersetzung. Der Verlag hat das aber sofort begriffen und keinen weiteren Zirkus gemacht. Und das Verrückte, kaum war das Buch nicht mehr bestellbar, trudelte 14 Tage später eine persönliche Einladung von Liz Mohn hier ein, zu ihrem 77. Geburtstag.
Mal Hand aufs Herz Herr Wernicke, hatten Sie zwischendurch mal ein schlechtes Gewissen?
Ein klares NEIN. Schon Friedrich Nietzsche hat gesagt: alles Sehen ist perspektivisch. 1 Jahr lang haben wir jetzt die Welt durch die Friedensbrille betrachtet – jetzt betrachten wir sie mal eine Zeit lang durch die NATO-Brille, und eines kann ich jetzt nach der kurzen Zeit schon sagen: Mit Geld macht das am Ende alles einfach viel mehr Spaß.
Das Geld ist ein gutes Stichwort, das soll ja vor allem auch neuen Journalisten zu Gute kommen, Sie suchen dringend Verstärkung, man kann sich bei Ihnen als Redakteur bewerben?
Oh ja, Bewerbungen bitte per E-Mail an: natowriters@rubikon.news. Das landet dann direkt hier bei mir auf dem Computer.
Wir wollen gemeinsam mit neuen Köpfen den Journalismus komplett umdrehen. Weniger unbequeme Fragen stellen, dafür mehr PR machen und das mit einem klaren Ziel vor Augen: die nächste Überweisung unseres anonymen Spenders.
Haben Sie nicht Angst, dass die bisherige Leserschaft des RUBIKON das Handtuch wirft?
Ich wusste, dass Sie diese Frage stellen. Unsere Leser sind uns natürlich heilig. Aber auch sie sollen endlich damit aufhören können, sich solche schlimmen Sorgen zu machen, dass etwas mit unserem System nicht stimmt. Sehen sie mal, wenn man ständig darüber grübelt, ob der Raubtier-Kapitalismus etwas Gutes ist, das macht einen ja komplett verrückt. Ich stand mit einem Bein im Irrenhaus. Und dann kommt plötzlich die Rettung in Form von 1 Million Euro und alles ist plötzlich gut. Ich möchte den Lesern des RUBIKON zurufen: Das könnt ihr auch!
(In diesem Augenblick klingelt das Handy von Jens Wernicke, er signalisiert, dass er rangehen muss, es scheint ein weiterer Geldgeber zu sein, so viel kann ich aus dem Gespräch heraushören. Nach 5 Minuten ist das Telefonat beendet. Der Herausgeber des Rubikon strahlt mich an wie ein Honigkuchenpferd: Friede Springer plane ebenfalls beträchtliche Summen an den Rubikon zu spenden.)
Man könnte also sagen: beim RUBIKON ist gerade alles im FLUSS?
Oh ja, das ist wirklich ein sehr berührender und emotionaler Moment. Mit diesem Anruf kann ein lang ersehnter Wunsch von mir endlich Wirklichkeit werden: Noch vor ein paar Wochen war der einzige Cayenne, den ich mir leisten konnte, in meinem Pfeffer-Streuer — ab heute hat er vier Räder.
Na dann hoffen wir mal, dass dieser Rubikon-Fluss nicht den Bach runtergeht. Vielen Dank für das Gespräch!
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.