„Wohin willst du gehen, wohin dich wenden? Es gibt niemanden mehr von deiner Art“, heißt es am Ende des Sci-fi-Horrorfilms The Body Snatchers von 1993. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman — zu Deutsch Die Körperfresser kommen — von Jack Finney. Derselbe Stoff ist noch weitere dreimal verfilmt worden: 1956 als stimmungsvoller Schwarz-Weiß-Klassiker unter dem Titel Die Dämonischen, 1978 mit Donald Sutherland unter dem Titel Die Körperfresser und 2007 als Invasion mit Nicole Kidman und Daniel Craig.
Allen Versionen ist ein unheimliches Szenario gemeinsam. Sie entwerfen die Vision einer Welt, in der die Menschen Zug um Zug durch Außerirdische ausgetauscht werden, die ihre Gestalt annehmen. Niemand weiß, wer noch Mensch und wer schon Alien ist. Aufmerksame erkennen die Invasoren aber an einem besonderen Kennzeichen: dem seelenlosen Blick und dem absoluten Mangel an Mitgefühl. Die solcherart Verwandelten sprechen unisono von einem Gefühl der Freiheit, das mit dem Verlust aller Emotionen verbunden sei. Sie beschwören die „Noch-Menschlichen“, sich freiwillig umwandeln zu lassen.
Keinem ist zu trauen
Über die Gründe dafür, warum dieser Stoff gerade in unserer Zeit wiederkehrt, kann man Spekulationen anstellen. Die Körperfresser-Filme formulieren eher ein diffuses Unbehagen als offene Anklage gegen ein System. Wie die neuere Welle der Zombieserien (The Walking Dead oder auch Game of Thrones) geben sie Zeugnis von einem tiefen Entfremdungsgefühl vieler Menschen in einer Welt, in der alle — vom harmlosen Nachbarn, über die Berufskollegin bis hin zum Liebespartner — plötzlich „verrückt zu spielen“ scheinen. Wo vertraute Personen zu kalten, fremden, innerlich scheinbar ausgehöhlten Wesen oder gar zur existenziellen Bedrohung werden.
Die paranoide Grundannahme lautet: Keinem ist zu trauen, jeder ist suspekt, weil er urplötzlich zu einem Teil „ihrer Welt“ geworden sein kann. Und selbst der fürchterlichste der Albträume nimmt Gestalt an: Das Schlimmste nämlich wäre nicht, dass „sie“ dich beherrschen, sondern dass sie in einem solchen Ausmaß von dir Besitz ergreifen könnten, dass du nicht mehr fähig bist, zu wünschen, dass es anders wäre.
Eugène Ionescos absurdes Theaterstück Die Nashörner aus dem Jahr 1959 ist ein weiteres Urbild dieses Geschichtentyps, in dem sich eine harmlose bürgerliche Welt in einem schleichenden, eskalierenden Prozess ins Unmenschliche verwandelt. Jeder Mitspieler wird in diesem Stück buchstäblich zum Nashorn — auf der Bühne dargestellt durch groteske Tiermasken. Die Frage, die sich den verbleibenden „Normalen“ unweigerlich stellt, ist: Wie kann ich angesichts dieser überwältigenden Übermacht sicher sein, dass meine Existenz- und Denkform die „richtige“ ist? Ist mein verzweifelter Widerstand gegen die Verwandlung in ein Nashorn noch legitim, oder bin längst ich der Exot, das Monster?
Wer erlebt hat, wie sich Kriegsstimmung, Rassenhass oder Seuchenangst epidemisch in einer vormals gemäßigten, leidlich humanen Gesellschaft ausbreiten, kann das „Nashörner“-Feeling schon atmosphärisch gut nachempfinden. Heute, könnte man sagen, haben die „Nashörner“ des neoliberalen Ökonomismus verdächtig große Bereiche unserer Gesellschaft vereinnahmt. Sie haben erschreckend viele einstmals integre Individuen „umgedreht“.
