Zur Vorgeschichte des US-Raketenabwehrschildes
Die Planungen für einen US-Raketenabwehrschild haben bereits unter dem US-Präsidenten Ronald Reagan begonnen. Mit der Strategic Defense Initiative, die er 1983 anordnete, sollte ein im Weltraum stationiertes Waffensystem zum Abfangen russischer Interkontinentalraketen entwickelt und den USA ein entwaffnender atomarer Erstschlag gegen die Sowjetunion und damit ein Sieg in einem Atomkrieg ermöglicht werden.
Diese Planungen verstießen natürlich gegen den 1972 zwischen den USA und der Sowjetunion geschlossen ABM-Vertrag, mit dem die Anzahl der den beiden Seiten gestatteten Raketenabwehrsysteme begrenzt worden war. In einem 1985 an Bundeskanzler Helmut Kohl gerichteten offenen Brief und auf der 51. Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft im Jahr 1987 warnten deutsche Wissenschaftler vor der SDI, weil sie vermutlich nicht zu realisieren sei, aber die Abrüstung erschweren und das Risiko eines irrtümlich ausgelösten Atomkrieges erhöhen werde.
Wegen zahlreicher Fehlschläge wurde die SDI nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende 1991 vorübergehend ausgesetzt. Aber US-Präsident Bill Clinton ließ das Projekt unter dem neuen Namen National Missile Defense bereits 1994 wieder aufleben.
Nachdem US-Präsident George W. Bush 2002 den ABM-Vertrag einseitig gekündigt hatte, beauftragte er die Missile Defense Agency des US-Verteidigungsministeriums mit der umgehenden Realisierung eines Raketenabwehrschildes zur Vorneverteidigung der USA in Europa. Weil sich die Europäer an den horrenden Kosten dieses Abwehrschildes beteiligen sollen, wurde er ihnen von Anfang an als Instrument der NATO verkauft, was er aber keineswegs ist. Die von der Bush-Regierung entwickelten Pläne sahen spezielle Radarstationen in Großbritannien und Tschechien und eine verbunkerte Raketenbatterie in Polen vor. Wegen der von der russischen Regierung erhobenen Einwände stießen sie aber in Großbritannien und Tschechien auf Widerstand.
US-Präsident Barack Obama erweckte nach seinem Amtsantritt zunächst den Eindruck, das Verhältnis zu Russland verbessern und auf den Raketenabwehrschild verzichten zu wollen. Nach einem Treffen mit dem damaligen russischen Präsidenten Medwedew zeichnete sich jedoch schnell ab, dass er das keineswegs beabsichtigte, sondern den unter Bush geplanten Abwehrschild sogar noch ausbauen wollte.
Die Obama-Regierung ließ das neue, in vier Phasen gegliederte Konzept European Phased Adaptive Approach entwickeln und wies alle von Russland vorgebrachten Beteiligungswünsche und Bedenken mit der gebetsmühlenartig vorgebrachten, aber unzutreffenden Behauptung zurück, der US-Raketenabwehrschild werde nicht gegen russische, sondern nur gegen iranische Raketen errichtet.
Die vier Phasen des EPAA unterscheiden sich durch die Reichweite der abzufangenden Raketen und die dafür vorgesehenen Ortungs- und Waffensysteme.
In Phase 1 (bis 2011) sollten Kurzstreckenraketen bis 1.000 km Reichweite mit land- und seegestützten Spezialradargeräten erfasst und mit auf US-Lenkwaffenzerstörern stationierten SM-3-Raketen des Abwehrsystems Aegis abgefangen werden.
In Phase 2 (bis 2015) sollten Mittelstreckenraketen bis 3.000 km Reichweite mit verbesserten Ortungssystemen erfasst und mit mobilen seegestützten und stationären landgestützten Raketen des Systems Aegis abgefangen werden.
In Phase 3 (bis 2018) sollten Mittelstreckenraketen bis 5.000 km Reichweite außer mit Raketen des Sytems Aegis auch mit Raketen des mobilen landgestützten THAAD-Sytems abgefangen werden, die auch über spezielle Satelliten und mit Infrarotsensoren ausgerüstete Drohnen gesteuert werden sollten.
Das in Phase 4 (bis 2020) vorgesehene Abfangen von Interkontinentalraketen mit einer Reichweite über 5.000 km soll angeblich nicht mehr realisiert werden. Der US-Raketenabwehrschild soll aber vor allem russische Interkontinentalraketen über Europa abfangen. Da er seine eigentlichen Aufgabe dann nicht mehr erfüllen könnte, dürfte dieses von der Obama-Regierung angedeutete Angebot an die zu Recht besorgte russische Regierung höchstwahrscheinlich nur ein Täuschungsmanöver gewesen sein.
Wie soll der US-Raketenabwehrschild funktionieren?
Die offizielle Kommandozentrale des US-Raketenabwehrschildes befindet sich – das ist auch aus obiger Grafik zu ersehen – im Air Component Command (AIRCOM), dem Hauptquartier aller NATO-Luftwaffen, auf der von der U.S. Air Force betriebenen Air Base Ramstein. Im Ernstfall dürfte die eigentliche Kommandofunktion aber von dem speziell dafür aufgestellten 10th Army Air and Missile Defense Command / AAMDC der U.S. Army in den Rhine Ordnance Barracks auf der Vogelweh im Westen der Stadt Kaiserslautern übernommen werden, weil das ohne jede NATO-Einmischung auch mobil agieren kann.