Was unsere tägliche Wahrnehmung prägt, ist weniger die Begegnung mit „bösen“ Einzelwesen à la Sauron oder Lord Voldemort, es ist vielmehr die existenzielle Erfahrung einer Verwandlung unserer vertrauten Welt hin zum Bedrückenderen, zum Kälteren und zum Inhumaneren.
Eine kafkaeske Epoche
Zu den Stammvätern eines Genres, das man als „Social-Fiction“, „Dystopie“ oder „ernste Gesellschaftssatire“ bezeichnen könnte, gehören neben Ionesco zweifellos auch Franz Kafka und George Orwell. Beide sind geistige Wegbereiter eines Aufbegehrens gegen die sanfte, doch aufdringliche Kontrolle des Einzelnen durch ein übermächtiges Kollektiv, dessen Waffe nicht das Bajonett ist, sondern der Bescheid oder das graue, eingefrorene Gesicht eines Beamten. Wer schon einmal versucht hat, sich im Behördendschungel unserer gegenüber sozial Schwachen betont erbarmungslosen Epoche Sozialleistungen wie Wohngeld, Bafög oder Hartz-IV zu erstreiten, den mag schon mal jenes typisch kafkaeske Lebensgefühl beschleichen, selbst wenn er Kafka nie gelesen hat.
In der Geschichte der Filmkunst haben Social-Fiction und negative Utopie ein unerreichtes Vorbild, den Schwarz-Weiß-Klassiker Metropolis aus dem Jahr 1927. Darin wird die Vision einer drastisch in Arm und Reich gespaltenen Gesellschaft gezeichnet. Die Arbeiter leben „in der Tiefe“, in unterirdischen Städten, um sich bis zur Erschöpfung in einer inhumanen Maschinenwelt abzurackern. Die künstlich geschaffene Maschine wird darin — meines Wissens erstmals in der Filmgeschichte — als Herrin ihres Schöpfers, des Menschen, gezeichnet. Sie kontrolliert seine Existenz und droht ihn sowie seine Arbeitskraft zu verschlingen. Die reiche Oberkaste in Metropolis, Nutznießerin des Fleißes von unzähligen Arbeitssklaven, sonnt sich derweil tatenlos und unbewusst der gesellschaftlichen Zusammenhänge in Lustgärten und auf Fitnessparcours.
Nebenbei gelingt Regisseur Fritz Lang auch noch eine grandiose Satire auf die Sozialdemokratie. Die Arbeiterführerin Maria wird vom Konzernchef Joh Fredersen durch eine synthetische Roboter-Doppelgängerin ersetzt:
„Ich will, dass du zu denen in der Tiefe gehst, um das Werk deines Vorbilds zu vernichten.“
Ähnlich den Sozialdemokraten und Grünen von heute wird also in Metropolis eine Idealistin durch eine Idealistendarstellerin ersetzt, die in Wahrheit die Interessen des Kapitals vertritt. Der Film endet allerdings versöhnlich mit dem Satz:
„Mittler zwischen Kopf und Hand muss das Herz sein“.
Unternehmensführung und Arbeiterschaft sollen sich wieder liebhaben, da durch revolutionäre Gewalt nichts gewonnen ist.
Fritz Langs Geniestreich hatte einen enormen Einfluss auf eine ganze Reihe von sozialkritisch motivierten Science-Fiction- und Mystery-Filmen. So schien Terry Gilliams Brazil (1985) Orwell mit Metropolis verschmelzen zu wollen. Sie leben von John Carpenter (1988) zeichnete das Bild einer fast schon vollendeten Alien-Invasion. Die Besetzer — die äußerlich wie Menschen aussehen — senden über Rundfunk und Plakatwände beständig verschlüsselte Botschaften an die Bürger aus: „Gehorche!“, „Konsumiere!“, „Passe dich an!“ Zweifellos ein Szenario, das, wenn schon nicht buchstäblich real, so doch auf beklemmende Weise wahr zu sein scheint. Legt die Duldungsstarre unserer Bevölkerung angesichts einer eklatant ihren Interessen widersprechenden Politik etwa nicht den Gedanken an Massenhypnose nahe?
„Sie werden assimiliert werden“
Einflussreich waren in den 1990er-Jahren auch bestimmte Fernsehserien, die die gedankliche Fackel der in Romanen, Theaterstücken und Filmen entzündeten Verschwörungsängste weitertrugen. Zu erwähnen sind vor allem die Star-Trek-Serien The Next Generation und Voyager, in denen sich die hoch interessante Wesensgruppe der Borg tummelt. Diese Aliens — halb Mensch, halb Roboter — sind an ein allmächtiges Kollektivbewusstsein angeschlossen, das ihnen keinen freien Willen lässt, sie jedoch mit dem Versprechen lockt, sich nie mehr allein zu fühlen. Die Borg assimilieren alle Lebewesen, derer sie habhaft werden können, indem sie sie mithilfe grotesker Metallimplantate verdrahten. Mit dem im Chor gesprochenen Mantra „Widerstand ist zwecklos. Sie werden assimiliert werden!“ nähern sich die Borg allen arglos durch den Raum treibenden Schiffen. Die so Verwandelten sind nicht mehr in der Lage, sich etwas anderes zu wünschen als „angeschlossen“ zu sein. Wir haben es somit mit einer ins Unheimliche verfremdeten Variante spiritueller All-Einheits-Fantasien zu tun.
Die Hochblüte der Begeisterung für die Borg fiel denn auch mit der Frühzeit der Bush-Administration zusammen. Durch die wegfallende Konkurrenz des real existierenden Sozialismus schien der Boden für die vollständige Assimilation aller Widerstrebenden mittels des obsiegenden neoliberalen Kollektivbewusstseins bereitet.
Die eigene Regierung ist der Feind
Einen großen Einfluss hatte in den 1990er-Jahren auch Chris Carters geniale Serie Akte X, die die bisher einer skurrilen Minderheit vorbehaltenen Verschwörungstheorien einer breiteren Masse von Fernsehzuschauern zugänglich machte. „Vertraue niemandem!“, das Kult gewordene Pop-Mantra der Serie, ist — so Chris Carter — nichts anderes als ein Aufschrei der verletzten Kollektivseele, denn jeder, so Carter, möchte doch irgendjemandem vertrauen können.
Doch wem können wir noch vertrauen? Früher bezogen sich Verschwörungstheorien in Filmen stets auf Feinde von außen — Spione im Dienst des kommunistischen Klassenfeindes oder schlicht größenwahnsinnige Kriminelle. Sie traten wie der französische Filmbösewicht Fantomas in verschiedenen Masken auf. Man wusste nie, wem man trauen konnte, weil sich hinter jedem vertrauten Gesicht der Feind verbergen konnte. Immer aber gab es klar konturierte Kräfte des „Guten“, in deren Hände man sich vertrauensvoll begeben konnte, etwa einen Kommissar oder einen Agenten der „richtigen“ Seite.
Heute hat sich das Bild gewandelt. Der Staat selbst wird zum Gegner, zur Bedrohung für den Einzelnen in seinem Bedürfnis nach Freiraum und unverletzter Integrität.
Man traut „seinen“ Politikern, Geheimdienstlern und Wirtschaftsführern buchstäblich alles zu: genetische Experimente an lebenden Menschen, die Auslieferung von Bürgern an außerirdische Invasoren, Gedankenkontrolle-Strahlen aus dem Fernsehapparat, Ausplünderung mittels Steuer- und Zinswucher sowieso.
Wem kannst du noch trauen, wenn die zu deinem Schutz Bestellten dich verraten? Diese in Akte X geläufige Frage dürften sich auch die zum größten Teil muslimischen Bürger gestellt haben, die auf deutschem Boden von einer ganz anderen Art von Aliens verschleppt wurden — von der CIA, Agenten im Dienst eines mittlerweile faschistoiden US-Systems. Nicht zufällig entstand das Akte-X-Lebensgefühl nach dem Fall der Mauer und dem scheinbaren Verlust aller vertrauten Feinde, deren chronische Schurkenhaftigkeit vorher zu den verlässlichen Konstanten des Lebens gehörte.