Dort und/oder im AIRCOM auf der Air Base Ramstein laufen die von Überwachungssatelliten und speziellen Frühwarnradargeräten – die z. B. in der Türkei platziert sind – erfassten Daten vom Start feindlicher Raketen ein. Das 10. AAMCD oder das AIRCOM erteilt dann den vier im spanischen Hafen Rota stationierten US-Lenkwaffenzerstörern, die mit dem Abwehrsystem Aegis ausgerüstet sind und nur auf der Grafik alle im Mittelmeer schwimmen, über Kommunikationssatelliten den Befehl, mit ihren SM-3-Raketen die aufgestiegenen feindlichen – sprich russischen – Raketen abzuschießen. Diese Lenkwaffenzerstörer können natürlich auch in der Ostsee oder im Schwarzen Meer, also noch näher an Russland operieren. Der Abfangbefehl kann auch an die bereits einsatzbereite landgestützte Aegis-Raketenbatterie in Rumänien und demnächst an die noch im Bau befindliche Aegis-Raketenbatterie in Polen gehen.
Im Oktober 2012 wurde im Warrior Preparation Center im Kaiserslauterer Stadtteil Einsiedlerhof das European Integrated Air and Missile Defense Center (EIAMDC) eröffnet. Das EIAMDC ist zuständig für die aufwendige Ausbildung und das Training von Soldaten, die den US-Raketenabwehrschild in Europa bedienen sollen.
Da die Phase 2 der US-Raketenabwehr in Europa bereits realisiert ist, sind wir dem von Anfang an beabsichtigten atomaren Erstschlag der USA gegen Russland schon sehr nahe gekommen.
In dem Manöver CAMDEX und anderen Übungen wurde der US-Raketenabwehrschild auch schon mehrfach erprobt.
Das eigentlich schon ab Phase 2 vorgesehene mobile Raketensystem THAAD kann – wie die zu Zeiten des so genannten NATO-Doppelbeschlusses in Europa stationierte Mittelstreckenrakete Pershing II – auch mit atomaren Sprengköpfen ausgerüstet und als Angriffswaffe eingesetzt werden. Da die Stationierung dieses Systems in Südkorea schon begonnen hat, dürften die ersten THAAD-Raketen in absehbarer Zeit auch in Europa eintreffen. Von Präsident Donald Trump sind kaum Einwände dagegen zu erwarten, denn beim Abwurf der Superbombe MOAB in Afghanistan hat er ja bereits erklärt, dass militärische Entscheidungen vor Ort künftig von den zuständigen Militärs getroffen werden sollen.
Welche Gefahren gehen von dem US-Raketenabwehrschild für die Bundesrepublik Deutschland und besonders für die Westpfalz aus?
Mit der Weigerung, das russische Angebot zur Zusammenarbeit bei der Errichtung eines Raketenabwehrschildes gegen iranische Raketen anzunehmen, hat die US-Regierung selbst zugegeben, dass sie vorrangig russische Raketen abfangen will, die einen entwaffnenden atomaren Erstschlag der USA "überlebt" haben.
Russische Politiker und Militärs haben immer wieder vor dem Aufbau eines US-Raketenabwehrschildes gewarnt und Gegenmaßnahmen wie die Aufstellung von Mittelstreckenraketen in Kaliningrad angekündigt. Nikolai Makarow, der Chef des Generalstabes der russischen Streitkräfte, hat sogar mit einem präventiven Erstschlag auf Einrichtungen des US-Raketenabwehrschildes gedroht.
Die aufgezählten Fakten müssten eigentlich alle Zweifler davon überzeugen, dass von der US Air Base Ramstein und den US-Militäranlagen in ihrer Umgebung nicht nur Bedrohungen für die Menschen der Länder ausgehen, über denen US-Killerdrohnen kreisen. Von der Air Base und den anderen im Kreis und in der Stadt Kaiserslautern konzentrierten militärischen Einrichtungen gehen auch direkte Gefahren für die Bewohner der Region Kaiserslautern, des Landes Rheinland-Pfalz, ganz Süddeutschlands und der angrenzenden Gebiete in Luxemburg, Frankreich, der Schweiz und Österreich aus.
Auch dem russischen Generalstab dürfte bekannt sein, dass bei Ramstein und bei Kaiserslautern die Kommandozentralen für den US-Raketenabwehrschild liegen. Weil Russland bei einem US-Angriff mit Atomraketen nur eine Vorwarnzeit von höchstens 15 Minuten bleibt, wurden ganz sicher bereits russische Atomraketen mit so großer Sprengkraft auf die Primärziele in der Westpfalz ausgerichtet, dass die gesamte Region schon bei einem nur irrtümlich gemeldeten Anflug einer US-Atomrakete auf Russland sofort komplett ausgelöscht und das Umland in einem Radius von mehreren Hundert Kilometern mit radioaktivem Fallout verseucht würde.
Die Kampagne Stopp Air Base Ramstein, die vom 3. bis 9. September 2017 wieder eine Aktionswoche in der Stadt und im Landkreis Kaiserslautern durchführt, wäre gut beraten, nicht nur "Keinen Drohnenkrieg!", sondern auch "Weg mit dem US-Raketenabwehrschild!" zu fordern.
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