Politische Verschwörungstheorien der Gegenwart sind auch eine Gegenreaktion auf den scheinbar in Erfüllung gegangenen, sich aber immer mehr zum Albtraum wandelnden Traum von der unangefochtenen Weltherrschaft des „Guten“, der bieder-bürokratischen Demokratien westlicher Prägung und ihrer zur Wirtschaftsdiktatur degenerierten kapitalistischen Strukturen.
Die Mythologie der Serie beinhaltet, dass eine Gruppe von Weltverschwörern ein Abkommen mit den Aliens abschließt, das diesen die „Nutzungsrechte“ für Experimente an lebenden Menschen einräumt. Das Argument der Dunkelmänner: Da die Aliens ohnehin unbesiegbar sind, versuchen wir durch unser Entgegenkommen Schlimmeres zu verhindern. Die Situation erinnert fatal an die Tatsache, dass fast alle Regierungen der Welt heute ihre Bürger der Wirtschaft zur Verwertung überlassen. Gleichzeitig exekutieren sie willfährig die Diskriminierung der nicht mehr Verwertbaren (Empfänger von Sozialleistungen). Die Medien übernehmen dabei die Propagandaarbeit, die der Verschleierung des wahren Sachverhalts dient.
Die Geburt des dunklen Imperiums
Philosophisch verblüffend ergiebig sind auf den zweiten Blick aber auch einige Star-Wars-Filme. Die erste Star-Wars-Trilogie, die Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre in den Kinos lief, erzählte die Geschichte eines bösen Imperiums, das die Galaxie beherrschte. Eine kleine Rebellentruppe unter der Führung von Luke Skywalker konnte die Macht des unbesiegbar scheinenden Imperiums brechen. Damals lange vor dem Fall der Mauer, mochten Kinobesucher das „Imperium“ wohl am ehesten mit dem Staatenbund des Warschauer Pakts identifiziert haben. Die hölzern agierenden Schergen des Feindes sahen in den Filmen immer ein bisschen aus, wie man sich russische Soldaten vorstellte.
2005 lief in den Kinos der letzte Teil des sogenannten Prequels zur ursprünglichen Star-Wars-Trilogie in den Kinos, eine Geschichte also, die chronologisch vor dem 1977 veröffentlichten ersten Star-Wars-Abenteuer angesiedelt ist. Zu unserem Erstaunen werden wir dort Zeuge, wie sich die Galaxie aus einer funktionierenden, auf ethische und spirituelle Werte gestützten Demokratie in jenes dunkle Imperium wandelt, gegen das Luke Skywalker später kämpfen wird. Lukes Vater Anakin paktiert mit der dunklen Seite der Macht und wird zu Darth Vader. Seine Geliebte, Prinzessin Padmé Amidala, gibt in einem Dialog folgende bemerkenswerte Erkenntnis zu Protokoll:
„Hast du je darüber nachgedacht, ob wir nicht vielleicht auf der falschen Seite stehen? Was ist, wenn die Demokratie, der wir zu dienen glaubten, nicht mehr existiert, und die Republik zu dem Bösen geworden ist, das wir bekämpfen wollten?“
Es ist erschreckend, wie deutlich und unverhohlen es Drehbuchautor George Lucas sagt: Das dunkle Imperium, es sind die USA selbst. Noch genauer gesagt: Wir sind es: die Westmächte, die sich einst im sicheren Besitz der humaneren Ideologie wähnten. Wie König Ödipus haben wir uns auf die Suche begeben, ein Verbrechen aufzudecken und den Täter aufzuspüren — und zu unserem namenlosen Entsetzen stellen wir fest: Wir sind es selbst!
Der wachsende Schatten
Filme mit dunklen Herrschern, die einen bedrohlichen Schatten auf ein Land mit zuvor intaktem Sozialgefüge we rfen, sind nicht selten zu sehen. Dazu gehören natürlich die Trilogie Der Herr der Ringe, Die Chroniken von Narnia und unlängst die Serie Game of Thrones. Sie thematisierten die Selbstbehauptung tapferer Einzelkämpfer vor dem Hintergrund gewalttätiger Unrechtsregime, die häufig eine eskalierende Entwicklung hin zum Negativen durchliefen.
Sogar die scheinbar harmlose Harry-Potter-Reihe spiegelt das unbehagliche Grundgefühl eines „wachsenden Schattens“ wider. In Harry Potter und der Orden des Phönix installiert ein neues Schulregime in der Zauberschule Hogwarts ein Geflecht schikanöser „Sicherheitsmaßnahmen“, das die Schüler stärker stranguliert und beeinträchtigt als der gefürchtete „Terrorist“ Lord Voldemort selbst. Wenn der „Gute Vater“, Hogwarts-Direktor Albus Dumbledore, im Film durch die faschistoide Bürokratin Dolores Umbridge ersetzt wird, spiegelt sich darin die schleichende Entdemokratisierung der westlichen Demokratien, in denen Vater Staat seine Bürger unter dem Vorwand von „Sicherheitsmaßnahmen“ zunehmend gängelt.
Angst regiert
Die schärfste und kühnste Kritik am politischen Establishment stellt sicher der Film V wie Vendetta aus dem Jahr 2006 dar, dessen Drehbuch die Geschwister Wachowski geschrieben haben. Der Film wurde zu einer Art 1984 der Post-Nine-Eleven-Ära. Der Vendetta-Film, der auf einer Graphic Novel der britischen Zeichner Alan Moore und David Lloyd beruht, spielt in einem faschistischen Großbritannien der Zukunft. Eine Serie von Anschlägen mit Biowaffen auf eine Schule und eine U-Bahnstation steht hier stellvertretend für die Anschläge des 11. September 2001. Nahezu unverhüllt werden Nine-Eleven-Verschwörungstheorien zitiert, wenn der Ermittlungsbeamte sagt:
„Was wäre, wenn der schlimmste, der grauenhafteste Anschlag mit Biowaffen in der Geschichte dieses Landes nicht das Werk religiöser Extremisten war? Was wäre, wenn jemand anderes das Virus losgelassen hat? Würde man wirklich wissen wollen, wer es war? Selbst wenn es jemand war, der für diese Regierung arbeitet?“
Der geniale Terrorist V — stets verhüllt von einer grotesken Maske — enthüllt schließlich das Geheimnis, das der Errichtung einer totalitären Diktatur auf dem Boden des einst demokratischen Großbritannien zugrunde liegt:
„Stellen Sie sich ein Virus vor, das furchtbarste Virus, das es gibt. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie und nur Sie hätten das Heilmittel dagegen. Wenn Ihr übergeordnetes Ziel Macht ist, wie lässt sich so eine Waffe am besten einsetzen?“
Aufgrund dieser Überlegungen schlägt ein skrupelloser Politiker vor, „dass das Ziel nicht ein Feind des Landes sein soll, sondern das Land selbst. (…) Aufgeheizt durch die Medien können sich Angst und Panik schnell verbreiten, erschüttern und spalten das Land, bis endlich das wahre Ziel in Sichtweite kommt.“ Kurz vor den Wahlen bringt ein Pharmakonzern, den führende Mitglieder einer Partei kontrollieren, ein Wunderheilmittel auf den Markt. Die Partei um Großkanzler Adam Sutler gewinnt die Wahl haushoch.
„Aber das Endergebnis, die Genialität des Plans war die Angst. Angst wurde das ultimative Werkzeug dieser Regierung.“
Der Film enthüllt die Mechanismen der Macht. Er gibt aber nicht nur Politikern und der manipulativen Funktion der Medien Schuld, sondern lenkt den Blick auf die Passivität und das ängstliche Sicherheitsbedürfnis des Volkes selbst. Terrorist V besetzt eine Fernsehstation und sendet im ganzen Land eine aufrüttelnde Rede über die TV-Schirme, in der er das Volk zum Widerstand aufruft:
„Die Wahrheit ist, dass etwas in diesem Land ganz fürchterlich im Argen liegt, nicht wahr? Grausamkeit und Ungerechtigkeit, Intoleranz und Unterdrückung. Wo man einst die Freiheit zu widersprechen besaß, zu reden wie man es für richtig hielt, hat man nun die Zensoren und Überwachungssysteme, die einen zur Konformität zwingen. Wie konnte es dazu kommen? Wer hat Schuld? (…) Um ehrlich zu sein, wer einen Schuldigen sucht, der muss nur in den Spiegel sehen. Ich weiß, warum ihr es getan habt. Ich weiß, dass ihr Angst hattet. Wer hätte das nicht? Krieg, Terror, Krankheit … Myriaden von Problemen haben sich dazu verschworen, eure Vernunft zu manipulieren und euch eures Verstandes zu berauben. Angst gewann die Oberhand. Und in eurer Panik habt ihr euch an den heutigen Großkanzler gewendet: Adam Sutler. Er versprach euch Ordnung, er versprach euch Frieden. Als Gegenleistung verlangte er nur euer gehorsames Einverständnis.“
„Eine Regierung sollte Angst vor ihrem Volk haben“
„V wie Vendetta“ fasst noch einmal exemplarisch alle Motive zusammen, die in den Social-Fiction-Produktionen der vergangenen 15 Jahre erkennbar waren:
- Politiker lügen. Uns wird eine Scheinwelt vorgegaukelt, um Macht über uns auszuüben.
- Nicht ausländische Mächte oder Terroristen stellen eine Bedrohung dar. Der Bürger wird durch seine eigene Regierung verraten.
- Eine Demokratie wandelt sich durch skrupellose Machenschaften einer kleinen Clique zur totalitären Diktatur — mit Duldung einer passiven und ängstlichen Öffentlichkeit.
Wer heute nach einem „Nachfolger“ der überwiegend älteren Filme aus den Neunzig er- und Nuller-Jahren sucht, der sei auf die geniale Netflix-Serie Black Mirror von Drehbuchautor Charlie Brooker (seit 2011) verwiesen. Hier werden in einstündigen, dystopischen Episoden vor allem die Tücken modernster Technologie in Verbindung mit Überwachung und Repression abgehandelt. Auch das chinesische Social-Credit-System bekommt sein Fett weg (Episode Abgestürzt). Ebenso wird eine ins Groteske übersteigerte Vision totaler Medienmanipulation gezeigt (Das Leben als Spiel).
Black Mirror ist mit seinen technikaffinen Dystopien ein gelungenes Update der genannten Klassiker. Empfehlenswert ist auch The Circle nach einem Buch von Dave Eggers, eine Dystopie, die vor allem aufdeckt, wie sich Menschen ihrer totalen technikgestützten Überwachbarkeit freiwillig hingeben. Weitere massentaugliche Filme und Serien dieser Art wären wünschenswert, zumal große Teile der sogenannten intellektuellen Elite die Erosion der Demokratie und die wirtschaftstotalitären Entwicklungen auf unserem Planeten zu verschlafen scheinen . Zu empfehlen sind in jedem Fall auch die Filme des aktuellen Regie-Oscar-Preisträgers Bong Joon-ho, in unserem Zusammenhang vor allem The Host und Snowpiercing.
Vielleicht gibt es nur eine Lösung für das politische Dilemma unserer Zeit, und V wie Vendetta hat die Richtung vorgegeben:
„Ein Volk sollte keine Angst vor seiner Regierung haben, eine Regierung sollte Angst vor ihrem Volk haben.“
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